Bestrebungen Franz Fühmanns zur Popularisierung von Nachwuchsautoren
14. September 1981
Information Nr. 464/81 über Bestrebungen des Schriftstellers Franz Fühmann zur Popularisierung sogenannter Nachwuchsautoren mit überwiegend politisch-negativer Einstellung
Nach vorliegenden Hinweisen entwickelt der Schriftsteller Franz Fühmann1 im Rahmen seiner bekannten Bestrebungen zur Förderung sogenannter talentierter Nachwuchsautoren (größtenteils Personen, die politisch-negativ in Erscheinung getreten sind, die keine ihrer z. T. hohen beruflichen Qualifikation entsprechende Tätigkeit ausüben) neue Aktivitäten, um sie literarisch aufzuwerten und ihnen Veröffentlichungsmöglichkeiten zu schaffen.2
Wie dazu intern bekannt wurde, beabsichtigt Fühmann – unter Ausnutzung seiner Mitgliedschaft in der Akademie der Künste der DDR, diesem Personenkreis durch Einladungen zu öffentlichen Lesungen und Foren in der Akademie der Künste, vor allem durch ihre Mitwirkung an einer Anthologie im Arbeitsheft der Akademie, zu einer gewissen Popularität zu verhelfen. (In Einzelfällen unterstützt er Reisevorhaben in nichtsozialistische Staaten, z. B. Kolbe3 – siehe Anlage – zu einer »Studienreise« nach Tübingen/BRD.)4
Die von Fühmann angestrebte, von ihm zurzeit vorbereitete Herausgabe der Anthologie im Arbeitsheft der Akademie der Künste soll literarische Beiträge von ca. 30 sogenannten Nachwuchsautoren enthalten. Ersten Hinweisen zufolge handelt es sich dabei größtenteils um politisch-negativ zu wertende Beiträge. Auf die bisher bekannt gewordenen Autoren trifft die o. g. Charakterisierung des von Fühmann geförderten Personenkreises (größtenteils politisch-negativ, siehe dazu auch Anlage) zu.
Weiter wurde intern bekannt, dass Fühmann für den 15. September 1981 ein Gespräch in der Akademie der Künste mit einigen dieser Autoren über organisatorische Probleme der Herausgabe der genannten Anthologie zu führen beabsichtigt.
Es wird vorgeschlagen, den Präsidenten der Akademie der Künste der DDR, Genossen Konrad Wolf,5 zu veranlassen, nach gründlicher Prüfung der Anthologie ihre Veröffentlichung zu verhindern und Fühmann noch einmal eindeutig dessen falsche Position klarzumachen.6
Anlage zur Information Nr. 464/81
Hinweise zu Personen, die als Autoren der Anthologie bekannt wurden
Anderson, Alexander7 (28), wohnhaft: 8060 Dresden, [Straße, Nr.].
Er geht keiner geregelten Arbeit nach, betätigt sich freiberuflich als Schriftsteller und Maler, nahm 1981 Verbindung zum Rotbuch-Verlag, Westberlin, auf.
Brasch, Peter8 (26), wohnhaft: 1058 Berlin, [Straße, Nr.].
Brasch ist von Beruf Buchhändler, betätigt sich als freiberuflicher Hörspielautor, ist nicht Mitglied des Schriftstellerverbandes der DDR, solidarisierte sich offen mit Biermann.9
Döring, Stefan10 (27), wohnhaft: 1034 Berlin, [Straße, Nr.].
Döring hat den Abschluss als Diplomingenieur auf dem Gebiet der Informationstechnik, arbeitet seit Oktober 1980 stundenweise als Heizer und Raumpfleger, beteiligt sich aktiv an Lesungen in kirchlichen Einrichtungen und in Privatwohnungen.
Eue, Dieter11 (34), wohnhaft: 1058 Berlin, [Straße, Nr.].
Er absolvierte ein Hochschulstudium, arbeitet zurzeit als Hilfskraft in einer Kaufhalle. 1981 stellte er »Antrag auf Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der DDR«. Von ihm verfasste »Prosa« wird eindeutig als negativ-feindlich eingeschätzt.
Gorek, Bert geb. Papenfuß12 (25), wohnhaft: 1034 Berlin, [Straße, Nr.].
Geht seit Mai 1980 keiner geregelten Arbeit nach, ließ sich beim Magistrat der Hauptstadt der DDR als freischaffender Schriftsteller registrieren. Seine literarischen Arbeiten richten sich in offener und verdeckter Form gegen die bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse in der DDR. Einzelne Veröffentlichungen in der DDR erfolgten 1977 und 1978 im Verlag »Neues Leben«13 und »Eulenspiegel«-Verlag. Die angestrebte Aufnahme als Kandidat des Schriftstellerverbandes wurde abgelehnt. Er ist Wehrdienstverweigerer und Nichtwähler.
Häfner, Eberhard14 (40), wohnhaft: Erfurt, [Straße, Nr.].
Häfner ist Angestellter einer kirchlichen Einrichtung in Erfurt. Seine literarischen Arbeiten richten sich in offener und verdeckter Form gegen die bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse in der DDR. Er beteiligt sich aktiv an Lesungen in kirchlichen Einrichtungen und in Privatwohnungen.
Härtl-Neumann, Gert15 (39), wohnhaft: 7033 Leipzig, [Straße, Nr.].
Härtl-Neumann ist nicht Mitglied des Schriftstellerverbandes der DDR. Im Zusammenwirken mit anderen Personen trat er in der Vergangenheit mehrfach durch gegen die DDR gerichtete Aktivitäten in Erscheinung. 1981 veröffentlichte er ohne staatliche Genehmigung in der BRD das Buch »Elf Uhr«, das Angriffe gegen die sozialistische Gesellschaftsordnung in der DDR enthält und Bahros Machwerk »Die Alternative« verherrlicht.
Hegewald, Wolfgang16 (29), wohnhaft: 7050 Leipzig, [Straße, Nr.].
Er ist Student am Theologischen Seminar Leipzig. Er besitzt eine negative Grundhaltung zur gesellschaftlichen Entwicklung in der DDR, die u. a. in seinen dem Hinstorff-Verlag Rostock angebotenen Romanmanuskripten zum Ausdruck kommt.
Hilbig, Wolfgang17 (40), wohnhaft: 1130 Berlin, [Straße, Nr.].
In seinen Gedichten und Erzählungen wird die gesellschaftliche Wirklichkeit in der DDR von sozialismusfremden Positionen aus dargestellt. Er wurde 1979 wegen Zoll- und Devisenvergehen zu 2 000 Mark Geldstrafe verurteilt, da er literarische Arbeiten ohne Genehmigung in der BRD veröffentlichte.
Kolbe, Uwe (24), wohnhaft: 1058 Berlin, [Straße, Nr.].
Kolbe arbeitete seit 1978 in befristeten Arbeitsrechtsverhältnissen als Hilfs- bzw. Lagerarbeiter, hat sich 1980 beim Magistrat der Hauptstadt der DDR als freischaffender Schriftsteller registrieren lassen.18 Er studierte im Rahmen eines Sonderlehrganges am Literaturinstitut »Johannes R. Becher« in Leipzig. 1980 Veröffentlichung seines Gedichtbandes »Hineingeboren« beim Aufbau Verlag der DDR und Suhrkamp Verlag der BRD. Er kam erst nach Androhung von Konsequenzen durch den Militärstaatsanwalt seiner Wehrpflicht nach.
Lorek, Leonhard19 (23), wohnhaft: 1803 Brandenburg-Plaue, [Straße, Nr.].
Lorek arbeitet als Betriebsschlosser bei der Deutschen Reichsbahn. Er beteiligt sich aktiv an Lesungen in kirchlichen Einrichtungen.
Opitz, Detlef20 (25), wohnhaft: Halle.
Opitz geht keiner geregelten Arbeit nach. Er wurde zum Studium am Literaturinstitut Leipzig aus politischen Gründen nicht zugelassen. Seine literarischen Arbeiten sind politisch-negativ. Er beteiligt sich an Lesungen in Privatwohnungen.
Rathenow, Lutz21 (28), wohnhaft: 1034 Berlin, [Straße, Nr.].
Er betätigt sich als Verfasser von Gedichten und Erzählungen (pessimistischer Aussagen), die ohne staatliche Genehmigung in westlichen Verlagen veröffentlicht wurden. Rathenow beteiligt sich an Zusammenkünften mit anderen negativen Nachwuchsautoren.
Rosenthal, Rüdiger22 (29), wohnhaft: 1055 Berlin, [Straße, Nr.].
Rosenthal ist Diplom-Physiker. Seit 1979 ist er beim Magistrat der Hauptstadt der DDR als freischaffender Schriftsteller registriert, und geht keiner geregelten Arbeit nach. Er verfasst seit 1976 Gedichte, deren Aussagen gegen den realen Sozialismus gerichtet sind.
Schlesinger-Wegner, Bettina,23 wohnhaft: 1080 Berlin, [Straße, Nr.].
Ist hinlänglich bekannt.
Tappe-Maron, Monika24 (40), wohnhaft: Berlin, [Straße, Nr.].
(Tochter des ehemaligen Ministers des Innern, Genossen Karl Maron.)25 Sie ist Diplom-Theaterwissenschaftler und als freischaffende Journalistin tätig. Ihre literarischen Manuskripte wurden von DDR-Verlagen wegen der politisch-negativen Aussage mehrfach abgelehnt. Sie pflegt intensive Kontakte zum ehemaligen Presseattaché der BRD-Vertretung, Rieger,26 und dem Westberliner Journalisten [Name 1].
Theilmann, Bernhard27 (32), 806 Dresden, [Straße, Nr.].
Theilmann ist als Lagerarbeiter tätig. Er pflegt enge Verbindung zu Siegmar Faust28 und Wolf Biermann. Seine Lyrik hat eine politisch-negative Aussage. Er beteiligt sich an nicht öffentlichen Lesungen.