Werkstattgottesdienst des Kirchenkreises Berlin-Friedrichshain
19. Mai 1981
Information Nr. 244/81 über einen »Werkstattgottesdienst« des Kirchenkreises Berlin-Friedrichshain am 15. und 16. Mai 1981 in der Auferstehungskirche (Friedensstraße)
Am Freitag, dem 15. und Sonnabend, dem 16. Mai 1981 wurde der jährlich stattfindende sogenannte »Werkstattgottesdienst«1 des Kirchenkreises Berlin-Friedrichshain in der Auferstehungskirche zum Thema »Gewalt« durchgeführt.
Die Hauptinitiatoren und -organisatoren des diesjährigen »Werkstattgottesdienstes« waren Syrowatke, Rolf, Jugenddiakon in der Auferstehungsgemeinde, Kahlau, Bruno, Gemeindehelfer in der Auferstehungsgemeinde, Hirsch, Ralf,2 Angestellter der Evangelischen Verlagsanstalt Berlin.
Von ihnen ist u. a. bekannt, dass sie Angehörige des Vorbereitungskreises der sogenannten »Bluesmessen«3 sind.
Am 15.5.1981 nahmen der Kreisjugendpfarrer Eppelmann4 und der Sozialdiakon des Kirchenkreises Berlin-Friedrichshain, Schröder,5 am »Werkstattgottesdienst« teil. Auch sie gehören zum Organisatorenkreis der »Bluesmessen«.
Entgegen der von den Veranstaltern erwarteten Teilnehmerzahl von mindestens. 400 Personen waren am Freitag ca. 100 und am Sonnabend ca. 60 Jugendliche und Jungerwachsene im Alter von 15 bis 22 Jahren anwesend. Der überwiegende Teil kam aus verschiedenen Stadtbezirken der Hauptstadt der DDR, einige reisten aus anderen Bezirken der DDR an.
Im Rahmen des »Werkstattgottesdienstes« kam es am 15.5.1981 während eines zweistündigen »Gedenkgottesdienstes« für den vor einem Jahr in El Salvador ermordeten Bischof Romero6 und am 16.5.1981 während einer einstündigen Diskussion zu Fragen des Bausoldatendienstes7 und sogenannter gewaltfreier Aktionen zu erheblichen, gegen die DDR gerichteten feindlich-negativen Äußerungen von Personen aus dem Kreis der Veranstalter und der Teilnehmer. Es ist festzustellen, dass mit dem diesjährigen »Werkstattgottesdienst« des Kirchenkreises Berlin-Friedrichshain erneut eine Veranstaltung mit politisch-provokatorischem und feindlich-negativem Charakter durchgeführt wurde.8
Der Gedenkgottesdienst für Bischof Romero am 15.5.1981 wurde von Kahlau mit einer ca. halbstündigen Darstellung der gegenwärtigen Verhältnisse in El Salvador eingeleitet. Unter Verwendung von Zitaten aus Darlegungen Bischof Romeros, von Bibeltexten und Beschreibungen zur Lage in El Salvador wurde eine Charakterisierung des in diesem Lande herrschenden Regimes der Gewalt, des Terrors und der Grausamkeit gegeben.
Im weiteren Verlauf des Gedenkgottesdienstes wurde vom Thema ausgehend überwiegend auf Fragen der gesellschaftlichen Entwicklung in der DDR Bezug genommen.
Dazu trat der Liedermacher Frank Tröger9 mit einem Repertoire auf, in dem er sich zu Alltagsproblemen und zwischenmenschlichen Beziehungen in der DDR in herabwürdigender, destruktiver Weise äußerte.
Kahlau erklärte den Anwesenden die ursprüngliche Absicht, den Romero-Gottesdienst in Form einer Demonstration durchzuführen, was jedoch von staatlichen Stellen verboten worden sei. Er bewertete dies als »Ausdruck in der DDR herrschender Ungerechtigkeit und Gewalt«.
Von Syrowatka wurde ein sogenanntes Gedächtnisprotokoll verlesen. Darin wurden Handlungen von Angehörigen der Deutschen Volkspolizei, die am 11.4.1981 wegen ruhestörenden Lärms und Widerstand gegen staatliche Maßnahmen gegenüber 35 jugendlichen und jungerwachsenen Teilnehmern einer Wohnungseinweihungsfeier durchgeführt werden mussten, nicht der Wahrheit entsprechend dargestellt. (Die Feier fand in einer unrechtmäßig bezogenen Wohnung in Berlin-Prenzlauer Berg statt.)
Durch die Schilderung von »Gewalt und Brutalität« der Angehörigen der Volkspolizei in dem »Gedächtnisprotokoll« wurde offensichtlich versucht, bei den Teilnehmern des Gottesdienstes gegen die bewaffneten Kräfte der DDR gerichtete Stimmungen hervorzurufen.
Im Zusammenhang mit der Behandlung der »Gewalt in der Welt« wurde, auf die DDR bezogen, behauptet, dass unser Bildungssystem die Jugendlichen durch »Manipulierung zu Gewalt und Angst erziehe«.
Weiter kommentierte Syrowatka Losungen10 zum X. Parteitag der SED11 mit negativen Bemerkungen. Unter anderem stellte er der Losung »Jeder jeden Tag mit guter Bilanz« seine persönliche gegenüber – »Leckt mich doch am Arsch«.
Im Rahmen der Diskussion am Sonnabend, dem 16.5.1981, wurde anhand von Zitaten aus einem Papier des »Königswalder Friedensseminars«12 (9. und 10.5.1981 in der BRD) zu »gewaltfreien Aktionen als Alternative zu Krieg und Gewalt« Stellung genommen. Diese Aktionen wurden als »lebensfähige revolutionäre Alternative zur bewaffneten Revolution mit einem Minimum an Blutvergießen« bezeichnet. Es wurde hervorgehoben, dass »eine gut geführte zivile Widerstandsbewegung einen an Zahl und Macht überlegenen Gegner in Verlegenheit bringen und die öffentliche Meinung mobilisieren könne«. Als wesentliche Formen wurden »Petition, Einflussnahme auf Kandidatenaufstellungen bei Wahlen, Protest, Austritt, Demonstration, Sitzstreik, Hungerstreik, Boykott, Streik, Übertretung angeordneter Gesetze, ziviler Ungehorsam und gewaltfreie Besetzung« genannt.
Von den Diskussionsteilnehmern wurden insbesondere Fragen zur Umsetzung der »gewaltfreien Aktionen« unter den Verhältnissen in der DDR gestellt. Der Gesprächsführer erläuterte dazu eine Reihe von Beispielen, u. a. aus der VR Polen, und verwies darauf, dass es auch in der DDR gute Möglichkeiten gebe.
So empfahl er den Jugendlichen, dass sie sich intensiv mit den bestehenden Gesetzen vertraut machen sollten, da es erstaunlich sei, welche großen Rechte z. B. im Arbeitsgesetzbuch der DDR13 festgeschrieben sind, die jedoch nur ungenügend in Anspruch genommen würden.
Es wurde betont, dass jeder Teilnehmer für sich selbst die Schlussfolgerungen für sein Handeln ziehen und die entsprechenden Konsequenzen tragen müsse.
Durch die Veranstaltungsteilnehmer ist es an beiden Tagen zu keiner Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung in der Umgebung der Auferstehungskirche gekommen.