Statistik Grenzverkehr vom 30.10.80–31.5.81
12. Juni 1981
Information Nr. 301/81 über einige Entwicklungstendenzen des Einreise-, Ausreise- und Transitverkehrs sowie Erkenntnisse über die Bekämpfung und Zurückdrängung von Straftaten und anderen Rechtsverletzungen seit dem Inkrafttreten der veränderten Modalitäten im pass- und visafreien Reiseverkehr zwischen der DDR und der Volksrepublik Polen für den Zeitraum vom 30. Oktober 1980 bis 31. Mai 1981
Im Zeitraum vom 30. Oktober 1980 bis 31. Mai 1981 reisten insgesamt 805 437 (2 429 285)* Bürger der Volksrepublik Polen in die DDR ein, was einem Rückgang der Gesamteinreisen um 66,8 % entspricht.1
(Darunter befinden sich 712 270 Personen, die auf der Grundlage entsprechender staatlicher Abkommen aus berufsbedingten Gründen bzw. entsprechend zentraler Festlegungen als Angehörige von polnischen Werktätigen einreisten. Siehe dazu Anlage 2.)
* Zahlen in Klammern beziehen sich auf den Zeitraum vom 30. Oktober 1979 bis 31. Mai 1980. [Original-Fußnote]
Im gleichen Zeitraum reisten insgesamt 104 317 (1 006 643) Bürger der DDR nach der VR Polen aus, was einem Rückgang der Gesamtausreisen um 89,6 % entspricht.
Im Transitverkehr durch die DDR reisten im genannten Zeitraum insgesamt 316 910 Bürger der VR Polen über die Grenzübergangsstellen der DDR zur VR Polen ein bzw. wieder aus.
Im genannten Zeitraum wurde 5 612 Bürgern der VR Polen die Einreise in die DDR und 2 088 Bürgern der DDR die Ausreise nach der VR Polen nicht gestattet, da sie nicht im Besitz der erforderlichen Dokumente waren.
(Wegen Nichtvorliegen der entsprechenden Dokumente (PM 71a)2 wurde allein am 30. Oktober 1980 – Tag des Inkrafttretens der veränderten Modalitäten – insgesamt 3 762 Bürgern der VR Polen die Einreise in die DDR nicht gestattet.
Die Zurückweisungen von Bürgern der DDR erfolgten in der überwiegenden Mehrzahl durch polnische Passkontrollorgane, weil die betreffenden DDR-Bürger keine schriftlichen Einladungen der zu besuchenden Bürger der VR Polen vorweisen konnten.
Seit Anfang des Jahres 1981 ist die Anzahl der Zurückweisungen von Bürgern der DDR und von Bürgern der VR Polen rückläufig. Gegenwärtig sind nur noch Einzelfälle (4 bis 10 Personen täglich) festzustellen. Die Zurückweisungen liegen ebenfalls im Nichtvorhandensein der erforderlichen Dokumente begründet.
Insgesamt ist festzustellen, dass der Reiseverkehr zwischen der DDR und der VR Polen auch nach dem Inkrafttreten der veränderten Modalitäten im pass- und visafreien Reiseverkehr zügig und reibungslos verläuft.
Die überwiegende Mehrzahl der in diesem pass- und visafreien Reiseverkehr reisenden Bürger der VR Polen und der DDR hält sich an die Rechtsvorschriften des Gastgeberlandes und handelt damit im Sinne des unveränderten Grundanliegens des pass- und visafreien Reiseverkehrs.
Das Zusammenwirken der Grenzkontrollorgane der DDR mit den Organen der polnischen Pass- und Zollkontrolle funktioniert reibungslos.
Seit dem Inkrafttreten der veränderten Modalitäten ist festzustellen, dass der überwiegende Teil der Bürger der VR Polen, die aus touristischen bzw. privaten Gründen einreisten, mit Ausnahme des berufsbedingten Einreiseverkehrs, bisher nur eine Reise in die DDR durchführte. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer betrug ein bis zehn Tage. Eine steigende Tendenz – die jedoch im Wesentlichen in Übereinstimmung steht mit dem jahreszeitlich bedingten Anstieg des gesamten Reiseverkehrs – ist bei Einreisen von Bürgern der VR Polen aus touristischen Gründen zu beobachten.
