80. Tagung der Evangelischen Kirchenleitungen in Berlin
14. Mai 1982
Information Nr. 251/82 über die 80. Klausurtagung der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen (KKL) am 7. und 8. 5. 1982 in Berlin
Am 7./8.5.1982 fand im Gebäude des Sekretariats des Bundes der Evangelischen Kirchen (BEK) in der DDR planmäßig die vorgesehene 80. Klausurtagung der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen (KKL) in der DDR statt, die internen Charakter trug.
Neben den 30 gewählten Mitgliedern, den beratenden Mitgliedern, Beratern und ständigen Gästen der KKL nahmen an dieser Tagung zeitweilig mehrere in der kirchlichen Jugendarbeit tätige Amtsträger (u. a. Pfarrer Eppelmann1/Berlin; Pfarrer Rochau2/Halle; Pfarrer Schilling3/Braunsdorf) teil.
Im Mittelpunkt der Klausurtagung standen u. a. folgende Schwerpunkte:
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Probleme der kirchlichen »Friedensarbeit«, einschließlich der Vorbereitung der »Friedensdekade 1982« vom 8. bis 17.11.1982 in der DDR,4
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Probleme der sogenannten offenen kirchlichen Jugendarbeit,
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Vorbereitung der 2. Tagung der IV. Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen (BEK) in der DDR vom 24. bis 28.9.1982 in Halle,
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Berichte über innerkirchliche Aktivitäten (Finanzbericht über die Zentralausschusstagung des ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) im August 1981 in Dresden; Bericht über das 1. Treffen der »Gemeinsamen Kontaktgruppe« des BEK in der DDR und des Polnischen ökumenischen Rates am 14./15.4.1982 in Warschau).
Der KKL lag ein von der Kommission für kirchliche Jugendarbeit (KKJ) im Sekretariat des BEK in der DDR erarbeitetes Material über die Vorbereitung und Durchführung der »Friedensdekade 1982« unter dem Motto »Angst und Vertrauen« zur Bestätigung vor. (Dieses 44 Seiten umfassende Material liegt dem MfS vor und kann bei Bedarf angefordert werden.)
Diese Ausarbeitung wurde in der vorliegenden Fassung seitens der KKL nicht bestätigt und zur Überarbeitung der KKJ zurückgegeben.
In der Diskussion wurde die nachfolgend zitierte Passage aus der vorgelegten Ausarbeitung »Wir haben das Zeichen der Friedensdekade ›Schwerter zu Pflugscharen‹ mit der Abbildung des sowjetischen Denkmals wieder aufgenommen.5 Es soll das Zeichen der Friedensdekade bleiben, ein Zeichen einer kirchlich-biblischen Aktion in einem sozialistischen Land.« erläutert, um damit gleichzeitig eine Orientierung für die Überarbeitung dieses Materials zu geben.
So solle z. B. dieses Symbol nicht als Aufnäher verbreitet, sondern »lediglich« auf Materialien, Papieren, Buchzeichen etc. unter Nutzung der kirchlichen Möglichkeiten gedruckt und dabei stets mit der Unterschrift »Friedensdekade 1982« versehen werden. Die KKL beabsichtige nicht, bei den verantwortlichen staatlichen Stellen dafür um Genehmigung zu ersuchen, um diese nicht »in Verlegenheit zu bringen«.
Die KKL orientierte darauf, dieses Symbol als »Sinnzeichen« zu verstehen. Für die Friedensdekade 1983 sollten darüber hinaus Überlegungen angestellt werden, ein anderes religiöses Motiv als Leitspruch auszuwählen. Verstärkt solle das vom Gebrauchsgrafiker an der Hochschule für industrielle Formgestaltung Giebichenstein, Prof. Gerhard Voigt6 (Halle) geschaffene und als bestes Plakat des UNO-Wettbewerbes zur 2. Abrüstungssondersitzung ausgezeichnete Plakat (Erdball; Mensch, der über seinem Kopf ein zerbrochenes Gewehr hält) publiziert werden. Dabei wurde auf eine Veröffentlichung im »ND« vom 29.10.1981, Seite 4, verwiesen.7
Die Bestätigung der überarbeiteten Fassung seitens der KKL soll auf der 81. ordentlichen Klausurtagung der KKL am 2./3.7.1982 erfolgen.
