Studenten der ESG Rostock zur Friedenserziehung
6. April 1981
Information Nr. 173/81 über die Vorbereitung eines Briefes mit politisch negativem Inhalt von Studenten der Evangelischen Studentengemeinde Rostock an den Staatssekretär für Kirchenfragen
Dem MfS wurde streng vertraulich bekannt, dass in einer internen Sitzung des sogenannten Arbeitskreises Erziehung zum Frieden der Evangelischen Studentengemeinde Rostock am 5.3.1981 ein Brief mit politisch negativem Inhalt entworfen und sein Versand ursprünglich an den Vorsitzenden des Staatsrates, Genossen Honecker, vorgesehen wurde.
Die Absicht des Arbeitskreises bestehe darin, über die nachfolgend genannten Fragenkomplexe mit der Regierung der DDR ins Gespräch kommen zu wollen:
- –
von den Verfassern wird die Frage nach der Berechtigung, dem Sinn und Inhalt des Wehrunterrichts1 gestellt und dieser abgelehnt;
- –
der Verkauf von »Kriegsspielzeug« wird abgelehnt;
- –
es wird eine Einstellung der Militärparaden in der DDR gefordert;
- –
es wird die Frage gestellt, warum der »Militäretat« der DDR erhöht werde;
- –
unter Bezug auf Veröffentlichungen des BRD-Magazins »Der Spiegel« (Stationierung von Raketeneinheiten in der BRD)2 wird die Frage gestellt, ob Raketenwaffen auch in der DDR stationiert seien oder deren Stationierung vorgesehen wäre.
Weiter wurde intern bekannt, dass dieser Brief durch den verantwortlichen Studentenpfarrer Kleemann, Christoph,3 (Rostock) zunächst nicht, wie vorgesehen, zum Versand gebracht, sondern in der Sitzung des Arbeitskreises am 19.3.1981 erneut zur Diskussion gestellt wurde. Kleemann erklärte dazu, dass er selbst von der Richtigkeit des beabsichtigten Weges nicht überzeugt sei und er in Bezug auf die Realisierung der Absichten der Studenten des Arbeitskreises »gewarnt« worden wäre.
Nach einer dreistündigen Auseinandersetzung ergab sich, dass sich von 15 Anwesenden acht für den Versand des Briefes an Landesbischof Rathke4 (Schwerin) und fünf für einen direkten Versand an Genossen Honecker entschieden; zwei enthielten sich der Stimme.
Es wurde festgelegt, dass der Brief von den Mitarbeitern des sog. Arbeitskreises Erziehung zum Frieden unterzeichnet wird und am 6.4.1981 an Bischof Rathke übergeben werden soll. Rathke soll gebeten werden, diesen Brief an den Staatssekretär für Kirchenfragen weiterzuleiten.
Bisher sollen ca. 15 bis 20 Studenten unterzeichnet haben. (Dabei handelt es sich vor allem um Theologiestudenten und um Studenten der Sonderschule Pädagogik, die der ESG Rostock angehören.)5
Es wird empfohlen, dass der Staatssekretär für Kirchenfragen, Genosse Gysi,6 nach Eingang des Briefes mit Landesbischof Rathke unter Hinzuziehung der Leiterin der Geschäftsstelle der Evangelischen Studentengemeinden in der DDR, Dr. Bernau, eine Aussprache mit dem Ziel führt, dieses Schreiben als Akt der Diffamierung der Friedenspolitik der DDR grundsätzlich zurückzuweisen. Gleichzeitig könnte Genosse Gysi die Frage nach einem konstruktiven Friedensengagement der Unterzeichner des Briefes und junger Christen aufwerfen.
Die Information ist wegen Quellengefährdung nicht zur offiziellen Auswertung geeignet.