Dabei handelt es sich insbesondere um Reisegruppen im Rahmen des über die Reisebüros der DDR und der VR Polen organisierten Tourismus.
Aus vorliegenden Hinweisen ist zu erkennen, dass polnische Touristen teilweise die seitens des VEB Reisebüro der DDR gestalteten Programme ignorieren, indem sie bei Besichtigungen (z. B. Sowjetisches Ehrenmal in Berlin-Treptow, Sowjetische Botschaft) demonstrativ in den Reisebussen verbleiben bzw. durch andere Verhaltensweisen ihre Ablehnung bekunden.
Bei den aus privaten Gründen nach der VR Polen ausreisenden Bürgern der DDR ist festzustellen, dass sie in der Regel (94 %) nur eine Reise nach der VR Polen unternahmen. Dabei handelt es sich vorrangig um Einwohner der Bezirke Dresden, Cottbus, Frankfurt/O., Neubrandenburg und der Hauptstadt der DDR, Berlin.
Die von Bürgern der DDR aufgesuchten Reiseziele liegen vor allem in grenznahen Gebieten der VR Polen und dienten der Aufrechterhaltung langjährig bestehender freundschaftlicher und verwandtschaftlicher Beziehungen.
Aus vorliegenden Hinweisen ist eine solche Tendenz erkennbar, dass viele Bürger der DDR aufgrund der derzeitigen Entwicklung in der VR Polen nicht daran interessiert sind auszureisen, sondern Anstrengungen unternehmen, die Bürger der VR Polen, zu denen sie reisen wollten, in die DDR einzuladen.
In Einzelfällen liegen Erkenntnisse darüber vor, dass Bürger der DDR während ihres Aufenthaltes in der VR Polen durch Bürger der VR Polen bezüglich einer Einladung in die DDR angesprochen und für bestätigte Einladungen bis zu 1 000 Zloty angeboten erhielten.
Nach weiter vorliegenden Hinweisen unterbricht ein Teil der Bürger der VR Polen Transitreisen durch die DDR und hält sich unberechtigt z. T. längere Zeit (zwischen einem und 25 Tagen) auf dem Territorium der DDR auf, bevor die Transitreise fortgesetzt bzw. als Umkehrer in die VR Polen zurückgekehrt wird.
Feststellungen ergaben, dass durch im Transitverkehr durch die DDR reisende Bürger der VR Polen zunehmend Versuche unternommen werden, während der Unterbrechung der Transitreise in der DDR erworbene Gegenstände, wie z. B. Schuhwaren, Kindertextilien und Fleischwaren, z. T. in spekulativer Absicht rechtswidrig nach der VR Polen auszuführen.
So mussten zum Beispiel im Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Mai 1981 durch die Zollorgane der DDR insgesamt 422 Zoll- und Devisenverfahren gegen im Transitverkehr über die Staatsgrenze zwischen der DDR und der VR Polen einreisende bzw. wiederausreisende Personen eingeleitet werden, wobei in spekulativer Absicht erworbene Gegenstände sowie Zahlungsmittel im Wert von ca. 400 000 Mark eingezogen wurden.
Durch die Grenzzollämter der DDR werden zunehmend Feststellungen über Versuche der Durchfuhr von Druckerzeugnissen, überwiegend aus der BRD nach der VR Polen, im Zusammenhang mit der gegenwärtigen Situation in der VR Polen getroffen.
Dabei handelt es sich vor allem um Bücher, Broschüren und Zeitschriften bzw. Zeitungen von polnischen Emigrantenorganisationen in den USA, England, Belgien und Frankreich sowie von kirchlichen Organisationen, revanchistischen Organisationen und Renegaten. Sie beinhalteten hauptsächlich massive Angriffe, Diffamierungen, Verleumdungen und z. T. offene Hetze gegenüber der Sowjetunion, der PVAP und der DDR. Derartige Druckerzeugnisse wurden und werden eingezogen.
Darüber hinaus werden von Bürgern der VR Polen bei Einreisen in die DDR, insbesondere in den letzten Monaten, zunehmend Versuche unternommen, Materialien der »Solidarność« ungesetzlich einzuführen. Es handelt sich dabei überwiegend um Hetzblätter sowie Zeitungen und Zeitschriften wie »Jedność«,3 »Wolność«,4 »Tygodnik Solidarność«,5 »Wiadomości Solidarności«6 und »Wolne Słowo«,7 in denen in massiver Form die sozialistischen Staaten, insbesondere die Sowjetunion, verleumdet werden. Derartige Machwerke werden ebenfalls eingezogen.
In Durchsetzung der Maßnahmen zur Bekämpfung und Zurückdrängung von Straftaten und anderen Rechtsverletzungen unter Missbrauch des pass- und visafreien Reiseverkehrs zwischen der DDR und der VR Polen wurden im Zeitraum vom 30. Oktober 1980 bis 31. Mai 1981 durch die zuständigen Organe der DDR insgesamt 49 (44) Ermittlungsverfahren sowie 3 968 (13 592) Zoll- und Devisenverfahren eingeleitet.
Die allein bei Einleitung der Ermittlungsverfahren vorliegende Schadenssumme (erhöht sich in der Regel nach Abschluss der Untersuchungen) und der Gesamtwert der im Zusammenhang mit Zoll- und Devisenverfahren eingezogenen Gegenstände und Zahlungsmittel betrug 3,6 Mio. Mark.
Gegenstand des in Ermittlungsverfahren sowie Zoll- und Devisenverfahren bearbeiteten Schmuggels und der Spekulation sind u. a. aus der VR Polen rechtswidrig eingeführte Kunstlederjacken, Bohrmaschinen, Thermoventilatoren, Tonbandgeräte, Quarzarmbanduhren, Bettwäsche, Kosmetika sowie Glas- und Porzellanwaren.
Die eingeleiteten Ermittlungsverfahren richteten sich in 43 % und die durchgeführten Zoll- und Devisenverfahren in 75 % der Fälle gegen Bürger der VR Polen.
Dabei handelte es sich vorwiegend um in der DDR tätige Arbeitskräfte,8 deren Familienangehörige sowie um Bürger der VR Polen, die im organisierten Tourismus einreisten, die ihre Möglichkeiten der Einreise in die DDR zur ungesetzlichen Einfuhr von zur Spekulation vorgesehenen Waren und Gegenständen missbrauchten.
In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass
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sich teilweise polnische Bürger, die aus touristischen Gründen mit Bussen des polnischen Reisebüros »ORBIS« oder aus privaten Gründen auf Einladung (PM 71a) in die DDR einreisen, von den Reisegruppen bzw. Gastgebern entfernen und – z. T. auch an weiter entfernten Orten – spekulative Verkaufshandlungen mit ungesetzlich eingeführten Waren und Gegenständen durchführen;
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in mehreren Fällen im Bezirk Frankfurt/O. tätige polnische Werktätige Versuche unternahmen, DDR-Bürger als Käufer für Schuhe, Fleischwaren u. a. Nahrungs- und Genussmittel zu gewinnen und als Gegenleistung die ungesetzliche Einfuhr von Elektroerzeugnissen anboten;
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nach wie vor in Einzelfällen Bürger der VR Polen in Erscheinung treten, die bereits vor Inkrafttreten der veränderten Modalitäten in die DDR eingereist waren, sich seither ungesetzlich in der DDR aufhalten, sich Zimmer in Hotels oder über Zimmernachweis mieteten bzw. in illegalen Quartieren übernachteten und zu spekulativen Zwecken ungesetzlich eingeführte Waren und Gegenstände in verschiedenen Städten und Gemeinden der DDR verkauften.
