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Flucht von vier Meliorationsarbeiter im Kreis Plauen

6. Juli 1982
Information Nr. 358/82 über die Untersuchungsergebnisse zum ungesetzlichen Grenzübertritt nach der BRD durch vier Meliorationsarbeiter am 10. Juni 1982 im Bereich des Grenzregimentes 10 Plauen

Die Untersuchungen des MfS zum Sachverhalt ergaben Folgendes:

Am 10. Juni 1982, gegen 9.45 Uhr haben die als Meliorationsarbeiter in der Bau- und Meliorationsgenossenschaft »Grenzland« Weischlitz, Kreis Plauen, tätig gewesenen Bürger der DDR, [Name 1, Vorname] (38), geb. am [Tag, Monat] 1944, wohnhaft: 9921 Taltitz, [Nr.], Mechanisator, seit 1971 Freiwilliger Helfer der Deutschen Volkspolizei; [Name 2, Vorname] (34), geb. am [Tag, Monat], wohnhaft: 9907 Weischlitz, [Straße, Nr.], Maurer, Mitglied der DBD, verheiratet, zwei Kinder; [Name 3, Vorname] (32), geb. am [Tag, Monat] 1950, wohnhaft: 9907 Weischlitz, [Straße, Nr.], Agrotechniker, Mitglied der DBD, verheiratet, ein Kind; [Name 4, Vorname] (34), geb. am [Tag, Monat] 1947, wohnhaft: 9907 Weischlitz, [Straße, Nr.], Maurer, verheiratet, zwei Kinder, während der Durchführung von Meliorationsarbeiten auf dem den Grenzsicherungsanlagen vorgelagerten Territorium der DDR im Sicherungsabschnitt IX, III. Grenzbataillon Posseck, Grenzregiment 10 Plauen, in unmittelbarer Nähe der Bahnlinie Plauen – Hof, die DDR ungesetzlich nach der BRD verlassen.

Zu allen vier Personen, die (seit 1975 bzw. [Name 3] seit 1977) durch die örtlich zuständigen Organe entsprechend den bestehenden Rechtsvorschriften für den Einsatz im Schutzstreifen bestätigt sind, lagen bis zum Zeitpunkt des ungesetzlichen Verlassens der DDR keinerlei Hinweise auf bestehende Unsicherheitsfaktoren vor.

Ihre politische Haltung zur sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung der DDR wurde positiv eingeschätzt. Besondere gesellschaftliche Aktivitäten waren jedoch nicht zu verzeichnen.

Die Personen lebten in gesicherten sozialen Verhältnissen (Einfamilienhäuser bzw. Neubauwohnung; jeder war Eigentümer eines Pkw) und wurden auch durch die Betriebsleitung als gute und zuverlässige Arbeiter beurteilt.

Auch im Zusammenhang mit den ordnungsgemäß halbjährlich durchgeführten Überprüfungen zur Wiederholungsbestätigung – letztmalig am 12. April 1982 – wurden keinerlei Verdachtshinweise bekannt.

Die Untersuchungen zum Ereignisablauf ergaben Folgendes:

Am 10. Juni 1982, in der Zeit von 7.00 bis 8.30 Uhr waren die vorgenannten vier Personen mit weiteren drei Beschäftigten der Bau- und Meliorationsgenossenschaft »Grenzland« Weischlitz zu Verladearbeiten von Waffelbetonplatten zeitweilig auf dem den Grenzsicherungsanlagen vorgelagerten Territorium der DDR eingesetzt.

Nach Beendigung dieser Arbeiten wurden alle sieben Personen durch Angehörige der Grenztruppen der DDR (nichtstrukturelle Sicherungsgruppe) aus dem unmittelbaren Grenzbereich herausgeführt, und sie begaben sich zur Einnahme des Frühstücks in den Mehrzweckraum der LPG Kemnitz.

Während drei DDR-Bürger im Anschluss an die Frühstückseinnahme zu ihrem Betrieb zurückfuhren, begaben sich die vier Täter unter Aufsicht der nichtstrukturellen Sicherungsgruppe (Fähnrich [Name 5] und fünf Gefreite) auf das den Grenzsicherungsanlagen vorgelagerte Territorium der DDR, um planmäßig weitere Arbeiten zu verrichten.

