1. Tagung der 18. Synode der Evangelischen Landeskirche Anhalts
1. Juni 1982
Information Nr. 284/82 über die konstituierende 1. Tagung der 18. Synode der Evangelischen Landeskirche Anhalts vom 14. bis 16. Mai 1982 in Dessau
Vom 14. bis 16. Mai 1982 fand in der Diakonissenanstalt Dessau die konstituierende 1. Tagung der 18. Synode der Evangelischen Landeskirche Anhalts als letzte der Frühjahrssynoden der Evangelischen Landeskirchen in der DDR statt.
An ihr nahmen 38 der 39 gewählten und berufenen Synodalen teil.
Da die Konstituierung der 18. Synode im Rahmen einer geschlossenen Synodaltagung stattfand, nahmen weder Vertreter des Staatsapparates, noch ausländische ökumenische Gäste oder Vertreter westlicher Massenmedien teil.
Im Mittelpunkt der Frühjahrssynode der Evangelischen Landeskirche Anhalts standen:
- 1.
Konstituierung der Synode
(Wahlen des Präsidiums der Synode, der synodalen Mitglieder des Landeskirchenausschusses, des Ältestenrates und der ständigen Synodalausschüsse)
- 2.
Bericht des Kirchenpräsidenten der Evangelischen Landeskirche Anhalts, Natho,1 Dessau, zur »Lage der Kirche in der DDR«
- 3.
Bericht des Leiters des Sekretariats des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR, Dr. Demke,2 Berlin, zum Thema »Lutherehrung 1982 – aber wie?«
Der Bericht von Kirchenpräsident Natho »zur Lage der Kirchen in der DDR« gliederte sich in die Hauptpunkte: Verantwortung zu anderen Kirchen, Verantwortung zum Staat, Verantwortung untereinander.
Natho sprach sich zum ersten Hauptpunkt im Zusammenhang mit dem geplanten Zusammenschluss der evangelischen Kirchen zur Vereinigten Evangelischen Kirche in der DDR für die Beibehaltung des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR aus.3
Seine weiteren Ausführungen »zur Verantwortung zum Staat« beinhalteten von der Grundtendenz her ein eindeutiges Bekenntnis zur »Kirche im Sozialismus«4. Natho betonte, er habe die Ausführungen des Staatssekretärs für Kirchenfragen der DDR auf der Zentralausschusstagung im August 1981 in Dresden zur Notwendigkeit der Integration der kirchlichen Friedensbemühungen in den Gesamtprozess der Friedenspolitik damals nicht verstanden, ihm seien jedoch durch die internationale Entwicklung Bedeutung und Weitsicht dieser Aussagen bewusster geworden.
Natho zeigte sich jedoch enttäuscht über die Reaktion des Staates zum Problem »Sozialer Friedensdienst«5 (»SoFd«) und verwies darauf, dass es bereits in einem Grundsatzpapier 19656 aufgeworfen worden sei, ohne damals »Einspruch« auszulösen. Seine Erwartungen, dass die Synode des Bundes im September 1981 »Beruhigung« in dieser Frage schafft, seien nicht erfüllt worden.
Weiter führte Natho aus, das Symbol der »Friedensdekade« 1981 »Schwerter zu Pflugscharen«7 habe Veränderungen im Verhältnis Staat – Kirche ausgelöst, da es durch westliche Medien für die Proklamierung einer »unabhängigen Friedensbewegung« in der DDR genutzt wurde.
Das gemeinsame Friedenspapier der evangelischen Kirchen der DDR und der BRD vom 1. September 1979 zur »Friedensdekade«8 gestatte jedoch keine Abkehr der Kirchen der DDR von diesem Symbol.
Natho distanzierte sich vom Initiator des »Berliner Appells«,9 Eppelmann,10 sowie vom in der DDR akkreditierten BRD-Korrespondenten Pleitgen11 im Zusammenhang mit den von ihm in westlichen Massenmedien getätigten Äußerungen über die angebliche Existenz einer »staatlich unabhängigen Friedensbewegung« in der DDR.
Natho rief die Christen zur Besonnenheit und zur Vermeidung jeglicher Konfrontation mit dem Staat auf. Er erklärte, dass die evangelische Kirche in der DDR die »freieste Kirche im Sozialismus« ist. Weiter führte Natho eine Polemik mit den Vertretern der »offenen Jugendarbeit«12 und kritisierte in diesem Zusammenhang deren Oppositionshaltung gegenüber dem Staat.
