Gegnerische Absichten zum Missbrauch des Luther-Jubiläums 1983
14. September 1982
Information Nr. 487/82 über Absichten des Gegners, das Luther-Jubiläum 1983 politisch zu missbrauchen
Dem MfS bisher vorliegenden ersten internen und offiziellen Hinweisen zufolge beabsichtigen gegnerische Kräfte, im Zusammenwirken mit reaktionären kirchlichen Personenkreisen in der DDR, das Luther-Jubiläum 19831 und damit im Zusammenhang stehende kirchliche Veranstaltungen und andere kirchliche Vorhaben für ihre antisozialistischen, gegen die DDR gerichteten Ziele zu missbrauchen.
So werden gegenwärtig seitens des Gegners Überlegungen angestellt, einzelne an den kirchlichen Luther-Ehrungen in der DDR teilnehmende Persönlichkeiten aus dem nichtsozialistischen Ausland, besonders Vertreter kirchenleitender Gremien, dafür zu gewinnen, sich während ihres Aufenthaltes in der DDR öffentlich mit der sogenannten staatlich unabhängigen Friedensbewegung zu solidarisieren, die in diesem Sinne wirkenden reaktionären kirchlichen und anderen feindlich-negativen Kräfte aufzuwerten und sie zu weiteren Aktivitäten zu ermuntern.
In der Absicht, kirchenleitende Personen und kirchliche Amtsträger sowie religiös gebundene Personen in der DDR in ihrer Haltung politisch zu verunsichern, sie in Oppositionshaltung zum Staat zu drängen, erfolgen seitens des Gegners zielgerichtete Angriffe gegen die von der SED propagierte marxistisch-leninistische Geschichtsauffassung über Leben und Wirken Martin Luthers, wird die Tätigkeit des staatlichen Lutherkomitees in der DDR als »Widerspruch« und als »unvereinbar mit der Haltung der Gläubigen« dargestellt. In der internen Programmplanung der BRD-Fernsehanstalten ARD und ZDF für die Luther-Ehrung 1983 wird ausdrücklich darauf orientiert, »den Versuchen der DDR entgegenzuwirken, Luther als Vorläufer in der sozialistischen nationalen Geschichtsschreibung« darzustellen.2
Bekannt gewordene interne Meinungsäußerungen einzelner kirchenleitender Personen und kirchlicher Amtsträger in der DDR widerspiegeln teilweise Übereinstimmung mit derartigen gegnerischen Argumentationen.
Von den Zentren der ideologischen Diversion3 sowie von kirchenleitenden Gremien und führenden Vertretern der Evangelischen Kirche in der BRD gegebene Orientierungen lassen weiter die Absicht erkennen, mit den kirchlichen Luther-Ehrungen in der BRD und in der DDR den »gesamtdeutschen Charakter«, die »Zusammengehörigkeit« und »Gemeinsamkeiten« der Kirchen beider deutscher Staaten nachhaltig zu demonstrieren. In diesem Sinne propagieren BRD-Politiker und kirchenleitende Persönlichkeiten in der BRD seit geraumer Zeit, das Luther-Jubiläum für die Herstellung und Vertiefung von Kontakten sowie vielfältige Begegnungen, besonders im Rahmen der sogenannten Partnerschaftsbeziehungen zwischen Kirchengemeinden der BRD und der DDR zu nutzen.
Mit Stand vom 31. August 1982 liegen beim VEB Reisebüro der DDR Anmeldungen von über 700 Reisegruppen aus dem nichtsozialistischen Ausland mit ca. 34 000 Personen, darunter 451 Reisegruppen mit ca. 21 000 Teilnehmern aus den USA und 86 Reisegruppen sowie fünf Sonderzügen aus der BRD mit ca. 8 000 Teilnehmern anlässlich des Luther-Jubiläums 1983 vor.
Darüber hinaus ist damit zu rechnen, dass eine Vielzahl weiterer, im Jahre 1983 aus nichtsozialistischen Staaten und Westberlin in die DDR einreisender Personen an kirchlichen Veranstaltungen teilnimmt bzw. Kontakte mit kirchlichen Amtsträgern und religiös gebundenen Personen in der DDR herstellt bzw. vertieft.
Seitens des Bundes der Evangelischen-Kirchen in der DDR werden bereits jetzt eine Vielzahl von Einladungen an kirchliche Amtsträger in nichtsozialistischen Staaten zur Teilnahme an den im Jahre 1983 in der DDR stattfindenden kirchlichen Hauptveranstaltungen, darunter auch zu den sieben Kirchentagen in Erfurt, Rostock, Eisleben, Frankfurt/Oder, Magdeburg, Dresden und Wittenberg (die Veranstalter rechnen mit Teilnehmerzahlen zwischen 10 000 und 100 000 Personen), ausgesprochen.
Ihnen wird außerdem der Besuch von Veranstaltungen und kirchlichen Einrichtungen auch außerhalb der Luther-Ehrungen sowie die Möglichkeit des Führens von Gesprächen mit kirchlichen Amtsträgern auf unterster Ebene zugesichert.
Die Information ist nur zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt.