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Aktivitäten von Pfarrer Wonneberger– »Sozialer Friedensdienst«

20. Januar 1982
Information Nr. 34/82 über weitere Aktivitäten von Pfarrer Wonneberger (Dresden) zur Fortführung der von ihm gegründeten Basisinitiative »Sozialer Friedensdienst« (SOFD)

Dem MfS wurde streng vertraulich bekannt, dass in der evangelischen Weinberggemeinde Dresden auf Initiative und unter Leitung des evangelischen Pfarrers Wonneberger, Christoph1 (37), wohnhaft: Dresden, [Straße, Nr.], evangelisch-lutherische Weinbergskirche in Dresden, in der Zeit vom 28. bis 30. Dezember 1981 ein sogenanntes Arbeitstreffen von Arbeitskreisen »Sozialer Friedensdienst«2 und »Friedensarbeitskreisen« stattfand.3 (Bei Wonneberger handelt es sich um den Initiator des schriftlichen Materials »Erziehung zum Frieden«4 der Evangelischen Studentengemeinde Dresden zum Gesetz über die allgemeine Wehrpflicht.5)

An dieser Beratung nahmen nach vorliegenden Informationen insgesamt 25 Personen aus Gera, Erfurt, Berlin, Halle, Eberswalde, Dresden, Hoyerswerda und Dresden-Radebeul teil, die dem MfS namentlich bekannt sind. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um Vertreter bereits bestehender Arbeitskreise »Sozialer Friedensdienst« und »Friedensarbeitskreise«.

An der Beratung nahm auch der Dresdener Superintendent Wetzel6 teil.

Im Verlaufe dieses »Arbeitstreffens« erfolgten von Pfarrer Wonneberger Ausführungen zu den »Zielen« und der »Geschichte« des »Sozialen Friedensdienstes«. Er bezeichnete die Initiative »Sozialer Friedensdienst« als »politische Kraft zur Korrektur der geltenden Friedenskonzeption«. Er verwies auf die Notwendigkeit der Forcierung der Initiative »SOFD« sowie organisatorischer Maßnahmen zur Konsolidierung und Mobilisierung der Anhänger aller Aktivitäten im Rahmen der Initiative »SOFD«.

In diesem Zusammenhang hob Wonneberger hervor, dass in der Perspektive beabsichtigt sei, in Dresden eine »zentrale Koordinierungsstelle« zu schaffen.

Im Mittelpunkt der Beratung standen folgende inhaltliche Probleme:

  • Organisierung und Durchführung einer »Friedensdienstfahrt«7 am 10. April 1982 (Ostern) mit dem Fahrrad nach Dresden. Die Veranstalter beabsichtigen, Einladungen zu verschicken. (Ein Exemplar dieser Einladung wird als Anlage beigefügt.)

  • Errichtung eines Kontos »Sozialarbeit« mit einem beabsichtigten jährlichen Erlös von 40 000 Mark durch freiwillige Wochenendsozialarbeit und der variablen Zweckbestimmung, 1982 etwa 80 % für das Kinderkrankenhaus in Warschau und 20 % für »SOFD«-Ausgaben.

  • Es wurde eine »Ideensammlung« für Schritte zur zielgerichteten Fortführung der Initiative »SOFD« durchgeführt, in der u. a. folgende Vorschläge eingebracht wurden:

    • Basisarbeit organisieren – Fakten sammeln – Informationen verbreiten,

    • koordinierte Arbeit der Gruppen bei organisierter Dezentralisation,

    • Aufbau von Strukturen/Organisation,

    • Analysen über Auswirkungen von »SOFD«-Aktionen auf Zielgruppen,

    • Bildung eines Kernes von Verantwortlichen,

    • Flexibles Vorgehen bei geplanten Aktionen gegenüber staatlichen Maßnahmen,

    • Beachtung des Prinzips der Offenheit in der Arbeit, um nicht den Eindruck konspirativer Tätigkeit zu erwecken.

Von dem Teilnehmer der Tagung, Friedemann Gehrt8/Radebeul/Dresden (Laienchrist, von Beruf Elektroniker) wurde ein Vortrag über Vorbereitung, Methoden und Durchführung »gewaltloser Aktionen« gehalten. In diesem Zusammenhang wurde von ihm ein schriftliches Material mit einem »Definitionsversuch« der Gewaltfreiheit auf der Grundlage angeblicher Ansichten von Martin Luther King9 und M. Gandhi10 verteilt. (Das Material liegt dem MfS vor und kann bei Bedarf angefordert werden.)

