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81. Tagung der Evangelischen Kirchenleitungen in Berlin

13. Juli 1982
Information Nr. 379/82 über die 81. ordentliche Tagung der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen (KKL) in der DDR am 2./3.7.1982 in Berlin

Am 2./3.7.1982 fand in Berlin die 81. ordentliche Tagung der KKL in der DDR, die internen Charakter trug, statt.

Außer Landesbischof Leich1 (Eisenach) nahmen alle kirchenleitenden Amtsträger an dieser Tagung teil.

Im Mittelpunkt standen folgende inhaltlichen Gesichtspunkte:

  • Auswertung der Konsultationen zwischen den Vertretern des Bundes der Evangelischen Kirchen (BEK) in der DDR und der »Evangelischen Kirche Deutschlands« (EKD) der BRD über Fragen der Friedensverantwortung,

  • Erörterung des Standes der Vorbereitung der Friedensdekade 19822 in der DDR,

  • Bericht der Teilnehmer des BEK in der DDR an der Weltkonferenz »Religiöser Vertreter für die Rettung der heiligen Gabe des Lebens vor einer nuklearen Katastrophe« im Mai 1982 in Moskau,3

  • innerkirchliche Fragen (Ausbildung von Kirchenmusikern, Prüfungsordnung der Gemeindepädagogen, Haushaltsplan 1983, personelle Veränderungen in Kommissionen und Ausschüssen des Sekretariats des BEK in der DDR).

Die KKL nahm den »Arbeitsbericht« über die Konsultationen zwischen Vertretern des BEK in der DDR und der EKD (BRD) zu Fragen der Friedensverantwortung entgegen und fasste einen Beschluss »Aufgaben für weitere Konsultationen«, um »an der Nahtstelle zweier Weltsysteme über weltpolitische Gegensätze hinweg Brücken der Verständigung zu schlagen«.

Diese »Konsultationen« (BEK – EKD) sollen sich zukünftig insbesondere auf folgende Schwerpunkte konzentrieren:

  • »Reflexion über Freiheit und Bindung der Kirchen in ihren jeweiligen gesellschaftlichen Systemen«,

  • »Austausch über die friedenspolitischen Schritte der Großmächte, Bewertung dieser Schritte«,

  • Austausch der »Erfahrungen mit den Friedensbewegungen«, gegenseitiges Abstimmen der Beurteilungen,

  • »Vorbereitung von kirchlichen Bittgottesdiensten um den Frieden – nach Inhalt, Termin und Liturgie möglichst gemeinsame Gestaltung«,

  • gegenseitige Hilfe, um »konkreter jene Zwänge beim Namen zu nennen, in die das Denken, Fühlen und Handeln der Menschen in unseren Staaten individuell und kollektiv durch das Abschreckungssystem gerät«,

  • »Besinnung über die spiegelgleiche Verwendung ähnlicher Argumente gegen Friedensbemühungen und für die Aufrüstung seitens der staatlichen Organe in den beiden deutschen Staaten«,

  • Klärung verschieden interpretierter oder gar strittiger Begriffe, wie Koexistenz, Symbol usw.

(Der Arbeitsbericht sowie der Beschluss »Aufgaben für weitere Konsultationen« liegen dem MfS vor und können bei Bedarf angefordert werden.)

Im weiteren Verlauf der Klausurtagung der KKL kam es im Rahmen der Diskussion über die Durchführung der Friedensdekade 1982 in der DDR zu Auseinandersetzungen um das Symbol »Schwerter zu Pflugscharen«.4

Ausgehend von der gemeinsamen Erkenntnis aller Mitglieder der KKL, dass die »außerkirchliche Wirkung des Symbols nur noch gering« sei, sprachen sich die als politisch-negativ bekannten Mitglieder des Gremiums, wie z. B. Bischof Dr. Krusche5 (Magdeburg), Bischof Dr. Forck6 (Berlin) und Superintendent Große7 (Saalfeld), für die erneute Verwendung dieses Symbols zur Friedensdekade 1982 in der DDR aus. Sie betonten, ein Verzicht auf dieses Symbol käme einem »kirchlichen Eingeständnis des politischen Charakters dieses Symbols gleich«. Des Weiteren solle die Kirche »dem zu erwartenden staatlichen Verbot dieses Symbols« für die Friedensdekade 1982 nicht durch eigene Entscheidungen vorgreifen.

