Außerordentliche Tagung der 8. Synode der Landeskirche Berlin-Brandenburg
23. November 1981
Information Nr. 600/81 über die außerordentliche Tagung der 8. Synode der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg vom 15. bis 16. November 1981 in Berlin
In der Zeit vom 15. bis 16. November 1981 fand im Stephanus-Stift Berlin die außerordentliche Tagung der 8. Synode der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg statt, an der 122 Synodale teilnahmen.1
Im Zusammenhang mit der außerordentlichen Synodaltagung wurde der neugewählte Bischof der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg, Dr. Forck2 (Berlin), im Rahmen eines am 14. November 1981, in der Zeit von 14.00 bis 16.00 Uhr, in der Marienkirche, Berlin-Mitte, Karl-Liebknecht-Straße, durchgeführten Gottesdienstes in sein Amt eingeführt. An der Amtseinführung nahmen ca. 1 000 bis 1 200 Personen teil.
Als Gäste waren ausländische ökumenische Vertreter, der Leiter der Ständigen Vertretung der BRD in der DDR, Bölling,3 die Botschafter der USA und Dänemarks in der DDR sowie Staatssekretär Gysi und weitere leitende Mitarbeiter staatlicher Einrichtungen anwesend.
Durch eine eigenmächtige Veränderung der Sitzordnung seitens des Präses Becker (Berlin), erhielt der Leiter der Ständigen Vertretung der BRD in der DDR, Bölling, seinen Platz neben Staatssekretär Gysi zugewiesen.
Die Predigt sowie weitere liturgische Handlungen (wie z. B. Übergabe des Bischofskreuzes) zur Amtseinführung wurden vom Vorsitzenden der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen, Bischof Dr. Krusche4 (Magdeburg), durchgeführt. Das Verlesen der Ernennungsurkunde erfolgte durch Präses Becker.5 Die Ausführungen von Bischof Krusche trugen theologischen Charakter. An der Zelebrierung der liturgischen Handlungen waren ausländische ökumenische Gäste beteiligt.
Im Anschluss an die Amtseinführung von Bischof Dr. Forck fand im Gemeindesaal der St. Elisabeth-Kirche Berlin ein Empfang des Bischofs Dr. Forck in Anwesenheit von 370 Personen statt. Im Rahmen dieses Empfangs sprachen der Präses von Heyl6 (Bonn/BRD) im Auftrage der Evangelischen Kirche in »Deutschland« (BRD) und Bischof Gienke7 (Greifswald) als Vertreter des Bundes der Evangelischen Kirche in der DDR.8 In den Ansprachen waren keine politischen Aussagen enthalten.
Am 15. November 1981 trat die 8. Synode zu ihrem ersten Beratungstag zusammen. Es nahmen elf ausländische ökumenische Gäste daran teil, davon sechs aus der BRD und zwei aus Westberlin.
Dabei handelt es sich um
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Kirchenpräsident Hild, Helmut (Darmstadt/BRD) – Evangelische Kirche in Hessen und Nassau Stellvertretender Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche in »Deutschland« (BRD)
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Ministerialrat von Heyl, Cornelius (Bonn/BRD) – Präses der Synode der Evangelischen Kirche in »Deutschland«
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Landesbischof Engelhardt, Klaus (Heidelberg/BRD) – Evangelische Landeskirche in Baden
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Regierungsvermessungsdirektor Reger – Evangelische Landeskirche in Baden/BRD
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Oberkirchenrat Stephan, Hans-Ullrich (Wuppertal/BRD) – Evangelische Kirche im Rheinland
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Vizepräses Beyermann – Evangelische Kirche von Westfalen
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Superintendent Karzig, Christoph (Westberlin) – Präses der Synode der Evangelischen Kirche der Union – Bereich BRD und Westberlin
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Dr. Reihlen, Helmut (Westberlin) – Präses der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg – Westberlin
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Bischof Santer, Mark (Campden/Großbritannien) – Kirche in England
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Bischof Tranda (VR Polen) – Reformierte Kirche in der VR Polen
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Senior Hromadka (ČSSR) – Evangelische Kirche der Böhmischen Brüder.
