Bevölkerungsreaktionen zur Lage in der VR Polen (2)
14. Dezember 1981
1. Bericht zur Reaktion der Bevölkerung der DDR auf die Vorgänge in der VR Polen [Bericht O/101b]
Im Stimmungsbild der Bevölkerung der DDR zeigt sich seit dem 13.12.1981 ein zunehmendes Interesse am Verlauf der Ereignisse in der VR Polen.1
Charakteristisch ist, dass der weitaus größte Teil der sich äußernden Bürger die Verhängung des Ausnahmezustandes mit großer Genugtuung und spürbarer Erleichterung aufnimmt.
Hervortretende Meinungen sind:
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es sei höchste Zeit gewesen, die Konterrevolution aufzuhalten;
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endlich habe die Partei- und Staatsführung »gehandelt«; darauf sei schon lange gewartet worden;
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die Maßnahmen hätten schon früher eingeleitet werden müssen;
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der Ausnahmezustand sei die einzige Möglichkeit, gegen die Konterrevolution entschieden vorzugehen;
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der Zeitpunkt der Maßnahmen sei klug gewählt, da durch die Gespräche Breschnew – Schmidt2 und Honecker – Schmidt3 eine gewisse Entspannung im europäischen Raum eingetreten sei;
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die Maßnahmen widerspiegeln den Willen der Partei und Regierung, die inneren Angelegenheiten Polens durch entschiedenes Handeln selbst zu lösen.
Ein Teil der Äußerungen beinhaltet Skepsis dahingehend, ob
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Partei und Regierung »konsequent« bleiben und die eingeleiteten Maßnahmen in Polen auch dauerhafte Wirkung erzielten und durchgängig weitergeführt würden;
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die Aktion so vorbereitet sei und durchgeführt werde, dass »alles im Griff« wäre und daraus keine weiteren Probleme entstehen;
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der eingesetzte Militärrat auch »hart« und nicht »auf halbem Wege« stehen bleibe.
Besorgnis zeigt sich in solchen Argumenten dahingehend, dass
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in der VR Polen ein Bürgerkrieg entstehe und es zum Blutvergießen komme;
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die polnische Führung in der Folgezeit nicht allein mit den Problemen fertig werde und die DDR und andere sozialistische Staaten Hilfe leisten müssten;
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es zu ernsten Auseinandersetzungen und zu einer erneuten Zuspitzung der internationalen Lage kommen könnte (vereinzelt wird die Befürchtung geäußert, dass die Westmächte in Polen eingreifen werden);
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die positiven Ergebnisse der Treffen Breschnew – Schmidt und Honecker – Schmidt durch die Ereignisse in der VR Polen überschattet und verwischt würden.
In bekannt gewordenen Meinungsäußerungen wurden bisher folgende Fragen aufgeworfen:
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Welche konkreten Maßnahmen beinhaltet die Ausrufung des Kriegszustandes (wobei teilweise Erschrecken vor dieser Formulierung zu erkennen ist)?
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Steht die polnische Volksarmee geschlossen hinter Jaruzelski?4
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Mit welchen konkreten Schritten wird gegen die Konterrevolutionäre und Sympathisierende vorgegangen?
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Inwieweit sind bereits Gegenmaßnahmen der Konterrevolution erkennbar (Aufruf zum Generalstreik, Durchführung bewaffneter Auseinandersetzungen)?5
Argumente mit feindlich-negativen Positionen wurden in Einzelfällen bekannt. Darin werden Sympathien für die inhaftierten Konterrevolutionäre6 zum Ausdruck gebracht, und es wird bedauert, dass damit der in Polen begonnenen »Entwicklung der Erneuerung« ein Ende gesetzt werde.
Einzelne Bürger befürchten, dass sie im Zusammenhang mit der Lage in der VR Polen als Reservisten einberufen werden könnten.