Demgegenüber traten politisch loyale und realistische Kräfte der KKL, wie z. B. Bischof Dr. Gienke8 (Greifswald), Kirchenpräsident Natho9 (Dessau) und Oberkirchenrat Mitzenheim10 (Eisenach), für die »Respektierung des staatlichen Verbotes des Symbols auch durch die Kirche« ein.

In der Debatte wurde durch diese kirchenleitenden Personen zum Ausdruck gebracht, dass die Verteilung der noch im kirchlichen Besitz befindlichen »Aufnäher-Reserven« zu kirchlicherseits unkontrollierbaren und unüberschaubaren Aktivitäten führen könnte.

Zu einer endgültigen Einigung zwischen diesen Kräftegruppierungen in der KKL kam es bisher noch nicht. Es wurde festgelegt, in eventuellen Gesprächen zwischen dem Staatssekretär für Kirchenfragen, Genossen Gysi,11 und Vertretern des Vorstandes der KKL folgende Fragen kirchlicherseits vorzutragen:

  • Anerkennung der Losung »Schwerter zu Pflugscharen« und Akzeptierung der Herstellung derartiger Symbole, Lesezeichen usw. für die Friedensdekade 1982 durch die staatlichen Organe,

  • Verzicht auf staatliche Maßnahmen gegen die Träger des Symbols »Schwerter zu Pflugscharen«.

Erst in Auswertung dieses Gespräches sollen durch die KKL endgültig Festlegungen zur Durchführung der Friedensdekade 1982 getroffen werden.

Internen Hinweisen zufolge bestehe seitens der KKL Interesse, sich zukünftig als evangelische Kirchen aktiver an der Arbeit des Friedensrates der DDR12 zu beteiligen.

In diesem Zusammenhang kam es auch zu einer Auswertung der »Friedenswerkstatt« vom 27.6.1982 in der Erlöserkirche Berlin-Lichtenberg.13

Es wurde eingeschätzt, dass die Zwischenfälle, »mit denen man sich weder solidarisiert, noch identifiziert«, als »nicht typisch« anzusehen seien.

Ein kirchlicherseits erfolgendes Verbot derartiger und analoger Veranstaltungen, wie u. a. der »Blues-Messe«,14 sei nicht möglich, da man z. B. »Gewissensentscheidungen eines Pfarrers Eppelmann15 nicht gänzlich einschränken« könne.

Auf die staatlicherseits erfolgte Absetzung des für den 1.7.1982 geplanten Sachgespräches des Staatssekretärs für Kirchenfragen, Genossen Gysi, mit der KKL zu Fragen der sozialistischen Lebensweise eingehend, brachte die überwiegende Mehrheit der Mitglieder der KKL ihre nach wie vor existierende Gesprächsbereitschaft mit staatlichen Organen sowohl zur allgemeinen Situation als auch zu spezifischen Problemkreisen zum Ausdruck. Es wurde festgelegt, als neuen Termin für ein Sachgespräch kirchlicherseits Ende August/Anfang September 1982 vorzuschlagen.

Im weiteren Verlauf der Klausurtagung der KKL berichtete Bischof Dr. Gienke (Greifswald) über die im Mai 1982 in Moskau durchgeführte Weltkonferenz »Religiöser Vertreter zur Rettung der heiligen Gabe des Lebens vor einer nuklearen Katastrophe«. Im Bericht wurden loyale und progressive Aussagen vertreten.

Im daraufhin erfolgten Beschluss der KKL16 wird der Vorstand der KKL beauftragt, »der Regierung der DDR zum nächstmöglichen Zeitpunkt den Appell der Weltkonferenz an die Regierungen zu übergeben und zu erläutern«.17

Die Information darf wegen Quellengefährdung nicht offiziell ausgewertet werden.

  1. Zum nächsten Dokument Statistik Einnahmen Mindestumtausch (5.7.1982–11.7.1982)

    13. Juli 1982
    Information Nr. 380/82 über die Entwicklung der Einnahmen aus der Durchführung des verbindlichen Mindestumtausches für die Zeit vom 5. Juli 1982 bis 11. Juli 1982

  2. Zum vorherigen Dokument Reaktion der Bevölkerung zur 4. Tagung des ZK der SED

    12. Juli 1982
    Hinweise über einige aktuelle Gesichtspunkte der Reaktion der Bevölkerung der DDR im Zusammenhang mit der 4. Tagung des ZK der SED [O/108]