Weiter nahmen an der Synodaltagung der Kulturattaché der Ständigen Vertretung der BRD in der DDR, Staar,9 sowie ein leitender Mitarbeiter der Botschaft der USA in der DDR als Gäste teil. Ihnen wurden die Synodenmaterialien ausgehändigt.
Vertreter westlicher Massenmedien waren nicht anwesend. Durch das Präsidium der Synode wurde eine »Erklärung« abgegeben, worin das Bedauern über die Abwesenheit der Vertreter westlicher Massenmedien, und im »Interesse der Normalisierung der Beziehungen zwischen den deutschen Staaten«, die Hoffnung auf Klärung dieser Angelegenheit zum Ausdruck gebracht wird. (Der Wortlaut dieser Erklärung wird als Anlage 1 beigefügt.)
Die ökumenischen Gäste, Präses Dr. Reihlen (Westberlin), Reger (BRD) und Bischof Tranda (VR Polen), verlasen Grußworte an die Synode.
Präses Dr. Reihlen rief in seinem Grußwort die Synodalen auf, mit der in Äthiopien angeblich unterdrückten Kirche Solidarität zu üben. Weiter stellte er fest, dass die Verteidigungsminister beider deutscher Staaten ihren Beitrag zur Verteidigung des Friedens stets nur mit einer intakten Armee begründen und dabei jeweils nur die Friedensbewegung im anderen Staat begrüßen. Hier müsse die Kirche ihre Friedensaufgabe sehen.
Der kirchliche Vertreter aus der BRD, Reger, sprach sich in seinem Grußwort lobend über die Friedensarbeit der Kirchen in der DDR aus und hob hervor, dass die DDR-Kirchen hierbei einen großen Schritt weiter seien als seine Badische Landeskirche, der es auf ihrer letzten Synodaltagung nicht gelungen sei, ein Friedenswort zu verabschieden.
Der ökumenische Gast aus der VR Polen, Bischof Tranda, bedankte sich in seinem Grußwort für den »April-Brief der Frühjahrssynode« (Brief der Synode der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg an den polnischen ökumenischen Rat)10, der in der VR Polen publiziert worden sei. Über die Situation in der VR Polen informierend erklärte er, dass die Enttäuschung über die letzten Jahre in Polen sehr groß sei und man »alles selbst in Ordnung bringen« wolle.
Partei, Regierung und »Solidarność« müssten klug handeln, um die Probleme zu überwinden. Mit Bedauern stellte er fest, dass »in vielen Kreisen falsch über die Lage in der VR Polen« informiert werde.
Im Mittelpunkt der Synodaltagung standen folgende Punkte:
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Diskussion und Beschlussfassung über die »Gemeinsame Entschließung« zur Herausbildung einer Vereinigten Evangelischen Kirche (VEK)11 in der DDR;
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Stellungnahme zu den »Eingaben und Anträgen« an die Synode betreffs des »Sozialen Friedensdienstes«;12
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Neuwahl der Synodalen für die Synoden des Bundes Evangelischer Kirchen in der DDR und der Evangelischen Kirche der Union – Bereich DDR.13
In der Diskussion zur Herausbildung der VEK trat eine größere Anzahl von Synodalen mit ablehnenden Meinungsäußerungen auf. Die auf der Grundlage von organisatorischen und bekenntnismäßigen Fragen basierende ablehnende Haltung zur VEK wurde sowohl von realistischen (wie z. B. Pfarrer Heilmann,14 Caputh, Prof. Fink,15 Berlin) als auch politisch-negativen kirchlichen Kräften (wie z. B. Superintendent Furian,16 Zossen) vertreten.
In der an die Diskussion anschließenden Abstimmung fand die »Gemeinsame Entschließung« zur Herausbildung der VEK nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit (69 Befürwortungen, 47 Gegenstimmen, 6 Stimmenthaltungen).
Durch die Ablehnung der »Gemeinsamen Entschließung« zur Herausbildung der VEK durch die Synode der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg macht sich die Einberufung einer außerordentlichen Tagung der Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR am 11./12. Dezember 1981 in Berlin erforderlich.
In seinen grundlegenden Einführungen zur Problematik »Sozialer Friedensdienst« erklärte Präses Becker, dass der Synode 120 »Eingaben« (83 Einzel- und 37 Sammelzuschriften) mit ca. 400 Unterschriften zugegangen seien. (Intern wurde bekannt, dass im Verlaufe der Synode weitere »Eingaben« zur Problematik »Sozialer Friedensdienst« eingingen und sich die Anzahl der Unterschriften auf ca. 500 erhöhte.)
Danach erörterte Becker die in den Eingaben angesprochenen Fragen und Vorschläge. In diesem Zusammenhang zitierte Becker die Eingabe eines nicht namentlich genannten Christen, die stark von den anderen Eingaben abweiche. In dieser Eingabe wurde die Initiative »Sozialer Friedensdienst« kritisiert. Die Dresdener Initiative sei ein »Missbrauch der psychischen Not, in der sich Jugendliche befinden, die nicht den Dienst mit der Waffe versehen wollen«.
Man müsse zwischen der Initiative »Sozialer Friedensdienst« und den wahren Interessen der Jugendlichen unterscheiden. Außerdem sei die Leistung des Staates nicht genügend gewürdigt.
Nachdem ein Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit (ca. 120 Personen nahmen als Zuhörer an den öffentlichen Sitzungen teil) bei den Aussprachen zum »Sozialen Friedensdienst« keine Mehrheit fand, wurde eine von der Kirchenleitung erarbeitete Beschlussvorlage zum »Sozialen Friedensdienst« im Plenum und im speziell gebildeten Synodalausschuss »Friedensdienst« (60 Mitglieder, ca. 50 % der Synodalen) erörtert, wobei der Begriff »Sozialer Friedensdienst« durch die Bezeichnung »Wehrersatzdienst im sozialen Bereich« ersetzt wurde.
Die Synodalen, Prof. Fink (Berlin), Pfarrer Heilmann (Caputh), Superintendent Kühn17 (Fürstenwalde), Pfarrer Grober (Hohenbruch) und Pfarrer Berger (Berlin), traten mit realistischen Meinungsäußerungen zum »Sozialen Friedensdienst« auf.
So charakterisierte Fink z. B. die Initiative »Sozialer Friedensdienst« im Kontext der Hochrüstung als einen »Traum, aus dem man nicht mehr erwachen könnte«. Er erinnerte an die »Legalität der Verfassung« und orientierte auf den »großzügigen« Dienst als Bausoldat.18
Pfarrer Heilmann forderte die Synode auf, nach den Ursachen der derzeitigen Friedensbedrohung zu suchen. Auf der Synode sei nichts zur USA-Hochrüstung gesagt oder die Friedenspolitik der DDR gewürdigt worden.
Demgegenüber traten vor allem die Synodalen, Dipl.-Physiker Fischbeck19 (Berlin), Mitarbeiter an der Akademie der Wissenschaften, Stud. theol. Wizisla20 (Berlin), Pfarrer Alpermann (Groß-Dölln) und Landesjugendpfarrer Domrös21 (Potsdam) mit die Initiative »Sozialer Friedensdienst« unterstützenden bzw. politisch-negativen Meinungsäußerungen auf.
So bezeichnete z. B. Fischbeck die Friedenspolitik der DDR als »unglaubwürdig« und forderte die Kirche auf, sich als Friedensfaktor und Friedensbewegung zu artikulieren. Sie sollte sich mit einer »Bittschrift« an den Staatsrat wenden, in der die Regierung aufgefordert wird, ihre Friedensbereitschaft glaubwürdig zu beweisen.
Landesjugendpfarrer Domrös brachte in diesem Zusammenhang einen Antrag zur Abfassung eines Briefes an den Staatsrat der DDR durch die Synode ein. (Liegt im Wortlaut als Anlage 2 bei.)
Pfarrer Alpermann warf dem Staat vor, er lasse eine Militarisierung bereits in den unteren Klassenstufen an den Schulen zu. Er forderte, Bausoldaten sollten aus der Befehlsgewalt der Offiziere der NVA ausgegliedert werden und erklärte, der Regierung der DDR sei es nicht gelungen, über Worte hinaus mit konkreten Taten ihren Friedenswillen glaubwürdig zu bekunden.
Der Student am Sprachenkonvikt Berlin, Wizisla, forderte von der Synode in einem Antrag zur Beschlussfassung, eine Stellungnahme zum Thema »Abrüstung« zu geben, die an die Regierung der DDR gesendet werden solle. Dabei müsse überlegt werden, ob eine »einseitige Abrüstung« vorzuschlagen sei. Des Weiteren erbat er Unterstützung für Wehrdienstverweigerer und sprach sich gegen »Benachteiligungen« staatlicherseits bei Berufswahl und Studienplatzvergabe aus.
Im Rahmen der Diskussion informierte Präses Becker über eine Eingabe aus Hennigsdorf, in der der Antrag auf Schaffung eines »Ministeriums für Friedensdienst« gestellt wurde.
Im Ergebnis der Plenums- und Ausschussdebatten zur Problematik »Sozialer Friedensdienst« wurden durch die Synode folgende Beschlüsse gefasst:
Eine von der Kirchenleitung erarbeitete Beschlussvorlage zum »Friedensdienst« wurde mit geringfügigen Veränderungen mit 117 Zustimmungen, zwei Gegenstimmen und drei Stimmenthaltungen angenommen. Die Veränderung besteht hauptsächlich darin, dass man von dem Vorhaben abging, sich an den Nationalen Verteidigungsrat der DDR zu wenden und stattdessen weitere Gespräche mit der Regierung der DDR anstrebt. (Wortlaut wird als Anlage 3 beigefügt.)
Es wurde ein spezieller Ausschuss »Friedensfragen« für die Dauer der laufenden Legislaturperiode der Synode gebildet. (Bestehend aus 11 Mitgliedern unter Vorsitz des Landesjugendpfarrers Domrös.)
Die Anträge von Landesjugendpfarrer Domrös sowie des Synodalen Wizisla und aus Hennigsdorf wurden an den neugebildeten Ausschuss »Friedensfragen« verwiesen.
Die Information ist wegen Quellengefährdung nur zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt.
Anlage 1 zur Information Nr. 600/81
[Abschrift]
8. Synode Berlin-Brandenburg – a. o. Tagung 15.–16.11.1981
Erklärung des Präsidiums der Synode vom 16. November 1981
Die Tagungen der Synode der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg haben in den letzten Jahren regelmäßig größere Aufmerksamkeit bei den Massenmedien gefunden. Wir konnten eine überwiegend sachliche Berichterstattung feststellen, die auch dazu beigetragen hat, den Öffentlichkeitsauftrag der Kirche zu fördern.22
Zu dieser Synodaltagung hatten sich wieder einige akkreditierte Korrespondenten bei den zuständigen Staatsorganen um eine Genehmigung für die Berichterstattung bemüht, darunter der Vertreter des epd. Herr Röder. Die Genehmigung ist nicht erteilt worden.
Wir bedauern, dass infolge der gegenwärtigen komplizierten Gesamtsituation diesmal die Öffentlichkeitswirksamkeit unserer Synode nicht voll gewährleistet ist.
Wir gehen davon aus, dass es sich um eine vorübergehende Maßnahme handelt und dass es, auch im Interesse der Normalisierung der Beziehungen zwischen den deutschen Staaten, bei nächster Gelegenheit wieder zu der bisherigen Übung kommt.
