Außerordentliche Tagung der V. Synode der EKU in Berlin
15. März 1982
Information Nr. 131/82 über die außerordentliche Tagung der V. Synode der Evangelischen Kirche der Union (EKU) – Bereich DDR – am 4. und 5. März 1982 in Berlin
Dem MfS liegen detaillierte interne Erkenntnisse über Verlauf und Inhalt der genannten kirchlichen Veranstaltung vor, über die nachfolgend informiert wird.
Die V. Synode der EKU – Bereich DDR – fand am 4./5. März 1982 in der Stephanus-Stiftung Berlin statt.
An der außerordentlichen Synodaltagung nahmen 51 der 62 gewählten und berufenen Synodalen teil.
Im Mittelpunkt der Tagung der Synode standen:
- –
Diskussion und Beschlussfassung über die »Gemeinsame Entschließung zur Herausbildung einer verbindlicheren föderativen Gemeinschaft der Kirchen«1 (Vereinigte Evangelische Kirche) in der DDR,2
- –
Erörterung theologischer und innerkirchlicher Fragen (Haushaltsplan 1982, Besoldungs- und Versorgungsordnung, Beschluss über Reisekosten, Tage- und Bewegungsgelder, u. a.).
An der Synode nahmen zwei staatliche und fünf kirchliche DDR-Pressevertreter teil (ADN, »Neue Zeit«/Zentralorgan der CDU, Kirchenzeitungen der fünf Gliedkirchen der EKU – Bereich DDR).
Aus der BRD war der in der DDR akkreditierte Journalist Röder3 (epd) auf der Synodaltagung anwesend.
Des Weiteren nahmen der 2. Sekretär und Vizekonsul der USA-Botschaft in der DDR, Edward Keeton,4 sowie der Kulturreferent der Ständigen Vertretung der BRD in der DDR, Winfried Staar,5 zeitweilig an den öffentlichen Plenarsitzungen der Synode teil.
Der BRD-Korrespondent Pleitgen6 (ARD) nutzte mit seinem Aufnahmeteam am 4. März 1982 seinen durch das MfAA bestätigten Antrag, Außenaufnahmen vom Tagungsgebäude der Synode zu fertigen.
Als ausländische ökumenische Gäste waren auf der Synodal-Tagung anwesend:
- –
Superintendent Karzig, Christoph7 (Berlin/West): Präses der Synode der EKU – Bereich BRD und Berlin/West,
- –
Dr. Kraske, Peter8 (Berlin/West): Präsident der Kirchenkanzlei der EKU – Bereich BRD und Berlin/West,
- –
Bischof Dr. Kiwuvele9 (Tansania): Süd-Diözese der evangelisch-lutherischen Kirche in Tansania.
Der Präses der Synode der EKU – Bereich DDR – Becker10 (Berlin) begrüßte in seinen Eröffnungsworten u. a. die »kirchliche und andere Presse«, ohne speziell auf westliche Pressevertreter einzugehen.
Danach verlas Bischof Dr. Kiwuvele (Tansania) ein Grußwort. Darin erklärte er u. a., dass die Evangelisch-Lutherische Kirche in Tansania und die »EKU« Partnerkirchen seien und die »EKU« nach dem Besuch von Bischof Gienke11 (Greifswald) im Sommer 1981 in Tansania in den »Lutherischen Verbindungsausschuss für Tansania« als Mitglied aufgenommen wurde. Bischof Dr. Kiwuvele erwähnte dabei nicht die bestehende organisatorische Trennung der zwei selbstständigen EKU-Bereiche (EKU-Bereich DDR, EKU-Bereich BRD und Berlin/West). Er erbat im Verlauf seiner Ansprache von der »EKU« materielle Hilfe (Bibeln und andere kirchliche Druckerzeugnisse, Lehrbücher der deutschen Sprache, Nähmaschinen usw.).
Bischof Dr. Wollstadt12 (Görlitz) eröffnete nach der Erörterung der Beschlussvorlage des Rates der »EKU«, Bereich DDR, zur »Gemeinsamen Entschließung« die Diskussion zur Herausbildung der »Vereinigten Evangelischen Kirche« in der DDR.
In den sich daran anschließenden Plenar- und Ausschussdebatten ergriff die Mehrheit der Synodalen von unterschiedlichen Positionen ausgehend das Wort.
Dabei wurden in der Diskussion anfangs vornehmlich bisher ungeklärte Bekenntnisfragen der Glaubensrichtungen hervorgehoben, ohne konkret zur Kernfrage zu sprechen.
Vor allem die Synodalen Bischof Dr. Krusche13 (Magdeburg), Direktor Dr. Blauert14 (Berlin), Pfarrer Schröter15 (Naumburg) und Oberkonsistorialrat Schultze16 (Magdeburg) unternahmen im weiteren Verlauf der Diskussion den Versuch, die traditionelle Verbindung, der »EKU« – Bereich DDR – zur »EKU« – Bereich BRD und Berlin/West – in die Überlegungen zur Entscheidungsfindung einzubeziehen.
In diesem Zusammenhang erhielten alle Synodalen ein Duplikat des Briefes17 von Prof. Dr. Heinrich Vogel18 (Berlin/West) an die Synode, in dem er auf die »besondere Verantwortung« der »EKU« bei der »Praktizierung der Gemeinschaft über die unser Vaterland spaltende Grenze hinaus« verwies.
Durch die Synode erfolgte keine Diskussion zu diesem Brief.
Auf Initiative oben genannter Synodaler stellte daraufhin der Redaktionsausschuss eine Beschlussvorlage zur Diskussion, in der es u. a. hieß:
»In dem Maße, in dem es gelingt, eine wachsende, dichtere | und tragfähigere Gemeinschaft für alle evangelischen Kirchen in der | DDR, d. h. die Gliedkirchen des Bundes der Evangelischen Kirchen, die EKU (in der DDR) und die VELK in der DDR zu erreichen, wird auch die EKU (in der DDR) in dieser Gemeinschaft aufgehen. Dabei wird die EKU in beiden Bereichen zu gegebener Zeit zu prüfen und zu entscheiden haben, ob die theologischen und sonstigen Voraussetzungen der neuen Gemeinschaft so ausreichend sind, dass ihre Existenz in beiden Bereichen mit ekklesialer Qualität aufgebbar ist. Ebenfalls wird dann über die Rechtsform der verbleibenden Verbindlichkeiten zu beschließen sein.
Dabei geht die Synode von der Erwartung aus, dass dann neue Formen der Gemeinschaft mit den Gliedkirchen der EKU (in der Bundesrepublik Deutschland und Berlin-West) gefunden sein werden.«
Aufgrund von Forderungen der Synodalen Prof. Müller19 (Berlin), Kirchenpräsident Natho20 (Dessau), Präsident Dr. Rogge21 (Berlin), Bischof Dr. Wollstadt (Görlitz), Bischof Gienke (Greifswald), Oberkonsistorialrat Völz22 (Görlitz), Superintendentin Laudien23 (Berlin) und Waitz24 (Magdeburg), diesen Abschnitt zu streichen, fand eine Abstimmung statt. Im Ergebnis dieser Abstimmung (24 Stimmen für Streichung, 19 Stimmen gegen Streichung, eine Stimmenthaltung) wurde die oben genannte Passage der Beschlussvorlage gestrichen.
In einem internen Gespräch brachte Präsident Dr. Rogge (Berlin) zum Ausdruck, dass dieser Passus »wegen seiner Orientierung auf die deutsch-deutschen Beziehungen« nicht vertretbar sei.
Der Beschluss der EKU – Bereich DDR – zur Herausbildung einer »verbindlicheren Gemeinschaft der evangelischen Kirchen in der DDR« liegt in seinem endgültigen Wortlaut vor und wird als Anlage beigefügt.
Die Synode der EKU – Bereich DDR – hält in diesem Beschluss an der Herausbildung einer »intensiveren Gemeinschaft« fest, die in einem »fortschreitenden Prozess erreicht werden kann«.
In einem internen Gespräch äußerte Bischof Dr. Krusche (Magdeburg), dass er unbedingt an einer baldigen Herausbildung einer Vereinigten Evangelischen Kirche festhalten wolle. Falls die Auflösung der EKU – Bereich DDR – zugunsten der Bildung einer Vereinigten Evangelischen Kirche nicht erfolgen sollte, habe die Kirchenleitung der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen die Absicht, ihre Kirche mit den drei evangelischen Landeskirchen lutherischer Konfession allein zu einer »verbindlicheren föderativen Kirchengemeinschaft« zusammenzuführen.
Im Verlauf der Synodaltagung waren keine Anfragen oder Beiträge zu politisch-negativ zu bewertenden Problemen und entsprechenden kirchlichen Aktivitäten (SOFD,25 »Berliner Appell«26 u. a.) zu verzeichnen.
Die Information ist wegen Quellengefährdung nur zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt.
Anlage zur Information Nr. 131/82
5. Synode der Evangelischen Kirche der Union – Bereich DDR – a. o. Tagung 4./5. März 1982
Vorlage 101 (zu Vorlage 3)
Beschlussvorlage des Redaktionsausschusses
1. Nachdem die »Gemeinsame Entschließung zur schrittweisen Verwirklichung einer verbindlichen föderativen Gemeinschaft …« in der Synode der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg nicht die erforderliche 2/3 Mehrheit erreicht hat, während die anderen vier gliedkirchlichen Synoden ihr mit unterschiedlichen Erwartungen zugestimmt hatten, ist für die Bemühungen um eine verbindliche Kirchengemeinschaft eine neue Situation entstanden. Um der Gemeinschaft mit allen ihren Gliedkirchen willen sieht die Synode jetzt davon ab, über die Annahme der Gemeinsamen Entschließungen und eine Zustimmung zur Änderung der Ordnung des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR zu entscheiden, zumal dies zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Rechtswirkung hätte.
2. Bereits 1980 hatte die Synode ihre Bereitschaft bekräftigt, »sich in eine verbindlichere Gemeinschaft der Evangelischen Kirchen in der DDR hineinzubegeben«. Im Hinblick auf den bevorstehenden Integrationsprozess erklärte sie, dass sie es für nötig halte, »einzelne realisierbare Schritte auf das erklärte Ziel hin bereits jetzt zu tun«.
In Übereinstimmung mit ihren eigenen Entscheidungen vom Mai 1980 und Mai 1981 und mit den Entscheidungen aller Gliedkirchen der EKU (in der DDR) hält die Synode daran fest, für die evangelischen Kirchen im Bereich der DDR, insbesondere für den Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR, die VELK in der DDR und die EKU mit ihren Gliedkirchen eine intensivere Gemeinschaft zu verwirklichen.
3. Die Synode ist der Auffassung, dass dieses Ziel nicht auf einmal, sondern in einem fortschreitenden Prozess erreicht werden kann. Sie ist für die bisherigen Bemühungen der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe, konkrete Schritte für diesen Prozess vorzuschlagen und ein Verfahren mit rechtswirksamen Beschlüssen in Gang zu setzen, dankbar. Dass dieses Verfahren nicht zum erhofften Erfolg führte, weil der Konsens der Beteiligten nicht die ausreichende Basis gefunden hatte, muss respektiert werden.
Das von der Gemeinsamen Vorbereitungsgruppe erarbeitete Material wird aber für die weiteren Überlegungen Bedeutung behalten. Dabei müssen die Einwände offen genannt und ausgetragen werden.
4. Die Synode hält es für unerlässlich, dass alle Möglichkeiten zur Weiterverfolgung des mit den Eisenacher Empfehlungen27 begonnenen Weges wahrgenommen werden. In Aufnahme von Anfragen und Anregungen aus den Synoden aller Gliedkirchen im Bereich der DDR bittet sie, vorrangig die Arbeit an den Grundartikeln für eine gemeinsame Kirchenordnung fortzusetzen. Dabei sollen die besondere Gemeinschaft, das Kirchenverständnis und die Bekenntnisgrundlagen der EKU im Blick bleiben und eine Einigung über die Bedeutung der Theologischen Erklärung von Barmen für die heutige Zeit erreicht werden.
5.1. Um Fortschritte in der Gemeinschaft der Kirchen zu ermöglichen, sollten alle bereits jetzt bestehenden rechtlichen Bestimmungen der Ordnung des Bundes genutzt werden, um gemeinsame Gesetzesvorhaben zu verwirklichen.
5.2. Der Rat wird gebeten, der 6. Synode der EKU – Bereich DDR – einen Vorschlag zu unterbreiten, wie die Synode der EKU – Bereich DDR – auf Gesetzgebungskompetenzen zugunsten eines für alle Gliedkirchen gemeinsamen Gesetzgebungsverfahrens im Bund verzichten könnte. Damit bekräftigt die Synode ihren Beschluss vom Mai 1980,28 in dem genannt werden:
»Überlassung oder Übertragung der Zuständigkeit für
- –
die Ordnung der Gottesdienste (vorbehaltlich der Rechte der reformierten Gemeinden),
- –
die Ordnung des kirchlichen Lebens (vorbehaltlich der Rechte der reformierten Gemeinden),
- –
das Dienstrecht der kirchlichen Mitarbeiter, einschließlich der Pfarrer,
- –
die kirchlichen Ausbildungsordnungen,
- –
das Kirchensteuerrecht und die Ordnung des Finanzwesens,
wenn die übrigen Gliedkirchen des Bundes schon jetzt mit einer gemeinsamen Regelung für die Gliedkirchen des Bundes einverstanden sind oder einer rechtlichen Regelung dieser Aufgaben für die Gliedkirchen der Evangelischen Kirche der Union durch die Organe des Bundes nicht widersprechen.«
5.3. Die Synode beauftragt den Rat, mit der Konferenz der Kirchenleitungen und der Kirchenleitung der VELK in der DDR die Verhandlungen fortzusetzen mit dem Ziel, Vereinbarungen darüber zu treffen, dass die Arbeitsgremien konzentriert und reduziert sowie die Leitungstätigkeit und die Verwaltung vereinfacht werden.
gez. Dr. Schultze