Die KKL befasste sich weiter mit der Bearbeitung von Eingaben an die Kirchenleitungen der Gliedkirchen im Zusammenhang mit den staatlichen Maßnahmen gegenüber Trägern des Symbols »Schwerter zu Pflugscharen« sowie mit der Frage, »wie man aus der das Verhältnis Staat – Kirche belastenden Abzeichenmisere herauskommt«.
Die KKL war übereinstimmend der Auffassung, dass auch künftig darauf orientiert werden sollte, diese Eingaben den Kirchenleitungen der Gliedkirchen zu übersenden, da es »günstiger« sei, die Eingaben an die Kirche zu richten, statt an den Staat. So habe die Kirche selbst die Möglichkeit, sie »abzufangen« und eventuell sich daraus entwickelnde verstärkte Spannungen zwischen Staat und Kirche »abzubauen«.
Die KKL beabsichtige gegenwärtig nicht, diese Eingaben oder »Gedächtnisprotokolle« dem Staat vorzulegen.
Die Bischöfe vertraten im weiteren Verlauf der Diskussion übereinstimmend die Auffassung, dass in der gegenwärtigen politisch angespannten Situation ein offizielles Gespräch Staat – Kirche zweckmäßig sei.
Der Leiter des Sekretariats des BEK in der DDR, Dr. Demke8/Berlin, wurde von der KKL beauftragt, bei einem Beauftragten des Staatssekretärs für Kirchenfragen, Genossen Gysi,9 vorzusprechen und den Vorschlag zu unterbreiten, ein offizielles Gespräch zwischen Staatssekretär Gysi und dem Vorsitzenden der KKL, Bischof Dr. Krusche10/Magdeburg, vorzubereiten. Bischof Krusche erklärte sich ausdrücklich zu diesem Gespräch bereit.
Die in diesem Gespräch zu behandelnden Detailfragen sollten vorher zwischen Demke und dem Beauftragten des Staatssekretärs »ausgelotet« werden, wobei Schwerpunkt auf Probleme gelegt werden soll, die gegenwärtig das Verhältnis Staat – Kirche belasten.
Im Ergebnis des Gespräches zwischen Staatssekretär Gysi und Bischof Krusche sollte nach Ansicht der KKL eine offizielle Pressemitteilung veröffentlicht werden, in der unterstrichen wird,
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das Gespräch sei in offener, freimütiger Atmosphäre verlaufen,
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anstehende Probleme wurden angesprochen und
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die Verantwortung im Kampf für den Frieden sei hervorgehoben worden.
Alle Bischöfe der evangelischen Kirchen in der DDR unterstützten diese Verfahrensweise, da sie sich hiervon ein »Auslaufen der verhärteten Situation« versprechen. Sie vertraten die Auffassung, ihnen wäre damit die Möglichkeit gegeben, Einfluss darauf zu nehmen, verhärtete kirchliche Positionen »zurückzudrehen«. Gleichzeitig erhoffen sie sich Maßnahmen des Staates, »die Polizeimaßnahmen langsam auslaufen« zu lassen.
Der KKL wurde weiter der Brief des Vorsitzenden der KKL, Bischof Dr. Krusche/Magdeburg, vom 19. April 1982 an den Staatssekretär für Kirchenfragen, Genossen Gysi,11 zur Kenntnis gebracht. Dieses Papier enthält – formuliert als Fragen – eine Reihe »kirchlicher Bedenken« zum Wehrdienstgesetz als Ganzes bzw. Vorbehalte gegen einzelne Paragrafen des Gesetzes.
Die KKL strebt »Sachgespräche« zu folgenden Themenkreisen an:
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Sozialistische Lebensweise,
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Abrüstungs- und Sicherheitssysteme, Rüstungsgleichgewicht, »Abschreckungsstrategie« u. a.,
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Wehrdienstgesetz12.
Für den Zeitpunkt der zu führenden Gespräche zu den drei Hauptkomplexen auf zentraler Ebene bestanden Vorstellungen, das Gespräch über sozialistische Lebensweise etwa am 1.7.1982 und das über Abrüstungs- und Sicherheitssysteme noch vor der Tagung der IV. Synode des BEK im September 1982 durchzuführen.
