83. Tagung der Evangelischen Kirchenleitungen in Berlin
24. November 1982
Information Nr. 597/82 über die 83. ordentliche Tagung der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen (KKL) in der DDR am 12. und 13. November 1982 in der Hauptstadt Berlin
Am 12. und 13. November 1982 fand im Gebäude des Sekretariats des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR (BEK) in Berlin die 83. ordentliche Tagung der KKL in der DDR statt, an der 22 der 24 stimmberechtigten Mitglieder der KKL teilnahmen.
Im Mittelpunkt der 83. Klausurtagung der KKL standen nach vorliegenden internen Hinweisen u. a. folgende Beratungsthemen:
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Neukonstituierung des Vorstandes der KKL in der DDR (Neuwahl des Vorsitzenden der KKL sowie Nachwahl eines KKL-Mitgliedes in den Vorstand der KKL),
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Bericht aus den Gliedkirchen (u. a. über den bisherigen Verlauf der »Friedensdekade 1982«1),
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Berichterstattung der kirchlichen Teilnehmer an staatlichen Veranstaltungen im Rahmen der Vorbereitung und Durchführung der »Martin-Luther-Ehrungen 1983«2 (u. a. Arbeitstagung des »Martin-Luther-Komitees der DDR«, 29. Oktober 1982; wissenschaftliches Kolloquium der Sektionen Theologie an der Karl-Marx-Universität Leipzig, 2. bis 4. November 1982).
Im Zusammenhang mit seiner im September 1983 bevorstehenden Pensionierung legt Bischof Dr. Krusche3/Magdeburg am 30. November 1982 seine Funktion als Vorsitzender der KKL in der DDR nieder und tritt zugleich von seinem Amt als Mitglied des Vorstandes der KKL in der DDR zurück.
Die diesbezüglich erforderliche Neukonstituierung des Vorstandes der KKL in der DDR (Neuwahl des Vorsitzenden der KKL und Nachwahl eines Mitgliedes der KKL in den Vorstand) ergab folgende Wahlergebnisse:
Neuer Vorsitzender der KKL wurde mit Wirkung vom 1. Dezember 1982 der bisherige stellvertretende Vorsitzende der KKL in der DDR Landesbischof Dr. Hempel, Johannes4/Dresden | Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens | (20 Zustimmungen, 2 Stimmenthaltungen).
Neuer stellvertretender Vorsitzender der KKL (und somit neues Mitglied des Vorstandes der KKL) wurde infolge des Freiwerdens der Stelle des Hempel mit Wirkung vom 1. Dezember 1982 Konsistorialpräsident Stolpe, Manfred/Potsdam | Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg | (20 Zustimmungen, 1 Gegenstimme, 1 Stimmenthaltung).
Der Vorstand der KKL setzt sich somit mit Wirkung vom 1. Dezember 1982 wie folgt zusammen:
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Vorsitzender der KKL: Landesbischof Dr. Hempel/Dresden,
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stellvertretender Vorsitzender der KKL: Konsistorialpräsident Stolpe5/Potsdam,
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stellvertretender Vorsitzender der KKL: Bischof Dr. Gienke6/Greifswald,
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Präses der Synode des BEK in der DDR: Kaufmann Wahrmann7/Wismar,
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Synodales Vorstandsmitglied der KKL: Hausfrau/Rentnerin Schultheiß8/Stadtroda,
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Vorstandsmitglied der KKL mit beratender Stimme: Pfarrer Dr. Demke9/Berlin (Leiter des Sekretariats des BEK in der DDR).
In den Berichten der Landesbischöfe zur Lage in den Gliedkirchen des BEK stand der bisherige Verlauf der »Friedensdekade 1982« im Mittelpunkt. Die KKL war geschlossen der Ansicht, der Verlauf der »Friedensdekade 1982« sei als »sehr positiv« zu werten. Von der KKL wurde festgestellt, dass die in Gesprächen mit dem Staat getroffenen Festlegungen staatlicherseits eingehalten wurden. Einzelne Beispiele »staatlicher Überempfindlichkeit« (u. a. staatliches Eingreifen bei Plakatierung mit nicht ausdrücklich staatlicherseits genehmigten Plakaten, deren Inhalt jedoch an den des genehmigten Plakates »angelehnt« gewesen sei bzw. bei Verteilung von Informationsmaterialien im Rahmen von kirchlichen Veranstaltungen während der »Friedensdekade« usw.) wurden als »Klemmstellen« bei der Durchführung der »Friedensdekade 1982« gewertet. Es wurden die im Zusammenhang mit der »Friedensdekade 1982« erfolgten Gespräche zwischen staatlichen und kirchlichen Vertretern erwähnt, ohne eine Wertung dazu vorzunehmen.
Die KKL brachte weiter übereinstimmend die Auffassung zum Ausdruck, dass es während des bisherigen Verlaufs der »Friedensdekade 1982« im Wesentlichen gelungen sei, äußerlich dekadente, vorbestrafte oder kriminell gefährdete Jugendliche (sogenannte soziale Randgruppen) in den Veranstaltungen im Rahmen der »Friedensdekade 1982« besser zu disziplinieren und den religiösen Gehalt und das religiöse Anliegen dieser Veranstaltungen in den Vordergrund zu stellen.
Besonders Bischof Dr. Forck10/Berlin unterstrich vor dem Gremium der KKL den positiven Verlauf solcher Veranstaltungen, wie z. B. der Eröffnungsveranstaltung zur »Friedensdekade 1982« in der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg (7. November 1982 in Potsdam) oder der Lesung des Schriftstellers Rolf Schneider11/Berlin am 8. November 1982 in der Samariterkirchgemeinde.
Bischof Forck betonte weiter, nach anfänglichen Bedenken, speziell bezogen auf die Gottesdienste in der Samariterkirchgemeinde (Pfarrer Eppelmann12/Berlin), sei die Kirchenleitung Berlin-Brandenburg »angenehm überrascht« gewesen vom Verlauf und den Ergebnissen.
(Die Veranstaltungen mit Eppelmann und Schneider waren gekennzeichnet durch oppositionelle Verhaltensweisen und Angriffe gegen die Friedens- und Verteidigungspolitik der sozialistischen Länder durch die Veranstalter.)
In diesem Zusammenhang wurde im Gremium der KKL kurz über das Symbol »Hilfsbereitschaft statt wehrbereit«13 diskutiert. Das Symbol wurde durch die KKL entschieden abgelehnt, da es sowohl einer theologischen Grundlage entbehre, als auch als »Eingriff in Verfassungsgrundsätze« gewertet werden müsse.
In der im weiteren Verlauf der Tagung durchgeführten Berichterstattung über Veranstaltungen im Rahmen der Vorbereitung und Durchführung der »Martin-Luther-Ehrungen 1983« fanden die staatlichen Würdigungen des Lebens und Wirkens Luthers einstimmige positive Resonanz.
In diesem Zusammenhang wurde der Aufenthalt des amerikanischen Evangelisten und Baptisten Billy Graham14 in der DDR als der eines »Vorreiters der amerikanischen Lutheraner« in Vorbereitung der »Luther-Ehrungen 1983« in der DDR gewertet.
Betont wurde, Billy Graham sei staatlicherseits mehr als »Diplomat« und weniger als »Evangelist« empfangen worden (Gesprächspartner u. a. Prof. Dr. Drefahl,15 Genosse Horst Sindermann16 usw.); auch selbst sei er weniger als Christ und mehr als »Staatsmann« aufgetreten.
(Die KKL unterstrich in diesem Zusammenhang z. B, dass Billy Graham während der Besichtigung eines Dorfes in der DDR zwar der LPG einen Besuch abgestattet hatte, gleichzeitig aber als »Christ« versäumt habe, in der Dorfkirche »zur Besinnung« einzukehren.)17
Die KKL bedauerte die Verschiebung des geplanten Gespräches zwischen Vertretern des BEK in der DDR und Vertretern des Ministeriums für Volksbildung sowie der Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen zu Fragen der sozialistischen Lebensweise (incl. kommunistischer Erziehung, Wehrunterricht18 usw.).
Die KKL nahm den 6. Dezember 1982 als staatlicherseits neu festgelegten Termin dieses Gespräches zur Kenntnis. Bisherigen internen Hinweisen zufolge würden Vertreter des BEK in der DDR beabsichtigen, in den Mittelpunkt des Gespräches am 6. Dezember 1982 den Fragenkomplex »Wie verhält sich die in der Verfassung zugesagte Glaubens- und Gewissensfreiheit zum staatlichen Anspruch auf kommunistische Erziehung?« zu stellen.
(Bei Vorliegen von Hinweisen über weitere beabsichtigte Fragestellungen wird nachberichtet.)
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