Zum Verlauf der Blues-Messen am 27.11.1981
1. Dezember 1981
Information Nr. 619/81 über den Verlauf der sogenannten Blues-Messen am 27. November 1981 in der Erlöserkirche Berlin-Lichtenberg, Nöldnerstraße 43
Am 27.11.1981 wurden drei aufeinanderfolgende sogenannte Blues-Messen1 in der Erlöserkirche in Berlin-Lichtenberg durchgeführt (17.00, 19.00, 21.00 Uhr).
Zur Unterbindung des politischen Missbrauchs dieser Veranstaltungen wurden auf der Grundlage bestehender Rechtsvorschriften der DDR entsprechend den getroffenen Festlegungen Gespräche durch den Stellvertreter des Oberbürgermeisters für Inneres, Stadtrat Genossen Hoffmann, mit Bischof Forck,2 durch den Referenten für Kirchenfragen beim Magistrat und den Stellvertreter für Inneres beim Rat des Stadtbezirkes Berlin-Lichtenberg mit Stadtjugendpfarrer Passauer3 sowie durch den Stellvertreter für Inneres beim Rat des Stadtbezirkes Berlin-Lichtenberg mit dem Veranstalter Pfarrer Langhammer4 von der Erlösergemeinde geführt.5 In diesen Gesprächen wurde untersagt, während der am 27.11.1981 geplanten »Blues-Messen« verfassungswidrige Aktivitäten durchzuführen und provokatorische Angriffe gegen die Politik unseres Staates und die sozialistische Gesetzlichkeit vorzunehmen.
Internen Hinweisen zufolge fand am 27.11.1981 eine Kirchenleitungssitzung der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg statt. Auf dieser Sitzung wurde festgelegt:
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Die Organisierung und Durchführung von »Blues-Messen« bleibt in der Verantwortung des Stadtjugendpfarrers von Berlin, Passauer.
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Die Kirchenleitung distanziert sich von Pfarrer Eppelmann6 bezüglich seiner Aktivitäten im Zusammenhang mit Havemann7 (gemeinsames Interview und der Briefe an Genossen Breschnew und Genossen Honecker, die in den Medien der BRD veröffentlicht wurden).8 Die Kirchenleitung wird diese Problematik jedoch kirchenintern behandeln, da auch die Staatsorgane der DDR diesbezüglich nicht öffentlichkeitswirksam geworden sind.
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Die Musik zu den »Blues-Messen« solle kirchlich geprägt sein und entsprechenden kirchlichen Charakter tragen.
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Den Organisatoren der »Blues-Messen« wurde untersagt, während dieser Veranstaltungen zur Verteidigungspolitik der DDR Stellung zu beziehen.
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Es wurde einer Spielszene zugestimmt, die sich mit dem Propheten Elia befasst (Altes Testament – Elia hat sich von Gott gelöst, ist Irrungen unterlegen und hat dann zu Gott zurückgefunden).
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Es wurde der Einsatz von kirchlichen Ordnungskräften zu den »Blues-Messen« festgelegt.
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Den Organisatoren der »Blues-Messen« wurde nahegelegt, keine Handlungen zu begehen, die staatlicherseits als Provokation ausgelegt werden können.
Die Kirchenleitung der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg ließ sich während der Sitzung über den Inhalt und Ablauf der ersten »Blues-Messe« am 27.11.1981 informieren. Im Ergebnis dieser Information legte sie fest, dass vorerst keine weiteren Maßnahmen erforderlich seien.
Durch die zuständigen Schutz- und Sicherheitsorgane der DDR wurden – wie festgelegt – geeignete gedeckte Maßnahmen in der Hauptstadt und den Bezirken der DDR eingeleitet. So erfolgten u. a. vorbeugende Gespräche zur Verhinderung der Anreise solcher Personen, von denen die Absicht zur Teilnahme an den »Blues-Messen« bekannt wurde. Darüber hinaus wurden wirksame Kontrollmaßnahmen durch die zuständigen staatlichen Organe zu bekannten negativ-dekadenten, vorbestraften, kriminell gefährdeten, asozialen und haftentlassenen Jugendlichen eingeleitet. Besondere Beachtung fanden dabei solche Personen, denen gemäß § 48 StGB Auflagen (Wohnortbindung) erteilt wurden.9
Durch entsprechende Maßnahmen wurde die Teilnahme von progressiven jugendlichen DDR-Bürgern an den Veranstaltungen gesichert.
Im Ergebnis dieser Maßnahmen wurde die öffentliche Ordnung und Sicherheit gewährleistet.
Die Gesamtteilnehmerzahl an den drei »Blues-Messen« lag bei ca. 1 800 Personen. Die erste »Blues-Messe« (17.00–18.20 Uhr) wurde von ca. 750 Teilnehmern besucht. Die zweite Veranstaltung (19.00–20.30 Uhr) verfolgten ca. 800 Zuschauer, während sich an der dritten (21.00–22.20 Uhr) 500 beteiligten. An der dritten »Blues-Messe« nahmen rund 250 Personen teil, die bereits die vorangegangenen Veranstaltungen besucht hatten.
Feststellungen zufolge waren Teilnehmer aus verschiedenen Bezirken der DDR angereist, u. a. aus den Bezirken Erfurt, Halle, Leipzig, Dresden und Rostock.
Unter den Besuchern der »Blues-Messen« waren Jugendliche, die ein negativ-dekadentes Erscheinungsbild zeigten. Insbesondere bei der zweiten und dritten Veranstaltung konnte beobachtet werden, dass relativ viele Zuschauer während und vor dem Programmablauf alkoholische Getränke zu sich nahmen. Dadurch wurden die Veranstaltungen aber nicht beeinträchtigt. Durch Plaketten gekennzeichnete kirchliche Kräfte wurden zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen und störungsfreien Ablaufs der Veranstaltung wirksam.
Generalsuperintendent Grünbaum10 war als Mitglied der Kirchenleitung während der »Blues-Messen« anwesend. Darüber hinaus wurden verschiedene andere Kreisjugendpfarrer der Hauptstadt als Beobachter der Veranstaltungen festgestellt.
Die »Blues-Messen« am 27.11.1981 ähnelten vom Inhalt her (abwechselnde Folge von Blues-Musik, Bibeltextinterpretationen und Sketchen) bereits den in der Vergangenheit inszenierten Veranstaltungen. Inhalt und Verlauf der Veranstaltungen machten deutlich, dass die entsprechenden Vorgaben der staatlichen Institutionen respektiert wurden; offene gesellschaftliche Bezüge wurden vermieden, sodass keine unmittelbare Konfrontation Staat – Kirche erfolgte. In einigen Texten, denen religiöse Literatur zugrunde lag (Bibeltexte des Alten Testaments/Klagepsalmen von Elia), waren verdeckte gesellschaftliche Bezüge erkennbar. (Auszüge aus vorgetragenen Texten werden als Anlage beigefügt. Dem MfS liegen die Bandaufzeichnungen der drei Veranstaltungen vor, die bei Bedarf angefordert werden können.)
Internen Hinweisen zufolge wurden die Sprechtexte unter maßgeblichem Einfluss Pfarrer Eppelmanns verfasst.
Ausgangspunkt der Sprechertexte der »Blues-Messen« am 27.11.1981 bildete eine Bibelinterpretation, die beschreibt, dass der Prophet Elia aufgrund »der erdrückenden äußeren Bedingungen« in seiner Umwelt Selbstmord verüben wollte.
In einem anschließenden Sketch wurde verallgemeinernd versucht, die »äußeren Bedingungen« als deprimierend und ausweglos darzustellen. Als zentrales gestalterisches Mittel wurde in diesem Zusammenhang ein Karussell verwandt, welches den »Teufelskreis« der auf die Jugendlichen wirkenden Faktoren symbolisieren sollte.
Äußerungen mit verdeckten gesellschaftlichen Bezügen wurden durch Eppelmann in einem sogenannten Klagepsalm vorgetragen. So führte er u. a. aus: »Wie lange soll ich das noch ertragen, ich habe Angst, dass ich zu schwach bin, dagegen aufzustehen, weil ich dann vielleicht wieder allein bin. Aber ich weiß, es geht vielen so wie mir, hörst Du? Vielen, die keine Lust mehr haben, Parolen abzutragen, wie Vaters Halbschuhe. Die sind aber alle noch zu schwach, um den ganzen Müll, wie Prämie, Karriere und Besitz, abzusahnen, weil man uns damit einkauft. Wie lange sollt Ihr noch darunter leiden, wie lange sollen wir uns noch einkaufen lassen. Wie lange sollen sich diese satten, etablierten Herrschaften noch über uns erheben. Schau mich doch an, schau auch meine Schwachheit an und erhöre mich, mein Gott, öffne mir meine Augen, Herr, und lass mich im Kleinen anfangen, lass mich Freunde suchen und ansprechen, damit wir gemeinsam stark werden und gegen das Böse angehen können. Herr, Du gibst mir Gewissheit, Du lässt mich tot sein, obwohl ich noch lebendig bin. Amen.«
In einem anderen Sketch wurde eine Alternative zum »Wiedereinsteigen« angeboten. Ein solcher Prozess wäre nach der Darstellung der Veranstalter aber nur sinnvoll, wenn damit ein Ausbrechen aus dem sogenannten »Teufelskreis« verbunden wäre und der gesellschaftlichen Entwicklung, symbolisiert am Karussell, ein eigenes Gepräge gegeben würde.
Die Kollekte wurde zur Unterstützung von Inhaftierten, zur Finanzierung von »Blues-Messen« und zum Auf- und Ausbau eines Jugendrüstzeitheimes eingesammelt.
Durch Eppelmann wurde eine weitere »Blues-Messe« für April 1982 angekündigt.11
Internen Hinweisen zufolge schätzte Generalsuperintendent Grünbaum, Berlin, in individuellen Gesprächen ein, die Veranstaltungen seien diszipliniert und dem »Temperament der Jugend entsprechend« verlaufen, die Texte wären gut zu verantworten. Grünbaum und Oberkonsistorialrat Becker12/Konsistorium der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg äußerten intern außerdem, die Kirchenleitung sei nicht an einem gespannten Verhältnis zum Staat interessiert, habe sich deshalb der »Blues-Messen« angenommen und ihren Einfluss geltend gemacht.
Der Leiter der Französisch-Reformierten Kirche in der DDR, Moderator Grüber,13 äußerte in einem internen Gespräch, dass Pfarrer Eppelmann durch sein Zusammenwirken mit Havemann das Ansehen der Kirchen geschädigt habe. Grüber sei diesbezüglich bei seiner letzten Dienstreise in die BRD von dortigen Geistlichen nach Eppelmann befragt worden. Er habe dort Eppelmann nicht in Schutz nehmen können, sondern seine eigene Auffassung zur Jugendarbeit dargelegt, die der von Eppelmann entgegensteht. Man müsse in der Kirchenleitung noch stärker die Aktivitäten von Eppelmann einschränken.14
Wie weiter festgestellt wurde, ist der Verlauf der drei »Blues-Messen« von kirchlichen Kräften tontechnisch aufgezeichnet worden.
Die Information ist wegen Quellengefährdung nur zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt.
Anlage zur Information Nr. 619/81
[Wortprotokoll der Bluesmesse vom 27.11.1981]
Begrüßung (männlicher Sprecher) – Passauer
Freunde, wir freuen uns, dass Ihr sogar bei dem beschissenen Wetter gekommen seid. Vielleicht könnten wir rauskriegen, wo die meisten her sind. Vielleicht melden sich die Berliner erst mal. Sind denn aus Thüringen auch welche da? Ist jemand von der Küste dabei? Und wie steht’s mit dem Sachsenland, ist das auch vertreten? Sachsen-Anhalt.
Wir wollen in unserem Gottesdienst wieder Blues empfinden und zusammen nachdenken, über Möglichkeiten zum Leben. Die Teufelskreise, in denen wir uns befinden, in denen wir uns wie in einem Karussell drehen, lassen fast keinen Raum, um uns über unsere Situation Gedanken zu machen. Weil dies nicht die erste Bluesmesse ist, sondern eine von vielen, in der wir versucht haben, nach neuen Lebensinhalten für uns zu suchen, wollen wir auch die vorangegangenen Bluesmessen nicht vergessen und ein Stück darauf aufbauen. Wie es so bei uns läuft, wissen wir, jedoch kann das nicht Inhalt unseres Lebens sein. Inhalt unseres Lebens, dass wir um 5.00 Uhr aufstehen, weil alle um 5.00 Uhr aufstehen, dass wir zur Arbeit hetzen, weil alles zur Arbeit hetzt. Da sitzt Du im Bus früh und siehst jeden Morgen die gleichen verpennten Gesichter, in der Landschaft Anhäufungen von Hässlichkeiten. Du kommst in den Betrieb, kaum Geld in der Tasche für Zigaretten, da bist Du schon mal sauer. Dann wird gefrühstückt – keine Zeit und als Lehrling im Kollektiv bist Du Schütze Arsch. Die Verzweiflung ist nicht die Einzigste, denn es gibt sie in ihrer Vielfalt, sogar im zwischenmenschlichen Zusammenleben. Wir wollen mit Euch heute gemeinsam darüber nachdenken, wie wir diesen Kreisläufen entgegentreten können. Wir wollen aussteigen, um uns zu finden und dann mit mehr Energie wieder einsteigen. Wir wollen, und das könnt Ihr auch gleich machen, uns mal so richtig wieder anschauen. Schaut Euch mal so richtig an, damit Ihr wisst, wer links und rechts und vor und hinter Euch sitzt. Nicht so steif, Ihr könnt noch ein bisschen rangehen und nun fasst Ihr Euch mal an, richtig anfassen, um Euch mal wieder ein bisschen Mut zu machen gegenseitig. Ich glaube, dass jeder Einzelne leichter kaputtgeht, als alle zusammen. Und nun noch einige Töne Blues.
Moment, ich muss noch zwei technische Ansagen machen. (Kahlau) Es wäre dufte, wenn Ihr hier drin überhaupt nicht rauchen würdet, es ist nicht auszuhalten, wenn hier geraucht wird, durch die vielen Leute. Und dann habe ich hier noch einige Weinflaschen gesehen, ich würde Euch bitten, hier drin nicht zu trinken. Wo anders könnt Ihr wieder trinken, wenn Ihr zu Hause seid oder schlaft.
Einer, der bisher unter uns war, ist aus diesem Land und damit aus der Bluesmesse ausgestiegen.15 (männlicher Sprecher) Wollen wir mal hören, wie sich’s ohne ihn macht? Blues-Musik (drei Titel)
1. Sketch
Passauer – Wir wollen Euch jetzt an einem Spiel an diesem Karussell hier zeigen, wie Menschen aus- und einsteigen, und wollen versuchen, Euch das anhand der Geschichte aus der Bibel deutlich zu machen, da gibt es einen Propheten mit Namen Elias, und wir wollen Euch zeigen, wie dieser Elias aus- und eingestiegen ist. Elias, der Prophet hatte es satt – Was hatte er satt, er hatte das Leben satt. Er hatte die Mächtigen satt, und er hatte auch uns und Euch satt. Und er hatte die Frommen satt, die ihn alle im Stich ließen und Gott und Gott und Gott sagten und nichts taten. Und dann stieg dieser Elias aus. Er lief in die Einsamkeit und legt sich unter einen Strauch. Elias wollte sterben. (Passauer trieb die im Drehkreuz sich schindenden anderen fünf Mitspieler an, bis einer nach dem anderen ausstieg, – los, los, los)
männliche Person – das halte ich nicht mehr aus, ständig das Befehlen und Gehorchen, der kommandiert bloß dauernd rum, da steige ich aus. Das kann ich nur im Suff ertragen. (Kahlau)
männliche Person – dieses elende Gequatsche von der duften Wirklichkeit, das stinkt mir und machen kann ich sowieso nichts, und ich fange schon selber an so rumzulabern, da steige ich aus – ich stelle einen Antrag.
weibliche Person – hier wirst Du ja ständig nur beschissen, da kannste auch selber nur rum rixen, sonst kommst Du nicht hin. Aber dieses Bescheißen und Beschissen-Werden geht mir auf die Nerven, ich muss weg hier, am besten irgendwo hin trampen, bloß davon nichts mehr hören.
