Zur Situation am Deutschen Theater Berlin
8. Juli 1981
Information Nr. 345/81 über die Situation am Deutschen Theater Berlin
Nach vorliegenden Informationen ist die Situation am Deutschen Theater – seitens des MfS wurde in zurückliegender Zeit wiederholt auf die Kompliziertheit dieser Situation und auf sie begünstigende Faktoren hingewiesen – nach wie vor unbefriedigend. Trotz vielfältiger Anstrengungen der zuständigen Organe zur Konsolidierung der Lage, insbesondere zur Gewährleistung einer qualifizierten Leitungstätigkeit, zeichnen sich bisher keine spürbaren positiven Veränderungen ab.1
Nach Auffassung von Sachkundigen entspricht die politisch-ideologische Gesamtsituation am Deutschen Theater bereits seit längerer Zeit nicht den Erfordernissen. Als Ausdruck dafür werden in erster Linie genannt
- –
die nur oberflächliche Behandlung politischer Grundfragen und die mangelhafte Verbindung der künstlerischen Arbeit mit den politisch-ideologischen Erfordernissen,
- –
die ungenügende offensive ideologische Auseinandersetzung mit gegen die Kulturpolitik der DDR gerichteten feindlichen »Argumenten«,
- –
eine fehlende überzeugende und mobilisierende Konzeption zur künftigen Entwicklung des Theaters und offensichtlich daraus resultierend Resignation von Mitarbeitern sowie »Vertrauensschwund« vieler Mitarbeiter zur Theaterleitung und
- –
die unzureichende Zusammenarbeit der staatlichen Leitung des Theaters mit der Partei- und Gewerkschaftsleitung sowie die daraus abzuleitende mangelnde Durchsetzung entsprechender Parteibeschlüsse, staatlicher Festlegungen und Entscheidungen.
Hinzu komme der Umstand, dass wesentliche Leitungsfunktionen der einzelnen Theaterbereiche und auf der mittleren Leitungsebene von Personen besetzt sind, die politisch und fachlich nicht den Anforderungen entsprechen.
Von vielen künstlerischen Kräften und technischen Mitarbeitern des Theaters werde darüber Klage geführt, dass sich praktisch jeder selbst überlassen bleibe und keine Kollektivität in den einzelnen Abteilungen und Bereichen des Theaters entwickelt werde.
Obwohl durch Genossen der Parteileitung im Deutschen Theater wiederholt Aktivitäten zur Belebung der politisch-ideologischen Arbeit unternommen wurden, seien bisher keine solchen Ergebnisse erzielt worden, die die Gesamtsituation und die »politische Windstille« im Theater überwunden hätten.
Wesentliche Ursache hierfür sei das weitgehende Fehlen eines einheitlichen Vorgehens durch die Leitung des Theaters, der Parteiorganisation und der Gewerkschaftsleitung.
Die prinzipielle politisch-ideologische Auseinandersetzung mit feindlich-negativen und ideologischen Einflüssen, insbesondere mit den sogenannten gesamtdeutschen kulturhistorischen Gemeinsamkeiten, wurde bisher in nur ungenügendem Maße unter den künstlerischen und technischen Kräften des Deutschen Theaters geführt.
Aufgrund dieser Situation ergäben sich deshalb für das Deutsche Theater trotz des Vorhandenseins sehr guter künstlerischer Potenzen im personellen Bereich ernste Probleme, die es ihm erschweren,
- –
seiner Funktion als führende Sprechbühne der DDR und den daraus erwachsenden hohen gesellschaftlichen Erwartungen an künstlerischer Leistungsfähigkeit und kulturpolitischer Ausstrahlung gerecht zu werden,
- –
die bestehende Traditionslinie des Theaters fortzuführen und
- –
die Vorbereitung und Durchführung des 100. Jubiläums im Jahre 1983 im Sinne der weiteren Ausprägung der nationalen Schauspielkunst der DDR zu nutzen.
In diesem Zusammenhang wird von Sachkennern eingeschätzt, dass der geschilderte Zustand am Deutschen Theater vorrangig auf die überaus ungenügende staatliche und gesellschaftliche Führungs- und Leitungstätigkeit des Theaters durch den staatlichen Leiter und die Partei- und Gewerkschaftsleitung zurückzuführen ist.
