Geplante Hetzschriften-Ballonaktion von Westberlin
14. Juni 1982
Information Nr. 309/82 über eine von Berlin (West) aus geplante Hetzschriften-Ballonaktion gegen die DDR
Dem MfS liegen Beweise vor, wonach in den nächsten Tagen – offensichtlich im Zusammenhang mit feindlichen Aktivitäten anlässlich des sogenannten Tages der deutschen Einheit am 17. Juni – von Berlin (West) aus erneut provokatorische Machenschaften gegen die DDR durchgeführt werden sollen.
Der hinlänglich bekannte Einwohner von Berlin (West) Ostwald, Bernd1 (28), wohnhaft: Berlin (West) 45, [Straße, Nr.], hat in der letzten Zeit in auf dem Postweg an Bürger der DDR versandten, als »Luftballon-Post« bezeichneten Hetzschriften die Durchführung einer weiteren gegen die Souveränität der DDR gerichteten gefährlichen Provokation angekündigt, indem er diese Hetzschriften in einer großangelegten Ballonaktion auf dem Luftweg in die DDR einschleusen will. (Anlage)
In dieser Hetzschrift fordert er zur Unterstützung seiner Bestrebungen zur Freilassung seiner Schwester Doris Wels2 auf. (Die Staatsbürgerin der DDR Doris Wels wurde wegen nachweislich begangener Verbrechen im Zusammenwirken mit einer kriminellen Menschenhändlerbande, an denen auch der Ostwald beteiligt war, von einem Gericht der DDR rechtskräftig zu drei Jahren Freiheitsentzug verurteilt.)
Ostwald hat sich schon in der zurückliegenden Zeit im Zusammenwirken mit dem Springer-Konzern in Westberlin mehrfach als politischer Provokateur, u. a. zur Störung des Nachfolgetreffens der KSZE-Staaten in Madrid3 sowie bei der Durchführung von politischen Provokationen unmittelbar an der Staatsgrenze und an Grenzübergangsstellen zur Hauptstadt der DDR, Berlin, intensiv betätigt.
Durch den Beauftragten der Regierung der DDR wurde in der Unterredung vom 22.2.1982 gegenüber dem Senat von Berlin (West) insbesondere gegen die von Ostwald in der Zeit vom 23. bis 26.12.1981 täglich nahe der Grenzübergangsstelle Friedrich-/Zimmerstraße durchgeführten Provokationen energischer Protest erhoben und die Einleitung von geeigneten Maßnahmen zur Unterbindung derartiger Provokationen gefordert.4
Da offensichtlich seitens der zuständigen Behörden von Berlin (West) bisher keine diesbezüglichen Schritte zur Verhinderung weiterer gegen die DDR gerichteter Provokationen durch Ostwald unternommen wurden, wird vorgeschlagen, den Senat von Berlin (West) in geeigneter Form auf diese beabsichtigte erneute Provokation, die im untrennbaren Zusammenhang mit der Verletzung des Luftraumes der DDR, der Gefährdung der Flugsicherheit und von Leben sowie Gesundheit von Bürgern der DDR steht, hinzuweisen und die unverzügliche Unterbindung der rechtswidrigen Aktivitäten zu fordern.
Anlage zur Information Nr. 309/82
Bernd Ostwald | 1000 Berlin (West) 45 | [Straße, Nr.] | Tel.: [Nr.]
Flugblatt: Luftballon-Post
Berlin (West), den 13. Juni 1982
Sehr geehrte Damen und Herren, in der Bundesrepublik Deutschland und in der ganzen Welt
Bitte erlauben Sie mir, dass ich mich heute mit meinen besonderen Anliegen an Sie wende, aber es liegt mir sehr am Herzen.
Meine Schwester Doris Wels ist seit dem [Tag, Monat] 1980 in der DDR inhaftiert, nur weil sie ihren Vati und Bruder in der Bundesrepublik sehen wollte. Der Gesundheitszustand lässt sehr zu wünschen übrig und besonders die Augen leiden darunter.
Ich hatte mich schon des Öfteren an die Behörden der DDR gewandt und um Gnade und Güte für meine Schwester gebeten. Sogar eingeschriebene Briefe habe ich abgesandt, aber keiner ist angekommen. Alle Briefe sind »spurlos verschwunden« und nicht auffindbar. Dies ist in meinen Augen ein dreister Postraub von offiziellen DDR-Behörden, die solch einen Diebstahl sogar fördern, wenn Menschen um Frieden und Freiheit bitten.
Ich habe mir erlaubt, diesen Brief ins englische, französische, schwedische und deutsche abzufassen.
Ich bitte jeden ehrlichen Finder dieses Schreibens, bitte senden Sie dieses Blatt ab und erzählen jedem von meiner Schwester und den dreisten Posträubern und Kerkermeistern in der DDR.
Helfen Sie unserer Familie, denn der große Frieden beginnt im Kleinen. Wir wollen wieder eine Familie sein und opfern gerne alles dafür, um wieder beisammen sein zu können.
An den Innenminister der DDR | Herrn Friedrich Dickel, Mauerstraße 29–32, 108 – Berlin/DDR
Sehr geehrter Herr Innenminister Friedrich Dickel!
Ich bitte Sie um die Freiheit von Frau Doris Wels (geboren am [Tag, Monat] 1955 in Berlin), die zurzeit im Frauengefängnis Hoheneck einsitzt, weil sie ein Bürgerrecht in Anspruch nehmen wollte und zu Vater und Bruder in den Westen zu reisen gedachte.
Da Herr Bernd Ostwald keinen anderen Weg mehr sah, hatte er viele Briefe als Luftballonpost abgesandt und ich möchte Ihnen dieses Schreiben gerne ans Herz legen.
Bitte lassen Sie Frau Wels ausreisen, schenken Sie ihr die Freiheit.
Mit freundlichen Grüßen
Ps.: Wer nicht seinen eigenen Namen benutzen möchte, kann diesen Brief auch ohne Absender oder mit einem anderen Namen auf den Weg bringen.
Herzlichen Dank für Ihre Unterstützung | [Unterschrift] | Bernd Ostwald