Neben der Einleitung von Ermittlungsverfahren sowie Zoll- und Devisenverfahren wurden in weiteren 515 Fällen ausfuhrverbotene Gegenstände, die durch Reisende (vorwiegend Bürger der VR Polen) bei der Ausreise der Zollkontrolle vorgeführt wurden, in die DDR zurückgeführt bzw. mit der Maßgabe der späteren Rückführung hinterlegt.
Die insgesamt getroffenen rechtlichen Entscheidungen betrafen u. a.
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ca. 9 599 Stück Kindertextilien
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ca. 5 096 Paar Schuhe
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ca. 2 227 kg Fleisch und Fleischwaren
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ca. 2 553 Stück Untertrikotagen
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ca. 1 537 Paar Strümpfe
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ca. 1 640 Rollen Tapete.
Anlage 1 zur Information Nr. 301/81
Sachstand und Argumentation zu den von der polnischen Seite übermittelten Fragen im Zusammenhang mit dem Reiseverkehr zwischen der DDR und der Volksrepublik Polen
1. Forderung der DDR-Organe an Inhaber polnischer Dienstpässe, zusätzliche Dokumente (Dienstreiseaufträge, Bescheinigungen über dienstlichen Aufenthalt) vorzulegen
Entsprechend den zentralen Festlegungen wird der Grenzübertritt von Bürgern der VR Polen, die im Besitz eines Dienstpasses der VR Polen sind, ohne jegliche zusätzliche Dokumente gestattet. Durch die Passkontrollorgane der DDR wurden und werden keinerlei Forderungen nach zusätzlichen Dokumenten gestellt. (Das gilt auch bei Vorlage von Diplomatenpässen, Schifferdienstbüchern. und Erlaubnisscheinen für Flugpersonale.)
Darüber hinaus wird – in Berücksichtigung eines Ersuchens des Leiters der Passkontrolle der VR Polen – auch Bürgern der VR Polen, die einen Reisepass für Dienstreisende vorweisen (er ist mit dem Stempel »S« gekennzeichnet), der Grenzübertritt ohne zusätzliche Dokumente gestattet.
Nur bei Einreisen mit Personalausweisen und mit Reisepässen werden zusätzliche Dokumente gefordert. (z. B. offizielle schriftliche Einladungen von Betrieben, Kombinaten, Einrichtungen bzw. gesellschaftlichen Organisationen der DDR).
Zurückweisungen von Bürgern der VR Polen, die im Besitz eines Dienstpasses der VR Polen waren, hat es nicht gegeben.
Zur Teilnahme an in der DDR stattfindenden Kongressen, Tagungen, Symposien, Sportveranstaltungen u. Ä. ist die Einreise von Inhabern von Diplomatenpässen, Dienstpässen und Reisepässen für Dienstreisende ohne offizielle Einladung der DDR möglich.
Es ist unverständlich, wieso die polnische Seite die Auffassung vertritt, die DDR-Organe würden bei Inhabern von Dienstpässen zusätzliche Dokumente fordern. (Möglich ist jedoch, dass einzelne Institutionen bzw. Betriebe der DDR, die polnische Bürger aus dienstlichen Gründen einladen, in Unkenntnis der Art des Dokumentes, mit dem die Einreise erfolgen wird, auch polnischen Bürgern, die einen Dienstpass besitzen, Einladungen übersandten.)
2. Einschränkung des organisierten Tourismus durch die DDR (mangelnde Verhandlungsbereitschaft des Reisebüros; Rückgang Dezember 1980 um 70 % und Januar 1981 um 60 % zum Vorjahr)
Von einer Einschränkung des organisierten Tourismus seitens der DDR kann nicht gesprochen werden.
Wenn – wie aus dem bisherigen Buchungsgeschehen beim VEB Reisebüro der DDR ersichtlich – die Nachfrage von DDR-Bürgern zur Inanspruchnahme von touristischen Leistungen in der VR Polen gegenwärtig nur sehr gering ist, so liegen die Ursachen hierfür nicht aufseiten der DDR.
In Verhandlungen zu Fragen des organisierten Tourismus zwischen Vertretern der Reisebüros beider Seiten wurden in der Vergangenheit alle Möglichkeiten des organisierten Tourismus angeboten.