[Name 1] – Mann ich hab doch jetzt schon alles durch bis zum Zusammenbruch in der Klapsmühle, immer wieder werde ich nur fit gemacht für den Morgen. Und denn schaff ick dett nich und werde wieder fitt gemacht, nee nicht noch mal in die Klapper, ick nehm den Strick (Beifall) – Abgang mit Strick um den Hals.
Eppelmann – Ick weeß nich, watt die alle wollen, ist doch dufte gelofen, ick hab doch jut gemacht und die Knete hat gestimmt, nun steht et still, weil se alle weggelofen sind. Sone Idioten, son Quatsch, die sollen sich doch nich einbilden, dass sie nun nicht mehr verplant werden, selbst als Leichen. (Beifall)
Klagepsalm
[Name 1]: Wir wollen jetzt das beklagen, worunter wir in der Wirklichkeit leiden. Ähnlich wie es die alten Pater in der Bibel auch taten.
Weißt Du, Herr Gott, ich hab die Schnauze voll, ich rede jetzt so zu Dir, wie mir innerlich zumute ist. Ich werde das Gefühl nicht los, dass Du mich vergessen hast und mich in dieser scheiß Welt so verdammt alleine lässt. Wo bist Du Herr, wo? Denn ich sehe Dich nicht. Sondern nur viele Hässlichkeiten.
Jeden Tag dieselben Fratzen im Betrieb, und ich selbst bin auch nur noch ne Fratze, weil mir das Lachen vergangen ist. Ich habe keine Lust mehr, mit diesen Teufelskreisen mitzumachen, ich will nicht abstumpfen, weil keiner mehr nachdenkt, andere über’s Ohr, weil sich alle gegenseitig über’s Ohr hauen. Schleimen, um ’ne Prämie zu kriegen. Arbeiten gehen, nur weil alle arbeiten gehen. Rentner werden, um zu sterben.
Eppelmann – Wie lange soll ich das noch ertragen, ich habe Angst, dass ich zu schwach bin, dagegen aufzustehen, weil ich dann vielleicht wieder allein bin. Aber ich weiß, es geht vielen so wie mir, hörst Du? Vielen, die keine Lust mehr haben, Parolen abzutragen, wie Vaters Halbschuhe.
Die sind aber alle noch zu schwach, um den ganzen Müll, wie Prämie, Karriere und Besitz abzusahnen, weil man uns damit einkauft. Wie lange sollt Ihr noch darunter leiden, wie lange sollen wir uns noch einkaufen lassen. Wie lange sollen sich diese satten, etablierten Herrschaften noch über uns erheben. Schau mich doch an, schau auch meine Schwachheit an und erhöre mich, mein Gott, öffne mir meine Augen, Herr und lass mich im Kleinen anfangen, lass mich Freunde suchen und ansprechen, damit wir gemeinsam stark werden und gegen das Böse angehen können. Herr, Du gibst mir Gewissheit, Du lässt mich tot sein, obwohl ich noch lebendig bin. Amen.
Blues-Musik (zwei Titel)
Fortsetzung des Klagepsalms – Passauer
Unser Karussell ist leer, alle sind ausgestiegen. Ihr erinnert Euch, dann stieg dieser Elias aus in die Einsamkeit, und er legte sich hin unter einen Strauch, und er legte sich hin und wollte sterben und da, da kommt etwas, etwas, die Bibel sagt, ein Engel, das sagt die Bibel immer, wenn sie nicht weiß, wie sie sich ausdrücken soll, wenn sie nicht richtig sagen kann, woher etwas kommt. Also, da kam ein Engel. Er beugte sich über Elias, er stieß ihn an und sagte: steh auf Elias, steh auf. Du bist kein Mensch, der sterben darf, komm iss und trink. Elias wollte sich umdrehen, denn dieses Gerede klang in seinen Ohren in seiner hoffnungslosen Situation wie Spott.