Er betonte, das mühsam erarbeitete Vertrauen werde so durch kirchliche Mitarbeiter infrage gestellt; die Jugendarbeit und die Kirche würden auseinanderlaufen. Unter Hinweis darauf, dass die Bischofskonferenz gezwungen war, sich mit solchen kirchlichen Jugendmitarbeitern, wie Rochau13 zu befassen, erklärte Natho, »diese Figuren« seien »eine schlimme Sache«, da es sich »um halbe asoziale Personen« handele.
Internen Hinweisen zufolge hätten eine Reihe anwesender Synodaler das Bekenntnis Nathos zur Linie des 6. März 197814 in dieser deutlichen Form nicht erwartet.
Einen breiten Raum nahm während der Synodaltagung der Bericht des Leiters des Sekretariats des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR, Dr. Demke/Berlin, zum Thema »Lutherehrung 1982 – aber wie?« ein.
Demke gab zunächst einen allgemeinen Überblick zur Lutherehrung in der DDR und würdigte in diesem Zusammenhang global die Bemühungen des Staates. Weiterhin bewertete er jedoch die staatlichen Bemühungen als einen Enteignungsprozess der Kirche, als »Vereinnahmung Luthers« und schlussfolgerte daraus, »das ist nicht mehr unser Luther«.
In der Diskussion zu den Vorträgen versuchten einige Synodale aus der kirchlichen Jugendarbeit, die im Bericht von Kirchenpräsident Natho enthaltenen positiven und realistischen Gesichtspunkte abzuschwächen und einen politisch-negativen Synodalbeschluss zur Forcierung des »SoFd« zu initiieren.
So setzten sich die Synodalen aus der kirchlichen Schüler- und Jugendarbeit, Seifert, Manfred15/Raguhn, Richter, Bernd16/Zerbst, Frenzel, Hans-Dieter17/Zerbst und Assmann, Rosel18/Dessau für eine »offene Jugendarbeit« ein. Seifert bedauerte, dass diese Jugendarbeit keinen gebührenden Platz in der Kirche besitze, und Frenzel forderte eine offene Stellungnahme der Synode zur Jugendarbeit und zur »Aufnäherproblematik«.
Durch realistische Kräfte wurden die Haltungen dieser Synodalen zurückgewiesen, sodass es zu keiner schriftlichen Festlegung kam. Durch das progressive Auftreten von Natho wurden schwankende Kräfte verunsichert, sodass sich um Seifert und Frenzel keine Basis bilden konnte.
Im Ergebnis der konstituierenden Wahlhandlungen wurden von der 18. Synode der Evangelischen Landeskirche Anhalts gewählt:
In das Präsidium der Synode
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als Präses
Steuerberater Kootz, Gerhard R.19/Dessau
(Kootz übt diese Funktion bereits mehrere Legislaturperioden aus.)
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als stellvertretende Beisitzer
Schütze, Rosemarie22/Bernburg
Kreisoberpfarrer Schröter, Christoph23/Ballenstedt
In den Landeskirchenausschuss
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Diplom-Ingenieur Braun, Siegfried/Dessau
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Pfarrer Franke, Ernst/Güntersberge
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Drogist Hofmann, Bernhard24/Köthen
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Oberärztin Dr. Berdrow, Jutta25/Dessau
In den Ältestenrat (neben den fünf Mitgliedern bzw. stellvertretenden Mitgliedern des Präsidiums)
Gewählt wurden außerdem die Mitglieder des ständigen Synodalausschusses:
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Nominierungsausschuss
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Berichtsausschuss
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Verfassungs- und Rechtsausschuss
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Eingabenausschuss
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Ausschuss Kirche und Gesellschaft
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theologischer Ausschuss
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Finanzausschuss u. a.
Die Synode verabschiedete einen Beschluss über eine am 8. Juni 1982 durchzuführende Beratung zwischen Ältestenrat und Landeskirchenrat, die während der Herbstsynode (4. bis 7. November 1982 in Dessau) erfolgende Wahl des Kirchenpräsidenten zum Gegenstand hat. (Die Legislaturperiode des Kirchenpräsidenten beträgt 6 Jahre.)
Sollte auf dieser Beratung eine erneute Nominierung Nathos als Kandidat für das Amt des Kirchenpräsidenten abgelehnt werden, führt die Synode der Evangelischen Landeskirche Anhalts am 4. Juli 1982 eine außerordentliche Tagung durch, während der die Nominierung eines neuen Kandidaten erfolgen soll.
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