Tagungen der Frühjahrssynoden in Evangelischen Landeskirchen
8. April 1981
Information Nr. 174/81 über Tagungen von Frühjahrssynoden in Evangelischen Landeskirchen der DDR
Dem MfS liegen Hinweise zum Verlauf der bisherigen Tagungen der Frühjahrssynoden der Evangelischen Landeskirchen der DDR vor. In letzter Zeit wurden turnusmäßig die Synoden folgender Kirchenleitungen durchgeführt:
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21.–25.3.1981: Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsen (Dresden),
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26.–29.3.1981: Evangelisch-Lutherische Kirche in Thüringen,
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27.–29.3.1981: Evangelische Kirche der Kirchenprovinz Sachsen (Magdeburg),
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27.–29.3.1981: Evangelische Kirche des Görlitzer Kirchengebietes.
Im Folgenden werden dazu zusammengefasste Aussagen, die bemerkenswert erscheinen, wiedergegeben.
Gemeinsame Schwerpunkte dieser Synodaltagungen waren Probleme zur Bildung einer Vereinigten Evangelischen Kirche in der DDR (VEK)1 sowie die innerkirchliche Behandlung von Fragen zur Haushaltsplanung, Amtsführung, Pfarrerversorgung u. a.
An den Synodaltagungen nahmen keine Vertreter westlicher Massenmedien teil. Als Gäste aus der BRD nahmen teil:
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an der Synode der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsen (Dresden): Dahlgreen (Europasekretär des Lutherischen Weltbundes), Pastor Pörksen (Nordelbische Kirche), Dr. Schwertfeger (Vizepräsident der Landeskirche Schaumburg-Lippe);
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an der Synode der Evangelischen Kirche des Görlitzer Kirchengebietes: Oberkirchenrat Müller (Oldenburg) und Landeskirchenrat Kleingünther (Westfalen).
Charakteristisch für die inhaltliche Gestaltung der Synodaltagungen war eine sachliche Behandlung innerkirchlicher und theologischer Probleme. Bezüge zu aktuell politischen und kirchenpolitischen Problemen wurden lediglich in vereinzelten Diskussionsbeiträgen von Synodalen hergestellt. Alle Synoden befürworteten weitere Schritte zur Herausbildung einer Vereinigten Evangelischen Kirche in der DDR (VEK).
Zum Verlauf der einzelnen Synoden ist bemerkenswert:
Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsen (Dresden)
Die Synode beauftragte die Kirchenleitung, bei den staatlichen Stellen vorstellig zu werden, um eine stärkere Nutzung von Mark der DDR für Baumaßnahmen zu garantieren. Besonders auf dem Gebiet der Diakonie sei es dringend notwendig, Baumaßnahmen zu bilanzieren.
Dass kirchliche Bauvorhaben überwiegend nur mit Valuta möglich seien, wurde in der Diskussion als »Skandal« bezeichnet.
Evangelisch-Lutherische Kirche in Thüringen
Landesbischof Leich2 (Eisenach) gab kurze Ausführungen zur Situation in der VR Polen. Er betonte, er sehe sich aufgrund fehlender Informationen sowie ungenügenden politischen Sachverstandes nicht in der Lage, die Situation in der VR Polen richtig zu analysieren. Er formulierte jedoch drei »Richtwerte«, die seines Erachtens dringend zu beachten seien.
- »1.
Es steht uns als Deutsche keinesfalls an, unserem benachbarten polnischen Volk Zensuren zu erteilen und auf diese Weise die langsam gewachsene Verständigung zu gefährden.
- 2.
Wir müssen mit aller Eindeutigkeit für unsere Hoffnungen eintreten, dass die Lage in der VR Polen durch friedliche Mittel der Überzeugung und nicht durch Eingriffe von außen einer Entspannung zugeführt wird.
- 3.
In allen unseren Gedanken und Gebeten ist zu berücksichtigen, dass die Situation in einem Staat nicht isoliert gesehen werden kann, sondern im Zusammenhang mit den nach 1945 entstandenen Einflussbereichen und auch im Blick auf die aus der Verschiebung des Machtverhältnisses folgende Kriegsgefahr zusammen betrachtet werden muss.«
Evangelische Kirche der Kirchenprovinz Sachsen (Magdeburg)
In Beratungen zur Vorlage des Berichtsausschusses kam es zu Diskussionen in Bezug auf die Formulierung der Grundartikel zur Bildung der Vereinigten Evangelischen Kirche in der DDR, insbesondere zum Punkt 8, worin es heißt:
»Die Vereinigte Evangelische Kirche steht in der besonderen Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland.« Durch die Synodalen Köpernick (Magdeburg) und Rudolph (Merseburg) wurde ein Ergänzungsantrag gestellt, wonach für das Wort »Deutschland« die Formulierung »beide deutsche Staaten« aufgenommen werden sollte.
Bischof Krusche3 (Magdeburg) unterband eine weitere Diskussion, indem er erklärte, solange die SED das Wort »Deutschland« nicht störe, sehe er keinen Grund zur Änderung.
Evangelische Kirche des Görlitzer Kirchengebietes
Bischof Wollstadt4 (Görlitz) gab zu Beginn einen sachlichen Bericht an die Synode. In der Diskussion zu diesem Bericht kam es jedoch durch Havenstein (Kreis Weißwasser) zu Angriffen gegen diese Ausführungen. Havenstein brachte u. a. zum Ausdruck, die neue Schulordnung sei so ausgestaltet, dass die gesamte Kinder- und Jugendarbeit zunichte gemacht würde. Er stellte die Frage, wieso nach dem 6.3.1978 derartige Gesetze erlassen werden könnten.5 Er – Havenstein – wolle auf zwei Probleme aufmerksam machen, die im Bericht der Kirchenleitung keine Rolle spielten, und zwar vermisse er Festlegungen zu Hilfsmaßnahmen für die polnischen Bürger; staatliche Gesetze würden jede Hilfe verbieten. Es wäre weiterhin erforderlich, ungehindert Reisen in die BRD zuzulassen. Nach Helsinki6 müsste man reisen können, wohin man wolle. In dieser Frage würden die DDR-Bürger »als Gefangene behandelt, wie in einer Erziehungsanstalt«. Es sei wichtig, immer wieder darauf hinzuweisen, dass ein Volk so nicht behandelt werden könne. Havenstein stellte weiter provokatorisch die Frage, was er eigentlich noch tun müsse, damit seine Kinder nicht kommunistisch und atheistisch erzogen würden. Er fragte im weiteren Verlauf der Diskussion, warum keine Westjournalisten an der Synode teilnehmen. Weiterhin vermisse er in den letzten Jahren den Begriff des »Wächteramtes der Kirche gegenüber der Gesellschaft«.7
Bemerkenswert erscheint für die gesamte Diskussion, dass Bischof Wollstadt die Ausführungen des Havenstein duldete und nicht zurückwies. Dies war auch kennzeichnend für alle Synodalen.