6. Tagung der mehrseitigen Regierungskommission der RGW-Mitglieder
[ohne Datum]
Information Nr. 177/82 über die 6. Tagung der Mehrseitigen Regierungskommission (MRK) der Mitgliedsländer des RGW – Spezialisierung, Kooperation, Produktion und gegenseitige Lieferungen von Ausrüstungen für Kernkraftwerke
In der Zeit vom 30.3. bis 31.3.1982 fand in der Hauptstadt der DDR, Berlin, die 6. Tagung der Mehrseitigen Regierungskommission für die Gesamtkoordinierung der Zusammenarbeit der interessierten Mitgliedsländer des RGW über die Spezialisierung, Kooperation, Produktion und gegenseitige Lieferung von Ausrüstungen für Kernkraftwerke statt. An der Beratung nahmen Delegationen aus der UdSSR, DDR, VR Polen, UVR, VR Bulgarien, ČSSR und der SFR Jugoslawien teil.
Die Tagung hatte zum Inhalt, den Erfüllungsstand der Verpflichtungen seitens der am Abkommen beteiligten Länder bezüglich der Gewährleistung der Spezialisierung und Kooperation auf dem Gebiet des Kernkraftwerksmaschinenbaus bis 1985 darzulegen und dabei auftretende Probleme zu beraten.
Auf der Tagung wurden u. a. behandelt:
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ein Bericht zum »Stand der Realisierung des Abkommens über die mehrseitige internationale Spezialisierung und Kooperation der Produktion und die gegenseitige Lieferung von Ausrüstungen für Kernkraftwerke für den Zeitraum 1981–1990«.
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der Stand der Erfüllung der Verpflichtungen zur Gewährleistung der Lieferungen der Ausrüstungen für Blöcke mit Reaktoren WWER-440 und WWER-1000 in den Jahren 1982 bis 1983 durch die Länder der Abkommenspartner,
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die »Präzisierung zum Abkommen hinsichtlich des Umfangs und der Termine der Lieferung von Spezialarmaturen für Kernkraftwerke«,
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die »Preisliste der Ausrüstungen für die Blöcke mit Reaktoren vom Typ WWER-1000« und
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ein Ersuchen der VR Polen zur Lieferung zweier Blöcke WWER-440 anstelle eines Blockes WWER-1000 für die 2. Baustufe des Kernkraftwerkes »Zarnewec«.
Der erstgenannte Bericht wurde von der 6. Tagung der Mehrseitigen Regierungskommission befürwortet und der Vorsitzende der Kommission gebeten, zu dieser Frage auf der XXXVI. Ratstagung des RGW aufzutreten.
Bei der Behandlung des Berichtes trug die Delegation der Sozialistischen Republik Rumänien erstmalig das Anliegen nach Errichtung und Inbetriebnahme eines Kernkraftwerkes mit einer installierten Leistung von drei Kraftwerksblöcken vom Typ WWER-1000, davon zwei Kraftwerksblöcke mit dem Inbetriebnahmetermin 1990 bzw. 1992, vor.
Begründet wurde dieses Anliegen damit, dass die bisher auf Erdölbasis beruhende Energiegrundlage der SRR in absehbarer Zeit in erhebliche Schwierigkeiten geraten könnte.
Die Vertreter der VR Polen äußerten den Wunsch, anstatt der Lieferung eines 1000-MW-Kernkraftwerk-Blockes (1990) die Bereitstellung von zwei 440-MW-Kernkraftwerk-Blöcken vorzusehen, da nach dem bisherigen Stand keine Voraussetzungen beständen, die Vorbereitungen bis zum vorgesehenen Zeitpunkt der Lieferung des 1000-MW-Blocks abzuschließen. (Dem Vorschlag wurde zugestimmt.)
Im Zusammenhang mit der Erörterung der Erfüllung von Verpflichtungen zur Gewährleistung der Lieferung von Ausrüstungen der Blöcke mit Reaktoren WWER-440/WWER-1000 in den Jahren 1982 bis 1983 wurden nach Kenntnisnahme des von der Mehrseitigen Regierungskommission zu diesem Tagesordnungspunkt vorbereiteten Berichtes u. a.
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die UVR, die UdSSR und die ČSSR gebeten, erforderliche Maßnahmen zur schnellstmöglichen endgültigen Lösung der mit der Lieferung von Transporttechnologischen Ausrüstungen für 1982 (Spezialisierung in die VR Bulgarien und die UVR) zusammenhängenden Fragen einzuleiten,
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die Vertreter der einzelnen Länder gebeten, umgehend Maßnahmen zur Liquidierung der 1981 eingetretenen Lieferverzögerungen zu treffen und die Lieferungen der Ausrüstungen entsprechend den Verträgen für 1982 in vollem Umfang zu sichern (Ausrüstungen für biologischen Schutz aus der VR Bulgarien; Umlademaschinen für die Blöcke mit Reaktoren aus der UdSSR; Wärmetauscherausrüstungen und Notstromanlagen aus der VR Polen).
Weitere Fragen dieses Tagesordnungspunktes betrafen zusätzliche Maßnahmen zur Beschleunigung der Ausarbeitung der technischen Unterlagen für die Ausrüstungen von Kernkraftwerken mit dem Reaktor WWER-1000, insbesondere auf den Gebieten Transporttechnologische Ausrüstungen, Ausrüstungen für die Reparatur von Reaktoren und Dampferzeugern, Hauptumwälzpumpen und Rücklaufkran mit einer Tragfähigkeit von 320 Mp (Spezialisierung für die DDR).
Die Delegation der VR Bulgarien forderte von der Sowjetunion, die Aussagefähigkeit des technischen Profils für den ersten 1000-MW-Kernkraftwerk-Block qualitativ zu erhöhen, da bisher der VR Bulgarien übergebene technische Unterlagen nicht ausreichten, diesen Kraftwerksblock im Kernkraftwerk »Kozlodui« zu installieren.
Die Delegationen der UVR, der UdSSR und der ČSSR wurden gebeten, bis zur 7. Tagung der Mehrseitigen Regierungskommission Fragen der Fertigung von Bedienungsmechanismen für den Reaktor WWER-1000 zu behandeln und notwendigenfalls Fragen der Spezialisierung und des Umfangs der Produktion durch Bestätigung abgestimmter Entscheidungen zu präzisieren.
Im Ergebnis der Beratung zu diesem Tagesordnungspunkt ist festzustellen, dass sowohl der planmäßige Ausbau des Kernkraftwerkes Nord der DDR (Block 5 und 6) als auch die Lieferverpflichtungen (Krane 320 Mp, Armaturen und Transporttechnologische Ausrüstungen) im Wesentlichen gesichert sind.
Die Abkommenspartner erklärten darüber hinaus ihre Zustimmung zu dem von der DDR vorgeschlagenen veränderten Lieferterminen für drei 320-Mp-Rundlaufkrane (neuer Terminvorschlag der DDR für Übergabe an die VR Bulgarien Mitte 1983 und an die Sowjetunion Dezember 1983 bzw. Oktober 1984).
Im Verlauf der Beratung zu diesem Tagesordnungspunkt war festzustellen, dass die Zulieferungen der VR Polen bezüglich Wärmeaustauschern und Spezialarmaturen (Sicherheitsventile) für das Kernkraftwerk Nord der DDR nicht gesichert sind, da die VR Polen nicht in der Lage ist, die dazu notwendigen NSW-Importe (Nirosta- und Austenitstahl) zu realisieren.
Nach Auffassungen von Experten werden deshalb von der DDR Importe für die Blöcke 5 und 6 notwendig werden. Es machen sich deshalb Überlegungen zur Eigenproduktion von Wärmeaustauschern in der DDR bzw. über den Import des Nirosta -und Austenitstahls durch die DDR erforderlich. Diese Importe wären dem polnischen Produzenten zur Verfügung zu stellen.
Die Leiter der Delegationen der Ungarischen Volksrepublik und der DDR-Delegation brachten übereinstimmend zum Ausdruck, dass seitens ihrer Länder keine Möglichkeiten gesehen werden, dem Ersuchen der VR Polen nach diesbezüglichen NSW-Importen für die VR Polen stattzugeben.
Für die DDR gestaltet sich die entsprechend vertraglicher Vereinbarungen für die Jahre 1983 und 1984 vorgesehene Lieferung der Druckwasserreaktoren für die Blöcke 5 und 6 insofern problematisch, weil voraussichtlich erst zwei Jahre später – etwa 1985 und 1986 – mit deren Einbau begonnen werden kann, da die dafür notwendigen Baukapazitäten bisher nicht in die entsprechenden Bilanzen eingeordnet werden konnten. Die Druckwasserreaktoren müssen deshalb für etwa zwei Jahre konserviert und eingelagert werden, wodurch u. a. Probleme im Zusammenhang mit Garantieleistungen und zusätzliche Kosten entstehen.
Im Zusammenhang mit der Behandlung des Tagesordnungspunktes zur Präzisierung zum Abkommen hinsichtlich des Umfangs und der Termine der Lieferung von Spezialarmaturen für Kernkraftwerke ist beachtenswert, dass für die notwendige Ablösung bisher erforderlicher NSW-Importe (impulsgesteuerte Sicherheitsventile, kombinierte Absperr-Rückschlag-Klappen) die betreffenden Länder beauftragt wurden, die Erarbeitung und Abstimmung der technischen Dokumentation für Armaturen mit Sicherheitsfunktionen zu beschleunigen.
Es wurde beschlossen, entsprechende Spezialisierungsvereinbarungen durch Gosplan/UdSSR mit den anderen Planungsorganen der Abkommensländer bis zur 7. Tagung der Mehrseitigen Regierungskommission vorbereiten und zur Beratung vorlegen zu lassen.
Auf der 6. Tagung wurden darüber hinaus zu acht spezialisierten Positionen die abgestimmten Preise bestätigt.
Der Vorsitzende der Mehrseitigen Regierungskommission und Delegationsleiter der sowjetischen Delegation, der Stellvertreter des Vorsitzenden des Ministerrates der UdSSR, Genosse Antonow,1 wies in seiner Eröffnungsrede darauf hin, dass bis zur 7. Mehrseitigen Regierungskommissions-Tagung (vom 27. bis 29.9.1982 in Budapest) unbedingt für die verbleibenden 17 Positionen die Preise verbindlich festzulegen sind. Die Klärung dieser Positionen sei für die weitere vertragliche Kooperation und Spezialisierung unbedingt erforderlich. Mit der Lösung dieser Frage sind die stellvertretenden Minister für Außenwirtschaft beauftragt.
Diese Preisabstimmung stellt für die DDR ein volkswirtschaftliches Problem dar, da die Preisvorstellungen der DDR und der anderen RGW-Länder stark differieren. Aufgrund des geringen Anteils der DDR an der Herstellung von spezialisierten Ausrüstungsteilen ist die DDR in starkem Maße von den Preisvorstellungen der anderen Abkommensländer abhängig.
Die gegenwärtig bestehenden Auffassungen über die Preise für Reaktoranlagen differieren zwischen 35,0 Mio. Rbl. (DDR), 61,0 Rbl. (UdSSR) und 86,5 Mio. Rbl. (ČSSR-Hersteller).
Vonseiten der DDR wurde zum Ausdruck gebracht, dass die DDR bereit sei, einen größeren Anteil an der Spezialisierung bei der Entwicklung und dem Bau von Kernheizwerken und Zwischenlagern abgebrannter Kernbrennstoffe (Brennstofflagerung) zu übernehmen.
In diesem Zusammenhang wurde der vorgesehenen Erweiterung der Kompetenzen, die wissenschaftlich-technische Entwicklung von Kernkraftwerksausrüstungen unmittelbar zum Gegenstand der Mehrseitigen Regierungskommissions-Arbeit zu machen, auch durch die DDR zugestimmt.
Zur Realisierung dieses Beschlusses ist die Einordnung dieser Aufgaben in das Ministerium für Wissenschaft und Technik der DDR notwendig und bedingt eine enge Koordinierung und Zusammenarbeit mit den Bereichen Wissenschaft/Technik der zuständigen Industrieministerien.
Damit könnte in der Perspektive der Anteil der DDR an der gemeinsamen Spezialisierung entscheidend erhöht werden (Reduzierung von Importanteilen).
Die 6. Mehrseitige Regierungskommissions-Tagung sprach die Empfehlung aus, in den Jahren 1982 bis 1983 den Bedarf und den Bau von Kernkraftwerken (in 440-MW- und 1000- MW-Ausführungen) für den Zeitraum bis 1990 zu präzisieren.
Die Tagung verlief ohne Vorkommnisse, Sicherheit, Ordnung und Geheimnisschutz wurden gewährleistet.
Anlage2
Protokoll und Anlagen der 6. Mehrseitigen Regierungskommission in der Konferenzsprache (russisch)