Durch Gehrt erfolgte auch die Verlesung des Briefes von Pfarrer Eppelmann11 (Jugendpfarrer in Berlin und Organisator der »Blues-Messen«12 in Berlin) an Genossen Erich Honecker13 vom 7. Juli 1981,14 der vervielfältigt an alle Teilnehmer übergeben wurde.

Aus einer Reihe eingebrachter Vorschläge zur weiteren Arbeit mit der »Initiative SOFD« wurde eine Zusammenfassung erarbeitet; die Ergebnisse wurden ausgetauscht.

Danach wurde u. a. mündlich festgelegt:

  • Verbesserung der Gesprächsbereitschaft und Informationsbreite zu der Problematik »SOFD« in Gottesdiensten, der Jungen Gemeinde, in Lehrlingseinrichtungen und an Schulen,

  • Organisierung von Wochenendeinsätzen im sozialen Bereich (Heimen) als Vorleistung zum »SOFD«,

  • Erarbeitung eines »Basispapiers« bis Ostern 1982 zum »SOFD«,

  • Gruppentraining »gewaltfreier Aktionen«; d. h. Vorbereitung und Erziehung der »Basisgruppen« durch Ausschaltung von Aggressionen innerhalb der Gruppen, innerer Frieden, Konfliktaufdeckung in der Gruppe, überzeugendes Auftreten nach außen sowie Abbau von Vorurteilen, Festigung der Kenntnisse über »gewaltlose Aktionen« und Qualifizierung der Argumentation, z. B. über die Verteidigungspolitik der DDR.

Vom Pfarrer Wonneberger wurde zusätzlich der Vorschlag eingebracht, kurzfristig regelmäßige (wöchentlich oder monatlich) »Friedensgebete« in einer Kirche jeder Bezirksstadt, am gleichen Tag und zu gleicher Stunde, jeweils sonnabends, 20.00 Uhr, als »Zeichen der Zusammengehörigkeit und Treff für Gleichgesinnte« durchzuführen.

Pfarrer Döbler, Jürgen15/Radebeul, [Bezirk] Dresden, vertrat gemeinsam mit den anwesenden Laienchristen aus Radebeul die Ansicht, dass für die »Friedensdienstfahrt« der Schriftsteller Heinrich Böll16 (BRD) und die Theologin Dorothee Sölle17 (BRD) und auch Vertreter der DDR, wie z. B. Stephan Hermlin18 und evangelische Bischöfe eingeladen werden sollten.

Pfarrer Wonneberger entgegnete darauf »sich dazu erst mit Bischof Hempel19 (Dresden) und der Kirchenleitung der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsen (Dresden) abstimmen zu müssen.«

Der anwesende Superintendent Wetzel (Dresden) warnte davor, die »Friedensdienstfahrt« zu einem »Schautreffen« zu machen. Alle Schritte müssten mit dem Landeskirchenamt abgestimmt werden, um bei den staatlichen Stellen keinen Anstoß zu erwecken.

(Erste dazu durchgeführte Überprüfungen in allen Bezirken der DDR ergaben, dass außer in Berlin und Dresden keine Hinweise zum o. g. Sachverhalt bekannt wurden. Einladungen zum Treffen der »SOFD«-Anhänger zum 10. April 1982 wurden bisher nicht festgestellt.)

Streng internen Hinweisen zufolge wird die neue »Initiative« des Wonneberger u. a. von Diakon Rochau20/Halle (dem MfS wegen seiner feindlich-negativen Haltung bekannt) unterstützt. Rochau nahm nicht selbst an dem Treffen teil, sondern in seinem Auftrag der Laienchrist [Vorname Name], Halle-Neustadt (Techniker der Musik-Gruppe »Treut«). [Name] hat die Absicht, im Zusammenwirken mit weiteren Jugendpfarrern in Halle ein »Organisationsbüro« zur weiteren Propagierung der »SOFD«-Initiative einzurichten.

Die nächste Zusammenkunft der »SOFD«-Arbeitskreise soll am 30. Januar 1982, 9.00 Uhr, in der Weinberggemeinde Dresden stattfinden. Zu dieser Begegnung sollen Vorschläge für ein »Basispapier« zur Weiterarbeit in der Initiative »SOFD« ausgearbeitet werden.

Vom MfS wird vorgeschlagen, dass der Staatssekretär für Kirchenfragen, Genosse Gysi,21 Aussprachen mit den Bischöfen Krusche22 (Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR) und Hempel (Dresden) durchführt.

Sie sollten, bezogen auf Bischof Hempel, das Ziel haben, das geplante »Ostertreffen« zu verhindern und im innerkirchlichen Bereich eine Auseinandersetzung mit Pfarrer Wonneberger zu führen.

Bischof Krusche sollte veranlasst werden, mit den Organisatoren der »Initiative«, u. a. Diakon Rochau/Halle, innerkirchliche Auseinandersetzungen zu führen, um derartige, das Verhältnis Staat – Kirche erheblich belastende Aktivitäten zu unterbinden.

Die Stellvertreter für Inneres bei den Räten der Bezirke sollten durch Genossen Gysi in geeigneter Form über den aktuellen Stand der »SOFD«-Initiative informiert und aufgefordert werden, in ihrem Verantwortungsbereich differenzierte Maßnahmen zur vorbeugenden Verhinderung weiterer Aktivitäten zu »SOFD« einzuleiten und durchzusetzen.

Die weiteren Aktivitäten der sogenannten Arbeitskreise werden unter Kontrolle gehalten.

Die Information ist wegen Quellengefährdung nur zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt.

Anlage zur Information Nr. 34/82

[Einladung zu einer Friedensfahrt in Dresden zu Ostern]

Friedensdienstfahrt Dresden, Ostern – 1982

Unsere Initiative vom 9.5.1981 hat zu X23 Eingaben und Briefen mit X Unterschriften an die evangelischen Synoden der DDR geführt. Das ist ein verheißungsvoller Schritt in Richtung »Sozialer Friedensdienst«.

Wir arbeiten daran weiter. Dich und die Anderen, die sich diese Initiative zu eigen gemacht haben, »laden wir ein, zur Friedensdienstfahrt nach Dresden am Ostersonnabend, dem 10. April 1982.«

In verschiedenen Kirchen wird Gelegenheit sein zum Erfahrungsaustausch, zur Information und zur Beratung. Themen dazu sind: weitere Initiativen zu SOFD, zur Abrüstung, Alternativen zur Abschreckung, Frieden durch gewaltfreies Handeln, gemeinsame Basis für weiteres Handeln und nächste konkrete Schritte (sowie eine symbolische Aktion, wie z. B. Einsatz im Sozialbereich).

In einer Dresdener Kirche wollen wir in der Osternacht gemeinsam Frieden feiern, der aufersteht.

Beginn: 10.00 Uhr gemeinsam in der X-Kirche

Weiterarbeit: in den Beratungszentren, 12 bis 20.00 Uhr

Feier der Osternacht in der X-Kirche, 22 bis 1.00 Uhr

Das Tagesbüro befindet sich in der X-Kirche, Straße, Kreis, Tel.

  • Komm bitte pünktlich.

  • Frieden kann nicht warten.

  • Komm bitte mit dem Fahrrad (Laut StVO Gruppen bis 10 Personen). Friede braucht unsere ganze Kraft.

  • Bring bitte Verpflegung selbst mit.

    Miteinander teilen ist eine Bedingung des Friedens.

  • Für Übernachtung kann nicht gesorgt werden.

    Friedensstifter sind schon in der Nacht unterwegs.

Gib diese Einladung bitte auch an andere weiter, die sich die Initiative »SOFD« zu eigen gemacht haben.

Überlege mit anderen zusammen, wie Ihr Euch am besten auf die Friedensdienstfahrt vorbereiten könnt.

Lasst Euch auf Eurer Fahrt vom Geist des Friedens leiten.

Friede sei mit Dir!

  1. Zum nächsten Dokument Statistik Einnahmen Mindestumtausch (11.1.1982–17.1.1982)

    20. Januar 1982
    Information Nr. 35/82 über die Entwicklung der Einnahmen aus der Durchführung des verbindlichen Mindestumtausches für die Zeit vom 11. Januar 1982 bis 17. Januar 1982

  2. Zum vorherigen Dokument Probleme im Arbeitsbereich Kardiologie der Charité Berlin

    19. Januar 1982
    Information über einige Probleme des Arbeitsbereiches Kardiologie des Bereiches Medizin der Humboldt-Universität zu Berlin – Charité (Überprüfungsergebnis der Eingabe von zwei Ärzten der Charité) [K 1/114]