Anlage 2 zur Information Nr. 600/81
[Abschrift]
8. Synode Berlin-Brandenburg – a. o. Tagung 15.–16.11.1981 – Drucksache 106
Tagungsausschuss »Friedensdienst«
Synode möge folgenden Brief beschließen:
Synode der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg – Berlin, den 16.11.1981
[An den] Staatsrat der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin – Hauptstadt der DDR, Marx-Engels-Platz
Unsere Kirche erkennt in Übereinstimmung mit dem Zentralausschuss des ökumenischen Rates der Kirchen »angesichts der noch nie dagewesenen Gefahr einer verheerenden, ja vielleicht unwiderruflichen Vernichtung allen menschlichen Lebens« ihre besondere Verantwortung darin, jeden Versuch ernsthaft zu prüfen, der in der Suche nach neuen Möglichkeiten für konkretes Friedenshandeln gemacht wird. (Erklärung des Zentralausschusses des ökumenischen Rates der Kirchen in Dresden, August 1981)23
In Zusammenkünften der Gemeinde in Gottesdiensten, Rüstzeiten, größeren kirchlichen Treffen und Seminaren, bei kirchenleitenden Tagungen und Konferenzen kirchlicher Mitarbeiter wird die Frage nach einem für Christen gebotenen und heute angemessenen friedensfördernden Handeln gestellt.
So richten sich Nachdenken und schrittweises Handeln von Christen unserer Kirche immer stärker auf die eine große Aufgabe der Gegenwart aus, die alle Menschen guten Willens zusammenschließt: Für die Gestaltung des Friedens in unserem Land und in der ganzen Welt einzutreten.
Wir fühlen uns in der gemeinsamen Verantwortung für die Gestaltung und den Ausbau des Friedens mit Ihnen verbunden.
Immer deutlicher bemerken wir, dass sich Menschen aus verschiedenen Beweggründen und mit unterschiedlichen Auffassungen für die Erhaltung des Friedens engagieren. Gleiche Zielstellungen ergeben sich in Sachen des Friedens immer stärker auch aus ganz unterschiedlichen Denkvoraussetzungen. In diesem Zusammenhang verwundert es nicht, dass unterschiedliche Wege für das gleiche Ziel beschritten werden.
Wie anderen Synoden in der DDR sind auch uns zahlreiche Zuschriften zugegangen, in denen zu dem Gedanken eines nichtmilitärischen Wehrersatzdienstes Stellung genommen worden ist. Viele Absender haben gebeten, dass wir uns für die Einführung eines Wehrersatzdienstes im sozialen Bereich einsetzen. Die Synode der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg hat bereits 1964 die damalige Kirchenleitung beauftragt, den staatlichen Stellen Vorschläge für einen nichtmilitärischen Wehrersatzdienst zu unterbreiten.24 Sie will sich deshalb einem solchen Anliegen nicht verschließen.
So bitten wir Sie, sich auch für die Menschen und Gruppen in unserem Land einzusetzen, die aus Glaubens- und Gewissensgründen Friedenssicherung angesichts des sich übersteigernden Wettrüstens nicht vor allem von militärischer Stärke und Gewalt erwarten und daher den aktiven Dienst mit der Waffe ablehnen oder ernste Bedenken gegenüber der noch immer wachsenden militärischen Durchdringung des Alltags in unserem Land äußern.
Wir verstehen uns als Helfer und Partner beim Bemühen um mehr Frieden. Wir meinen: im Gehorsam gegenüber Jesus Christus müssen Kirchen und Christen alle Anstrengungen unternehmen, militärische Auseinandersetzungen zu verhindern. Das Eintreten für neue Formen eines Wehrersatzdienstes kann auf dem Weg zu einer Welt des unbewaffneten Friedens ein wichtiger Schritt sein.
Wir wollen mithelfen, bei der Suche nach neuen Wegen zu vertrauensbildenden Maßnahmen in der Welt, die zu einer Entspannung der gegenwärtigen Weltlage beitragen können.