In diesen Beratungen wurde seitens der DDR auch hervorgehoben, dass unter organisiertem Tourismus nicht die sogenannten 1-Tages-Einkaufsreisen verstanden und realisiert werden können.
Von polnischer Seite wurden durch die DDR angebotene touristische Leistungen vielfach abgelehnt, wodurch Erschwernisse in der Durchführung des organisierten Tourismus eingetreten sind.
Das Reisebüro der DDR ist jedoch auch weiterhin bereit, auf der vorgegebenen Grundlage notwendige Beratungen mit dem Reisebüro der VR Polen zu führen.
Für das Jahr 1981 wurde die Entsendung von 120 000 DDR-Touristen nach der VR Polen vertraglich festgelegt. (Intern: Diese Zahl wurde DDR-seitig in der Zwischenzeit auf 40 000 reduziert, ohne dass die polnische Seite davon in Kenntnis gesetzt worden ist. Eine Rechtspflicht zur Information der polnischen Seite besteht insofern nicht, als die Möglichkeit besteht, laut Vertrag bis 21 Tage vor Reisebeginn die Reisen dem Partner gegenüber sanktionslos zu stornieren. Davon ausgenommen sind die sogenannten Garantieobjekte. Hier bemühte sich das Reisebüro der DDR, diese aus dem Vertrag zu nehmen, da bei einer Nichtauslastung Vertragsstrafen gezahlt werden müssen.)
Im Vergleich der Plan-/Ist-Reisen bei Einreisen polnischer Bürger vom 1. Januar bis 30. April 1981 im Rahmen des organisierten Tourismus ist ein Erfüllungsstand von 151 % (Stand 30. April 1981: Soll: 11 860, Ist: 17 912) zu verzeichnen. Daraus ist ersichtlich, dass die getroffene Aussage über eine Reduzierung nicht dem tatsächlichen Stand entspricht.
Bei der Entsendung von DDR-Bürgern in die VR Polen wurde vom 1. Januar bis 30. April 1981 lediglich eine Auslastung von 26,1 % (Stand 30. April 1981: Soll: 8 935, Ist: 2 332) erreicht.
Die insbesondere vor Inkrafttreten der veränderten Modalitäten des Reiseverkehrs durch das Reisebüro »ORBIS«9 organisierten Tagesreisen in die DDR, die als Einkaufsreisen genutzt wurden und bei denen keine touristischen Leistungen der Reisebüros der DDR in Anspruch genommen wurden, sind hierbei nicht berücksichtigt.
Seitens der beiden Reisebüros der DDR (Reisebüro/Jugendtourist) gibt es aufgrund von Kapazitätsmangel an Übernachtungen sowie Betreuern/Dolmetschern keine Möglichkeiten der Erweiterung des organisierten aufnehmenden Tourismus.
3. Sehr strenge Handhabung der Transitbestimmungen und Anwendung von Strafmaßnahmen bei verkehrsbedingten Transitunterbrechungen
Den zuständigen Organen der DDR ist kein Fall bekannt, wo ein Bürger der VR Polen wegen einer verkehrsbedingten Transitunterbrechung mit Strafmaßnahmen belegt wurde.
In 13 Fällen wurden bisher rechtswidrige Transitunterbrechungen durch Bürger der VR Polen ohne Nachweis von verkehrsbedingten Unterbrechungen festgestellt.
Dabei handelte es sich überwiegend um die vorsätzliche rechtswidrige Unterbrechung dieser Transitreisen, indem diese Bürger der VR Polen z. B. Verwandte oder Bekannte besuchten und dort häufig mehrere Tage Quartier nahmen bzw. zum Zwecke der Durchführung spekulativer Handlungen die großzügigen Transitmöglichkeiten der DDR missbrauchten. Derartige Machenschaften widersprechen nicht nur den Rechtsvorschriften der DDR, sondern auch den international üblichen Gepflogenheiten der Transitgewährung.
In diesen Fällen erfolgte die Anwendung von Ordnungsmaßnahmen auf der Grundlage bestehender gesetzlicher Bestimmungen. In zwölf Fällen erfolgten Belehrungen gegenüber polnischen Bürgern, weil Transitverstöße in leichten Fällen vorlagen.
