4. Tagung der III. Generalsynode der VELK in Freiberg
21. Juni 1982
Information Nr. 331/82 über die 4. ordentliche Tagung der III. Generalsynode der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche (VELK) in der DDR vom 10. bis 13. Juni 1982 in Freiberg/Sachsen
Vom 10. bis 13.6.1982 fand die 4. ordentliche Tagung der III. Generalsynode der VELK in der DDR in der St.-Johannis-Kirchgemeinde Freiberg statt.
Daran nahmen 31 gewählte und berufene Synodalen und die Bischöfe der Evangelisch-Lutherischen Landeskirchen Hempel,1 Leich2 und Rathke3 teil.
Als ausländische ökumenische Gäste waren anwesend:
Dr. Dahlgren, Sam4 (Genf, Schweiz) | Europasekretär im Lutherischen Weltbund (LWB), Genf
Oberkirchenrat | D. D. Schmale, Karlheinz5 (BRD) – Hermannsburg | Mitglied des Lutherischen Kirchenamtes der VELKD (BRD) – Hannover
Hausfrau | Reimer, Hildegard6 (Hamburg/BRD) | Beisitzerin im Präsidium der Generalsynode der VELKD (BRD)
Prof. Dr. Wilhelm, Erich7 (Wien/Österreich) | Vorsitzender des Ökumenischen Rates der Kirche in Österreich
Pastor Dr. Ansons, Gunars8 (London/Großbritannien) | Lutherischer Rat von Großbritannien
Oberkirchenrat | Matos, Juliu9 (Cluj10/SR Rumänien) | Evangelisch-Lutherische Kirche Augsburgischen Bekenntnisses in der SR Rumänien
Senior Pospiech, Jozef11 (Zielona Góra/VR Polen) | Evangelische Augsburgische Kirche in der VR Polen.
Europasekretär Dr. Dahlgren, Senior Pospiech, Oberkirchenrat Matos, Pastor Dr. Ansons und Frau Reimer verlasen Grußworte, die keine politischen Aussagen beinhalteten. Dr. Dahlgren befasste sich mit der Vorbereitung der nächsten Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes 1984 in Budapest.
Als Vertreter der Massenmedien in der DDR nahmen an der Synodaltagung drei Journalisten (ADN, »Neue Zeit«/Zentralorgan der CDU, »Der Sonntag«/Kirchenzeitung der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens) teil.
Als einziger BRD-Korrespondent war Hans-Jürgen Röder12 (epd) mit Genehmigung des MfAA der DDR anwesend.
Im Mittelpunkt der 4. Tagung der III. Generalsynode standen:
- –
Tätigkeitsbericht der Kirchenleitung der VELK in der DDR,
- –
Jahresbericht des Nationalkomitees des Lutherischen Weltbundes in der DDR (Oberkirchenrat Dr. Zeddies13/Berlin),
- –
Bericht des Leitenden Bischofs der VELK in der DDR, Hempel14/Dresden, an die III. Generalsynode.15
Innerkirchliche und theologische Probleme (»Katechismusrevision«, Vereinigte Evangelische Kirche, Pfarrerdienstgesetz, Handreichung zur Bestattung, Abendmahl und Taufe).
Während im Tätigkeitsbericht der Kirchenleitung ausschließlich innerkirchliche und theologische Fragen angesprochen wurden, nahm der Leiter des Lutherischen Kirchenamtes der VELK und Geschäftsführer des Nationalkomitees des Lutherischen Weltbundes (LWB) in der DDR, Oberkirchenrat Zeddies/Berlin, im Jahresbericht des Nationalkomitees des LWB in der DDR Bezug auf das »kirchliche Friedensengagement«:
»Aus der Sorge um die Erhaltung des Friedens sind eine Reihe von Initiativen erwachsen, bei denen sich gerade junge Christen besonders engagieren. Sie stehen unter dem Eindruck, dass trotz der Bemühungen der Regierungen der Frieden in der Welt nicht sicherer geworden ist. Darum möchten sie diese Bemühungen durch eindeutige und glaubwürdige Zeichen einer vom Evangelium geprägten Verantwortung für den Frieden unterstützen, die Versöhnung an die Stelle von Feindbildern setzt. So hat zum wiederholten Male ein Friedenssonntag oder auch eine Friedensdekade16 stattgefunden, wo Gemeindeveranstaltungen der Erziehung zum Frieden gewidmet sind und in besonderen Gottesdiensten für den Frieden gebeten wird. Als Ausdruck eines engagierten Einsatzes für den Frieden ist von jungen Leuten neben dem Wehrdienst auch ein Dienst im sozialen Bereich angeregt worden. In der Öffentlichkeit sind solche Initiativen nicht ohne Missverständnisse und Auseinandersetzungen geblieben.«
Der in alleiniger Verantwortung des Leitenden Bischofs der VELK in der DDR, Hempel/Dresden, erarbeitete 12-seitige Bericht nimmt schwerpunktmäßig Stellung zur »Friedensverantwortung der Kirchen« und zur »föderativen« und »verbindlichen Gemeinschaft«.
Unter Verwendung theologischer Argumentationen hob Bischof Hempel folgende Problemkreise der christlichen Friedensverantwortung hervor:
- –
Christlicher Glaube in der kirchlichen Gemeinde als »Prüfstein christlicher Friedensarbeit«,
- –
Fehlen eines detaillierten »politischen Friedensprogramms der evangelischen Kirche«.
(»Nach meiner Überzeugung ist die Kirche Jesu Christi außerstande, durchreflektierte und detaillierte politische Friedensprogramme zu entwickeln und durchzusetzen. Das schaffen wir deshalb nicht, weil die Kirche ganz auf die Heilige Schrift angewiesen ist und diese keine politischen Friedensprogramme anbietet. Also bleibt es bei der für andere und für uns selbst misslichen Situation, dass wir aufrichtig am Frieden mitwirken möchten, aber keine politisch-handlichen Lösungen haben. Von unseren Staatsrepräsentanten verlangt das Verständnis von uns selbst realistische Selbsteinschätzung.«)
Kirchliche Friedensarbeit nicht als Kritik der »Friedenspolitik der Kommunisten, sondern als Ergebnis unseres Lebens in der sozialistischen Gesellschaft«,
(»Unsere Regierung sollte davon ausgehen, dass in unseren christlichen Gemeinden – freilich auf christliche Weise – eine Saat aufgeht, die sie selbst gesät hat, in den Schulen, in den Massenmedien, in der Literatur unseres Landes. Es gehört nach meiner Einsicht zu den Grunderfahrungen aller pädagogischen Arbeit, dass erwünschte Erziehungsziele zwar erreicht werden, aber mit bestimmten Veränderungen, die sich aus der persönlichen Aneignung des Erziehungsziels durch die Erzogenen ergeben.«
»Das heißt: nach allem, was zu sehen ist, wird die Friedensmitarbeit der Christen in unserem sozialistischen Land eine echte lebendige Kraft bleiben, was auch komme.«)
- –
Toleranz gegenüber der pazifistisch geprägten Friedensarbeit in der DDR als Maß der Größe und des Selbstvertrauens der Regierung,
- –
Fehlen einer »Aufarbeitung der Missverständnisse« sowie Bestehen einer »beiderseitigen Verärgerung« aufgrund der »harten staatlichen Abwehrreaktion« auf kirchliche Friedensarbeit,
- –
Theologische Erläuterung der christlichen »Versöhnungsbereitschaft und Feindesliebe«.
(Der Bericht liegt im Original vor und kann bei Bedarf angefordert werden.)
In den Plenardebatten zum Tätigkeitsbericht der Kirchenleitung und zum Bericht des Leitenden Bischofs sowie während der Diskussionen in den Synodalausschüssen überwogen Beiträge zu innerkirchlichen und theologischen Fragen (VEK, Abendmahl, Bestattung, »Katechismusrevision«).
Lediglich die Synodalen Landessuperintendent Sagert17/Güstrow, Pastor Taetow18/Güstrow, Superintendent Wetzel19/Dresden und Diplom-Physiker Dr. Weiß20/Bürgerende bezogen sich in ihren Beiträgen auf die Aussagen von Bischof Hempel zur »Friedensverantwortung« der Kirche, ohne über dessen Aussagen hinauszugehen.
Im Rahmen der Antworten der Kirchenleitungsmitglieder informierte Bischof Rathke/Schwerin über das Gespräch zwischen Staatssekretär Gysi21 und der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen am 7.4.1982 in Berlin.22 In diesem Zusammenhang betonte er, dass man während der bevorstehenden Friedensdekade 1982 nicht vom bisherigen Symbol abgehen werde.23
Eine zukünftige Änderung des Symbols sei jedoch nicht auszuschließen.
In seinen die Diskussion abschließenden Worten erklärte Landesbischof Hempel, dass »man Schritte in den vorpolitischen Raum oder in den beginnenden politischen Raum riskieren« müsse, ohne bestimmte Grenzen zu übersehen. Man müsse benennen, was Recht und Unrecht sei.
In der Diskussion blieben aktuell-politische Ereignisse unerwähnt. Auch eine Stellungnahme zu den Ergebnissen der Weltkonferenz »Religiöse Würdenträger für die Rettung der heiligen Gabe des Lebens vor einer Nuklearkatastrophe« vom 10. bis 14.5.1982 in Moskau24 erfolgte auf der Generalsynode nicht, obwohl der Synodale Oberkirchenrat Fritz25/Dresden als Delegierter des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR daran teilgenommen hat.
Hervorzuheben sind die Ausführungen des ökumenischen Gastes aus der VR Polen, Senior Pospiech, der im Rahmen einer einstündigen geschlossenen Sitzung der Generalsynode am 12.6.1982 Aussagen zur gegenwärtigen Situation in der VR Polen26 dahingehend machte:
Die Beziehungen zwischen der protestantischen und katholischen Kirche hätten sich seit der Wahl von Kardinal Wojtila27 zum Papst wesentlich verschlechtert.
Die kirchlichen Veranstaltungen der protestantischen Kirche würden bisher durch die Regierung keinerlei Behinderung erfahren, bis auf gewisse allgemeine Einschränkungen (z. B. Reiseverkehr, Telefonverbindungen usw.).
Der 13. Dezember 1981 wäre die »einzige Möglichkeit gewesen, dem Chaos wirksam entgegenzutreten«.28 Die Gewerkschaft »Solidarność«29 sei anfangs positiv gewesen. Nach Bindung der katholischen Kirche und »Solidarność« unter Einbeziehung der privaten Bauern sowie Personen, die eine politische Partei anstrebten, sei durch »Solidarność« der Sturz der Regierung ins Auge gefasst worden. Die protestantische Kirche wurde von »Solidarność« nicht einbegriffen, da sie von Anfang an »Solidarność« ablehnend gegenübergestanden hätte.
Der Bericht wurde von der Generalsynode ohne Kommentar aufgenommen. Diskussionen erfolgten dazu nicht.
Im Ergebnis der viertägigen Beratung fasste die III. Generalsynode der VELK in der DDR in erster Linie theologische und innerkirchliche Beschlüsse (Vereinigte Evangelische Kirche, Bestattung, »Katechismusrevision«, Pfarrerdienstgesetz).
Die einzige politische Aussage enthält der »Beschluss der Generalsynode zu den Berichten des Leitenden Bischofs und der Kirchenleitung«.
In diesem Beschluss wird zum Ausdruck gebracht, dass man »auf die Weiterführung der kirchlichen Friedensarbeit nicht verzichten kann«.
»Die Generalsynode macht sich die Ausführung des Leitenden Bischofs zu eigen und hält sie für so ertragreich, dass sie der nächsten Tagung der Bundessynode im Herbst 1982 zur Kenntnis gegeben werden soll.«
Die 5. ordentliche Tagung der III. Generalsynode der VELK in der DDR wird vom 8. bis 12.6.1983 in Güstrow stattfinden.
Die Information ist wegen Quellengefährdung nur zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt.