Ungesetzliches Verlassen der DDR durch einen LDPD-Funktionär
14. September 1981
Information Nr. 463/81 über das ungesetzliche Verlassen der DDR durch den stellvertretenden Vorsitzenden des Bezirksverbandes Berlin der LDPD
Am 9. September 1981 wurde bekannt, dass Dr. Dirksen, Ulrich1 (40), wohnhaft: 1100 Berlin, [Straße, Nr.], stellvertretender Vorsitzender des Bezirksverbandes Berlin der LDPD (hauptamtlicher Kader), seit 1981 Stadtverordneter der Hauptstadt der DDR, Berlin, Mitglied der LDPD seit 1963, die DDR unter Missbrauch einer privaten Touristenreise in die Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien ungesetzlich verlassen hat und sich gegenwärtig in Braunschweig/BRD befindet.
Die Ehefrau des Dirksen (38, Erzieherin [Name der Bildungseinrichtung]), die diese genehmigte Reise – Zeitraum 23. August 1981 bis 9. September 1981 nach Split – gemeinsam mit ihrem Ehemann angetreten hatte, kehrte termingerecht mit der Reisegruppe am 9. September 1981 in die DDR zurück.
Sie erstattete am 11. September 1981 bei der Deutschen Volkspolizei Anzeige über die Nichtrückkehr ihres Ehemannes in die DDR.2
Bisherigen Hinweisen der Ehefrau3 zufolge, habe Dirksen bereits am 4. September 1981 mit ihr über seine Absicht gesprochen, die DDR ungesetzlich verlassen zu wollen. Die Ehefrau will einer Beteiligung am ungesetzlichen Verlassen der DDR unter Hinweis darauf, dass sich die beiden Kinder (Töchter 17 bzw. 15 Jahre) noch in der DDR befinden, abgelehnt haben.
Nach bisher noch widersprüchlichen Angaben der Ehefrau habe sich Dirksen am 7. September 1981 zu einem Zeitpunkt aus dem Hotel entfernt, als sie noch fest geschlafen habe.
In einem im Hotelzimmer zurückgelassenen Brief des Dirksen an den Reiseleiter teilte er mit, dass er am 8. September 1981 nach Belgrad fahre und nicht wieder mit der Reisegruppe in die DDR zurückfliege.
Über die Motive der Nichtrückkehr des Dirksen liegen bisher noch keine Hinweise vor.4
Seine Ehefrau hat inzwischen zum Ausdruck gebracht, dass sie »zu ihrem Ehemann gehöre«. Beide Töchter sollen sich im gleichen Sinne geäußert haben.
Zur Person des Dirksen ist bisher bekannt:
Der Dirksen arbeitete nach erfolgreichem Abschluss eines Direktstudiums an der Pädagogischen Hochschule »Clara Zetkin« in Leipzig als Lehrer für Deutsch und Geschichte bis 1968 in Aschersleben und nahm danach eine Tätigkeit als politischer Mitarbeiter im Sekretariat des Zentralvorstandes der LDPD auf. Im Rahmen dieser politischen Tätigkeit erhielt Dirksen die Möglichkeit, am Zentralinstitut für Geschichte der Akademie der Wissenschaften der DDR zu promovieren (Doktor der Philosophie).5
Seit 1977 war er als stellvertretender Vorsitzender des Bezirksverbandes Berlin der LDPD tätig und wurde in dieser Funktion zugleich Mitglied des Bezirksvorstandes der Nationalen Front. Dirksen war seit 1981 Stadtverordneter und Mitglied der ständigen Kommission Kultur der Stadtverordnetenversammlung der Hauptstadt.6
Bisherigen Feststellungen zufolge realisierte Dirksen die ihm übertragenen Aufgaben mit hoher Disziplin und Einsatzbereitschaft und war durch konstruktives und offensives Auftreten an der Überwindung anstehender Probleme interessiert.
Entsprechende Maßnahmen zur Aufklärung der Ursachen, Motive und begünstigenden Bedingungen wurden eingeleitet.
Des Weiteren erfolgt die Prüfung der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen die Ehefrau des Dirksen.7