Ausgehend davon ist festzustellen, dass die angeblich »sehr strenge« Handhabung der Transitbestimmungen der DDR nicht den Tatsachen entspricht.
4. Überspitztes Kontrollregime der Grenz- und Zollorgane (z. B. Kontrollen bei Messebesuchern bis zu sechs Stunden Dauer, allgemein stundenlange und intensive Kontrolle, Leibesvisitationen)
Die Kontrollpraxis im Reiseverkehr hat sich nach Einführung der Modalitäten nicht verändert.
Zollkontrollen werden wie international üblich durchgeführt und Verstöße gegen die Zollbestimmungen entsprechend den Rechtsvorschriften der DDR geahndet.
Durch die Zollkontrolle gab es in der Vergangenheit keine Verzögerungen im Rahmen der Grenzabfertigung, die durch die zuständigen Organe der DDR herbeigeführt wurden. Wenn – was in Einzelfällen zutreffend war – Verzögerungen eintraten, so ausschließlich aufgrund der nicht gegebenen Voraussetzungen für eine zügige und reibungslose Grenzabfertigung, indem z. B. bei der Einreise von Reisegruppen polnischer Bürger in die DDR die Reiselisten unvollständig oder fehlerhaft waren.
Darüber hinaus häufen sich Feststellungen, dass an Waggons von aus der VR Polen in die DDR verkehrenden Reisezügen Hetzlosungen bzw. Hetzschriften antisozialistischen Inhalts angeschmiert oder aufgeklebt sind, wodurch zum Zwecke der Beseitigung dieser antisozialistischen Machwerke Verzögerungen in der Abfertigung auftreten. Was Besucher der Leipziger Messe betrifft, werden diese unverändert großzügig abgefertigt.
Der DDR-Seite ist kein Fall bekannt, wo in der BRD gekaufte Lebensmittel (offenbar handelt es sich hierbei um Transitreisende) an der Grenze zur VR Polen eingezogen wurden.
Seitens der DDR muss darauf aufmerksam gemacht werden, dass sich im Reiseverkehr VR Polen/DDR in der letzten Zeit verstärkt Versuche zur Einfuhr von Schriftgut antisozialistischer Vereinigungen zeigten.
Sollte sich diese Tendenz weiter entwickeln, müssen natürlich die Kontrollorgane darauf verstärkte Aufmerksamkeit lenken und werden die einschlägigen Rechtsvorschriften der DDR konsequent durchsetzen. (Siehe dazu Feststellungen auf Seite 5)10
5. Erweiterung der Besuchsregelung für polnische Werktätige in der DDR auf Verwandte und Bekannte
Mit Inkrafttreten der neuen Modalitäten wurde festgelegt, dass die Betriebe auf Ersuchen der polnischen Werktätigen für deren Familienangehörige Bescheinigungen ausstellen können, die im Rahmen ihrer Gültigkeit zur mehrmaligen Einreise berechtigen, und dass als Familienangehörige – in Übereinstimmung mit der internationalen Praxis – Ehepartner und Kinder bis zum vollendeten 18. Lebensjahr bzw. bei Ledigen, Eltern und Kindern bis zum vollendeten 18. Lebensjahr gelten.
Demzufolge hat es hinsichtlich der Ausstellung dieser Bescheinigungen keine einschränkenden Festlegungen gegeben.
Es gibt keine Möglichkeit, diesen Personenkreis zu erweitern, da dadurch die vereinbarten Modalitäten unterlaufen und in einem bestimmten Bereich gegenstandslos würden.
6. Verzicht auf formgebundene Einladungen zu Privatbesuchen bei Mitarbeitern der Botschaft und der Generalkonsulate in der DDR
In den vergangenen sieben Monaten hat sich erwiesen, dass sich die hierzu getroffenen Festlegungen, die den vereinbarten Modalitäten entsprechen, in der Praxis vollauf bewährt haben und es nicht in einem einzigen Fall zu Verzögerungen im Reiseverkehr oder anderen Beanstandungen gekommen ist. Es gibt daher keinen Grund, an diesen Modalitäten Veränderungen vorzunehmen.
