Demonstration von Mitgliedern der KPD/ML auf dem Alexanderplatz (2)
22. November 1981
Information Nr. 607/81 über bisherige Ergebnisse der Untersuchung der Provokation am 21. November 1981 auf dem Berliner Alexanderplatz
Ergänzend zur Information des MfS Nr. 606/81 vom 21. November 1981 wird nachstehend über das Ergebnis bisher geführter Untersuchungen informiert.
Dabei ist eindeutig festzustellen, dass es sich bei der genannten Provokation (Anketten von vier Personen und Werfen von Hetzblättern) um eine von der »KPD«1 vorbereitete organisierte Aktion gehandelt hat. Bei den vier BRD-Bürgern, die sich angekettet hatten, handelt es sich um
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Wagner, [Geburtsname], Karin, geb. [Tag, Monat] 1947 in Nürnberg wohnhaft: Dortmund, [Straße, Nr.], Pädagogin, zuletzt Hausfrau
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Schlechter, Franz, geb. [Tag, Monat] 1956 in Heidelberg, wohnhaft: Neckargemünd, [Straße, Nr.], Schreiner seit Oktober 1981 arbeitslos
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Kramer, Werner, geb. [Tag, Monat] 1958 in Buchen, wohnhaft: Müssen/Schleswig-Holstein, [Straße, Nr.], Technischer Zeichner (verweigert Angaben über Arbeitsstelle)
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Stockmar, Fritz-Helmut, geb. [Tag, Monat] 1952 in Freiburg, wohnhaft: Heilbronn, [Straße, Nr.], Maschinenschlosser (verweigert ebenfalls Angaben über Arbeitsstelle).
Die vier genannten Personen sind am 21. November 1981 unabhängig voneinander in der Zeit zwischen 8.00 und 10.00 Uhr auf Visum zum Tagesaufenthalt über die Grenzübergangsstelle Bahnhof Friedrichstraße in die Hauptstadt eingereist.
Nach intern vorliegenden Hinweisen ist die genannte Wagner seit mehreren Jahren Redakteurin der Zeitung »Roter Morgen«2 und Mitglied des »ZK der KPD«. Sie soll im Zusammenhang mit dieser Tätigkeit 1976 in Dortmund zu vier Monaten Haft mit Bewährung und 1978 wegen »Pressevergehen« zu 3 000 DM Geldstrafe verurteilt worden sein.
Schlechter sei wegen aktiver Tätigkeit für den »KBW«3 1979 aus der Gewerkschaft ÖTV4 ausgeschlossen worden.
Drei der Beschuldigten weigern sich bisher, über die Bestätigung der Teilnahme an der Provokation hinausgehende Aussagen (Vorbereitung, Organisation, gegenseitige Beziehungen) zu machen.
Den Aussagen eines der Beschuldigten zufolge haben die genannten vier Personen am 10. Oktober 1981 an der Friedensdemonstration in Bonn5 teilgenommen und sich dabei kennengelernt. Entsprechend einer dabei getroffenen Vereinbarung trafen sie Ende Oktober/Anfang November in Witten/Westfalen bei einem sogenannten Solidaritätskomitee (nähere Aussagen dazu werden bisher verweigert) mit dem Ziel zusammen, die Öffentlichkeit der DDR gegen die im Frühjahr 1981 erfolgte Festnahme von Angehörigen der »KPD-Sektion DDR«6 aufzuwiegeln und die DDR international zu diskreditieren. Zu diesem Zweck vereinbarten sie die am 21. November 1981 stattgefundene Provokation.
Am 21. November 1981 trafen sie sich gegen 11.00 Uhr auf dem Berliner Alexanderplatz, befestigten eine 1,70 m lange Eisenkette als Schlinge an einem Laternenpfahl und schlossen sich mit Handschellen an diese Kette an. Nach dem Anschließen warfen sie die bekannten Hetzblätter (Papierqualität und drucktechnische Ausführung schließen auf ihre Herstellung in der BRD). Außerdem hatten sie versucht, ein Transparent (2,40 × 0,66 m). mit der Aufschrift »Freiheit für die verhafteten kommunistischen Oppositionellen« zu entfalten. Die Beschuldigten verweigern bisher die Aussage, wie die von ihnen benutzten Gegenstände und Materialien an den Ort der Provokation gelangten.
Sie waren – umringt von ca. 100 bis 120 Straßenpassanten – ca. 20 Minuten wirksam (es musste erst ein Schneidegerät herangeholt werden).
Bei einer weiteren festgenommenen Person handelt es sich um
[Name 1, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1946 in Popens, Hauptwohnung: Emden, [Straße, Nr.], Nebenwohnung: Westberlin 65, [Straße, Nr.], Büromaschinen-Feinmechaniker, zuletzt Einrichter bei Osram/Westberlin (ebenfalls eingereist am 21. November 1981, gegen 10.00 Uhr, über Grenzübergangsstelle Bahnhof Friedrichstraße).
[Name 1], der sich selbst als Sympathisant der »KPD«7 bezeichnet, habe in Westberlin von Vertretern der »KPD« den Auftrag erhalten, sich am 21. November 1981, 10.30 Uhr, auf dem Alexanderplatz mit Fotoapparat/Teleobjektiv in der Nähe des Centrum-Warenhauses aufzuhalten, die Provokation zu fotografieren, anschließend sofort nach Westberlin auszureisen, von dort nach Hannover zu fliegen, mit der Eisenbahn nach Dortmund weiterzureisen und im Büro der »KPD« den Film abzuliefern. Wie festgestellt wurde, hat der Filmtransport nicht funktioniert, sodass der Film nicht belichtet war.
Weiter waren am 21. November 1981 die Bürger der BRD Meister, Norbert, geb. [Tag, Monat] 1964 in Pforzheim, wohnhaft: Mühlacker/Baden-Württemberg, [Straße], Schmidt, Rainer, geb. [Tag, Monat] 1964 in Mühlacker, wohnhaft: Mühlacker, [Straße, Nr.], beide Schüler der [Klasse, Schule] in Mühlacker und gemeinsam am 21. November 1981, zwischen 10.00 und 11.00 Uhr, über die Grenzübergangsstelle Bahnhof Friedrichstraße eingereist, vorübergehend festgenommen worden. Beide hatten sich am Ort der Provokation aufgehalten. Nachdem festgestellt wurde, dass sie damit in keinem Zusammenhang standen und keine Fotos angefertigt hatten (Filme wurden entwickelt), wurde ihnen am 21. November 1981, gegen 23.30 Uhr, die Ausreise nach Westberlin gestattet.
Weiter ist bedeutsam, dass zum Zeitpunkt der genannten Provokation eine bisher nicht identifizierte männliche Person von der Balustrade des Centrum-Warenhauses am Alexanderplatz eine größere Menge Hetzblätter herabgeworfen hat. Die Hetzblätter waren sofort von Straßenpassanten eingesammelt, in einen Abfallbehälter der Stadtreinigung geworfen und verbrannt worden.
Nach bisher vorliegenden Hinweisen waren keine DDR-Bürger an der Provokation beteiligt.
Die Untersuchungen werden vor allem mit der Zielsetzung weitergeführt, weitere Tatbeteiligte festzustellen und nähere Einzelheiten über die Verbindungen dieser Personen, über die Vorbereitung, Hintergründe und Zusammenhänge der Provokation sowie weitere beabsichtigte provokatorische Aktivitäten aufzuklären.