4. Tagung der 8. Synode der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg
26. April 1982
Information Nr. 206/82 über die 4. Tagung der 8. Synode der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg vom 16. bis 20. April 1982 in der Hauptstadt Berlin
Dem MfS liegen Einzelheiten über den Verlauf der 4. Tagung der 8. Synode der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg vor, über die im Folgenden informiert wird.
An der Synode nahmen 125 Synodale teil.
Zu den ausländischen ökumenischen Gästen gehörten:
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Präsident. Dr. Kraske, Peter1 – Berlin (West), Kirchenkanzlei der Evangelischen Kirche der Union – Bereich BRD und Berlin (West)
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Präses. Dr. Reihlen, Helmut2 – Berlin (West), Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg – Berlin (West)
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Oberkonsistorialrat Dr. Stiewe, Martin3 – Bielefeld/BRD, Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche von Westfalen
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Gemeindediakonin Übelacker, Hilde4 (BRD), Evangelische Landeskirche in Baden
Präses Dr. Reihlen und Gemeindediakonin Übelacker traten mit Grußworten an die Synode auf.
Negative politische Aussagen enthielt besonders das Grußwort Dr. Reihlens, in dem er die sowjetische Friedenspolitik in Zweifel stellte.
Seitens der Massenmedien in der DDR waren Vertreter von ADN, »Neue Zeit« (Zentralorgan der CDU), ENA und der »Potsdamer Kirchenzeitung« anwesend.
Als einziger Vertreter westlicher Massenmedien nahm der BRD-Journalist Röder5 (epd) an der Synodaltagung teil. (Seitens des MfAA lag die Zustimmung zur Berichterstattung des Röder über die Synodaltagung vor.)
Des Weiteren waren der Kulturattaché der Ständigen Vertretung der BRD in der DDR, Staar,6 und der 2. Sekretär und Vizekonsul der USA-Botschaft in der DDR, Keeton,7 zeitweilig auf der Synodaltagung anwesend.
Intern wurde bekannt, dass Röder seine Pressemitteilungen unter direkter Anleitung von Staar fertigte.
Das Präsidium der Synode der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg verteilte erstmalig unter den Synodalen eine schriftliche Erklärung bezüglich der »Kontakte zu den Medien«, in der darauf verwiesen wurde, dass durch die Synodalen bei einer öffentlichen Kundgabe ihrer Meinung bzw. bei einem »förmlichen Interview« zuvor das Präsidium der Synode zu informieren sei.
Dem MfS wurde intern bekannt, dass im Synodalbüro vier personengebundene Arbeitsmappen mit allen offiziellen Synodenpapieren für den Mitarbeiter der Ständigen Vertretung der BRD in der DDR, Staar, sowie für die westlichen Korrespondenten Röder (epd), Nöldechen8 (»Westfälische Rundschau«), Jennerjahn9 (dpa) – Letztgenannte nahmen nicht an der Synode teil – auslagen, die von der Pressereferentin der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg, Pastorin Mayer10 (Berlin), ständig komplettiert wurden.
Im Mittelpunkt der Frühjahrstagung der Synode der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg standen folgende Schwerpunkte:
- 1.
Bericht der Kirchenleitung
- 2.
Bericht des ständigen Synodalausschusses »Friedensfragen«
- 3.
Erörterung der »Gemeinsamen Entschließung« zur Herausbildung einer Vereinigten Evangelischen Kirche (VEK) in der DDR
- 4.
Theologische und innerkirchliche Fragen
(Pfarrerdienstgesetz, Gemeindepädagogik, Nizänisches Glaubensbekenntnis,11 Kollektenplan, Haushaltsplan, Bericht der Inneren Mission und Hilfswerk etc.)
In seinen Eröffnungsworten zur Synode betonte Präses Becker12 (Berlin), dass diese Tagung »in besonderer Weise« im Blickpunkt kirchlicher und nichtkirchlicher Kreise stünde. Besonders bei der Erörterung der Problematik »Friedensengagement« knüpfe man an die Äußerungen der letzten Synodaltagung an und habe die Stellungnahme des »Friedensausschusses« zu beraten.
