Geplante »feindliche« Aktivitäten anlässlich des Pfingsttreffens 1982
26. Mai 1982
Information Nr. 275/82 über geplante Aktivitäten kirchlicher Personenkreise im Zusammenhang mit den Pfingsttreffen der Jugend 1982
Die durch die Partei im engen Zusammenwirken mit den Schutz- und Sicherheitsorganen, den staatlichen Organen und Einrichtungen sowie gesellschaftlichen Organisationen und Kräften gemeinsam durchgeführten differenzierten Maßnahmen zur vorbeugenden Zurückdrängung und konsequenten Unterbindung der von reaktionären kirchlichen u. a. feindlich-negativen Kräften ausgehenden Versuche zur Schaffung einer sogenannten staatlich unabhängigen Friedensbewegung in der DDR bewirkten einen nachhaltigen Differenzierungsprozess in kirchenleitenden Gremien und unter kirchlichen Amtsträgern und führten zu einer gewissen Disziplinierung der Initiatoren und Organisatoren feindlich-negativer Aktivitäten.
Obwohl diese auf Konfrontationen zwischen Staat und Kirche hinarbeitenden Kräfte in ihrem Handlungsspielraum wesentlich eingeschränkt wurden, ist damit zu rechnen, dass von ihnen auch Pfingsten 1982 erneut bestimmte Versuche unternommen werden, öffentlichkeitswirksam mit pazifistischen Losungen und Symbolen aufzutreten bzw. öffentlich sogenannte eigenständige kirchliche Friedensinitiativen zu bekunden.
Nach dem MfS bisher vorliegenden internen Hinweisen planen kirchliche Kräfte, insbesondere Mitglieder von »Evangelischen Studentengemeinden« und der »Jungen Gemeinde«, Aktivitäten im Pfingstzeitraum 1982, die zu einer Beeinträchtigung bestimmter Schwerpunktveranstaltungen im Rahmen der Pfingsttreffen der Jugend 1982,1 besonders in der Hauptstadt Berlin und im Bezirk Potsdam, führen können.
Im Vordergrund stehen solche geplanten Aktivitäten, wie
- –
Teilnahme an Friedensdemonstrationen der FDJ in einzelnen Bezirks- und Kreisstädten unter Mitführen pazifistischer Losungen bzw. Tragen pazifistischer Symbole,
- –
Durchführung von persönlichen Gesprächen mit Teilnehmern an den Pfingsttreffen der Jugend, um sie mit den pazifistischen Vorstellungen vertraut zu machen,
- –
Veranstaltung eines »Tages der offenen Kirche« in Städten, in denen Pfingsttreffen der Jugend stattfinden.
Dabei sind vor allem nachfolgend genannte, von kirchlichen Kräften geplante Aktivitäten zu beachten:
Auf einer Zusammenkunft der Landesjugendpfarrer der Evangelischen Landeskirche in Berlin-Brandenburg (4. Mai 1982) beschlossen die Tagungsteilnehmer folgende Losungen für die kirchliche Jugendarbeit:
- –
»Wir Christen brauchen keine Kernwaffen«,
- –
»Christen für Sicherheit und Abrüstung«,
- –
»Christen für kernwaffenfreies Europa«,
- –
»Christen für gewaltfreie Konfliktlösungen«.
Wie bekannt wurde, versuchte der Landesjugendpfarrer Domrös2 vom 2. Sekretär der FDJ-Bezirksleitung Potsdam eine offizielle Genehmigung für die Teilnahme junger Christen an den Pfingsttreffen der Jugend im Bezirk Potsdam mit vorgenannten Losungen zu erwirken.
Mit dem gleichen Anliegen wandten sich auf Empfehlung von Domrös bisher sieben Kreisjugendpfarrer des Bezirkes Potsdam an FDJ-Kreisleitungen bzw. an Stellvertreter Inneres der Räte der Kreise.
Anfragen hinsichtlich der Teilnahme an Friedensdemonstrationen der FDJ mit »eigenständigen Losungen« richteten auch der stellvertretende Superintendent Müller3 an den Rat des Kreises Weißwasser (Cottbus) und Pfarrer Bindemann4 (Rostock) an den Referenten für Kirchenfragen beim Rat der Stadt Rostock.