Die KKL regte in diesem Zusammenhang an, dass neben zentralen Gesprächsrunden auch Gespräche in kleineren Kreisen auf mittlerer Ebene zu diesen Themen durchgeführt werden sollten. Den Schwerpunkt soll dabei die kirchliche »Friedensarbeit« einnehmen.
Im Ergebnis einer Debatte mit den auf der Tagung der KKL als Gäste anwesenden kirchlichen Amtsträgern, die aktiv im Rahmen der sogenannten offenen kirchlichen Jugendarbeit13 wirken, orientierte die KKL darauf, dass sich die Mitglieder der Kirchenleitungen der Gliedkirchen selbst für Veranstaltungen der offenen kirchlichen Jugendarbeit »zur Verfügung stellen und verantwortlich fühlen«. Damit könnte erreicht werden, dass der theologische Gehalt und der innerkirchliche Rahmen derartiger Veranstaltungen gewahrt bliebe und ein den Kirchen vom Staat vorgeworfener politischer Missbrauch weitestgehend ausgeschlossen werde.
Zur Durchsetzung dieser kirchlichen Orientierung ist u. a. vorgesehen, dass während der in der Zeit vom 28.6. bis 2.7.1982 in Berlin stattfindenden kirchlichen »Werkstatttage«14 Altbischof Schönherr15/Berlin und andere kirchenleitende Personen »verstärkt theologischen Gehalt einzubringen versuchen sollten«. Detaillierte Festlegungen sollen noch getroffen werden, auch hinsichtlich einer Einflussnahme entsprechend dieser Orientierung auf eine für den 2.7.1982 vorgesehenen »Blues-Messe«16 in Berlin.
Übereinstimmend vertraten die Mitglieder der KKL die Auffassung, dass die Kirchenleitung der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg Pfarrer Eppelmann/Berlin aufgrund seiner Rede am Grab von Havemann17 (17.4.1982) eine Missbilligung ausspricht. Verbindliche Festlegungen dazu gab es nicht.
Zu einem kirchlichen »Amtszuchtverfahren«18 gegen Eppelmann hat die Kirchenleitung der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg noch keine Übereinstimmung erzielt, da bei einem Teil der Mitglieder dieser Kirchenleitung die Meinung verbreitet sei, dass Eppelmann noch auf den »rechten Weg« zu bringen wäre; Eppelmann sei in der kirchlichen Jugendarbeit »zu bekannt«. Ein solches Vorgehen gegen ihn habe auch »schädliche Folgen« für die kirchliche Jugendarbeit insgesamt.
Für die 2. Tagung der IV. Synode des BEK in der DDR vom 24.9. bis 28.9.1982 in Halle wurden folgende Festlegungen zur Tagesordnung getroffen:
Neben theologischen und innerkirchlichen Themenkreisen (Haushaltsplan, Bericht des Diakonischen Werkes u. a.) sollen im Mittelpunkt der Tagung folgende Schwerpunkte stehen:
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Bericht des »ökumenisch-missionarischen Verbindungsausschusses« (ÖMVA)
(Referenten: Pfarrer Krüger-Haye19/Magdeburg
Landessuperintendent Winkelmann20/Neustrelitz),
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Bericht der Kommission für kirchliche Arbeit mit Kindern und Konfirmanden (KKKK)
(Referentin: Pastorin Radke21/Berlin).
Zu dieser Synode sollen ökumenische Gäste folgender Kirchen und kirchlicher Zusammenschlüsse eingeladen werden:
»Ökumenischer Rat der Kirchen«22/Genf; »Konferenz Europäischer Kirchen«/Genf; Russisch-Orthodoxe Kirche; »Evangelische Kirche Deutschlands«/BRD; »Ökumenischer Rat der Kirchen« in Ungarn; »Ökumenischer Rat der Kirchen« in der VR Polen; »Ökumenischer Rat der Kirchen« in der ČSSR; Britischer Kirchenrat; Evangelisch-Lutherische Kirche Finnlands.
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