71. Tagung der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen
23. Januar 1981
Information Nr. 30/81 über die 71. Tagung der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR am 9./10. Januar 1981
Am 9./10. Januar 1981 fand in Berlin turnusmäßig die 71. Tagung der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen1 statt, die internen Charakter trug.2
Außer Bischof Krusche3 (Magdeburg), Oberkirchenrat Müller4 (Schwerin) und Oberkonsistorialrat Völz5 (Görlitz), die aus verschiedenen Gründen nicht teilnehmen konnten, nahmen alle Mitglieder der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen an dieser Tagung teil.
Im Mittelpunkt der Tagung standen die Berichte aus den Kirchen sowie die Festlegung von Terminen für 1981. Weitere wichtige Beratungsgegenstände waren:
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Bericht des Ausschusses Kirche und Gesellschaft zur Gesprächssituation zwischen Funktionären aus Staat und Gesellschaft mit Vertretern aus den Kirchen;
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Brief der Teilnehmer aus der DDR an der Weltmissionskonferenz in Melbourne 1980 an die evangelischen Kirchengemeinden in der DDR;
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Arbeitsbericht der Theologischen Studienabteilung beim Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR;
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Diskussion über die Nachfolge von Oberkonsistorialrat Stolpe6 (Berlin) als Leiter des Sekretariats des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR;
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Diskussion über die Nachfolge von Bischof Schönherr7 (Berlin) als Vorsitzender des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR;
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Auswertung und Information über das Sachgespräch mit der Regierung zum Thema »Zweites Folgetreffen der KSZE in Madrid 1980/81«8 am 17. November 1980.
In der Diskussion zur Lage in den Kirchen sprachen Bischof Rathke9 (Schwerin), Präsident Domsch10 (Dresden), Kirchenpräsident Natho11 (Dessau), Oberkirchenrat Meyer (Dessau), Konsistorialpräsident Kramer12 (Magdeburg), Bischof Leich13 (Eisenach) und Bischof Schönherr (Berlin).14
Hervorgehoben werden besonders folgende Aussagen in den Diskussionen:
Bischof Rathke (Schwerin) brachte zum Ausdruck, dass der »Wehrkundeunterricht«15 nach wie vor von staatlichen Stellen als »Druckmittel« gegen Kinder und Jugendliche christlichen Glaubens benutzt werde. Er forderte die Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen auf, eine notwendige Klärung dieser Frage herbeizuführen. Ein weiteres Problem, das 1981 der Erörterung bedürfe, sei die staatliche Pachtzahlung für die Benutzung kirchlichen Grundbesitzes. Durch zu geringe staatliche Auszahlungen verliere die Kirche jährlich große Summen.
Danach informierte Präsident Domsch (Dresden) die Mitglieder der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen über »gute Erfahrungen« bei der Klärung der mit dem »Wehrkundeunterricht« im Zusammenhang stehenden Fragen im Raum Dresden. Es sei wiederholt gelungen, die staatlichen Stellen auf Kreisebene durch »kirchlichen Druck« zu zwingen, schriftliche Festlegungen in Schulzeugnissen über die Nichtteilnahme am »Wehrkundeunterricht« zu annullieren. Es gelte, dieses Beispiel zu verallgemeinern. Jeder solle wissen, wenn man protestiert und »Gegendruck« ausübt, müsse der Staat zurückweichen.
In diesem Zusammenhang beschloss die Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen, dass Bischof Schönherr (Berlin) und Oberkonsistorialrätin Lewek (Berlin)16 ein Gespräch zu Fragen des »Wehrkundeunterrichts« mit staatlichen Stellen anstreben sollten. Es wurde jedoch darauf verwiesen, dass dieses Gespräch »intern«, »sachlich und ruhig« und ohne Informierung von Vertretern westlicher Massenmedien stattfinden solle.
Die Erfahrung habe gezeigt, dass bei Berichten westlicher Presseorgane eine negative Reaktion des Staates und somit ein Misserfolg der Gespräche unausweichlich seien.
Kirchenpräsident Natho (Dessau) informierte über Schwierigkeiten in der Vorbereitungsphase von Kirchentagen in Dessau. Termine für diese kirchlichen Veranstaltungen hätten durch die Priorität staatlicher terminlicher Festlegungen (Volkskammerwahlen und zentrale sportliche Veranstaltungen) wiederholt verschoben werden müssen.
Oberkirchenrat Meyer (Dessau), Mitglied des Landeskirchenamtes der Evangelischen Landeskirche Anhalt, ergänzte, der Staatsapparat habe jedoch großes Entgegenkommen bei der Neufestlegung von Terminen, insbesondere für den Kirchentag in Dessau, bewiesen. Des Weiteren seien in der Durchführung des Kirchentages staatlicherseits publizistische und räumliche Möglichkeiten in einem bisher noch nicht gekannten Ausmaß geboten worden.
Konsistorialpräsident Kramer (Magdeburg)17 unterbreitete der Konferenz im Zusammenhang mit dem Bericht über die Lutherstätten in der DDR den Vorschlag, Einfluss darauf zu nehmen, dass als Leiter der staatlichen Lutherhalle in Wittenberg ein Theologe eingesetzt werde. Bischof Leich (Eisenach) entgegnete darauf, Derartiges könne man denken, aber nicht laut sagen.
Bischof Schönherr (Berlin) informierte die Mitglieder der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen über die letzte »Blues-Messe« am 14. November 1980 in Berlin.18 Schönherr schätzte ein, diese »Blues-Messe« sei sehr ruhig und diszipliniert verlaufen. Sie sollten deshalb auch im Jahre 1981 weiter durchgeführt werden.
Ein zentrales Problem sei jedoch die inzwischen angewachsene zahlenmäßige Stärke der Teilnehmer an den »Blues-Messen«. Schönherr unterbreitete deshalb der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen den Vorschlag, 1981 die »Blues-Messen« unter »freiem Himmel« durchzuführen. Als ein geeignetes Objekt nannte er den Ulmenhof in Friedrichshagen (psychiatrische Anstalt des Diakonischen Werkes).
Im Anschluss an diese Diskussion wurden durch die Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen Termine für 1981/82 festgelegt:
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13. bis 15. März 1981 – 72. Tagung der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR – Ort: Buckow
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29. Januar bis 2. Februar 1982 – Konstituierende Sitzung der neugewählten Bundessynode19 – Ort: Berlin.
Sollte es sich erforderlich machen, in Vorbereitung dieser konstituierenden Sitzung eine zusätzliche Tagung der Bundessynode einzuberufen, würde sie am 11./12. Dezember 1981 in Berlin stattfinden.
Der Bericht des Ausschusses Kirche und Gesellschaft zur Gesprächssituation zwischen Funktionären aus Staat und Gesellschaft mit Vertretern aus den Kirchen wurde von Konsistorialpräsident Kramer (Magdeburg) vorgetragen.
In dem Bericht wird festgestellt, dass es bei offiziellen Begegnungen zwischen Vertretern aus Staat und Kirche bisher nicht zu »Ansätzen von Dialogen« gekommen sei. Die Kirche wolle als »gleichberechtigter Gesprächspartner« auftreten, was ihr aber durch den »Partner als Inhaber der Macht« verwehrt werde. Man wolle den Dialog; der Partner beschränke sich aber nur auf »praktische Einzelheiten«.
Kramer schätzte in seinem Bericht die »methodischen Grundüberlegungen« der staatlichen Organe zu Fragen der Kirchenpolitik wie folgt ein:
»Für Funktionäre der Partei, die in ihrer Tätigkeit mit Kirchenfragen befasst sind, dürften sich zwei Ebenen vermischen. Einmal sind sie als Staatsfunktionäre an einer pragmatischen Regelung interessiert. Zum anderen sind sie als Parteimitglieder weltanschaulich-ideologisch motiviert.