Was die Praxis für einreisende Verwandte und Bekannte von in der VR Polen tätigen Bürgern der DDR betrifft, wiederholt die DDR ihren Standpunkt, dass analoge Maßnahmen durch die VR Polen für Bürger der DDR jederzeit akzeptiert werden.
Anlage 2 zur Information Nr. 301/81
Anzahl der Einreisen und Ausreisen seit dem Inkrafttreten der veränderten Modalitäten im pass- und visafreien Reiseverkehr zwischen der DDR und der VR Polen für den Zeitraum vom 30. Oktober 1980 bis 31. Mai 1981
Im Zeitraum vom 30. Oktober 1980 bis 31. Mai 1981 reisten insgesamt 805 437 Bürger der Volksrepublik Polen in die DDR ein, davon
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60 116 Einreisen aus privaten Gründen (PM 71a bzw. bestätigtem Telegramm),
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33 051 Einreisen aus touristischen Gründen (Reiselisten, Voucherbestätigungen, Leistungsvoucher),
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619 361 Einreisen von entsprechend getroffener Abkommen und Vereinbarungen in der DDR beschäftigten Werktätigen der VR Polen,
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43 292 Einreisen von Angehörigen der in der DDR beschäftigten Werktätigen der VR Polen,
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49 617 Einreisen von Bürgern der VR Polen aus dienstlichen Gründen.
Im gleichen Zeitraum reisten insgesamt 104 317 Bürger der DDR nach der VR Polen aus, davon
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35 345 Ausreisen aus privaten Gründen (PM 72),11
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16 216 Ausreisen aus touristischen Gründen (Sammelliste Reisebüro, PM 72 mit Bestätigung Reisebüro),
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52 756 Ausreisen aus dienstlichen Gründen.
Anlage 3 zur Information Nr. 301/81
Hinweis zum politischen Auftreten und Verhalten polnischer Werktätiger und Studenten in der DDR
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind in der Volkswirtschaft der DDR insgesamt 21 996 polnische Werktätige beschäftigt, darunter auf der Grundlage von
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Regierungsabkommen: 5 338,
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Pendlerabkommen: 3 109,
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kommerziellen Verträgen: 10 028,
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sowie weitere 3 521 polnische Werktätige, die aufgrund darüber hinausgehender Abkommen, Vereinbarungen und ständiger Aufenthaltserlaubnis in der DDR tätig sind (Ressortabkommen, Vereinbarung gesellschaftlicher Organisationen, zwischenbetriebliche Verträge).
Die polnischen Werktätigen zeigen überwiegend eine disziplinierte Arbeitseinstellung und halten die arbeitsrechtlichen Bestimmungen ein.
Vorliegenden Hinweisen zufolge unternahmen Einzelne dieser polnischen Werktätigen Versuche, Bürger der DDR in Betrieben und Einrichtungen der DDR politisch-ideologisch im Sinne der »Politik« von »Solidarność« zu beeinflussen und spekulierten auf Folgeerscheinungen dieser »Politik« auch in der DDR.
Durch wachsames Verhalten seitens der zuständigen Partei-, Gewerkschafts- und Betriebsleitungen konnten Auswirkungen rechtzeitig vorbeugend verhindert werden. Es wurden entsprechende Maßnahmen getroffen, um auch künftig auf derartige Erscheinungen sofort und mit aller Konsequenz zu reagieren.
An den Universitäten und Hochschulen der DDR studieren zurzeit 451 Staatsbürger der VR Polen; darunter an der Technischen Universität Dresden 110, der Humboldt-Universität Berlin 55, der Technischen Hochschule Karl-Marx-Stadt 52, der Wilhelm-Pieck-Universität Rostock 42, der Karl-Marx-Universität Leipzig 32, der Hochschule für Ökonomie »Bruno Leuschner« Berlin 28, der Technischen Hochschule Ilmenau 28, der Handelshochschule Leipzig 30 und der Technischen Hochschule Leipzig 25.
Zum politischen Auftreten und Verhalten dieser polnischen Studenten liegen dem MfS folgende Hinweise vor:
Der politisch-ideologische Einfluss auf die polnischen Studenten in der DDR erfolgt neben der marxistisch-leninistischen Lehrtätigkeit an den Universitäten und Hochschulen der DDR durch die Mitglieder der PVAP und des »Polnischen Sozialistischen Studentenverbandes« (SZSP)12 in der DDR.
Dabei wurde die Vorbereitung und Durchführung der 5. Delegiertenkonferenz dieses Verbandes in der DDR am 27. und 28. März 1981 zur verstärkten politisch-ideologischen Arbeit, insbesondere zur Festigung der Einheit und Geschlossenheit der SZSP-Grundorganisation in der DDR und ihre Rolle als Helfer der PVAP genutzt, welches auch von der Delegiertenkonferenz als politische Orientierung bestätigt wurde.
Eine in diesem Zusammenhang von der SZSP-Grundorganisation der Technischen Hochschule Karl-Marx-Stadt ausgegangene Willenserklärung fand die Zustimmung des gesamten SZSP-Verbandes in der DDR (Anhang).
Durch unterschiedliche Einflüsse, insbesondere durch die Aufenthalte von in der DDR studierenden polnischen Bürgern in ihren Heimatorten in der VR Polen, entwickelt sich unter einem Teil der Studenten zunehmend Unsicherheit zu der komplizierten Lage in der VR Polen und zum weiteren Studium in der DDR.
Das wird insbesondere durch solche Meinungen sichtbar wie:
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Die Lage in der VR Polen normalisiere sich, weil die Regierung und »Solidarność« weiter verhandeln,
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die antisozialistischen Kräfte seien isoliert. »Solidarność« wäre nicht konterrevolutionär. Alles konzentriere sich auf die sozialistische Erneuerung,
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man müsse die gesamte polnische Presse kennen, nicht nur die DDR-Presse über antisozialistische Kräfte, um sich ein »wahres« Bild machen zu können.
Insgesamt ist jedoch festzustellen, dass sich die polnischen Studenten in politischen Meinungsäußerungen zurückhalten.
In einzelnen Fällen kam es in den letzten Monaten zu negativen bzw. feindlichen Äußerungen und Handlungen einzelner Studenten, in deren Folge politische Auseinandersetzungen geführt werden mussten bzw. bei zehn Studenten Exmatrikulationen und Rückführungen in die VR Polen erfolgten. Das betraf vor allem »ihr unterstützendes Auftreten zur Linie von Solidarność«, die ablehnende Haltung zum marxistisch-leninistischen Grundstudium sowie ernsthafte Verstöße gegen die Studiendisziplin.
Vereinzelt haben auch polnische Studenten ihr Studium in der DDR abgebrochen und sind von sich aus in die VR Polen zurückgereist, da die Anforderungen im Studium bzw. bei Prüfungen zu hoch wären.
Gezielte Aktivitäten vonseiten polnischer Studenten in der DDR zur negativen Beeinflussung von DDR-Studenten wurden bisher nicht bekannt.
Anhang [zur Anlage 3]
Wortlaut der »Willenserklärung«
Wir, polnische Studierende an der Technischen Hochschule Karl-Marx-Stadt, wollen uns von den Ausschweifungen der Kollegen [Name 1] und [Name 2] in Leipzig sowie den Studenten in Halle wehren.
Wir wollen nicht, dass Schatten jener Ereignisse unsere Beziehungen mit der Hochschulleitung und der FDJ-Organisation verschlechtern. Dankbar für die angenehme Gastfreundschaft, die uns hier in der DDR betroffen hat, wollen wir nochmals den festen sozialistischen Standpunkt unseres Studentenverbandes unterstreichen. Wir werden uns immer von den reaktionären Kräften trennen.
Mit sozialistischem Gruß | Stempel, Unterschrift | [Vorname Name 3] | Karl-Marx-Stadt, 2.3.1981