Den gegenwärtigen »Konflikt« mit dem Staat in der Friedensproblematik13 habe man weder erwartet noch gewollt. Die Synode werde sich mit dem Vorwurf, dass die Aufnäher zur Friedensdekade staatlicherseits nicht geduldet werden, auseinanderzusetzen haben. Vielen falle es in diesem Zusammenhang schwer, der Argumentation des Staates zu folgen. Die Priorität aber habe nicht das »Friedenssymbol«, sondern die »Friedensgesinnung«. Besonnenheit sei im weiteren Vorgehen geboten.
Im Anschluss daran verlas Bischof Dr. Forck14 (Berlin) den von ihm verfassten Bericht der Kirchenleitung, Teil II, in dem umfangreiche Aussagen zum derzeitigen Verhältnis Staat – Kirche in der DDR enthalten sind.
Er nahm u. a. Bezug auf
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den Stand des Gespräches über den Wehrersatzdienst im sozialen Bereich,15
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den »Berliner Appell«16 und die diesbezügliche Stellungnahme der Kirchenleitung,17
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die »Friedensdekade 1981«18 und auf die Haltung der Kirche zum Symbol »Schwerter zu Pflugscharen«.
Wörtlich erklärte Forck:
»Zwar wird staatlicherseits immer wieder darauf hingewiesen, dass man prinzipiell das Verhältnis zwischen Staat und Kirche im Sinne des Gespräches vom März 197819 weiterführen wolle, es kann aber nicht verschwiegen werden, dass manche Verhaltensweise staatlicher Stellen gegenwärtig mit dieser Auskunft kaum in Übereinstimmung gebracht werden könne.«
Die am 7. April 1982 und 13. April 1982 durch den Staatssekretär für Kirchenfragen, Genossen Gysi,20 geführten Gespräche mit kirchenleitenden Personen, an denen Forck teilnahm, fanden im Kirchenleitungsbericht, Teil II, nur geringe Resonanz. (Der Kirchenleitungsbericht liegt im Wortlaut vor und kann bei Bedarf angefordert werden.)
Landesjugendpfarrer Domrös21 (Potsdam) brachte danach in seiner Funktion als Vorsitzender des ständigen Synodalausschusses »Friedensfragen« das Arbeitsergebnis dieses Ausschusses als Vorlage ein.
Diese Vorlage des Synodalausschusses solle – nach Domrös – als Grundlage eines »alternativen nichtmilitärischen Sicherheitskonzepts« betrachtet werden. Domrös setzte sich darin für eine »unabhängige Friedensbewegung« in der DDR ein und formulierte z. B.: »Es fehlt in unserem Land, dass in den politisch-relevanten Gruppierungen ernsthaft über nichtmilitärische Wege zu einer Welt ohne Waffen geredet und dafür eingetreten wird.«
(Die Vorlage liegt im Wortlaut vor und kann bei Bedarf angefordert werden.)
In diesem Zusammenhang »dankte« Domrös allen Jugendlichen, die sich »der gegenwärtigen Herausforderung« im Friedensengagement stellen. Er dankte allen Trägern des Symbols »Schwerter zu Pflugscharen«, denn »sie hätten das Problem in die Öffentlichkeit getragen«. Er betonte weiter, die staatlichen Maßnahmen und Reaktionen würden »Misstrauen gegenüber den Gesetzesversprechungen des Staates hervorrufen«.
Er forderte die Jugendlichen auf, »zu vergeben, wo man beleidigt wird«, aber »nicht zu schweigen, wo es zu Übergriffen der staatlichen Ordnungshüter kommt«.
Als weitere Vorlage des Ausschusses »Friedensfragen« wurde ein Antrag gegen »Spielzeug mit militärischem Charakter«22 eingebracht.
Zu Beginn der Diskussion über den Bericht und die Vorlagen des ständigen Ausschusses »Friedensfragen« verlas Präses Becker (Berlin) drei Eingaben an die Synode zur Friedensproblematik.