Sie haben dafür zu sorgen, dass von der Kirche – dem einzigen in der Gesellschaft insgesamt nicht integrierten institutionellen Raum – keine Störungen für die Gesellschaft ausgehen. Daraus folgt diplomatisches Vorgehen.
Andererseits dürfen sie nicht vergessen, gerade auch an dieser Stelle prinzipienfest aufzutreten. Ideologisch wird jede andere Denkweise als die marxistisch-leninistische in den Bereich des falschen Bewusstseins verwiesen. … Je nach den persönlichen Voraussetzungen oder auch nach der augenblicklichen Situation wird der pragmatische oder der ideologische Zusammenhang stärker betont werden.«
Im Anschluss daran erfolgte eine Information der Mitglieder der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen über den Brief der Teilnehmer aus der DDR an der Weltmissionskonferenz in Melbourne.20 Der Brief enthält einen Appell an die evangelischen Kirchengemeinden, in der DDR darüber nachzudenken, wie man angesichts der weitverbreiteten Armut in der Welt selbst bescheidener leben und mit den materiellen Reserven dem Hunger und der Armut in der Welt besser entgegenwirken könne.
In dem vom Leiter der Theologischen Studienabteilung beim Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR, Dr. Planer-Friedrich, vorgetragenen »Arbeitsbericht der Theologischen Studienabteilung 1979/80«21 wird darauf verwiesen, dass die dominierenden Schwerpunkte der Theologischen Studienabteilung in den Jahren, 1979/80 – Friedenserziehung und Abrüstung (»Rahmenkonzept Erziehung und Frieden«) – Ökologie und Gesellschaft (»Leistung – Ökonomie – Persönlichkeit«) – 1981 weiter fortgesetzt und vervollkommnet werden. Im Mittelpunkt der Studien für 1981 würden die Fragen der »Wirkung von Kernwaffen« und der »Ökonomie der Rüstung« sowie eine vom Arbeitskreis »Medizin und Ethik« geschaffene Studie zu »Krankmachenden Faktoren in der Gesellschaft« stehen.22
Im Zusammenhang mit der Neubesetzung der Funktion des Leiters des Sekretariates des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR wurde von den Mitgliedern der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen beschlossen, auf ihrer nächsten Tagung im März 1981 einen Nachfolger für Oberkonsistorialrat Stolpe (Berlin) zu nominieren. (Stolpe ist von der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg zum Konsistorialpräsidenten berufen worden. Stolpe nahm diese Berufung an und wird am 1. Januar 1982 sein Amt übernehmen.)23
In Vorbereitung der Neubesetzung der Funktion legte Konsistorialpräsident Kramer (Magdeburg) der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen eine Konzeption für die Festlegung des Aufgabenbereiches und der Dienststellung des neuen Leiters des Sekretariats vor.
Auf der Tagung der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen erfolgte weiter eine Diskussion über die Nachfolge von Bischof Schönherr (Berlin) als Vorsitzender des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR. Intern wurde bekannt, dass als infrage kommende Kandidaten Bischof Krusche (Magdeburg) und Bischof Hempel24 (Dresden) genannt wurden. Durch einen Verkehrsunfall Krusches ist dessen Kandidatur fraglich geworden. Aus diesem Grunde ist Bischof Leich (Eisenach) in den Mittelpunkt der Diskussion gerückt. Leich erklärte jedoch in verschiedenen internen Gesprächen, dass er sich derzeit dieser Funktion noch nicht gewachsen fühle.
Die Diskussion zur Nachfolge Schönherrs wird auf der 72. Tagung der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen im März 1981 fortgesetzt.
Abschließend wurde den Mitgliedern der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen ein ausführliches Protokoll über den Verlauf des Sachgesprächs, das Vertreter der Regierung der DDR am 17. November 1980 mit Vertretern der evangelischen Kirchenleitungen der DDR zum Thema »Zweites Folgetreffen der KSZE in Madrid 1980/81« führten, zur Kenntnisnahme und Diskussion vorgelegt.25
(Die Materialien der 71. Tagung der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR liegen in vollem Wortlaut vor und können bei Bedarf angefordert werden.)
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