Anlage 3 zur Information Nr. 600/81
[Abschrift]
8. Synode Berlin-Brandenburg – a. o. Tagung 15.–16.11.1981 – Drucksache 104
Tagungsausschuss »Friedensdienst«
Die Synode möge beschließen:
Wie anderen Synoden in der DDR sind auch uns zahlreiche Zuschritten zugegangen, in denen zu dem Gedanken eines nichtmilitärischen Wehrersatzdienstes Stellung genommen worden ist. Viele Absender haben gebeten, dass wir uns für die Einführung eines Wehrersatzdienstes im sozialen Bereich einsetzen. Eine Synode, deren Vorgängerin bereits 1964 die damalige Kirchenleitung beauftragt hat, den staatlichen Stellen Vorschläge für einen nichtmilitärischen Wehrersatzdienst zu unterbreiten (Drucksache 103/64), will sich einem solchen Anliegen nicht verschließen.
Die Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR hat als erste im September d. J. auf solche Zuschriften reagiert. Wir machen uns ihren Beschluss zu den Bemühungen um den Frieden zu eigen. Wir bringen daraus die folgenden Sätze in Erinnerung:
»Die Synode verkennt nicht, dass eine Erweiterung oder Veränderung des Wehrersatzdienstes in der gespannten internationalen Lage, im Hinblick auf die Bündnisverpflichtungen unseres Landes viele Probleme aufwerfen muss. Andererseits sieht sie in Übereinstimmung mit dem Zentralausschuss des ökumenischen Rates der Kirchen ›angesichts der noch nie dagewesenen Gefahr einer verheerenden, ja vielleicht unwiderruflichen Vernichtung allen menschlichen Lebens‹ ihre besondere Verantwortung darin, jeden Versuch ernsthaft zu prüfen, der in der Suche nach neuen Möglichkeiten für konkretes Friedenshandeln gemacht wird.«
In dem Angebot, Wehrersatzdienst als Fürsorge für Alte, Kranke und Behinderte zu leisten, erkennen wir einen solchen Versuch, einen konstruktiven Beitrag zu leisten.
Wir sind zu der Überzeugung gekommen, dass ein Friedensdienst ohne Waffen der Friedens- und Versöhnungsbotschaft unseres Herrn Jesus Christus gemäß ist. Angesichts der Gefahr eines atomaren Selbstmordes in Europa ist es notwendig, dass wir alle deutlichere Zeichen des Friedenszeugnisses geben und das Risiko persönlicher Nachteile nicht scheuen. Wir meinen: Im Gehorsam gegenüber Jesus Christus, der unser Friede ist (Epheser 2,14),25 müssen Kirchen und Christen alle Anstrengungen unternehmen, militärische Auseinandersetzungen zu verhindern. Das Eintreten für einen Wehrersatzdienst im sozialen Bereich kann auf dem Weg zu einer Welt des unbewaffneten Friedens nur ein Schritt sein.
Uns wird gesagt, die Einführung eines nichtmilitärischen Wehrersatzdienstes bedeute eine Schwächung der Verteidigungsposition der Staaten des Warschauer Vertrages. Wie die Synode des Bundes stimmen wir mit dem Zentralausschuss des Weltrates der Kirchen darin überein, dass Friedenssicherung in zunehmendem Maße nicht mehr von militärischer Stärke zu erwarten ist, sondern dass alle Mittel der Politik, der Kommunikation und Verständigung auszuschöpfen sind. Wir meinen, die Einführung eines Wehrersatzdienstes im sozialen Bereich sollte hinsichtlich ihrer möglichen Wirkung als Vertrauen fördernde Maßnahme im Sinne des KSZE-Schlussdokuments von 1975 geprüft werden.26
Die Synode bittet die Kirchenleitung und die Konferenz der Kirchenleitungen, in Gesprächen mit der Regierung der DDR erneut nach Möglichkeiten zu suchen, wie dem Anliegen eines nichtmilitärischen Wehrersatzdienstes Rechnung getragen werden kann.
Diejenigen, die uns wegen eines nichtmilitärischen Wehrersatzdienstes geschrieben haben, werden zu Gesprächen über Möglichkeiten konkreten Friedenszeugnisses vor der nächsten Synodaltagung eingeladen. Die Kirchenleitung wird in Verbindung mit dem Ständigen Ausschuss »Friedensfragen« mit der Realisierung beauftragt.
gez. Barthel, Vorsitzender