Der Intendant des Theaters, Genosse Gerhard Wolfram,2 lasse eine kontinuierliche Leitungstätigkeit in allen Bereichen des Theaters vermissen. Von ihm würden nur sehr ungenügende Initiativen und Impulse ausgehen, um das Kollektiv des Theaters politisch-ideologisch wie auch künstlerisch zu formen. Seine Entscheidungen seien grundsätzlich von Konzeptionslosigkeit gekennzeichnet, obwohl er verschiedene technisch-organisatorische und strukturelle Veränderungen im Theater vornahm.
Durch das Ausbleiben echter künstlerischer Erfolge und Erfolgserlebnisse bei vielen künstlerischen Kräften des Theaters, was wesentlich auf diese Konzeptionslosigkeit zurückzuführen sei, zeigten sich Resignation und Unzufriedenheit bei Künstlern.
Verschiedene Ensemblemitglieder mit »gewissen Vorbehalten« gegen die Kulturpolitik der DDR würden durch die ungenügende Organisation der Theaterarbeit während des gegenwärtigen Rekonstruktionsprozesses3 faktisch in ihren Auffassungen bestärkt. So würden Schauspieler wie D. Mann,4 O. Mellies,5 K. Böwe,6 D. Körner7 oder K. Piontek8 das »geschäftige Lavieren« des Intendanten mit dem Wesen der sozialistischen Kulturpolitik gleichsetzen.
Alle diese geschilderten, bereits länger anhaltenden Zustände hätten auch in hohem Maße dazu beigetragen, dass der Oberspielleiter Schönemann9 und der Chefdramaturg Stolper10 in zurückliegender Zeit das Theater verlassen hätten. (Seitdem ist die Funktion des Oberspielleiters im Deutschen Theater unbesetzt.)
Wie weiter eingeschätzt wird, versuche der Intendant des Deutschen Theaters mit beträchtlichem Eifer, durch Reorganisation auf allen Ebenen des Hauses, durch das Einführen neuer »Strukturmodelle« und durch das Aufblähen des Verwaltungsapparates gegenüber dem Ministerium für Kultur den Eindruck zu erwecken, sich energisch für eine Stabilisierung der Entwicklung einzusetzen. Da diesen Bemühungen aber kein klares Konzept zugrunde liege, entstehe faktisch »Bewegung mit geringem Nutzen«, seien keine positiven Veränderungen zu verzeichnen.
Eine gewisse Kompromissbereitschaft des Intendanten, bei der jedoch nicht in hinreichendem Maße notwendige, der sozialistischen Kulturpolitik der DDR entsprechende politisch-ideologische Positionen vertreten werden, habe Expertenmeinungen zufolge nicht unwesentlich dazu beigetragen, dass die Spielplangestaltung der letzten Jahre mehr und mehr von den persönlichen Neigungen einzelner Regisseure diktiert werden konnte.
Im Streben nach »Anerkennung im Westen« würden diese Mitarbeiter zunehmend mit »Modeströmungen der westlichen Kulturszenerie kokettieren« und mit Vorliebe solche Stücke auswählen, die auch im nichtsozialistischen Ausland von renommierten Regisseuren realisiert wurden, und die ihnen als geeignet erscheinen, angeblich unverändert vorhandene »gesamtdeutsche« Positionen auszudrücken.
Seit längerer Zeit delegiere der Intendant, Gen. Wolfram, die Leitungstätigkeit gegenüber den technischen Bereichen des Theaters auf untergeordnete Mitarbeiter des Theaters, die sich als nicht geeignet für diese Aufgaben erweisen, wodurch wiederum Unzufriedenheit bei den technischen Mitarbeitern entstehe, da viele herangereifte Probleme – vorwiegend im Zusammenhang mit den Arbeits- und Lebensbedingungen – nicht gelöst werden. Auch seitens der Betriebsgewerkschaftsleitung des Theaters würden diese Probleme nicht in genügendem Maße aufgegriffen und verändert.
Es sei auch zugelassen worden, dass einzelne Kollegen der Technik aus dem FDGB austraten, ohne dass mit ihnen prinzipielle Auseinandersetzungen erfolgten.
Die Gewerkschaftsarbeit im Deutschen Theater – verglichen mit den anderen hauptstädtischen Bühnen – habe sich nicht wesentlich weiterentwickelt. Sie wird im künstlerischen Bereich nur formell realisiert. Im technischen Bereich ist lediglich etwa die Hälfte der Mitarbeiter im FDGB organisiert. Häufig werden Mitarbeiter, die Mitglieder des FDGB sind, eingestellt, ohne dass sie in geeigneter Weise in die Gewerkschaftsarbeit einbezogen werden. So gibt es Hinweise, wonach in nicht wenigen Fällen die Erfüllung der Beitragspflicht unterblieb und die Mitgliedschaft erlosch.
Trotz eindeutiger staatlicher Festlegungen werde im Deutschen Theater den Fragen, die im Zusammenhang mit Reisekadern stehen, zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt.
So werde weder zielstrebig an der Entwicklung eines ausreichenden Reisekaderstammes gearbeitet noch eine gezielte politische Arbeit zur ideologischen Festigung der vorhandenen Reisekader geleistet. Bei Neueinstellungen wird zu wenig die sicherheitspolitische Eignung als Reisekader geprüft.
Ein Ausdruck dieser Mängel bzw. dadurch begünstigt ist u. a. eine in technischen Bereichen des Deutschen Theaters (Beleuchtung, Requisite, Bühnentechnik und Tontechnik) erfolgte und dem Intendanten am 12.6.1981 zugeleitete Unterschriftensammlung, mit der sich 51 von insgesamt 90 Mitarbeitern dieser Bereiche gegen die Praxis der Theaterleitung bei der Nominierung von Teilnehmern für Gastspielunternehmen im kapitalistischen Ausland wandten.
In der von ihnen unterzeichneten Erklärung wurde ein »vernünftiges und machbares Verfahren zur personellen Gastspielvorbereitung« gefordert. Dieses Verfahren läuft darauf hinaus, der staatlichen Leitung des Theaters das Recht zur Nominierung von Reisekadern und zur Entscheidung über ihren konkreten Einsatz streitig zu machen. Danach soll seitens der Leitung nur eine quantitative Vorgabe erfolgen, während die Entscheidung, wer als Reisekader nominiert wird, nach »Öffentlicher Diskussion« in den Arbeitsbereichen selbst getroffen und die Realisierung auch kontrolliert werden soll.
Dieser »Forderung« wird hinzugefügt, »Entscheidungen durchschaubarer zu machen« und das »Mitspracherecht als eine ganz natürliche Forderung« zu gewährleisten.
(Hinweise zu den an der Unterschriftenaktion Beteiligten siehe Anlage)
Im Ergebnis der inzwischen in allen genannten Bereichen stattgefundenen Aussprachen sei »Übereinstimmung« dahingehend erzielt worden, dass die Grundsätze der staatlichen Leitungstätigkeit nicht infrage gestellt und durch ein »falsches Demokratieverständnis« unterlaufen werden dürfen; andererseits dürfe die staatliche Leitung nicht »über die Köpfe hinweg regieren«. Es soll gewährleistet sein, dass die Leitung »für das Gespräch mit den Mitarbeitern sorgt« und ihnen Entscheidungen erklärt. Der Intendant habe in den Gesprächen u. a. zum Ausdruck gebracht, dass er nach den einvernehmlichen Gesprächen den »Brief« als nicht mehr existent ansehe. Er habe die Mitarbeiter aufgefordert, eine gleiche Haltung zu beziehen, damit »ein neuer Anfang gemacht werden könnte«. Eine Zurücknahme der Unterschriften ist bisher nicht erfolgt, es wurde dazu allerdings auch nicht aufgefordert.
Wie aus vorliegenden Hinweisen weiter hervorgeht, sei die mangelhafte Arbeit mit Reisekadern letztlich auch Ausdruck einer insgesamt »kritikwürdigen« Kaderpolitik am Deutschen Theater. In der Vergangenheit würde u. a. zugelassen, dass die Basis der Partei unter den Kadern der mittleren Ebene (Meister, Bereichsleiter) erheblich zurückging. In den technischen Bereichen ist eine Ansammlung von Personen mit negativen Merkmalen festzustellen, wie z. B. Personen, die sich gegenüber der gesellschaftlichen Entwicklung ablehnend verhalten, exmatrikulierte Studenten oder Personen, die ihre berufliche Ausbildung aus anderen Gründen nicht beendet haben, rechtswidrig Übersiedlungsersuchende usw.
Bedeutsam sind auch solche Feststellungen, wonach den Erfordernissen zur Gewährleistung einer hohen Ordnung und Sicherheit in allen Bereichen des Deutschen Theaters nicht konsequent entsprochen wird. Die Breite der Versäumnisse reiche von der ungenügenden Kontrolle des Personenverkehrs im nichtöffentlichen Bereich und des Verkehrs mit Vertretern westlicher Kultureinrichtungen, der Gewährleistung der gesetzlichen Bestimmungen des Brandschutzes bis hin zur unzureichenden Belehrung der Mitarbeiter aller Bereiche über die einschlägigen geltenden Vorschriften. Beachtenswert ist in diesem Zusammenhang die Zunahme von Eigentumsdelikten.
Aus vorliegenden Hinweisen geht hervor, dass die Anleitung und Unterstützung der Leitung des Deutschen Theaters durch das Ministerium für Kultur als nicht der notwendigen Qualität und Konsequenz entsprechend beurteilt wird.
Obwohl Konzeptionen über Spielplangestaltungen, über die Entwicklung von »Kunstproduktion und -rezeption« sowie Richtlinien der Arbeit der Intendanten als staatliche Leiter vom Ministerium erarbeitet und den Intendanten übergeben wurden, mangelt es – diesen Hinweisen entsprechend – an einer direkten unmittelbaren Anleitung und Kontrolle des Intendanten des Deutschen Theaters. Den Problemen der politisch-ideologischen Arbeit im Deutschen Theater sowie der Erhöhung der massenpolitischen Wirksamkeit des Theaters für die sozialistische Erziehung der Werktätigen und der Jugend werde das Ministerium für Kultur in seiner täglichen Arbeit nicht in genügender Weise gerecht. Das gelte auch für die Auswahl und Entwicklung geeigneter und erprobter Kader für Leitungsfunktionen am Deutschen Theater.
Zur Überwindung der geschilderten Situation – insbesondere zur grundlegenden Veränderung der staatlichen Leitungstätigkeit im Deutschen Theater – sollten seitens des Ministeriums für Kultur in Zusammenarbeit mit dem Magistrat von Berlin Überlegungen vor allem dahingehend angestellt werden, geeignete Maßnahmen zur personellen Stärkung der entscheidenden Leitungsfunktionen des Theaters (z. B. Oberspielleiter, Chefregisseur, Leiter der technischen Bereiche) zu treffen.
Die zuständigen Parteiorgane sollten durch abgestimmtes, koordiniertes Vorgehen verstärkt dahingehend wirksam werden, durch den Einsatz zuverlässiger, konsequent handelnder Genossen die führende Rolle der Parteiorganisation des Deutschen Theaters entschiedener durchzusetzen und eine effektivere Gestaltung der politisch-ideologischen Arbeit zu erreichen. Wesentlich erscheint dabei auch, dass die Kader auf mittlerer leitender Ebene befähigt werden, wirksamer im vorgenannten Sinne aufzutreten.
Analog sollten durch den Zentralvorstand der Gewerkschaft Kunst Maßnahmen eingeleitet werden, um die Gewerkschaftsarbeit im Deutschen Theater grundlegend zu verbessern.
Anlage zur Information Nr. 345/81
Hinweise zu den an der Unterschriftenaktion beteiligten Mitarbeitern des Deutschen Theaters
Von den 51 Unterzeichnern sind 49 parteilos, je ein Mitarbeiter ist Mitglied der SED bzw. der LDPD; 27 sind im FDGB organisiert, von denen wiederum sechs Funktionen (z. B. BGL, Vertrauensleute bzw. stellv. Vertrauensleute) ausüben.
Neun der Unterzeichner sind als NSW-Reisekader, sechs als SW-Reisekader bestätigt, während gegenwärtig bei sechs Mitarbeitern entsprechende Überprüfungen zur Bestätigung als NSW-Reisekader eingeleitet sind.
Bedeutsam erscheint, dass zwölf der Unterzeichner aus artfremden Berufen kommen bzw. eine über ihre Tätigkeit hinausreichende Qualifikation besitzen (z. B. BMSR-Techniker, Gebrauchswerber, Nachrichtentechniker, Nachwuchsschriftsteller, Betonwerker, Verkehrstechniker). Der Großteil der Unterzeichner ist erst kürzere Zeit am Theater tätig. Die langjährigen Mitarbeiter haben die Aktion in der Regel nicht unterstützt.
Zwei der Unterzeichner (Beleuchter) sind rechtswidrig Ersuchende auf Übersiedlung in die BRD (halten hartnäckig an diesen Bestrebungen fest).
Bisherigen Untersuchungen zufolge kann davon ausgegangen werden, dass es sich bei der Mehrheit der Unterzeichner um »Mitläufer« handelt, die sich von Initiatoren beeinflussen ließen, weil sie aus verschiedenen Gründen, die offensichtlich zumeist aus der gegenwärtig instabilen Lage des Theaters resultieren, unzufrieden sind. Einige Mitarbeiter haben nur unterzeichnet, weil sie sich »nicht ausschließen wollten«.
Ausgangspunkt der Aktion war der Bereich Beleuchtung (von 25 Mitarbeitern unterzeichneten 17), wo die Abfassung der Erklärung erfolgte und auch die Verteilung organisiert wurde.
Die Bereiche Requisite, Bühnentechnik und Tontechnik hätten eigenen Auslassungen verschiedener Mitarbeiter zufolge »in erster Linie aus Sympathie für die Kollegen der Beleuchtung« und ohne »besonderes Engagement« unterzeichnet.
Als Initiatoren wurden die Mitarbeiter [Name 1], [Name 2] und [Name 3] (sämtlich Bereich Beleuchtung) erkannt.
Am aktivsten von diesen wirkte [Name 1] (seit 1973 am Theater, NSW-Reisekader, BGL-Mitglied), der den Brief verfasste, für seine Verbreitung sorgte und maßgeblich die Diskussion über dessen Inhalt und über das Vorgehen gegenüber der Leitung des Theaters beeinflusste.
Der [Name 1] besitzt das Abitur, erlernte den Beruf eines Fernmeldemechanikers und begann 1969 ein Studium an der Pädagogischen Hochschule Dresden, das er 1973 aufgrund eines Disziplinarverfahrens beenden musste.
Bei den Zollorganen fiel er an, als er beabsichtigte, schwarz-rot-goldene Fahnen ohne DDR-Symbol in die VR Bulgarien auszuführen, um sich dort »als Deutscher« erkenntlich zu machen.
Durch sein geschicktes Auftreten besitzt er das Vertrauen seiner Kollegen, wurde in die BGL gewählt und als »Sprecher des Bereiches Beleuchtung« anerkannt. 1979 verfasste er eine Eingabe, in der er die vom IX. Parteitag der SED beschlossene Sozialpolitik in Zweifel zog.
Charakteristisch ist, dass er eine Tätigkeit ausübt, die weit unter seiner Qualifikation und seinem geistigen Vermögen liegt.
Der [Name 1] wurde besonders aktiv von [Name 2] (Mitglied der SED, ebenfalls BGL-Mitglied, als NSW-Reisekader vorgesehen) unterstützt.
Unter den Mitarbeitern des Technischen Bereiches genießt er allgemeines Ansehen. Als Genosse tritt er nicht aktiv in Erscheinung. In seinem engeren Bekanntenkreis äußerte er, nicht genau zu wissen, wie er Mitglied der Partei geworden sei. Während seiner Dienstzeit bei der NVA habe er sich daraus Vorteile erhofft, sei aber in dieser Erwartung getäuscht worden, da von ihm als Genossen noch mehr gefordert wurde. Sein Ansehen wird nicht zuletzt durch das jahrelange Wirken seiner Eltern im Deutschen Theater (Beleuchtungsmeister/Hauptsachbearbeiter) gestützt.
Während der Auseinandersetzung um seine Rolle in der Unterschriftenaktion verhielt er sich schwankend und nicht parteimäßig. Der Aufforderung, zu einem parteilichen Verhalten und Auftreten zurückzufinden, wich er unter dem Vorwand aus, Hemmungen zu besitzen, sich gegenüber seinen Kollegen auszudrücken.
[Name 3] besitzt einen starken Geltungsdrang. Nach eigenen Angaben stützt er sich in der Meinungsbildung vornehmlich auf westliche Medien. 1977 versuchte er, die DDR ungesetzlich zu verlassen. In letzter Zeit beschwerte er sich ständig über die schlechte Gewerkschaftsarbeit und suchte sich mit Nachrichten über die Vorgänge in der VR Polen wichtig zu machen, wobei er seine Sympathie für die dort wirkenden negativen Kräfte nicht verhehlte.
Die genannten Initiatoren stellen jedoch keine einheitlich handelnde Gruppe dar. Bei allen Gemeinsamkeiten in der ideologischen Haltung ist jeder Einzelne darauf aus, seinen persönlichen Einfluss im Technischen Bereich auszuweiten und zum bestimmenden Faktor zu werden.