Während der Annäherung an den Grenzverlauf wurden die Täter von zwei Angehörigen des Grenzzolldienstes der BRD, die sich unmittelbar am Grenzverlauf bewegten, beobachtet. Nachdem sich die DDR-Bürger bis auf ca. vier Meter dem Grenzverlauf genähert hatten, rannten sie auf ein gegebenes Kommando »Los« auf das Territorium der BRD und entfernten sich in Begleitung der zwei Angehörigen des Grenzzolldienstes der BRD in ein unmittelbar angrenzendes Waldgebiet.

Die Untersuchungen zum Tathergang erbrachten insbesondere folgende das Verbrechen begünstigende Bedingungen:

Die zur Absicherung eingesetzten Angehörigen der Grenztruppen befanden sich nicht – wie in den dienstlichen Bestimmungen des Ministeriums für Nationale Verteidigung festgelegt – zwischen der Staatsgrenze der DDR und den abzusichernden Personen, sondern hielten sich in ca. fünf bis zehn Meter Entfernung in Linie hinter diesen Personen auf.

Auch die Tatsache, dass sich zwei Angehörige des Grenzzolldienstes zum Zeitpunkt des Ereignisses unmittelbar am Grenzverlauf aufhielten, veranlasste [Name 5] weder zu konsequenten Sicherungsmaßnahmen noch zur zeitweiligen Einstellung der Arbeiten in unmittelbarer Nähe der Staatsgrenze.

Dadurch bestand für die Angehörigen der Sicherungsgruppe keine Möglichkeit, das ungesetzliche Verlassen der DDR durch die vier Meliorationsarbeiter zu verhindern.

Bei den Angehörigen der nichtstrukturellen Sicherungsgruppe, die über einen längeren Zeitraum in gleicher personeller Zusammensetzung mit in der Regel stets denselben Meliorationsarbeitern und im gleichen Sicherungsabschnitt eingesetzt waren, hatten sich – entgegen bestehenden Weisungen des Ministeriums für Nationale Verteidigung – routinehaftes Handeln und Vertrauensseligkeit herausgebildet.

Durch die Angehörigen der nichtstrukturellen Sicherungsgruppe wurden Kontaktaufnahmen der eingesetzten Arbeitskräfte mit Angehörigen gegnerischer Grenzüberwachungsorgane geduldet und verschwiegen. Darüber hinaus beteiligten sich die als Verantwortliche der Sicherungsgruppe eingesetzten Angehörigen der Grenztruppen der DDR und teilweise auch weitere Angehörige der Sicherungsgruppe an derartigen Kontaktaufnahmen und sicherten diese gegen Kontrollen ab.

Die als Verantwortliche der Sicherungsgruppe eingesetzten Unterleutnant [Name 6] und Fähnrich [Name 5] vertraten die Auffassung, dass es sich bei den an der Staatsgrenze zur Durchführung von Rekultivierungsmaßnahmen eingesetzten Personen um vertrauenswürdige Bürger handelt und deshalb keine so exakte Absicherung notwendig wäre. Diese Vertrauensseligkeit war insbesondere bei Fähnrich [Name 5] ausgeprägt, was u. a. auch damit im Zusammenhang steht, dass [Name 5] im gleichen Ort wohnhaft ist wie drei der Meliorationsarbeiter und er insbesondere zu dem [Name 3], der im Nebenhaus wohnhaft war, unmittelbare persönliche Kontakte unterhielt.

Im Ergebnis der nach dem Vorkommnis vom 10. Juni 1982 geführten Untersuchungen erfolgte am 16. Juni 1982 die Festnahme des Angehörigen der Grenztruppen der DDR und Verantwortlichen der nichtstrukturellen Sicherungsgruppe, [Name 5, Vorname] (24), geb. am [Tag, Monat] 1957, wohnhaft: 9907 Weischlitz, [Straße, Nr.], Fähnrich, Grenzkompanie Gutenfürst, Mitglied der SED (GO-Leitungsmitglied); des ehemaligen Unterleutnants der Grenztruppen der DDR, [Name 6, Vorname] (22), geb. am [Tag, Monat] 1960, wohnhaft: Klingenthal, [Straße, Nr.], von 1978 bis 1981 Angehöriger der Grenztruppen der DDR (Offizier auf Zeit), seit Mai 1981 Leutnant der Reserve, zuletzt Student der Stomatologie an der Karl-Marx-Universität Leipzig, Mitglied der SED (APO-Leitungsmitglied), am 22. Juni 1982 die Festnahme des ehemaligen Unteroffiziers der Grenztruppen der DDR, [Name 7, Vorname] (22), geb. am [Tag, Monat] 1960, wohnhaft: Lengefeld, Kreis Marienberg, [Straße, Nr.], von 1978 bis 1981 Angehöriger der Grenztruppen der DDR stellvertretender Zugführer, zuletzt Student für Bauwesen an der Ingenieurschule Leipzig und des ehemaligen Soldaten der Grenztruppen der DDR, [Name 8, Vorname] (25), geb. am [Tag, Monat] 1957, wohnhaft: Märkisch-Wilmersdorf, Kreis Zossen, [Straße, Nr.], von 1980 bis 1981 Angehöriger der Grenztruppen der DDR, Postenführer, zuletzt Fräser im VEB Ifa-Autowerke Ludwigsfelde und am 23. Juni 1982 die Festnahme des ehemaligen Gefreiten der Grenztruppen der DDR, [Name 9, Vorname] (21), geb. am [Tag, Monat] 1960, wohnhaft: Adorf/Vogtland, [Straße, Nr.], von 1980 bis 1981 Angehöriger der Grenztruppen der DDR, Postenführer, zuletzt Rangierer der Deutschen Reichsbahn, Hochbaumeisterei Zwickau.

Gegen alle fünf Personen wurden Ermittlungsverfahren gemäß § 262 StGB (Verletzung der Dienstvorschrift über die Grenzsicherung) eingeleitet und Haftbefehle erwirkt.

Die hierzu bisher durch das MfS geführten Untersuchungen haben ergeben:

Die fünf Angehörigen bzw. ehemaligen Angehörigen der Grenztruppen der DDR verletzten von Mai bis September 1981 ([Name 5] darüber hinaus auch seit April 1982) nach bisherigen Feststellungen in insgesamt mindestens 25 bis 30 Fällen – überwiegend gemeinschaftlich handelnd – als Angehörige von nichtstrukturellen Sicherungsgruppen während des Grenzdienstes an der Staatsgrenze zur BRD, unter Missachtung ihnen bekannter Befehle, Vorschriften und Weisungen, ihre Dienstpflichten, indem sie, z. T. unter Anwendung konspirativer Mittel und Methoden (Nutzung von Bodenbedeckungen, Absicherung gegen Kontrollen), Kontakte zu Angehörigen der Bayerischen Grenzpolizei (BGP) und des Grenzzolldienstes (GZD) der BRD unterhielten, von diesen Personen Geschenke entgegennahmen und duldeten, dass auf dem den Grenzsicherungsanlagen vorgelagerten Territorium der DDR zu Arbeiten eingesetzte DDR-Bürger gleichartige Handlungen begingen.

Der ehemalige Unterleutnant (jetzt Leutnant der Reserve) [Name 6] und Fähnrich [Name 5] führten im angeführten Zeitraum gemeinsam mit drei der vier Meliorationsarbeiter, welche am 10. Juni 1982 die DDR ungesetzlich verlassen haben, Gespräche mit je einem Angehörigen der BGP und des GZD, die in der Regel bis zu einer halben Stunde dauerten, wobei mit diesen alkoholische Getränke konsumiert wurden und Kartenspiele erfolgten. Diese Kontakte entwickelten sich zu regelrechten »Treffs« direkt an der Grenzlinie, wobei sowohl von den Angehörigen der Grenztruppen bzw. den Meliorationsarbeitern als auch den gegnerischen Kräften wechselweise die Staatsgrenze überschritten wurde. Bei drei dieser sogenannten Treffs ließen sie sich durch Angehörige des GZD sowie gemeinsam mit diesen fotografieren. In diesem Zusammenhang wurden u. a. dem Angehörigen des GZD durch [Name 6] zeitweilig seine MPi »Kalaschnikow« übergeben und die Uniformmützen getauscht (siehe Anlage 1).1

Am 13. Juli 1981 erhielt [Name 6] während der Dienstdurchführung bei einem Gespräch glaubhaft Kenntnis davon, dass die Meliorationsarbeiter [Name 1, Name 2] und [Name 3] planten, die DDR ungesetzlich nach der BRD zu verlassen. Entgegen ihm bekannter rechtlicher Bestimmungen und dienstlicher Weisungen erstattete er auch darüber keine Meldung an seine Vorgesetzten.

Bisherigen Einlassungen zufolge betrachteten Leutnant der Reserve [Name 6] und Fähnrich [Name 5] sowie die anderen an derartigen Kontakten beteiligten ehemaligen Angehörigen der Grenztruppen der DDR die Angehörigen der BGP und des GZD nicht als Feinde, sondern als »gute Kumpel« und motivieren die Verletzung der Dienstvorschriften u. a. damit, Geschenke entgegennehmen zu wollen.

Diese Haltung liegt nach bisher vorliegenden Erkenntnissen darin begründet, dass sich bei ihnen kein konkretes Feindbild entwickelt hatte, die gegnerischen Kräfte nur an ihrem »korrekten und freundlichen« Auftreten beurteilt wurden und resultierend aus dieser ideologischen Position heraus von ihnen kein klassenmäßiges Auftreten und Verhalten erfolgte.

Sie brachten sich dadurch in ein völliges Abhängigkeitsverhältnis zu den gegnerischen Kräften und den Meliorationsarbeitern, was auch dadurch seine Bestätigung findet, dass die Meliorationsarbeiter gegenüber den Angehörigen der Grenztruppen sich dahingehend äußerten, bei Bekanntwerden dieser Kontakte würden sie härtere Strafen erhalten.

Die Untersuchungen ergaben des Weiteren, dass Hinweise von Sicherungskräften über Mängel und Unzulänglichkeiten bei der Lösung der ihnen gestellten Aufgaben seitens der Bataillonsführung nicht beachtet bzw. unterschätzt wurden.

So waren der Bataillonsführung solche begünstigenden Bedingungen für einen Grenzdurchbruch bekannt, wie z. B. nicht ausreichende kräftemäßige Absicherung, defekte Funkgeräte, teilweise fehlendes Trassierband, demzufolge ist z. T. keine Trassierung des Arbeitsbereiches erfolgt und es bestand die Möglichkeit, die Arbeiten bis an die Grenzlinie durchzuführen.

Seitens der Bataillonsführung erfolgte, außer der theoretischen und praktischen Einweisung am 18. und 19. April 1982, keine weitere spezifische Ausbildung der Sicherungskräfte. Kontrollen der Dienstdurchführung der Sicherungskräfte erfolgten in der Regel wöchentlich zweimal in offener Form.

Begünstigt dadurch kam es zu einer Vielzahl von Postentrennungen sowie zu Erscheinungen der Vertrauensseligkeit seitens der Angehörigen der Grenztruppen der DDR gegenüber den eingesetzten Arbeitskräften.

Testhandlungen und Testgespräche der Arbeitskräfte mit den eingesetzten Sicherungskräften der Grenztruppen der DDR, wie selbstständige Entfernung aus dem Arbeitsstellenbereich an der Staatsgrenze, Befragungen, ob die Sicherungskräfte gegen sie die Schusswaffe anwenden würden etc., wurden aus einer politisch-ideologisch falschen Haltung heraus unterschätzt und nicht zur Meldung gebracht.

In den einschlägigen Dienstvorschriften für den Einsatz der Grenztruppen gibt es keine spezifischen Aufgabenstellungen für den Dienst von Sicherungskräften bei Arbeiten von zivilen Arbeitskräften in derartigen Arbeitsabschnitten.

Den als Verantwortlichen der Sicherungsgruppe eingesetzten Angehörigen der Grenztruppen der DDR blieb es überlassen, den konkreten Einsatz der Sicherungskräfte zu planen bzw. festzulegen.

Dadurch war es Unterleutnant [Name 6] bzw. Fähnrich [Name 5] möglich, die Sicherungskräfte so einzusetzen, dass sie keine Einsicht in solche Geländeabschnitte erhielten, die durch sie für Kontakte und »Treffs« mit Angehörigen des GZD bzw. der BGP ausgewählt und genutzt wurden.

Bedingt durch den ständigen Einsatz der gleichen Sicherungskräfte mit in der Regel den gleichen zivilen Arbeitskräften in ein und demselben Sicherungsabschnitt, wurden erhebliche begünstigende Bedingungen für das Wirksamwerden von Feindeinflüssen (durch Angehörige der gegnerischen Grenzüberwachungsorgane) und für die Verletzung der Dienstvorschriften über die Grenzsicherung (gezielte Vorbereitung, Aufnahme und Konspirierung von Kontakten) geschaffen.

Die Befehle zur ununterbrochenen und unmittelbaren Sicherung der Arbeitskräfte wurden labil oder überhaupt nicht durchgesetzt. So wurde z. B. zugelassen, dass durch die Arbeitskräfte die festgelegten Arbeitsräume überschritten oder die zugewiesenen Arbeitsabschnitte verlassen werden konnten.

Festlegungen über Kontrollen der Arbeitskräfte bei Ein-/Ausfahrt aus dem Handlungsraum der Grenztruppen wurden nicht durchgesetzt, und es war dadurch möglich, die erhaltenen »Geschenke« in Form von Kaffee/Kakao/Zigaretten, Feuerzeuge/Hautcreme, Zeitschriften, Pullover, Rollgurte/Autoradios, am Körper bzw. in der mitgeführten Technik aus dem Handlungsraum der Grenztruppen zu schleusen. In einem Fall wurden selbst im Pkw des flüchtig gewordenen [Name 3] Waren aus dem Schutzstreifen transportiert bzw. zugelassen, dass ein Privat-Pkw überhaupt in den Handlungsraum der Grenztruppen ein-/ausfahren konnte.

Fähnrich [Name 5] nahm bei den 1981 und 1982 durchgeführten Zusammenkünften mit Angehörigen der gegnerischen Grenzüberwachungsorgane ca. zehn westliche Sex-Zeitschriften, sechs Wegwerf-Feuerzeuge, eine Packung Faserschreiber, ein Taschenmesser, einen Schraubendreher, zwei Büchsen Kaffee, einen Pullover, ein Rommé-Spiel mit pornografischen Abbildungen, fünf bis sechs Schachteln Zigaretten persönlich entgegen.

Die bisherigen Untersuchungen ergaben darüber hinaus, dass die Festlegungen über die zu rekultivierenden landwirtschaftlichen Nutzflächen auf dem den Grenzsicherungsanlagen vorgelagerten Territorium der DDR laut »Forderungsprogramm« der Grenztruppen der DDR für die Jahre 1981 bis 1985 zu schematisch und unter nicht konsequenter Beachtung der notwendigen Sicherheitserfordernisse erfolgten. (Im konkreten Fall verblieb den eingesetzten Sicherungsposten zwischen den Arbeitsstellen der zivilen Arbeitskräfte und dem Verlauf der Staatsgrenze nur ein Handlungsraum von ca. fünf Metern.)

Empfehlungen zur Auswertung der bisherigen Untersuchungsergebnisse

1. Die Dienstvorschriften 018/0/002, 018/0/007, 018/0/0082 über den Einsatz der Grenztruppen zur Sicherung der Staatsgrenze regeln jeweils im Abschnitt II »Normale Grenzsicherung« die »Sicherung von Arbeiten«.

In den genannten Dienstvorschriften sind die spezifischen Aufgaben der einzusetzenden Sicherungskräfte der Grenztruppen bei Arbeiten von zivilen Arbeitskräften auf dem den pioniertechnischen Anlagen vorgelagerten Territorium der DDR bisher nicht verbindlich festgelegt.

Es wird empfohlen, die Aufgaben, Pflichten, Rechte und Handlungsabläufe für die Sicherungskräfte in den vorgenannten Dienstvorschriften zu ergänzen.

Gleichermaßen sollte geprüft werden, welche Festlegungen für die Gewährleistung einer ständigen straffen Führung dieser Sicherungskräfte durch den Kommandeur des Grenzbataillons getroffen werden können.

2. Es wird empfohlen, die »Forderungsprogramme« der Grenztruppen zur Durchführung von Rekultivierungs- und Meliorationsarbeiten auf dem den pioniertechnischen Anlagen vorgelagerten Territorium der DDR einer Überprüfung zu unterziehen, hinsichtlich

  • a)

    des zu erwartenden volkswirtschaftlichen Nutzens,

  • b)

    der Gewährleistung3 der erforderlichen Sicherungs- und Handlungsräume für die Sicherungskräfte der Grenztruppen.

3. Ausgehend von den zu sichernden 33 Arbeitsstellen für Rekultivierungs- und Meliorationsarbeiten auf dem den pioniertechnischen Anlagen vorgelagerten Territorium der DDR im II. Halbjahr 1982 im Bereich des Grenzkommandos Süd und den dort einzusetzenden ca. 204 Arbeitskräften sowie 99 Geräten sollte deren Verminderung geprüft werden.

Geprüft werden sollten des Weiteren Möglichkeiten, die Anzahl der Personen – unter Beachtung der konkret auszuführenden Arbeiten – zu reduzieren, die Genehmigungen bzw. Bestätigungen für das Betreten des Schutzstreifens/Handlungsraumes der Grenztruppen erhalten, und in den Listen zu differenzieren nach dem Einsatz

  • a)

    auf dem den pioniertechnischen Anlagen vorgelagerten Territorium der DDR,

  • b)

    im Handlungsraum der Grenztruppen zwischen den pioniertechnischen Anlagen,

  • c)

    vor den pioniertechnischen Anlagen.

4. Es wird für zweckmäßig erachtet, die Möglichkeiten zur Aufstellung und zum Einsatz überörtlicher Sicherungseinheiten mit spezifischer Ausbildung und Einweisung im Rahmen der Grenzkommandos zu prüfen (z. B. Sicherungskompanie im Grenzkommando Süd).

5. Weiter wird empfohlen, analoge Überprüfungen, wie unter 3. und 4. genannt auch im Grenzkommando Nord durchzuführen.

Ich habe angewiesen, dass die Abwehroffiziere des MfS das Zusammenwirken mit den zuständigen Kommandeuren/Chefs und deren Stellvertretern für politische Arbeit in den Verbänden, Truppenteilen und Einheiten der Grenztruppen der DDR verstärken mit dem Ziel der vorbeugenden Verhinderung bzw. rechtzeitigen und konsequenten Aufdeckung und Beseitigung von Lücken, Mängeln und Schwachstellen bei der strikten Durchsetzung der Rechtsvorschriften und dienstlichen Bestimmungen zum jederzeit zuverlässigen Schutz der Staatsgrenze der DDR.

Anlage 1 zur Information Nr. 358/82

[Rückkehr eines Geflohenen]

Im Ergebnis der durch das MfS eingeleiteten Maßnahmen zur Rückgewinnung der vier nach der BRD gelangten Straftäter kehrte am 30. Juni 1982 der [Name 2, Vorname] in die DDR zurück.

Die bisher geführten Untersuchungen ergaben, dass der [Name 2] seine Straftat zutiefst bereut und sie als Kurzschlussreaktion bezeichnet. Er kann kein ernsthaftes Motiv für seinen ungesetzlichen Grenzübertritt angeben.

Beachtenswert erscheint die Aussage des [Name 2], wonach sich die am 10. Juni 1982 zur Absicherung eingesetzten Angehörigen der Grenztruppen der DDR zum Zeitpunkt des ungesetzlichen Verlassens der DDR durch die vier Meliorationsarbeiter ca. 30 Meter hinter ihnen aufgehalten hätten.

Die Untersuchungen werden fortgeführt.

  1. Zum nächsten Dokument Schweres Zugunglück auf der Strecke Berlin-Rostock

    7. Juli 1982
    Information Nr. 368/82 über ein schweres Zugunglück am 6. Juli 1982 auf der Eisenbahnstrecke Berlin – Rostock

  2. Zum vorherigen Dokument »Blues-Messen« in der Erlöserkirche Berlin-Lichtenberg am 2.7.1982

    5. Juli 1982
    Information Nr. 367/82 über die am 2. Juli 1982 in der Erlöserkirche in Berlin-Lichtenberg durchgeführten »Blues-Messen«