Westberliner Aktivitäten zum 20. Jahrestag des Mauerbaus
5. August 1981
Information Nr. 385/81 über geplante gegnerische Aktivitäten anlässlich des 20. Jahrestages der Errichtung des antifaschistischen Schutzwalles
Nach dem MfS vorliegenden Hinweisen beabsichtigen gegnerische Kräfte der BRD und Westberlins, insbesondere rechtsgerichtete und entspannungsfeindliche Kreise, anlässlich des 20. Jahrestages der Errichtung des antifaschistischen Schutzwalles1 z. T. großangelegte Hetzkundgebungen, Hetzdemonstrationen und andere Störaktionen durchzuführen.
Bisher wurden dazu folgende Einzelheiten bekannt:
Die »Internationale Gesellschaft für Menschenrechte« (»IGFM«)2 plant gemeinsam mit der »Schüler-Union«3 Hessen und Rheinland-Pfalz im Rahmen einer hierzu gegründeten »Jugend- und Bürgerinitiative«, der sich bereits über 30 weitere Feindorganisationen der BRD und aus Berlin (West) angeschlossen haben, über die Transitwege der DDR eine »Sternfahrt« von der BRD nach Berlin (West), an der 2 000 bis 3 000 Jugendliche bzw. Jungerwachsene sowie 300 bis 400 Pkw aus der BRD teilnehmen sollen. Die Teilnehmer der »Sternfahrt« wurden aufgefordert, in der Zeit vom 11. bis 13.8.1981 mit Pkw bzw. der Bundesbahn nach Berlin (West) zu reisen und sich dort am Nachmittag des 13.8.1981 an einer Hetzdemonstration mit anschließender Hetzkundgebung zu beteiligen.
Die geplante Hetzdemonstration am 13.8.1981 soll um 15.00 Uhr am Ernst-Reuter-Platz beginnen, mit Lautsprecherwagen durch die Innenstadt führen und an der Gedächtniskirche mit der Hetzkundgebung und anschließendem »Kulturprogramm« mit »Protest- und Freiheitsliedern« enden. Die Teilnehmer der »Sternfahrt« wurden außerdem aufgerufen, sich an einem dreitägigen »Hungerstreik« vom 11. bis 13.8.1981 zu beteiligen und »Ehrenwachen« (mit Fackeln) an den sogenannten Mahn- und Gedenkkreuzen/-tafeln entlang der Staatsgrenze der DDR zu halten.4
Laut Angaben von Dr. Rothenbächer5 (2. Sprecher des »Arbeitsausschusses DDR« der »IGFM«) will das japanische Fernsehen die gesamte »Sternfahrt« filmen und Interviews mit ehemaligen DDR-Bürgern in Berlin (West) unmittelbar an der Staatsgrenze führen.
Der Senat von Berlin (West) beabsichtigt in den Vormittagsstunden des 13.8.1981 eine »Gedenkstunde« mit einer Ansprache des Regierenden Bürgermeisters von Weizsäcker durchzuführen. Anschließend will von Weizsäcker am »Mahnmal« am Steinplatz einen Kranz niederlegen. Auf einer sich anschließenden Hetzveranstaltung beabsichtigt Günter Ruberg (Vorsitzender der »Vereinigung der Opfer des Stalinismus« von Berlin-West)6 zu sprechen.
Der Landesverband der SPD von Berlin (West) will ebenfalls am 16.8.1981 in der Staatsbibliothek eine »Gedenkstunde« abhalten. Sprecher ist Egon Bahr, Mitglied des Bundestages.
Analoge »Gedenkveranstaltungen« sind auf regionaler Ebene in der BRD durch das »Kuratorium Unteilbares Deutschland«7 und in Berlin (West) durch den »Demokratischen Klub«8 sowie die CDU-Fraktion im Landtag von Rheinland-Pfalz vorgesehen.
Der »Berlin Bürgerverein e.V.«9 will gemeinsam mit »Landsmannschaften« am 12.8.1981 an der Nordseite des Reichstagsgebäudes eine »Protestkundgebung« veranstalten. Im Anschluss an diese Provokation beabsichtigen Mitglieder der »Landsmannschaften« unmittelbar an der Staatsgrenze Blumengebinde niederzulegen.
Im Rahmen einer für den 10.8.1981 geplanten Pressekonferenz in der »Ständigen Ausstellung« im Haus am Checkpoint Charlie beabsichtigt die »Arbeitsgemeinschaft 13. August e.V.«10 fahnenflüchtig gewordene ehemalige Angehörige der NVA und der Grenztruppen der DDR auftreten zu lassen.
Die »Gesellschaft für Transitgeschädigte e.V.«11 beabsichtigt, am 13.8.1981 auf Podiumsdiskussionen in Berlin (West) ehemalige DDR-Bürger zu hetzerischen Äußerungen gegen die DDR und deren Grenzsicherungsmaßnahmen zu veranlassen.
Die »Union der Vertriebenen und Flüchtlinge« der CDU von Berlin (West)12 wirkt darauf hin, dass durch die CDU-Kreisverbände Informationsstände eingerichtet werden, um Hetzmaterial und einen Brief des CDU-Vorsitzenden Kohl zur Verteilung zu bringen.
Seit Mitte April 1981 nehmen die Zeitungen der »Springer«-Presse den 20. Jahrestag der Errichtung des antifaschistischen Schutzwalles zum Anlass, um die beabsichtigten gegnerischen Aktivitäten, insbesondere die »Sternfahrt«, zu popularisieren und in diesem Zusammenhang verstärkt gegen die DDR und ihre Grenzsicherungsmaßnahmen zu hetzen.
Am 10.8.1981, um 20.15 Uhr, soll im l. Programm des BRD-Fernsehens (ARD) eine Sendung zum 20. Jahrestag der Errichtung des antifaschistischen Schutzwalles (unter maßgeblicher Mitwirkung der BRD-Fernsehkorrespondenten Pleitgen und Lehmann) erfolgen, die sich vor allem mit der Frage der Staatsbürgerschaft der DDR befassen soll.13 Außerdem plant Pleitgen eine Fernsehdiskussion, an der Vertreter, die das Vierseitige Abkommen über Berlin (West)14 unterzeichneten, teilnehmen sollen.
Die private Filmagentur in Berlin (West) »German Television News« stellt einen Dokumentarfilm über »die Teilung Berlins« her, in dem schwerpunktmäßig die Ereignisse um den 13.8.1961, sogenannte Tunnelfluchten und Konsequenzen des »Schießbefehls«, dargestellt werden sollen. Es ist beabsichtigt, den Hetzfilm den Fernsehanstalten des »ARD« und des »ZDF« sowie verschiedenen ausländischen Sendern in Amerika und Afrika anzubieten.
Seitens des MfS sind entsprechende Maßnahmen zur weiteren Aufklärung sowie Bekämpfung und vorbeugenden Verhinderung feindlicher Handlungen, besonders an der Staatsgrenze der DDR zur BRD und Berlin (West), auf den Transitwegen der DDR und an den Grenzübergangsstellen zur BRD und Berlin (West) eingeleitet worden.
Im engen Zusammenwirken mit den anderen Schutz- und Sicherheitsorganen der DDR sind entsprechende Festlegungen getroffen worden, um einen Missbrauch der Transitwege der DDR, insbesondere durch Teilnehmer an der sogenannten Sternfahrt von der BRD nach Berlin (West), vor allem durch provokatorisches und demonstratives Auftreten und Verhalten während der Grenzpassage sowie auf den Transitwegen, durch differenzierte Maßnahmen in geeigneter Form konsequent zu unterbinden.