Reaktionen westlicher Messevertreter anlässlich der Herbstmesse
8. September 1981
Erste Reaktionen westlicher Messevertreter im Zusammenhang mit dem Rundgang der Partei- und Staatsführung der DDR anlässlich der Leipziger Herbstmesse 1981 [Bericht O/102]
Der Messerundgang der Partei- und Staatsführung am 6.9.1981 fand vor dem Hintergrund der gegenwärtigen weltpolitischen Lage nach vorliegenden ersten Informationen starke Beachtung bei den Ausstellern und Messebesuchern aus kapitalistischen Industrieländern und aus Entwicklungsländern.
Dabei wurde immer wieder die große Ausstrahlungskraft der Leipziger Messen unterstrichen und die gestiegene Leistungsfähigkeit der DDR-Volkswirtschaft trotz schwieriger gewordener internationaler Bedingungen betont.
Von westdeutscher Seite wurden die Gespräche der Partei- und Staatsführung der DDR am Messestand der Hoechst AG als ein »Politikum höchsten Grades« bewertet und »als entscheidend für die weiteren Beziehungen zwischen der DDR und der BRD bezeichnet«.
Der Messerundgang habe zu dieser Messe außerordentliche Bedeutung in politischer Hinsicht, denn damit werde überzeugend bewiesen, dass die DDR-Führung bereit sei, alles zu tun, was den Frieden und die friedliche Zusammenarbeit fördere.
Führende Vertreter von Konzernen und Wirtschaftsverbänden sowie Politiker äußerten sich zuversichtlich zur weiteren Entwicklung der Beziehungen zwischen beiden deutschen Staaten.1
So brachte der Leiter der TSI, Rösch,2 zum Ausdruck, dass nunmehr nach dem Briefwechsel des Genossen Honecker mit Helmut Schmidt,3 nach dem Besuch von Bahr4 und nach dem Messerundgang, die Beziehungen zwischen beiden deutschen Staaten »aus der Talsohle heraus seien«. Er deutete an, dass sich mit den aufgezeigten nützlichen Impulsen während des Rundganges auch Lösungsvarianten für die Swingproblematik5 anbieten.
Aus bisherigen Gesprächen während und nach dem Rundgang ging hervor, dass sich bei in Leipzig anwesenden Wirtschaftskreisen der BRD »ein gesunder Optimismus ausbreitet« und sie interessiert seien, alles zu tun, um das Geschäft mit der DDR auszubauen.
Nicht zuletzt infolge der negativen Faktoren, die gegenwärtig in der BRD wirken (Stagnation der Produktion, Arbeitslosigkeit), soll das Grundgeschäft mit der DDR aufrechterhalten und – wenn auch in kleinen Schritten – ausgebaut werden. Zu dieser Politik trüge auch bei, dass die DDR in der letzten Zeit ihre Beziehungen zu Japan, Österreich und Frankreich stark erweitert habe und verlorener Boden gutgemacht werden müsse. (Diese Auffassung wird von den in Leipzig anwesenden CDU-Politikern Leisler Kiep6 und Breuel7 geteilt.)
Das größte Interesse westlicher Messevertreter und Korrespondenten konzentrierte sich naturgemäß auf den Besuch der Partei- und Staatsführung am Stand der Hoechst AG.
Die während dieses Besuches vom Genossen Erich Honecker in seinem Gespräch hervorgehobene hohe Verantwortung beider deutscher Staaten für die Einhaltung und Sicherung des Friedens und der Hinweis auf die dazu von der Regierung der DDR unterbreiteten Vorschläge fanden bei den Teilnehmern des Gespräches eine positive Aufnahme.8
In der im Anschluss an den Standbesuch auf dem Messestand der Hoechst AG stattgefundenen Pressekonferenz wurde Thomsen9 als neues Vorstandsmitglied und Nachfolger von Hoerkens10 vorgestellt.
Thomsen äußerte sich gegenüber dem BRD-Journalisten Weertz, »Die Welt«, dass er froh sei, »einen so guten Einstieg in die DDR zu haben, indem er noch vor Übernahme seiner neuen Funktion mit der DDR-Spitze zusammentreffen könne«.11
Auch bei der Durchführung vorgenannter Pressekonferenz hielt sich Standleiter Prof. Dr. Sammet12 an die am 5.9.1981 mit Genossen Dr. Beil13 und Genossen Wyschowsky14 getroffene Absprache, keine Einzelheiten über den bisherigen Stand in Verhandlung befindlicher Investobjekte zu nennen. Es wurde dargestellt, dass die Hoechst AG weiteren Aufträgen aus der DDR mit Zuversicht entgegensehe und sich darauf eingestellt hat, Kompensationsgeschäfte auch weiterhin mit der DDR abzuwickeln, wenn dadurch keine negativen Auswirkungen auf dem Markt der BRD eintreten. In allgemeiner Form wurden als aussichtsreich für den Ausbau der kommerziellen Beziehungen zur DDR Geschäfte auf dem Anlagengebiet, der Anwendungstechnik und des Umweltschutzes bezeichnet.
Am Rande dieser Gespräche fand u. a. eine Unterredung mit dem Schatzmeister der CDU, Leisler Kiep, statt, der sich als Aktionär der Hoechst AG zu erkennen gab.
Leisler Kiep versprach, sich dafür einzusetzen, dass in Fragen der Sperrkonten für DDR-Bürger in der BRD eine die DDR befriedigende Regelung von der Bundesregierung getroffen wird.15
Prof. Dr. Sammet schätzte die Ergebnisse der Geschäftstätigkeit mit der DDR unter Berücksichtigung der komplizierter gewordenen internationalen Lage positiv ein (Entwicklung des Umsatzes mit der DDR von 170 Mio. VE 1979 auf ca. 200 Mio. VE 1980). Er betonte das außerordentliche Interesse der Hoechst AG, an die DDR schlüsselfertige Anlagen, Ausrüstungen, Verfahrens-Know-how und traditionelle Chemieerzeugnisse zu liefern, aber auch die Möglichkeiten zur wissenschaftlich-technischen Kooperation und zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit in der DDR und in Drittländern.
Alle BRD-Journalisten äußerten sich positiv über die ihnen gebotenen Arbeitsmöglichkeiten, besonders am besuchten BRD-Stand.
Die beiden BRD-Fernsehkorrespondenten Pleitgen und Jauer konzentrierten sich voll auf die Berichterstattung vom Besuch am Hoechst-Stand und verzichteten auf die Begleitung des Rundganges zu anderen Ständen.
Die Atmosphäre am Hoechst-Stand sei »außergewöhnlich locker, sachlich und hoffnungsvoll gewesen«.16
Pleitgen bedauerte in diesem Zusammenhang, in seiner Fragestellung »nicht weiter gegangen zu sein, die Situation hätte es erlaubt«. Jauer, ZDF, betonte, nach dem Gespräch am Hoechst-Stand sei »der Kanzler am Zuge«.
Dr. Schiwy,17 RIAS, erklärte, ein Treffen Honecker – Schmidt in absehbarer Zeit könne »den Zerfall der Koalition, mit dem gerechnet werden müsse, verhindern«.
Von politischen Vertretern wird zum Besuch des Genossen Erich Honecker am Stand des polnischen Chemieaußenhandelsbetriebes Ciech besonders gewürdigt, dass Genosse Honecker in seiner Erwiderung auf die Begrüßung durch den polnischen Botschafter »große Komplimente« über den Aufbau des Standes gefunden und besonders die gute Nachbarschaft zwischen der DDR und Polen unterstrichen habe.18
Der polnische Botschafter wertete nach dem Besuch im internen Kreis das Auftreten der Partei- und Staatsführung der DDR als sehr positiv und zeigte sich befriedigt über die außerordentlich gute Atmosphäre. Er erwähnte in diesem Zusammenhang, dass anlässlich des Rundganges zur Leipziger Frühjahrsmesse 1981 eine »abgekühlte« Atmosphäre vorherrschte. Damals habe Genosse Honecker sich die Erläuterungen des Botschafters und des Standpersonals nur angehört, ohne selbst Bemerkungen zu machen.