In allen Fällen wurde gegenüber kirchlichen Amtsträgern die Teilnahme junger Christen an den Veranstaltungen der FDJ abhängig gemacht vom Verzicht des Auftretens als »selbstständige kirchliche Formation« und mit eigenständigen Losungen. In diesem Zusammenhang wurde intern bekannt, dass Landesbischof Hempel5 (Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens/Dresden) dahingehend orientierte, dass Christen im Falle einer Beteiligung an den Friedensdemonstrationen der FDJ nicht provozierend in Erscheinung treten sollen.
Mitglieder der »Evangelischen Studentengemeinde« Berlin beabsichtigen, an der Friedensdemonstration in der Hauptstadt (27. Mai 1982) teilzunehmen. Einzelne Mitglieder planen dabei, Stirnbänder mit der Aufschrift »Schwerter zu Pflugscharen«6 bzw. pazifistische Aufnäher zu tragen, die aus »Sicherheitsgründen« erst während der Demonstration gezeigt werden sollen.
Vertreter der »Evangelischen Studentengemeinden« Halle, Magdeburg, Greifswald und Rostock planen die Teilnahme an Friedensdemonstrationen der FDJ, ohne jedoch provokatorisch in Erscheinung treten zu wollen.
Mitglieder der »Jungen Gemeinde« im Kirchenkreis Neuruppin sowie im Kirchenkreis Königs Wusterhausen, beide Bezirk Potsdam, äußerten ebenfalls die Absicht, als geschlossene Gruppe an den Friedensmanifestationen der FDJ in ihren Kreisstädten teilnehmen zu wollen.
Mitglieder der »Jungen Gemeinde« des Kirchenkreises Gransee (Bezirk Potsdam) planen die Teilnahme an der Friedensmanifestation der FDJ in der Kreisstadt Gransee unter Mitführen der Losung »Wir Christen wollen Brot für die Welt statt Tod für die Welt«.
Unter Leitung des Studentenpfarrers Kleemann7 (Rostock) bereitet die »Evangelische Studentengemeinde« Rostock während der Pfingstfeiertage eine 30-stündige Fastenaktion vor, die von den Rostocker Kirchengemeinden »Heilig-Geist« und »St. Joseph« übernommen werden soll. In diesem Zusammenhang seien alle zwei Stunden Andachten für ein ausgewähltes Land geplant. Vorgesehen sind u. a. Mexiko, USA, Sowjetunion, Kuba, Algerien, Australien, Japan, Indonesien und weitere sieben afrikanische, lateinamerikanische und westeuropäische Staaten.
In diesen Andachten soll u. a. informiert werden über die
- –
Regierungsform des betreffenden Landes,
- –
ökonomische Situation,
- –
Friedensbemühungen des Staates,
- –
Rüstungssituation,
- –
Wehrpflicht-Regelungen
sowie über den Lebensstandard und besondere Konfliktsituationen.
Wie in jedem Jahr finden auch im Pfingstzeitraum 1982 zahlreiche traditionelle kirchliche Veranstaltungen religiösen Charakters, wie Gottesdienste, Treffen kirchlicher Jugendgruppen, Rüsten u. Ä., statt.
Durch das MfS sind im Zusammenwirken mit den anderen zuständigen staatlichen Organen sowie gesellschaftlichen Kräften differenzierte Maßnahmen zur vorbeugenden Verhinderung des öffentlichkeitswirksamen Auftretens kirchlicher Kräfte zu den Pfingsttreffen der Jugend bzw. zur Kontrolle und Überwachung der geplanten Aktivitäten und kirchlichen Veranstaltungen eingeleitet worden.
Durch die Stellvertreter Inneres der Räte der Bezirke bzw. der Kreise wurden mit den zuständigen kirchenleitenden Personen und kirchlichen Amtsträgern Gespräche geführt, in denen ihnen die Haltung des Staates und der Freien Deutschen Jugend zur Teilnahme junger Christen an den Pfingsttreffen der FDJ erläutert und die Auflage erteilt wurde, alle gegen das politische Anliegen der Pfingsttreffen der Jugend gerichteten Aktivitäten zu unterbinden.
Weiterhin wurde in diesen Gesprächen darauf Einfluss genommen, dass traditionelle kirchliche Veranstaltungen nicht zu Angriffen gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung der DDR missbraucht werden.
Die Information ist wegen Quellengefährdung nur zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt.