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79. Tagung der Evangelischen Kirchenleitungen in Buckow

25. März 1982
Information Nr. 143/82 über die 79. Tagung der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR vom 12. bis 14. März 1982 in Buckow

Intern wurden zum Verlauf der 79. Tagung der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen vom 12. bis 14. März 1982 in Buckow, die als geschlossene Sitzung stattfand, folgende bemerkenswerte Einzelheiten bekannt.

Im Mittelpunkt der Konferenz standen Fragen »kirchlicher Friedensverantwortung und christlicher Friedensinitiative« in der DDR.

Im Ergebnis der Konferenz wurde dazu eine Stellungnahme beschlossen (Wortlaut siehe Anlage), über deren Inhalt eine lebhafte Debatte stattfand.

Vorliegenden Hinweisen zufolge seien die Aussagen in der Stellungnahme maßgeblich durch Superintendent Große1 (Evangelisch-Lutherische Landeskirche in Thüringen) – bereits mehrfach durch negative Haltungen bekannt geworden – beeinflusst worden.

Große habe seine Auffassungen zum Wehrdienst dargelegt und sei davon ausgegangen, dass es in einem Atomkrieg keine Sieger und keine Überlebenden geben werde; insofern sei jeder Dienst mit der Waffe von vornherein abzulehnen. Der Inhalt dieser Ausführungen widerspiegelt sich im Beschluss vor allem in der Formulierung:

»Wir halten daran fest, dass Christen auch in unserer Zeit, trotz des erhöhten Risikos, den Dienst in der Armee wagen können. Wir betonen, dass die jungen Christen in den Baueinheiten, ja auch die Wehrdienstverweigerer im Gefängnis, ein Zeichen für Abrüstung und nicht gegen den Staat geben wollen.«

Progressive Kräfte in der Leitung der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR hätten dagegen die Auffassung vertreten, mit diesem Beschluss werde das im Gespräch vom März 19782 erreichte Ergebnis im Verhältnis Staat – Kirche infrage gestellt.

Insbesondere von den Bischöfen Hempel,3 Leich4 und Gienke5 sei die genannte Formulierung abgelehnt worden, da sie gesetzliche Regelungen zum Wehrdienst kirchlicherseits infrage stelle und so zu einer entschiedenen Zunahme von Belastungen im Verhältnis von Kirche und Staat führen könne.

Im Verlaufe der Konferenz wurde eine Reihe von Briefen religiöser Bürger und christlicher Laien an evangelische Kirchenleitungen in der DDR ausgelegt, in denen insbesondere das staatsbejahende Verhalten von Bischof Hempel zu den Ereignissen in Dresden6 durch reaktionäre und feindliche Kräfte angegriffen wurde.

Bischof Hempel wurde in diesen Briefen als »Feigling«, »Schwächling«, »Verräter kirchlicher Interessen« und als »Staatsgünstling« tituliert.

Diese Atmosphäre sei genutzt worden, um (wenn auch nur mit geringer Mehrheit) den Beschluss herbeizuführen.

Die Konferenz beschloss, dieses Dokument den Pfarrämtern der evangelischen Kirchen in der DDR mit der Orientierung, darüber in den Gemeinden Aussprachen durchzuführen, zuzuleiten.

Weiteren internen Hinweisen zufolge wurde anlässlich der 79. Tagung in einem kleinen Kreis leitender kirchlicher Kräfte zum Tragen von Symbolen pazifistischen Inhalts (Aufnähern u. a.) ein vertrauliches Gespräch geführt.7 Eine Information von Bischof Hempel zum Gespräch mit dem Staatssekretär für Kirchenfragen der DDR führte im Kreis dieser leitenden Kräfte der Kirche zu der Auffassung, dass staatlicherseits die weitere Produktion bzw. das Verbreiten und öffentliche Tragen »verboten« würde. Dazu wurden die Meinungen abgestimmt, und es kam zu folgender Festlegung:

Die Leitung der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen wird die Produktion derartiger Symbole und Aufnäher nicht unterbinden; sondern es solle zunächst auf die Reaktion und das »Verbot« durch die Organe des Staates gewartet werden, um staatlichen Stellen (wie wörtlich formuliert wurde) »den schwarzen Peter« zuzuschieben. Kirchlicherseits solle es gegen diese staatlichen Maßnahmen keinerlei Proteste geben, da die Kirche mit den gegenwärtigen gesetzlichen Bestimmungen zu Problemen der Vervielfältigung von Schriftgut u. a. Materialien einverstanden sei und die Staatsorgane nicht veranlassen wolle, diese Bestimmungen zu verschärfen.

Betont wurde, gegenwärtig werde ein »Leitfaden für Seelsorge an Wehrpflichtigen«8 erarbeitet. Die Diskussion zu einem ersten Entwurf enthalte ebenfalls offene und versteckte Angriffe gegen das Wehrpflichtgesetz bzw. den Dienst mit der Waffe in der Hand. Über diesen Leitfaden seien weitere Diskussionen auf der Synode des Bundes im September 1982 in Halle vorgesehen.

Diese Information ist wegen Quellengefährdung nur zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt.

Anlage zur Information Nr. 143/82

79. Tagung der Konferenz | der Evangelischen Kirchenleitungen | in der DDR

Stellungnahme

Die Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR hat sich auf ihrer Tagung vom 12. bis 14. März 1982 in Buckow wiederum mit der Frage kirchlicher Friedensverantwortung und christlicher Friedensinitiativen in unserem Lande beschäftigt. Weil viele jüngere und ältere Glieder unserer Gemeinden mit diesen Fragen ringen, möchte die Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen Folgendes sagen:

Die Mitwirkung der Christen bei der Erhaltung des Friedens ist und bleibt als eine Folge unseres Glaubens an den Herrn des Friedens notwendig. Jesus Christus, der auch für uns Menschen in unserem inneren und äußeren Unfrieden gestorben und auferstanden ist, will, dass wir mit friedlichen Mitteln die Chancen des Friedens in der Welt stärken. Wir sind überzeugt, dass wir damit den politischen Friedensbemühungen in der Welt, auch denen unserer eigenen Regierung, zur Seite stehen.

Das biblische Wort von den »Schwertern, die zu Pflugscharen umgeschmiedet werden« (Micha 4,3), hat in den letzten Monaten für verschiedene christliche Friedensinitiativen in unserem Land besondere Bedeutung erlangt. Die Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen hat diesen Satz für die Friedensdekade 1981 gebilligt. Um dieses Prophetenwort hat es Missverständnis und auch Auseinandersetzungen mit Staatsorganen gegeben.

Dieses Wort drückt unsere christliche Hoffnung aus, dass Gott einmal eine Welt schaffen wird, in der wir Menschen keine Waffen mehr brauchen, um uns zu schützen. Es drückt zugleich, als Folge solcher Hoffnung, unsere christliche Verantwortung aus, schon jetzt das Mögliche zu tun, damit Menschen und Völker ihre Konflikte ohne Waffen bewältigen. Die Atomwaffen unserer Zeit werden, falls sie zur Anwendung kommen, keine Sieger mehr hinterlassen. Wir sind überzeugt, damit für das Ziel zu wirken, für welches zum Beispiel unsere Regierung sich einsetzt.

Sich im Sinne des Bildwortes »Schwerter zu Pflugscharen« für den Frieden einsetzen, heißt insbesondere, sich für Abrüstung einsetzen. »Schwerter zu Pflugscharen«: Diese Worte meinen eindeutig: »Kriegsgeräte zu Friedensgeräten« machen, und das heißt abrüsten. Wir wissen, dass wir Christen – Gott sei Dank – nicht die Einzigen oder Ersten sind, die sich in den gegenwärtigen Friedensbedrohungen für Abrüstung einsetzen. Wir wissen auch, dass das Ringen um Abrüstung langwierig und mühsam ist und nur von Teilerfolg zu Teilerfolg voranschreiten kann. Fortschritte werden nur gelingen, wenn wechselseitige Angst voreinander abnimmt und Vertrauen zueinander wächst. Wir Christen haben die politisch realisierbaren Lösungen auch nicht zur Hand. Wir möchten und müssen aber um unseres Glaubens willen beim Ringen auch unseres Landes um Abrüstung mitwirken.

Das Bibelwort »Schwerter zu Pflugscharen« hat dabei für uns Christen die Bedeutung eines bildhaft ausgedrückten Leitspruches. Es ist keine für den Alltag empfohlene politische Anweisung, auch kein simples Rezept gegen die Atomwaffen. Es ist ein Wegweiser, der die Richtung weist, in die gehen muss, wer Abrüstung will. Es ist ein Zeichen, das den dauerhaften Frieden nicht herbeizaubert, aber ermutigend symbolisiert. Christen müssen neu lernen, dass solcher Gehorsam der Glaubensnachfolge mit Leiden verbunden sein kann.

Junge Männer in unseren Gemeinden ringen vor Gott um Antwort auf die Frage, ob sie ihren Wehrdienst bei den bewaffneten Einheiten der NVA aufnehmen, ob sie sich für den Dienst bei den Bau-Einheiten9 entscheiden oder ob sie den Wehrdienst ganz verweigern sollen. Wir halten daran fest, dass Christen auch in unserer Zeit trotz des erhöhten Risikos den Dienst in der Armee wagen können. Wir betonen, dass die jungen Christen in den Bau-Einheiten, ja auch die Wehrdienstverweigerer im Gefängnis, ein Zeichen für Abrüstung und nicht gegen den Staat geben wollen. Wir stehen zu den jungen Christen, die mit Worten oder Taten anzeigen, dass auch die Friedensbemühungen unseres Staates den christlichen Abrüstungsimpuls nicht erübrigen.

Konferenz der Evangelischen Kirchenleitung | in der DDR | Der Vorsitzende | Bischof Dr. Werner Krusche

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    März 1982
    Hinweise zu einigen Erkenntnissen über begünstigende Bedingungen und Umstände, die die militärische Disziplin, Sicherheit und Aufgabenerfüllung der Grenztruppen der DDR beeinträchtigen [K 2/27]

  2. Zum vorherigen Dokument Statistik Einnahmen Mindestumtausch (15.3.1982–21.3.1982)

    24. März 1982
    Information Nr. 144/82 über die Entwicklung der Einnahmen aus der Durchführung des verbindlichen Mindestumtausches für die Zeit vom 15. März 1982 bis 21. März 1982