Bevölkerungsreaktionen auf den KPdSU–Parteitag (3)
11. März 1981
Weitere Hinweise zur Reaktion der Bevölkerung der DDR zum XXVI. Parteitag der KPdSU [Bericht O/93c]
Hinweisen aus allen Bezirken der DDR und der Hauptstadt Berlin zufolge fanden der Verlauf und die Ergebnisse des XXVI. Parteitages der KPdSU1 in allen Kreisen der Bevölkerung der DDR eine breite Resonanz und Zustimmung.2
Insbesondere der Rechenschaftsbericht3 wird als eine klare Orientierung zu den internationalen Fragen und Aufgabenstellungen zur inneren Entwicklung der UdSSR gewertet. Weiter wird die von Optimismus und Sachlichkeit getragene Atmosphäre des Parteitages hervorgehoben.
Im Mittelpunkt der zustimmenden Meinungsäußerungen stehen die Initiativen und neuen Vorschläge der Sowjetunion zur Minderung der Kriegsgefahr und Erhaltung des Friedens, Zügelung des Wettrüstens einschließlich der militärischen Entspannung und Abrüstung in Europa, Bereitschaft eines Treffens zwischen den führenden Repräsentanten der Sowjetunion und der USA, Ausdehnung vertrauensbildender Maßnahmen auf den gesamten europäischen Teil der Sowjetunion.4
Hervorgehoben werden [sic!] weiter der unbedingte Friedenswille des Sowjetstaates, wobei die unterbreiteten Vorschläge als konstruktiv, durchaus realisierbar und als eine konsequente Fortsetzung der Friedenspolitik der Sowjetunion bewertet werden. Die Vorschläge seien von großer Tragweite und geeignet, die Westmächte eventuell zu zwingen, vom bisherigen Konfrontationskurs abzugehen.
Mehrfach wird betont, dass auf diese von der internationalen Öffentlichkeit stark beachteten Vorschläge die betroffenen imperialistischen Mächte – insbesondere die NATO-Staaten – zu einer Antwort verpflichtet seien.
Zustimmend wird hervorgehoben, der Parteitag der KPdSU habe bekräftigt, dass sich die Sowjetunion im Bündnis mit den sozialistischen Staaten von imperialistischen Großmächten nicht erpressen lässt und alles unternehmen werde, dass sich das militärische Gleichgewicht nicht zugunsten der NATO verändern werde.
Mit Genugtuung wird erwähnt, Genosse Breschnew habe auf die Ausfälle des USA-Präsidenten Reagan, insbesondere im Hinblick auf die von diesem in Aussicht gestellte Erhöhung des Rüstungsetats zum Zwecke der atomaren Aufrüstung, sehr sachlich reagiert.5 Gleichzeitig erheben sich bei zahlreichen Bürgern Fragen, inwieweit diese Entwicklung Konsequenzen für die gesamte Wirtschaftslage der sozialistischen Länder haben werde.
In diesem Zusammenhang werden verschiedentlich Befürchtungen dahingehend geäußert, dass die Sowjetunion auf die Dauer nicht in der Lage wäre, der verstärkten Aufrüstung seitens der NATO-Staaten entsprechend zu begegnen.
Im Zusammenhang mit der gewachsenen Kriegsgefahr fanden die Darlegungen im Rechenschaftsbericht zur Verteidigungsfähigkeit des Sozialismus starke Beachtung, wobei es richtig sei, die politischen Lösungswege in den Vordergrund zu stellen.
Die Existenz der Sowjetunion und ihr aufopferungsvolles Eintreten für den Weltfrieden – so wird immer wieder bekräftigt – sei auch für die DDR eine Lebensfrage. Deshalb gelte es für die Bürger der DDR, auch in Zukunft das Bündnis mit der Sowjetunion zu stärken.
Vereinzelt bekannt gewordene Meinungen im Zusammenhang mit bisherigen destruktiven Äußerungen von Staatsmännern und Politikern imperialistischer Staaten, besonders der USA und der BRD, beinhalten Zweifel an einer ehrlichen Verhandlungsbereitschaft westlicher NATO-Staaten und an dem Willen, auf die sowjetischen Vorschläge einzugehen.6
Ausgehend von den Profitinteressen des Imperialismus, seinen Machenschaften zur Schürung von Krisen und Konflikten und damit zusammenhängenden Rüstungsinteressen, sei zu befürchten, dass insbesondere die NATO-Staaten die sowjetischen Vorschläge nicht akzeptieren.
Skeptische Meinungen tendieren deshalb häufig in die Richtung, die Vorschläge und Friedensinitiative der KPdSU würden bei den betreffenden imperialistischen Mächten sowieso nicht auf Entgegenkommen stoßen und seien im Grunde zwecklos; die Aufrüstung ginge immer weiter; die wachsende Kriegsgefahr lasse sich nicht abwenden.
Offenbar von westlichen elektronischen Massenmedien beeinflusst wird in Einzelfällen auch behauptet, die neuen sowjetischen Vorschläge für ein Moratorium zur Stationierung von Raketenwaffen mittlerer Reichweite enthielten nichts Neues; sie seien nur ein »propagandistischer Trick«.
Das gegenseitige Misstrauen, insbesondere zur Stärke des beiderseitigen Verteidigungspotenzials sei zu groß, um echte Erfolge auf dem Gebiet der Abrüstung zu erreichen.
Weitere zustimmende Meinungsäußerungen zum Rechenschaftsbericht des ZK der KPdSU beinhalten Aussagen in der Hinsicht,
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es sei eine tiefgründige Analyse der weltpolitischen Lage erfolgt, wobei eine sachliche, konstruktive und optimistische Einschätzung der internationalen Situation besonders hervorzuheben sei;
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die auf Frieden, Abrüstung und Entspannung gerichtete Außenpolitik der KPdSU sei durchgängig in allen Passagen des Berichts spürbar und besonders zu begrüßen;
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es seien weitere Impulse für die Verhandlungen in Wien7 und Madrid8 sowie vielfältige Ansatzpunkte für den Dialog mit westlichen Politikern gegeben worden;
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die klare Perspektive für die weitere Vertiefung der Zusammenarbeit der sozialistischen Länder sei von großer Bedeutung, und der Befreiungskampf der Völker der Dritten Welt habe einen gebührenden Platz im Bericht erhalten;
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zur Entwicklung in der Volksrepublik Polen sei der Standpunkt der KPdSU bekräftigt worden, und es sei zu begrüßen, dass die konterrevolutionären Machenschaften verurteilt wurden mit der klaren Aussage, ihnen werde eine Niederlage bereitet.
Die erreichten Ergebnisse der Sowjetunion auf allen Gebieten des gesellschaftlichen Lebens, insbesondere auf sozial- und wirtschaftspolitischem Gebiet, finden unter der Bevölkerung hohe Wertschätzung. Unter Hervorhebung der Gewährung materieller und finanzieller Unterstützung für andere Länder und der notwendigen Ausgaben zur Gewährleistung der Verteidigungsbereitschaft werden der Leistungswille und die Leistungsstärke des Sowjetvolkes als beispielgebend für die Welt charakterisiert.
In weiteren Meinungsäußerungen werden die von der sowjetischen Parteiführung vorgeschlagenen neuen Formen der Zusammenarbeit der Länder des RGW hervorgehoben und als Ausdruck der Notwendigkeit und des Willens bewertet, einen höheren Grad der Integration, der Vertiefung der internationalen Arbeitsteilung zu erreichen und so einen wesentlichen Beitrag zur Erhöhung der volkswirtschaftlichen Effektivität im Interesse aller beteiligten sozialistischen Länder zu leisten.
Durch die Bildung von Vereinigungen zwischen größeren Industriezweigen über Ländergrenzen hinweg werden die Ressourcen der sozialistischen Staaten besser genutzt. Erkenntnisse der Wissenschaft könnten schneller in die Produktion übergeleitet werden.
Im Zusammenhang mit den Ausführungen im Rechenschaftsbericht und in Diskussionsbeiträgen über die weitere Festigung der Zusammenarbeit der sozialistischen Bruderländer wurde in Meinungsäußerungen die Würdigung der Leistungen der sozialistischen Bruderländer durch die KPdSU besonders hervorgehoben. Zustimmend wurde zur Kenntnis genommen, dass seitens der Sowjetunion z. B. die Erfahrungen der DDR bei der Rationalisierung und bei der Einsparung von Energie und Rohstoffen hohe Anerkennung finden.
In Einzelmeinungen wird jedoch darauf verwiesen, dass auch die Sowjetunion offensichtlich ebenso wie die DDR und andere sozialistische Staaten bestimmte Schwierigkeiten in der Volkswirtschaft habe, so z. B. in der Industrie (ungenügende Auslastung moderner Technik) und in der Landwirtschaft (Disproportionen zwischen vorhandener Nutzfläche und Produktionsergebnissen).
Im Zusammenhang damit stehen viele Detailfragen im Mittelpunkt des Interesses, wobei immer wieder die offene, verständliche sowie selbstkritische Art und Weise der Darlegung der Probleme, noch bestehender Schwierigkeiten und Mängel hervorgehoben wird, die auch für »einfache Menschen« verständlich und begreifbar seien.
Z. B. wurden u. a. die Ausführungen über die Erhöhung des Anteils der individuellen Hauswirtschaften, einschließlich ihrer Versorgung mit Futtermitteln durch die Kolchosen, in einigen LPG mit Verwunderung aufgenommen. Es sei angenommen worden, dass die sowjetische Landwirtschaft insgesamt schon weiter entwickelt sei. Bei einer »übersteigerten individuellen Hauswirtschaft« bestehe die Gefahr, dass das Interesse für die genossenschaftliche Arbeit nachlasse.
Das »offene Ansprechen« bestehender Schwierigkeiten auf den entscheidenden Gebieten des gesellschaftlichen Fortschritts vor der gesamten »Weltöffentlichkeit« zeuge insgesamt von der Stärke der KPdSU und dem von ihr in die Bürger der Sowjetunion gesetzten Vertrauen.
Vereinzelt werden Bedenken geäußert, die im Rechenschaftsbericht der KPdSU enthaltenen kritischen Aussagen und Ansatzpunkte zur Entwicklung im eigenen Lande könnten den gegnerischen Massenmedien Stoff für eine zielgerichtete forcierte Hetze gegen die Sowjetunion und die sozialistischen Staaten liefern. Andererseits wird aber betont, dies habe die Parteiführung der Sowjetunion sicher in Rechnung gestellt, weil die Hetze dem Land im Grunde keinen Schaden zufügen könne.
In zahlreichen Meinungsäußerungen werden das persönliche Auftreten des Genossen Breschnew und sein »Durchhaltevermögen« während des anstrengenden Kongresses hervorgehoben.
In diesem Zusammenhang wurde mehrfach zum Ausdruck gebracht, das hohe Alter der führenden Funktionäre der KPdSU insgesamt stimme sehr bedenklich. Es sei erwartet worden, dass der Parteitag der KPdSU bzw. ein befugtes Gremium unmittelbar danach Maßnahmen zur Verjüngung des Funktionärsbestandes einleite, wobei häufig darauf verwiesen wird, dass deshalb auf die Erfahrung der alten Genossen nicht verzichtet werden müsse.
In ersten Stellungnahmen aus Kreisen von Kulturschaffenden der DDR wird überwiegend eine zustimmende Haltung zu den im Rechenschaftsbericht enthaltenen Aussagen sichtbar.
So wird der XXVI. Parteitag der KPdSU in seiner internationalen Wirkung für außerordentlich bedeutsam gehalten. Diese Einschätzung bezieht sich u. a. auf die Ausführungen zum Verhältnis der KPdSU zu den anderen kommunistischen und Arbeiterparteien, die einen wichtigen Beitrag der KPdSU zur Festigung und zum Ausbau dieser Beziehungen darstellen.
Weiter wird besonders der offensive Charakter der Ausführungen begrüßt, der bereits kurz nach der Veröffentlichung zahlreiche Staatsmänner imperialistischer Staaten zu öffentlichen Erklärungen auf die Vorschläge des Genossen Breschnew gezwungen habe.
Breite Zustimmung fanden in diesen Kreisen die Vorschläge zur Erhaltung des Friedens und zur Abwendung der Gefahr eines 3. Weltkrieges, wobei allerdings z. T. ernsthafte Bedenken und ein gewisser Unglaube zum Ausdruck kommen, ob ein 3. Weltkrieg unvermeidlich sei.
Weitere Meinungsäußerungen beinhalten, es sei beeindruckend gewesen, dass die Sowjetunion nicht mit ihrer militärischen Stärke geprahlt habe, dies andererseits auch nicht notwendig habe. Dennoch würden die Ausführungen im Rechenschaftsbericht für die imperialistischen Staaten eine deutliche Warnung darstellen.
Für die Unterschätzung der von den imperialistischen Staaten ausgehenden Kriegsgefahr kennzeichnend sind bekannt gewordene Meinungen Kulturschaffender, wonach am Friedenswillen der Sowjetunion und der anderen sozialistischen Staaten zwar nicht zu zweifeln sei, es aber gefährlich wäre, zugleich auch kapitalistischen Staaten zu unterstellen, keinen neuen Krieg beginnen zu wollen.
Vorliegende Reaktionen aus kirchlichen Kreisen lassen erkennen, dass offensichtlich ein großer Teil kirchlich gebundener Personen die Aussagen und den gesamten Verlauf des XXVI. Parteitages der KPdSU interessiert verfolgt hat.
Besondere Beachtung fand vor allem die große Verhandlungsbereitschaft der Sowjetunion mit den USA zu Abrüstungsfragen trotz deren gegenwärtig betriebenen militanten Politik.
Es wurde jedoch gleichzeitig ein gewisser Zweifel an fruchtbaren Verhandlungsergebnissen zum Ausdruck gebracht, da weder die USA noch die UdSSR »von ihren grundsätzlichen Positionen zurückweichen würden«.
Aufgrund jüngster Erklärungen der USA-Regierung und der NATO-Beschlüsse9 sei eigentlich mit einer sehr scharfen Reaktion der Sowjetunion zu rechnen gewesen, jedoch seien die Sachlichkeit und Ausgewogenheit bemerkenswert.
Zu Fragen der Erhaltung des Friedens wurde weiter die Hoffnung geäußert, die Regierungen sollten ihre Verantwortung zur Rettung der Menschheit vor einem atomaren Inferno voll wahrnehmen. In diesem Sinne müsse deshalb die Feststellung im Rechenschaftsbericht der KPdSU hervorgehoben werden, dass das erste Recht der Menschen das Recht auf Leben sei, was auch völlig dem humanen Anliegen der Kirche entspräche.
Insgesamt werden die Aussagen des Rechenschaftsberichtes als »wohltuend«, »erleichternd« und als die »besten« bezeichnet, die in den zurückliegenden Monaten zur Verständigung und für Verhandlungen zwischen den Staaten gemacht worden seien.