Aber etwas, etwas in der Stimme dieses Engels ließ ihn aufhorchen, er schlug die Augen auf und da wart jemand, wie gesagt ein Engel, er hatte da ein Brot hingelegt und ganz frisches Wasser. Was war das, immerhin etwas, etwas, das ihn erfreute. Etwas, was ihm, Elias, Mut machte aufzustehen. Mut machte zu essen, Mut machte zu trinken, und nachher erinnerte sich Elias, dass dieser Engel gesagt hatte, Elias steh auf, iss und trink. Du hast noch einen weiten Weg. Du bist kein Mensch, der es aufgibt zu leben. Du bist kein Aussteiger.
Aber Elias dachte, was wäre ich denn gewesen, wenn dieser Engel nicht gekommen wäre, alleine geht’s nicht. Und der Engel, wer war das, ich weiß es nicht, vielleicht irgendjemand von nebenan, der Engel, der Mensch, der Kumpel, der weiterhalf, war ganz bescheiden, aber er war einer, einer, der Hand und Fuß hatte, einer, der Zeit hatte, einer, der Frieden machte, einer, der nicht aufgab, einer, der bloß für ein Stück Brot und bloß für einen Schluck Wasser zu mir gekommen ist. Wäre der nicht dagewesen, ich wäre nicht aufgestanden. Wer wird, lieber Freund, Dein Engel sein, wirst Du für mich und ich für Dich der Engel sein? Welcher Engel, lieber Freund, Kumpel, Kollege wird uns zeigen, wie mein Leben weitergeht.
Welcher Engel wird mich halten, wenn es nicht mehr weitergeht, wirst Du für mich und ich für Dich der Engel sein? Welcher Engel wird dann da sein? Wenn ich Hilfe nötig brauch. Welcher Engel wird mich rufen, Aussteiger komm zu uns rein. Wirst Du für mich, werd ich für Dich der Engel sein? (Beifall)
Blues-Musik (zwei Titel)
2. Sketch
Passauer – Liebe Freunde, liebe Kumpels, wie soll es wohl weitergehen mit Euch, mit uns, das Karussell hier steht still und keiner von diesen Elias kommt zurück. Die Pause ist doch längst vorbei, wo bleibt Ihr denn, kommt doch zurück, gegen diesen Teufelskreis hier muss doch was zu machen sein. Der Elias, so hieß es, ist auch wieder zurückgekommen, völlig verändert, mit einem neuen Auftrag und dann hat er ganz schön gewirbelt.
Freunde, seid Ihr keinem Engel begegnet, der Euch Mut gemacht hat weiterzumachen, der Euch Kraft gegeben hat, weiter zu suchen nach einem sinnvolleren Leben. Kommt doch rauf, ich warte auf Euch? Kommt doch! Ich will mit Euch nach neuen Lebensmöglichkeiten suchen.
Kahlau – Ich suche ja schon lange, aber ich mache nur mit, wenn Du nicht dauernd rumkommandierst.
Passauer – Okay, dann musst Du aber auch mitmachen, und die Gesamtverantwortung tragen, hier nimm die Ölkanne. Und fang an zu schmieren.
Kahlau – Na gut, probieren wir es noch mal.
männlicher Sprecher zu Passauer – He, ich würde da auch wieder mit einsteigen, wenn das Gequassel von der ach so schönen Wirklichkeit aufhört. Da musst Du auch mal richtig mitmachen und nicht uns nur vollnöhlen.
Passauer zu Kahlau – Du sag mal, Bruno, kann man dem trauen, meinst Du, der meint es ernst?
Kahlau – Quassel nicht so viel, komm wir probieren’s mal. (Beifall)
weiblicher Sprecher – He, kann ich auch mitmachen? Ich mach auch nur halbtags.
Passauer – Was bloß halbtags? Du schlappe Type, wollen wir Dich vielleicht nur mitschieben?
Ha, mir ist jedenfalls der Typ hier lieber, als ständig steigender Konsum, steigende und steigende Norm. Der bringt wenigstens ein bisschen Leben rinn. Vielleicht ist der uns ein Engel, ein Freund, der uns aufhilft.
Eppelmann – Na, ich kann ja mal sehen.
Menschen sind in das Karussell des Lebens wieder eingestiegen, aber sie wollen mehr, was den Einsteiger vom Aussteiger unterscheidet, ist dieses: Er will mehr – er will mehr als nur herumsitzen – er will mehr, als nur nachmachen – er will mehr, als nur nöhlen und sich vollnöhlen lassen. Wer ein bisschen, ein kleines bisschen mehr will, der ist auf dem Weg Jesus. Denn er sucht nach Alternativen, eben ist er noch im Karussell geschoben worden. Jetzt schiebt er selber an. Jetzt dreht er selber an seinem Leben. Denn er glaubt, dass das, was wahr ist, nicht alles ist, und das weiß er von Jesus.
Jesus wollte mehr machen als was alle machen. Er wollte mehr Verständnis, er wollte mehr Liebe. Er wollte mehr Gelassenheit, Jesus hat auch heute, für alle, die mehr wollen, viel Sympathie. Er nennt sie Glückliche. Denn sie haben noch immer etwas vor sich. Sie sind nicht fertig und deshalb auch nicht fertigzumachen. Sie sind es wert, Ihr Freunde seid es wert, hier und jetzt und heute zu leben. (Beifall)
Fürbitte
[Name 1] – Ihr alle! Wir bitten jetzt um Trost für uns und andere, um das Leid zu ertragen, was uns täglich belastet und um mit Kraft und Phantasie dieses Leid zu überwinden. Herr, wir befinden uns oft in der Situation, wie Elias, wo wir uns hinlegen wollen, um auszusteigen. Weil wir das brauchen, dieses Luftholen, bitten wir Dich um einen Freund, der uns wieder aufhilft, um mit neuer Kraft einzusteigen.
Herr, weil wir wissen, dass wir schwach sind, verhilf Du uns zur Aufrichtigkeit. Verhilf Du uns, Herr, mit dieser Aufrichtigkeit kritisch zu werden und hilf uns, dass wir uns selbst finden. Wie Du uns geweiht hast, damit wir nicht nur mitlatschen. Herr, hilf uns in unserer Schwachheit. Amen (Beifall)
männlicher Sprecher – Wie ihr aus früheren Gottesdiensten wisst, brauchen wir auch für diese, unsere Bluesmesse Geld, um die Unkosten zu decken. Dafür wollen wir am Ausgang sammeln. Aber nicht nur für die Unkosten, sondern auch für manchen unserer Freunde, die mit ihrem Leben nicht so ganz klar kommen, im Knast sitzen oder wo anders. Für sie wollen wir sammeln, um ihnen wieder zu helfen, damit auch diese wieder einsteigen können in das Leben und bewusster an ihrem Leben drehen können.
Der dritte Teil des Geldes ist für das Jugenddankopfer bestimmt, was in diesem Jahr in allen Berliner Jungen Gemeinden gesammelt wird, wo ein Rüstzeitheim neu aufgebaut und ausgebaut werden soll. In dieses Rüstzeitheim fahren wir, so weit es möglich ist, mit Jugendlichen an Wochenenden, in den Ferien hin, um auszusteigen. Danke. (Beifall)
[Name 1] – Zum Schluss noch ein gutes Wort. Fangen wir es an und drehen bewusster an unserem Leben.
männlicher Sprecher – Denken wir mit, gestalten wir mit und geben wir unseren Kindern, unseren Eltern die Chance, mit uns ein besseres Miteinander aufzubauen.
Eppelmann – Gehen wir zu Freunden oder nach Hause mit der Hoffnung, dass uns Jesus Christus hilft, ein besseres Verhältnis miteinander aufzubauen. Amen (Beifall)
Blues-Musik (zwei Titel)
Eppelmann – Liebe Freunde, wir haben jetzt noch eine Überraschung für Euch. Ja. (Beifall)
Und zwar am Ausgang, dann wenn Ihr diese Kirche verlasst, werdet Ihr alle ein kleines Andenken an diese Bluesmesse und an dieses Thema bekommen. Vielleicht tragt Ihr das, um Euch einander Mut zu machen, zu zeigen, wir wissen um die Kreisläufe, wir wollen da versuchen, immer wieder auszusteigen, um neu einzusteigen, und wir wollen anderen helfen. Vergesst ebenfalls nicht Euer Opfer am Ausgang. Tschüss, macht’s gut, bis zum April. (Beifall)
Blues-Musik (ein Titel)