Der Kreisjugendkonvent aus Teltow und der Kreiskirchenrat aus Luckenwalde forderten in ihrer Eingabe die Synode auf, »nicht auf halbem Weg stehen zu bleiben« und das Gespräch mit staatlichen Einrichtungen auch zukünftig zu suchen.
Demgegenüber wird in der Eingabe von Dr. Stappenbeck23 (Berlin) die Sorge zum Ausdruck gebracht, dass die »Kirche ein weiteres Mal in falscher Abkehr von der säkularen24 Weltfriedensbewegung ihren Friedensdienst verfehlen und sich wieder durch falsches Reden schuldig machen könnte«. Er verweist darauf, dass weder der NATO-Raketenbeschluss, die Erstschlag-Doktrin, die Neutronenwaffe, noch die sowjetischen Moratoriumsvorschläge25 erwähnt worden wären. Im Ausschussbericht kämen nur die Stimmen für, aber nicht gegen den »Sozialen Friedensdienst« zu Wort.
Landesjugendpfarrer Domrös (Potsdam) diffamierte diese von Präses Becker verlesene Eingabe des Dr. Stappenbeck und bezeichnete sie als »Sammlung von Halbwahrheiten«.
Gleichzeitig verleumdete er einen von Dr. Stappenbeck verfassten und in der Kirchenzeitung »Weißenseer Blätter«26 veröffentlichten Artikel. Domrös forderte die Synode auf, sich deren Inhalt nicht zu eigen zu machen.
Intern wurde dem MfS bekannt, dass der Synodale Pfarrer Heilmann27 (Caputh) auf diesen diffamierenden Beitrag von Domrös unmittelbar im Plenum reagieren wollte, aber von Präses Becker daran gehindert wurde.
Daraufhin kam es mit Domrös außerhalb der Synodentagung zu Auseinandersetzungen. Bischof Forck ermahnte Landesjugendpfarrer Domrös, Sachlichkeit zu wahren und »andere Auffassungen mit gleichem Respekt zu behandeln, wie man es für eigene Positionsbestimmungen erwarte«. Auch Pfarrer Heilmann wies in einem internen Gespräch Domrös zurecht.
Domrös sah sich daraufhin veranlasst, seine Angriffe auf Stappenbeck öffentlich im Plenum zu revidieren.
In der Plenardiskussion zur Friedensproblematik sowie in der Arbeit in den Tagungsausschüssen traten eine Reihe politisch-negativer Synodaler (Synodaler [Name 1]/Güterfelde, Kreiskatechet Weu28/Berlin, Landesjugendpfarrer Domrös/Potsdam, Synodale Graewe29/Zernsdorf, Dr. Fischbeck30/Berlin) mit massiven Angriffen gegen die Verteidigungs- und Friedenspolitik der UdSSR und der DDR auf.
So stellte z. B. der Synodale [Name 1] (Güterfelde) in Bezug auf das Grußwort von Präses Dr. Reihlen, Berlin (West), die Frage, ob die Hochrüstung der USA nicht mit Afghanistan in Zusammenhang gebracht werden müsse. Der »Einmarsch« in Afghanistan habe in den USA einen Schock ausgelöst, der zur Hochrüstung geführt habe.31
Durch den Kreiskatecheten Weu (Berlin) wurde im Tagungsausschuss »Friedensfragen« ein Briefentwurf an den Minister für Volksbildung, Genossin Honecker,32 zur »alternativen Friedenserziehung« eingebracht und von ihm verlesen. Darin werden Bedenken gegenüber dem Wehrunterricht33 in den Schulen zum Ausdruck gebracht.
Durch das Auftreten und Wirken realistischer Kräfte (Prof. Dr. Fink34/Berlin, Diplom-Chemiker Dr. Wehlan35/Berlin, Diplom-Ingenieur Hafa36/Berlin, Pfarrer Berg37/Zossen, Dr. Graichen38/Frankfurt/Oder) konnte die Verabschiedung dieses von politisch-negativen Synodalen (Landesjugendpfarrer Domrös/Potsdam, Frau Graewe/Zernsdorf, Dr. Fischbeck39/Berlin, Pfarrer Hilsberg40/Berlin) unterstützten Vorschlages des Weu verhindert werden.
Solche Synodalen, wie Pfarrer Heilmann/Caputh, Prof. Dr. Fink/Berlin, Dr. Wehlan/Berlin, Pfarrer Günther41/Wilhelmshorst, Generalsuperintendent Richter42/Cottbus, traten im Gesamtverlauf der Synode wiederholt mit progressiven Standpunkten offensiv in den Diskussionen auf.
So forderte z. B. Pfarrer Heilmann eine Ablehnung der »Erstschlagsmentalität«, die Einbeziehung der Friedensvorschläge der UdSSR, insbesondere des letzten Moratoriumsvorschlages, in die Überlegungen der Synode und die verstärkte Einflussnahme in diesem Sinne auf Christen in den westlichen Regierungen.
Prof. Dr. Fink unterstützte die Notwendigkeit, das Moratorium der UdSSR zu befürworten und forderte dazu auf, bei Gesprächen mit Jugendlichen zur Friedensproblematik auch auf die internationale Solidarität zu verweisen.
Dr. Wehlan wandte sich gegen die Verunglimpfung der Friedenskonzeption der Politiker sozialistischer Staaten.
Zum Abschluss der Diskussion traten Mitglieder der Kirchenleitung mit Stellungnahmen zu den aufgeworfenen Problemen auf. Von besonderer Bedeutung waren dabei die Diskussionsbeiträge von Generalsuperintendent Grünbaum43 (Berlin) und Konsistorialpräsident Stolpe44 (Berlin).
Generalsuperintendent Grünbaum nahm zu den sogenannten Blues-Messen45 Stellung. Er verharmloste in diesem Zusammenhang den inhaltlichen Charakter dieser Veranstaltungen und versuchte, sie theologisch zu rechtfertigen.
Die »Blues-Messen«, seien ihrem Charakter nach Gottesdienste, da sie alle Elemente eines Gottesdienstes (Predigt, Gebet, Andacht) in sich einschließen würden. Insgesamt seien die »Blues-Messen« eine gute Möglichkeit missionarischer Tätigkeit der Kirchen.
Mit einem die Diskussion zur Aufnäher-Problematik »Schwerter zu Pflugscharen« versachlichenden Beitrag trat Konsistorialpräsident Stolpe auf, indem er »Zur Rechtsgrundlage um die Aufnäher« sprach. (Seine Ausführungen werden im Wortlaut als Anlage 1 beigefügt.)
Im Ergebnis der Synodaltagung wurden neben theologischen und innerkirchlichen Beschlüssen (z. B. Beschluss über die Fortsetzung der Tätigkeit des Ausschusses »Vereinigte Evangelische Kirche« bis 1983, Pfarrerdienstgesetz, Gemeindepädagogik usw.) folgende Dokumente verabschiedet:
Brief an die Gemeinden.46 Darin heißt es u. a. »Unter besonderer Berücksichtigung des Anliegens, das Bischof Forck unseren Gemeinden mit seinem Osterbrief47 mitgeteilt hat, ermutigen wir alle Träger und Nichtträger des Abrüstungssymbols ›Schwerter zu Pflugscharen‹, an der Verheißung des Propheten Micha festzuhalten. Dieses Symbol ist das Zeichen der Friedensdekade der evangelischen Kirchen in der DDR.
Wer sich auf dieses Symbol beruft, wird sich darum bemühen, auch im Gespräch und im Verhalten Zeichen des Friedens zu setzen.«
Als Anlage zu diesem Brief wird der Diskussionsbeitrag von Konsistorialpräsident Stolpe (Berlin) »Zur Rechtslage um die Aufnäher ›Schwerter zu Pflugscharen‹« an die Gemeinden48 verschickt.
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Beschluss der Synode, dass durch die Kirchenleitung »Fragen und Besorgnisse von Gemeindegliedern, die aufgrund des am 25. März 1982 beschlossenen Wehrdienstgesetzes49 aufgetreten sind, aufgenommen und zum Gegenstand von Gesprächen mit Staatsvertretern gemacht werden sollen«. (Wortlaut)
Dieser Beschluss stand in der Synode nicht zur Diskussion.
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Beschluss über die Weiterarbeit des ständigen Ausschusses »Friedensfragen«. Darin wird betont, »an den Aufgaben, die das christliche Friedenszeugnis erfordert, weiterzuarbeiten«.
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Beschluss über die Veröffentlichung einer Aufforderung an die Gemeindeglieder, sich »gemeinsam mit ihren Kindern vom Spielzeug mit militärischem Charakter« abzuwenden, in den kirchlichen Wochenzeitungen »Die Kirche« und »Potsdamer Kirche«. (Dieser Beschluss/Drucksache 113 wird als Anlage 2 im Wortlaut beigefügt.)
Außerdem verabschiedete die Synode das vom ständigen Ausschuss »Friedensfragen« erarbeitete Material, in dem an der Position eines »alternativen nichtmilitärischen Friedenskonzepts« festgehalten wird.
Als Ergänzung zur ursprünglichen Vorlage wurde folgende durch realistischere Kräfte initiierte Passage in diesem Arbeitsmaterial aufgenommen:
»Das angebotene Moratorium über die Aufstellung von Raketen im europäischen Raum vom Februar 1982 und andere vergleichbare Angebote und Vorleistungen der Sowjetunion in früheren Jahren verdienen in unseren Gemeinden und im ökumenischen Gespräch Beachtung und positive Würdigung.«
Als zeitweilige Träger des Symbols »Schwerter zu Pflugscharen« konnten während der Synodaltagung folgende Personen identifiziert werden:
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Bischof Dr. Forck (Berlin)
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Synodale Dr. Fischbeck (Berlin)
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Landesjugendpfarrer Domrös (Potsdam)
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Kreiskatechet Weu (Berlin)
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Synodaler [Name 2] (Woltersdorf)
Die während der Synodaltagung am 17. April 1982 erfolgte Beerdigung von Havemann50 fand in der Synode keine öffentliche Resonanz. Lediglich die im Auftrage des Evangelischen Konsistoriums zur Kontrolle über die Aktivitäten der Pfarrer Meinel51 (Grünheide) und Eppelmann52 (Berlin) an der Beerdigung teilnehmenden Propst Winter53 (Berlin) und Konsistorialrätin Cynkiewicz54 (Berlin) äußerten in einem internen Gespräch, dass sie empört gewesen seien über das Auftreten von Pfarrer Eppelmann auf dem Friedhof Grünheide.55
In einem Gespräch zwischen den auf der Synodaltagung anwesenden staatlichen Vertretern (Sektorenleiter für Kirchenfragen beim Magistrat von Berlin, Sektorenleiter für Kirchenfragen beim Rat des Bezirkes Frankfurt/Oder) und Bischof Dr. Forck sowie Konsistorialpräsident Stolpe brachten beide kirchlichen Vertreter in unterschiedlich artikulierter Form ihre Distanzierung von Pfarrer Eppelmann zum Ausdruck.
Insbesondere Stolpe betonte, dass durch das Auftreten Eppelmanns bei der Beerdigung Havemanns ein »neuer Tatbestand« geschaffen worden sei. Ein der Kirchenleitung zur Verfügung stehender Tonbandmitschnitt müsse noch sorgfältig analysiert werden. Stolpe schloss Konsequenzen nicht aus, da die von Eppelmann dargestellte Verbindung von Jesus Christus zu Havemann – Eppelmann theologisch nicht haltbar sei.
Stolpe brachte zum Ausdruck, es sei »eine sehr ernste staatliche Warnung an die Adresse Eppelmanns ergangen«. Er habe die Absicht, mit Eppelmann darüber zu sprechen.
Die Information ist wegen Quellengefährdung nur zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt.
Anlage 1 zur Information Nr. 206/82
8. Synode Berlin-Brandenburg
vierte ordentliche Tagung | 16. bis 20.4.1982
Auszug aus der Antwort der Kirchenleitung auf die Aussprache über den Bericht der Kirchenleitung
Zur Rechtslage um die Aufnäher »Schwerter zu Pflugscharen«
Die Auseinandersetzung um die Aufnäher hat einmal mehr die große Bedeutung klarer rechtlicher Bestimmungen und ihrer Einhaltung von allen Seiten für ein vertrauensvolles Zusammenleben in der Gesellschaft deutlich gemacht.
Das gilt umso mehr dort, wo sehr unterschiedliche Standpunkte bestehen. Die Rechtsordnung muss sich im Konflikt bewähren!
Das Problem ist uns auch innerkirchlich leidig bekannt!
Wo Argument gegen Argument steht, darf eben nicht willkürlich administriert werden, sondern muss klar nach den Vorgaben der Rechtsordnung entschieden werden. Einschließlich der Inanspruchnahme von Rechtsmitteln. Deshalb ist in der Debatte um die Aufnäher von uns immer wieder nach der rechtlichen Grundlage staatlichen Vorgehens gefragt worden.
Zunehmend ist es möglich geworden, das Gespräch auf rechtliche Tatbestände zu führen und so oft zugleich zu versachlichen.
Auch viele unserer betroffenen jungen Christen haben es als vertrauensfördernd empfunden, wenn trotz gegensätzlicher Meinungen klare rechtliche Auskünfte erteilt wurden!
Im Einzelnen ist zu berichten:
1. Es gibt kein generelles Verbot der Aufnäher.
Gesprächsweise Auskünfte, die auf § 214 StGB verwiesen, waren u. E. rechtlich nicht haltbar und wurden nicht wiederholt.
2. Die AO über Druck- und Vervielfältigungserzeugnisse vom 20.7.1959 – GBl. I Nr. 46 S. 640 – hat an das Vliesverfahren noch nicht gedacht. Der in der Oberlausitz ansässige Hersteller56 hat demzufolge seit Jahren für Interessenten aller Art Prospekte, Kalender u. a. produziert. Vor Kurzem ist ihm rechtlich verbindlich mitgeteilt worden, dass er künftig Genehmigungen einzuholen habe.
Das heißt im Klartext: Die Herstellung der jetzt vorhandenen Aufnäher war zulässig, künftig wird für alle Vliesdrucke die Genehmigung nötig; das gilt auch für Nachauflagen.
3. In den Schulen ist das Tragen der Aufnäher mit Hinweis auf die Schulordnung vom 20.11.1979 – GBl. I Nr. 44 S. 433 – verboten worden. Das ist auf der Grundlage des Weisungsrechtes der Direktoren rechtlich möglich. Das entspricht alter Tradition des sogenannten Hausrechtes.
Hierzu wurde der KL-Bericht II angefragt, ob es Fälle gäbe, wo Jugendliche von Ausbildungsstätten entfernt worden seien, obwohl sie das Zeichen nicht mehr in der Ausbildungsstätte tragen. Dazu ist heute zu berichten, dass bisher im Bereich unserer Kirche kein solcher Fall vollzogen wurde. Wir konnten intervenieren und wir hoffen, dass es nicht zu Verweisungen kommen wird!
Angemerkt sei noch, dass wir von einer Orientierung des Ministeriums für Volksbildung hörten, in der den Schuldirektoren empfohlen wurde, die Aufnäher innerhalb der Schule zu untersagen, zugleich aber erinnert wurde, dass das offene Tragen von Kreuzen in der Schule zulässig wäre.
