Treffen Richard von Weizsäckers mit Manfred Stolpe in Potsdam
26. Oktober 1981
Information Nr. 527/81 über den Aufenthalt des Regierenden Bürgermeisters von Westberlin, Freiherr von Weizsäcker, Richard, am 11. Oktober 1981 in Potsdam
Am 11. Oktober 1981, 10.00 Uhr, erfolgte über die Grenzübergangsstelle Drewitz die Einreise des von Weizsäcker, Richard,1 (61) mit Pkw und Kraftfahrer zu einem touristischen Aufenthalt nach Potsdam.
Die Einreise war von Weizsäckers am 6. Oktober 1981 durch einen von ihm Beauftragten in einem Büro für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin beantragt worden.
(Von Weizsäcker hielt sich 1980 und 1981 zu touristischen und privaten Zwecken jeweils einen Tag in der Hauptstadt der DDR, Berlin, auf.)
Unmittelbar nach der Einreise begab sich von Weizsäcker direkt in die Wohnung des Oberkonsistorialrates Stolpe, Manfred,2 Potsdam [Straße, Nr.] (Sekretär des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR), der für von Weizsäcker ein touristisches Programm erarbeitet und beim VEB Reisebüro der DDR bestellt hatte.
In der Zeit von 11.30 bis 13.45 Uhr besuchte von Weizsäcker gemeinsam mit Stolpe, unter Führung einer Reiseleiterin des VEB Reisebüro, die Staatlichen Schlösser und Gärten von Potsdam-Sanssouci, die Gedenkstätte Cecilienhof, das Neue Palais, das Schlosstheater und das Schloss Charlottenhof. Er äußerte sich anerkennend über die Pflege der Gärten sowie der Gedenkstätte des Potsdamer Abkommens.
Nach der Einnahme des Mittagessens besuchte von Weizsäcker den Nachmittagsgottesdienst in der Nikolai-Kirche.
Am Nachmittag traf von Weizsäcker in der Wohnung des Stolpe mit den Vertretern des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR,3 Oberkonsistorialrat Stolpe, Leiter des Sekretariats des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR, dessen Ehefrau (Potsdam), Propst Winter,4 Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg (Berlin), Generalsuperintendent Bransch5 (Potsdam), Bischof Forck6 (Cottbus), Landessuperintendent Schröder7 (Parchim), Vorsitzender des Präsidiums des Evangelischen Kirchentages, Oberkonsistorialrat Plath8 (Greifswald), Pfarrer Greim9 (Winterstein), Dr. Opitz10 (Wittenberg), Peter, Hans-Detlef (Berlin), Mäurich, Christa (Dresden) – alle Mitglieder des Präsidiums der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg – zu einer Unterredung zusammen.
Von Weizsäcker hatte bereits während des Hamburger Kirchentages11 gegenüber Teilnehmern aus der DDR angekündigt, dass er Potsdam besuchen wolle.
Eine ausdrückliche Einladung war seitens kirchlicher Persönlichkeiten der Evangelischen Kirchen der DDR nicht ausgesprochen worden.
Streng internen Hinweisen zufolge beabsichtigte von Weizsäcker mit seinem Aufenthalt in der DDR, ebenfalls einen solchen Besuch »aufweisen« zu können, wie das Stoltenberg,12 Geißler13 u. a. Spitzen der CDU/CSU bereits getan hätten.
Des Weiteren habe er ein Alibi für seine demnächst zu artikulierende Stellungnahme zu einem Besuch von Bundeskanzler Schmidt14 in der DDR benötigt. Er habe sich für diesen Besuch ausgesprochen und wolle nun dieses Votum mit den Meinungen kirchlicher Vertreter der DDR, die sich bei dem Meinungsaustausch ebenfalls über Gespräche zwischen den führenden Repräsentanten der beiden deutschen Staaten ausgesprochen hätten, abdecken.
Mit seinen Kontakten in die DDR wolle von Weizsäcker seine Position gegenüber den »Extremen« in seiner Partei, wie z. B. Lummer,15 stärken.
Von Weizsäcker war sehr darum bemüht, die Stimmung der Bevölkerung der DDR zum geplanten Treffen des Bundeskanzlers der BRD, Schmidt, mit dem Generalsekretär des ZK der SED und Vorsitzenden des Staatsrates der DDR, Genossen Erich Honecker, in Erfahrung zu bringen und mit den kirchlichen Vertretern der DDR die eventuellen Ergebnisse zu erörtern.16
Von Weizsäcker vertrat in diesem Zusammenhang die Auffassung, dass Schmidt unmöglich mit leeren Händen zurückkommen könne und das Treffen nur einen Sinn habe, wenn es sich als ein stabilisierender Faktor für die Lage in Europa und zwischen den beiden deutschen Staaten erweise.
Darüber hinaus wolle er Schmidt dahingehend beeinflussen, die Frage nach Veränderung des Mindestumtausches17 auf die Tagesordnung zu setzen. Westberlin müsse in dieser Frage »drücken«, da ein Rückgang von Reisen in die DDR zu verzeichnen sei.
Ihm sei natürlich klar, dass die DDR angesichts der Situation in der VR Polen nicht besonders manövrierfähig sei und ein Anwachsen der Westbesucher in die DDR offensichtlich nicht will.
Die kirchlichen Vertreter (insbesondere Generalsuperintendent Bransch) waren dazu der Ansicht, dass die Lage in der DDR als stabil einzuschätzen sei und die Partei- und Staatsführung »fest im Sattel sitze«.
Weiter streng intern vorliegenden Hinweisen zufolge vermied es von Weizsäcker, seine Gesprächspartner zu beeinflussen bzw. sich in innere Angelegenheiten der DDR einzumischen. Er betonte mehrmals seine mehr als 20-jährige persönliche Bekanntschaft mit den Gesprächspartnern aus der Zeit seiner Funktionen in Gremien der »Evangelischen Kirchen in Deutschland« und der Ökumene.
Ein geplanter Besuch von Weizsäckers der kirchlichen Tagungsobjekte in Ferch18 fand nicht statt, da die kirchlichen Vertreter wegen einer zu diesem Zeitpunkt dort stattfindenden Tagung von Vertretern aus allen Evangelischen Landeskirchen der DDR zur Kirchentagsbewegung19 kirchenpolitische Komplikationen befürchteten.
Um 21.20 Uhr reiste von Weizsäcker über die Grenzübergangsstelle Drewitz wieder nach Westberlin aus. Unmittelbar danach suchte er den Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg in Westberlin, Kruse,20 zu einer Unterredung auf.
Die Information ist wegen Quellengefährdung nur zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt.