Aspekte zur bevorstehenden Beisetzung Robert Havemanns
12. April 1982
Information Nr. 176/82 über bedeutsame Aspekte im Zusammenhang mit der bevorstehenden Beisetzung von Robert Havemann
Nach bisher vorliegenden Hinweisen soll die Beisetzung des am 9.4.1982 verstorbenen Robert Havemann1 am 17. April 1982 ab 14.00 Uhr auf dem kommunalen Friedhof in Grünheide/Kreis Fürstenwalde erfolgen.
Wie intern bekannt wurde, sei man im Kreis der nächsten Angehörigen des Verstorbenen übereingekommen, dass der Gemeindepfarrer Meinel, Johannes2 (45, langjährige enge Verbindung Havemanns) die Trauerrede halten soll. Dabei werde von der Erwartung ausgegangen, dass er es verstehe, im Sinne Havemanns zu sprechen.
Weiteren streng internen Hinweisen zufolge äußerte Havemann, Annedore,3 Ehefrau des Verstorbenen, Vorstellungen über Teilnehmer an der Trauerfeier und über die Veröffentlichung einer Todesanzeige.
Für eine Todesanzeige ziehe sie nur »Neues Deutschland« in Betracht. Im Falle der Zustimmung wolle sie den Text mit dem Rechtsanwalt Havemanns, Dr. Gysi, Gregor,4 absprechen. Im Falle der Ablehnung wolle sie auf eine Veröffentlichung gänzlich verzichten; ein regionales Presseorgan ziehe sie nicht in Betracht.
Einladungen oder Danksagungen wolle sie nicht drucken lassen.
Zur Beisetzung erwarte bzw. wünsche sie die Teilnahme einer Reihe von Personen aus Westberlin, der BRD und anderen nichtsozialistischen Staaten. Im engen Kreis nannte sie dabei eine Reihe von Personen namentlich, in der Mehrzahl langjährige enge Verbindungen des verstorbenen Havemann bzw. von Westberlin bzw. der DDR aus aktiv gegen die DDR tätige Personen (Übersicht über diesen namentlich genannten Personenkreis und Kurzangaben dazu siehe Anlage).
Die Teilnahme westlicher Rundfunk-, Fernseh- und Pressekorrespondenten habe sie »nicht als ihre Sache« bezeichnet. Sie möchte auf keinen Fall, dass ihre Meinung staatlicherseits zum Anlass für deren Ablehnung genommen wird. Darüber habe das zuständige staatliche Organ zu entscheiden; ihr sei es gleich, wie verfahren werde.
Neben den namentlich Genannten (siehe Anlage) ist – vorliegenden internen Hinweisen zufolge – damit zu rechnen, dass noch weitere Personen wie z. B. Wolf Biermann5 und Ehefrau, Eva-Maria Hagen6 und andere zur Teilnahme an der Beisetzung um Einreise in die DDR ersuchen. Im engen Kreis der Angehörigen Havemanns war auch Brandt, Heinz7 (72, Publizist, ehemaliger Redakteur der IG Metall, langjährige Verbindung Havemanns, wohnhaft Frankfurt/Main, liegt in Einreisesperre) im Gespräch.
Darüber hinaus ist damit zu rechnen, dass – neben zu erwartenden Aktivitäten in der DDR akkreditierter Korrespondenten – auch Reisekorrespondenten einzureisen beabsichtigen.
Mit der Zielsetzung, besonders anlässlich der bevorstehenden Beisetzung Havemanns jeden Missbrauch für provokatorische bzw. demonstrative Handlungen und andere feindlich-negative Handlungen zu unterbinden und vor allem vorbeugend zu verhindern, werden durch das MfS im Zusammenwirken mit der DVP und gesellschaftlichen Kräften die erforderlichen Maßnahmen zur Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit sowie differenzierte gedeckte Kontrollmaßnahmen (einschließlich auf Zufahrtswegen nach Grünheide) vorbereitet.
Von der gleichen Zielsetzung ausgehend werden folgende Maßnahmen zur Prüfung und Entscheidung vorgeschlagen:
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Die Einreise in die DDR sollte den unmittelbar der Familie Havemann angehörenden Personen gestattet werden.
(Die Tochter Havemanns, Sybille Havemann,8 27, Vorderweidenthal/BRD ist bereits eingereist, beabsichtigt am 20.4.1982 wieder auszureisen.)
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Falls Personen (in der Anlage genannte und eventuell in den nächsten Tagen weiter hinzukommende) die Einreise beantragen, gegen die aufgrund ihrer feindlichen Tätigkeit Einreisesperre verhängt wurde, sollte ihnen die Einreise nicht gestattet werden.
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Die Genehmigung der Berichterstattung über die Beisetzung sollte nur einigen auszuwählenden in der DDR akkreditierten Korrespondenten erteilt werden.
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Ein zusätzliches Wirksamwerden von Reisekorrespondenten sollte, falls entsprechende Anträge gestellt werden, nicht gestattet werden.
Anlage zur Information Nr. 176/82
Übersicht über von Annedore Havemann erwartete bzw. gewünschte Teilnehmer an der Beisetzung
Havemann, Florian (30), Sohn Havemanns, Bühnenbildner, wohnhaft Westberlin, 1971 die DDR ungesetzlich verlassen.
Kind-Hasenclever, Antje (72), 1945 von Havemann geschieden (1. Ehefrau), Rentnerin, wohnhaft Bad Düren/BRD.
Fuchs, Jürgen (31), langjährige enge Verbindung Havemanns, 26.8.1977 aus der Haft und der Staatsbürgerschaft der DDR entlassen, Sozialberater in Westberlin, Einreisesperre.
Fuchs, geb. Uschkoreit, Lieselotte (29), Ehefrau des Vorgenannten, 1.9.1977 mit staatlicher Genehmigung Übersiedlung nach Westberlin, Einreisesperre.
Wambach, Bernhard (33), Intimsfreund der Sybille Havemann, Pianist, wohnhaft Vorderweidenthal/BRD.
Prof. Dr. Jäckel, Hartmut (51), langjährige enge Verbindung Havemanns, eine Art Stützpunkt des Havemann in Westberlin, ehemaliger Senatsdirektor beim Senator für Wissenschaft und Forschung, wohnhaft Westberlin, Einreisesperre.
Frosch, Margret (41), enge Verbindung Havemanns, von Westberlin aus aktiv gegen die DDR tätig (u. a. maßgeblich beteiligt an der Formierung des »Selbsthilfevereins ehemaliger DDR-Bürger«), Journalistin, Mitinhaberin des Filmstudios »Frosch-Produktion«, Einreisesperre.
Dr. Wilke, Manfred (40), langjährige enge Verbindung Havemanns, von Westberlin aus aktiv gegen die DDR tätig (u. a. Vorsitzender des ehemaligen »Schutzkomitees Freiheit und Sozialismus«, Mitorganisator des »Internationalen Bahro-Kongresses«), Dozent an der Westberliner »Freien Universität«, Einreisesperre.
Piper, Klaus (71), langjährige enge Verbindung Havemanns, Verleger Havemann’scher Schriften, Inhaber/Leiter des Piper-Verlages München, Einreisesperre.
Vigfusson geb. Novak, Helga9 (46), Pseudonym: Karlsdottir, Maria, ehemalige DDR-Bürgerin und Intimsfreundin Havemanns, Schriftstellerin (trat als Vigfusson aus den USA und als Karlsdottir aus Island kommend in Erscheinung), Einreisesperre.
Dr. Brandt, Peter (33), Sohn des SPD-Vorsitzenden Willy Brandt, besuchte Havemann am 23.1. und 9.3.1982, Mitorganisator der Pressekonferenz am 6.10.1981 zur Verbreitung des Havemann-Briefes an Genossen Breshnew, Historiker, Assistent an der TU in Westberlin.
Fankhänel, Heidewig10 (40), Sympathisantin Havemanns, wohnhaft München.
Uhlmann, Walter,11 ehemaliger Mithäftling Havemanns während der Zeit des Faschismus (Brandenburg), hatte postalischen Kontakt zu Havemann (z. T. über Wilke), Rentner, wohnhaft Frankfurt/Main.
Prof. Lombardo-Radice, Lucio12 (65), langjährige enge Verbindung Havemanns, Vertreter des »Eurokommunismus«, Mitglied des ZK der IKP, wohnhaft Rom/Italien, Einreisesperre.