4. Die Maßnahmen der VP haben als Rechtsgrundlage das VP-Gesetz vom 11.6.1968 – GBl. I Nr. 11 S. 232 –.
Danach ist die VP befugt, zur Abwehr von Gefahren und zur Beseitigung von Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung die erforderlichen Maßnahmen durchzuführen. Das schließt die Möglichkeit der polizeilichen Zuführung und der Verwahrung von Sachen ein. Wir haben hier gefragt, ob denn dieses kirchliche Abrüstungssymbol wirklich eine Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sei und ob die Verhältnismäßigkeit der Mittel gewährt sei. Einige Beschwerden aufgrund des geordneten Beschwerdeverfahrens nach § 19 des VP-Gesetzes laufen hierzu noch.
Hier kann man sich mit rechtlichen Mitteln auseinandersetzen! Umso mehr, da in der Deutschen Zeitschrift für Philosophie 1982, S. 11757 zu lesen steht:
Den Schriften dieser jüdischen Propheten entnehmen wir auch den religiösen Glauben an das kommende Friedensreich: »Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben und sie werden hinfort nicht mehr lernen Krieg zu führen.« Welcher Marxist würde behaupten wollen, dass religiöser Glaube in dieser Form reaktionär sei und, obwohl er selbst noch kein wissenschaftlich fundiertes Bewusstsein darstellen konnte, unvereinbar mit Wissenschaftlichkeit sei? Dieser humanistische religiöse Glaube, als Ideologie fortschrittlicher Klassen, ahnt gewissermaßen die wissenschaftliche Erkenntnis von einer klassenlosen Gesellschaft, in der es keine Kriege mehr gibt, voraus.
Aber es gibt auch eine Gefahr:
Mit Sorge hören und sehen wir, dass in westlichen Medien unser kirchliches Abrüstungssymbol zum Abzeichen einer DDR-Oppositionspartei missdeutet wird. Das trifft nicht nur nicht zu, sondern erschwert und gefährdet eine eigenständige kirchliche Friedensarbeit! Es erschwert darüber hinaus ungemein auch unsere rechtliche Argumentation.
Darf ich abschließend noch einmal hervorheben, dass das Herangehen an Streitfragen auf der Grundlage der Rechtsordnung eine gute Hilfe sein kann, sachlich und offen konstruktive Regelungen zu finden. Auch in der Aufnäherfrage. Das wäre überzeugende Praktizierung der von uns allen gewünschten Kirchenpolitik des 6. März 197858!
18.4.1982 gez. Stolpe
Anlage 2 zur Information Nr. 206/82
8. Synode Berlin-Brandenburg
vierte ordentliche Tagung | 16. bis 20.4.1982 | Tagesausschuss »Friedensfragen«
Die Synode möge beschließen:
Die Synode bittet die Wochenzeitungen »Die Kirche«59 und »Potsdamer Kirche«60 folgenden Brief zu veröffentlichen:
»Liebe Gemeindemitglieder!
In der landesweiten Diskussion um den Frieden entsteht immer wieder die berechtigte Frage nach der Möglichkeit eines eigenen Beitrages zum Frieden. Aus diesem Grunde wenden wir uns als Synode mit folgenden Anliegen an Sie:
Bitte wenden Sie sich gemeinsam mit Ihren Kindern von Spielzeug mit militärischem Charakter ab.
Entfernen Sie es aus Ihrem Haushalt und verschenken Sie auch kein Spielzeug dieser Art.
An diesem Schritt soll deutlich werden, dass Sie bereit sind, sich den Herausforderungen der Erziehung zum Frieden neu zu stellen.
In diesem, auf den ersten Blick unscheinbaren Schritt sehen wir eine Möglichkeit, unser Friedenszeugnis konkret werden zu lassen. Einige gehen diesen Weg schon. Wir bitten Sie, Ihre Erfahrungen an andere weiterzugeben.
Zur Information: Schweden verbietet seit dem 1.12.1979 die Einfuhr, Herstellung und den Verkauf von Kriegsspielzeug (Information aus »Die Christenlehre« 11/7961).
Die Synode der Evangelischen Kirche in | Berlin-Brandenburg | Becker, Präses« | gez. Hafa | Vorsitzender