21. Synode der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens in Dresden
25. Oktober 1982
Information Nr. 545/82 über die 21. Landessynode der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens vom 16. bis 20. Oktober 1982 in Dresden
Die Herbsttagung der Synode der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens fand vom 16. bis 20. Oktober 1982 im Gemeindehaus Dresden-Strehlen statt.
Als Gäste der Synode aus der BRD wurden ein Vertreter der Landeskirche Hannover und der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche begrüßt.
Der Journalist Röder1 (epd) war ohne offizielle Arbeitsgenehmigung des MfAA der DDR auf der Synode anwesend. Besondere Aktivitäten entwickelte Röder nicht.
Die von den Gästen der Synode gehaltenen Grußworte enthielten keine politischen Aussagen.
Der Bericht von Landesbischof Hempel2 stand unter dem Thema »Weiteres Nachdenken über christliche Friedensverantwortung«. Bischof Hempel vertrat in seinen Ausführungen die kirchliche Position zum Friedensengagement der Christen in der DDR, wobei das Bemühen sichtbar wurde, die biblische Grundlage dafür stärker hervorzuheben. In diesem Zusammenhang wurden von Bischof Hempel drei Problemkreise hervorgehoben: das biblische Friedenszeugnis in seiner Vielfalt, die christliche Neutralität, der christliche Pazifismus.
Im ersten Schwerpunkt – Friedenszeugnis in seiner Vielfalt – regte er u. a. an, eine biblische Studie über die Friedensbotschaft im Ganzen zu erarbeiten.
Zur »christlichen Neutralität« – dem zweiten Schwerpunkt – führte er aus: »… Möglich, ja notwendig ist eine Grundentscheidung für unser Land und für die Menschen darin, für diesen Staat und seinen ›realen Sozialismus‹ in dem Sinne, dass Gott uns hierher nicht aus Zufall, Laune oder Strafe gebracht, sondern uns hier den von ihm bestimmten Bewährungsraum gegeben hat … Eine solche Grundentscheidung ist klar abzuheben von Resignation, Arroganz oder Zynismus …« Er bezeichnete es nicht als Aufgabe der Kirche, zu politischen Tagesereignissen Stellung zu nehmen und führte weiter aus: »Wahrscheinlich würden wir aber mehr reden, wenn wir nicht öfters die Erfahrung gemacht hätten, dass unsere Worte in den Massenmedien einseitig und entstellt wiedergegeben werden, übrigens in Ost und in West.«
Im dritten Schwerpunkt – christlicher Pazifismus – erklärte Hempel, es sei seine Überzeugung, dass es in der gegenwärtigen Situation pazifistische Initiativen in den christlichen Gemeinden geben muss. Das »muss« bedeute, es wäre ein Zeichen für eine verträumte Kirche, wenn es diese Gruppen nicht gäbe. Das hänge zusammen mit der Existenz der Atomwaffen und auch mit der lebendig gebliebenen Frage nach der Schuld am Zweiten Weltkrieg.
Darüber hinaus gäbe es eine weitere Mitursache für pazifistische Initiativen. Wörtlich führte Hempel aus: »Es gibt darüber hinaus, in mehr indirektem Sinne, eine weitere Mitursache für pazifistische Initiativen in unseren Gemeinden. Ich meine die komplizierte ungelöste Frage nach der ›deutschen Nation‹. Es ist unter Christen akzeptiert, dass zwei souveräne deutsche Staaten entstanden sind. Es ist aber nicht akzeptiert, dass die Menschen in dem anderen deutschen Staat unsere Feinde sein sollen. Dass die Bundesrepublik Deutschland in ein anderes gesellschaftliches Machtsystem gehört, ist wiederum auch als eine ernste Tatsache akzeptiert. Aber nicht akzeptiert ist die staatlicherseits im Grunde bekräftigte Ablehnung dieses deutschen Nachbarstaates oder der gelegentlich gewünschte Abbruch aller Beziehungen dorthin usw. Wir wollen – um Gottes Willen – keinen neuen Nationalismus. Wir können aber auch nicht unsere jahrhundertelange gemeinsame Geschichte und Kultur bestreiten. Damit hängt die Klärung des Verhältnisses unserer Gesellschaft zur deutschen Vergangenheit zusammen. Diese Klärung wird erst langsam begonnen. Es ist verständlich, dass ein Staat in seiner Geschichtsschau Schwerpunkte setzt. Es ist aber auf die Dauer nicht realisierbar, weitere Strecken der eigenen Geschichte kaum ernstlich zu berühren. Jeder hat auch Vorfahren, die er lieber verschwiege. Zur Geschichte gehört alles, was wirklich war, nicht nur das, was uns gefällt.«
Anschließend erklärte Hempel, dass dennoch die Kirche den Pazifismus nicht zum Prinzip ihrer Lehre erheben dürfe, und unterstrich die Gültigkeit der Feststellung der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen aus dem Jahre 1981.3 Er betonte, der Dienst von Christen in den bewaffneten Einheiten der Nationalen Volksarmee sei auch heute »ein mögliches Wagnis«. Die Kirche habe kein Recht, Christen, die in der Nationalen Volksarmee dienen, als Gläubige minderer Qualität zu betrachten.
Weiter wurde der Bericht der Kirchenleitung an die Synode verlesen. In ihm wurden neben innerkirchlichen Fragen auch Probleme der Stellung der Landeskirche in der sozialistischen Umwelt angesprochen.
Auch hier wurden die bekannten Standpunkte zum kirchlichen Friedensengagement, zum Symbol »Schwerter zu Pflugscharen«,4 zum »Sozialen Friedensdienst«5 und die »Beschwernisse um diese Probleme« wiederholt und die Friedensbemühungen verschiedener Gruppen hervorgehoben.6 Ausdrücklich wurden die Bestrebungen, sich im kirchlichen Raum mit ökologischen Fragen zu befassen, als »legitimes kirchliches Handeln« begrüßt. Der Bericht verweist weiter darauf, dass im Zusammenhang mit den (Friedens)-Initiativen einzelne kirchliche Mitarbeiter von Sicherheitsorganen »zur Feststellung eines Sachverhaltes zugeführt und vernommen« wurden. Die Kirchenleitung habe sich in allen Fällen um Klärung bemüht.
Des Weiteren wurde auf positive Erfahrungen in der Zusammenarbeit zwischen kirchlichen und staatlichen Stellen verwiesen. Unter anderem wurde festgestellt: »Der Kirchenleitung ist es wichtig, dass die Wirkung dieses Gespräches (6.3.1978)7 in unserem Lande nicht verhallt. In den Gesprächen, die zwischen Kirchenleitungsmitgliedern und Vertretern hoher staatlicher Dienststellen geführt wurden, sind die Gedanken des 6. März 1978 bisher auf beiden Seiten immer gegenwärtig. Dies hat dazu geführt, dass in vielen Fällen Einzelprobleme zufriedenstellend geklärt werden konnten.«
In den Aussprachen zu beiden Berichten wurde über die darin enthaltenen Aussagen nicht hinausgegangen. Es erfolgte weitgehende Zustimmung zu den Ausführungen von Bischof Hempel. Auf die im Kirchenleitungsbericht vorgebrachten »Beschwernisse« wurde kaum eingegangen. Auf den Versuch von Pfarrer Pilz,8 Zittau, eine »Emblem-Diskussion«9 in den Mittelpunkt zu stellen, gingen weitere Diskussionsredner nicht ein.
Die bei bisherigen Synoden politisch-negativ in Erscheinung getretenen Personen verhielten sich passiv bzw. sprachen zu innerkirchlichen Problemen. Es erfolgten keine offenen Angriffe gegen die DDR.
Die Synode fasste den Beschluss, das Referat von Bischof Hempel noch vor der »Friedensdekade 1982«10 den Gemeinden zur Verfügung zu stellen.
Zum bevorstehenden Kirchentag 198311 wurde in mehreren Diskussionen die Meinung vertreten, dass alles vermieden werden müsse, was einem »Spektakulum« gleichkäme; der Charakter eines Kirchentages müsse gewahrt werden.
Am 3. Beratungstag (18.10.1982) besuchte der amerikanische Evangelist Dr. William Graham12 die Synode, wo er mit Beifall begrüßt wurde. Dr. Graham erklärte vor der Synode, er betrachte es als große Ehre, vor der Tagung sprechen zu können. Er führte u. a. aus, es komme ihm darauf an, an wissenschaftlich denkende und an junge Menschen heranzukommen. Weiter sagte er, man sollte sich des Leides in der Welt bewusst sein; es müssten die sozialen Nöte gesehen werden in Zentralamerika, die Apartheid in Südafrika, der Rassismus in den USA sowie die ungeheure Gefahr der Aufrüstung.
Im Anschluss an die Ausführungen Dr. Grahams konnten Fragen gestellt werden, deren Inhalt erkennen ließ, dass innerhalb der Synode und der Landeskirche starke Vorbehalte zum Auftreten Grahams bestanden. Er wurde u. a. gefragt, wie er sich auf die Evangelisation vorbereite und wie sie finanziert werde, wie er mit dem Atheismus fertig werde und wie er ihn beurteile. In der Kreuzkirche habe man das Gefühl gehabt, dass er die Bibel mehr zitiere als interpretiere.
Oberlandeskirchenrat Mendt13/Dresden betonte, die Menschen in der DDR hätten seinem Besuch kritisch entgegengesehen, denn hier wäre er eine »Legende« und unter dem Begriff »Maschinengewehr Gottes« bekannt. Er sagte weiter: »Sie, Herr Graham, treten hier auf als Politiker. Sie fahren mit großen Autos im Konvoi, geben abends Interviews im Fernsehen, wohnen in den teuersten Hotels, was uns alles befremdet. Es fällt uns schwer zu glauben, dass Sie den einfachen Menschen hier wirklich kennen.«
Der Synodale Pampel14/Dresden-Moritzburg führte aus, die Menschen hätten hier Not, Waffen in die Hände zu nehmen, und forderte Graham auf, dazu Stellung zu nehmen.
Dr. Graham antwortete nicht auf jede Frage eingehend, u. a.: In den USA habe er es mit »echtem« Atheismus zu tun. Er verwies auf die immer tiefer sinkende Moral und auf die steigende Kriminalität. Seine Reise werde von den Gastgebern finanziert, in Amerika lebe er anders. Auf die Frage nach seiner Meinung zur Politik der DDR lehnte er eine Antwort ab, weil er zu wenig die Probleme in der DDR kenne.
Die weiteren Aussprachen im Verlauf der Synode beschäftigten sich mit innerkirchlichen Problemen und hatten keine politische Aussage. Da die umfangreiche Tagesordnung nicht voll realisiert werden konnte, wurden mehrere Beschlüsse auf die Frühjahrstagung 1983 vertagt, die deshalb um einen Tag verlängert werden soll (18.–23.3.1983).
Insgesamt kann eingeschätzt werden, dass sich das Kräfteverhältnis innerhalb der Synode nicht verändert hat, sich aber auf dem Gebiet der kirchlichen Friedensarbeit realistischere Positionen durchsetzen.
Aussagen, insbesondere in Bezug auf die Friedensaktivitäten der DDR und der sozialistischen Länder, blieben jedoch hinter den inhaltlichen Schwerpunkten der Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR in Halle15 zurück.
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