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Hetzschriften-Ballonaktion von Insel Bornholm

10. März 1982
Information Nr. 118/82 über eine Hetzschriften-Ballonaktion von der dänischen Insel Bornholm

Am 5. März 1982 erfolgte nach vorliegenden Feststellungen der zuständigen Organe der DDR der Einflug von Ballons mit Papierlasten in den Luftraum der DDR, von denen bisher sieben in den Bezirken Halle (Bitterfeld, Apollensdorf), Potsdam (Zaatzke, Klein Schulzendorf), Dresden (Löschau, Reinhardtsgrimma1), Rostock (Göhren und Dranske) und Frankfurt/Oder (Bernau) aufgefunden wurden.

Wie die Überprüfungen ergaben, waren die Ballons (Größe ca. 1 m) auf der dänischen Insel Bornholm aufgelassen worden. Sie trugen in polnischer Sprache abgefasste Hetzschriften, in denen gegen die Maßnahmen des Militärrates der VR Polen2 gehetzt und zu konterrevolutionären Aktionen aufgefordert wird.

Bei den Initiatoren der Ballonaktion – insgesamt sollen nach weiter vorliegenden Hinweisen 10 000 Ballons aufgelassen worden sein – handelt es sich bisherigen Feststellungen zufolge um das sogenannte französische Komitee »freie Ballons nach Polen«, eine Gruppe von Franzosen, die mit dem »Koordinierungskomitee von Solidarność«3 in Frankreich zusammenarbeitet.

Wie weiter bekannt wurde, ist seitens der dänischen Polizei gegen die seit längerer Zeit bekannte und in den westlichen Massenmedien breit publizierte Vorbereitung der Aktion nicht eingeschritten worden.

Seitens der UdSSR und der VR Polen war gegen diese geplante Aktion bei den zuständigen Behörden des Königreiches Dänemark Protest eingelegt worden.

Es wird vorgeschlagen zu prüfen, gegenüber dem Botschafter des Königreiches Dänemark in der DDR bzw. durch den Botschafter der DDR im Königreich Dänemark gegen die Verletzung des Luftraumes der DDR und die damit verbundene Gefährdung der Flugsicherheit sowie von Leben und Gesundheit von Bürgern der DDR in geeigneter Form Protest einzulegen, verbunden mit der Forderung, Maßnahmen zur Unterbindung derartiger völkerrechtswidriger Handlungen zu treffen.

  1. Zum nächsten Dokument »Friedensseminar« und »Friedensgottesdienst« in Leipzig

    15. März 1982
    Information Nr. 119/82 über den Verlauf des »Kirchlichen Friedensseminars« am 6./7. März 1982 und des »Friedensgottesdienstes« am 6./7. März 1982 in Leipzig
  2. Zum vorherigen Dokument Statistik Einnahmen Mindestumtausch (1.3.1982–7.3.1982)

    10. März 1982
    Information Nr. 117/82 über die Entwicklung der Einnahmen aus der Durchführung des verbindlichen Mindestumtausches für die Zeit vom 1. März 1982 bis 7. März 1982

  1. Im Original: »Reinholdtsgrimma«.

  2. Polen hatte bis zum Herbst 1981 eine kurze Phase des gesellschaftlichen Aufbruchs erlebt: Nach einer Streikwelle im August 1980 liberalisierte die Regierung unter Parteichef Edward Gierek das Medienwesen, entließ politische Gefangene und legalisierte die erste unabhängige Gewerkschaft »Solidarność«, die daraufhin bis zum Ende des Jahres zu einer Massenbewegung mit über 10 Mio. Mitgliedern anwuchs. Um den starken Gegenspieler zu bändigen, setzte die polnische KP auf den einflussreichen Verteidigungsminister Wojciech Jaruzelski, der im Februar 1981 die Regierung und im Oktober 1981 die Führung der Partei übernahm. Am 13.12.1981 ging Jaruzelski mit der Ausrufung des Kriegsrechts in die Offensive: Ein neu geschaffener Militärrat ließ spontane Versammlungen von Sondermilizen auflösen und Großbetriebe und Radiostationen mit Soldaten besetzen. Sämtliche Telefonverbindungen wurden für Wochen unterbrochen und über 3 000 Personen in Schnellverfahren verurteilt, darunter führende Vertreter der »Solidarność«. Die gesellschaftliche Mobilisierung ließ sich dadurch aber nicht unterbinden. Erfolgreich gelang es der »Solidarność«, ihre Strukturen im Untergrund auszubauen. Um die inneren Spannungen und die internationale Isolation Polens zu überwinden, verordnete Jaruzelski Ende 1982 die Freilassung erster Gefangener ohne Gerichtsurteil und hob am 22.7.1983 das Kriegsrecht wieder auf. Mit ihm als Oberbefehlshaber blieb die starke Rolle des Militärs aber auch in der Folgezeit bestehen. Vgl. Borodziej, Włodzimierz: Geschichte Polens im 20. Jahrhundert. München 2010, S. 350–490.

  3. Die erste freie Gewerkschaft im Ostblock, die polnische »Solidarność«, entstand am 17.9.1980 während einer Streikwelle in den Industriezentren des Landes und wurde von der kommunistischen Führung und dem Justizwesen Polens im November 1980 als legale Organisation zugelassen. Sie war eine Mischung aus Gewerkschaft, Protestbewegung, Debattierforum, nationale Partei und institutionalisierte Bürgergesellschaft. Ihre Basis vergrößerte sich bis Juni 1981 auf über 9 Mio. Mitglieder und umfasste ganz unterschiedliche Regionen, Milieus und Industriesektoren. Nachdem am 13.12.1981 das Kriegsrecht ausgerufen worden war, wurde die »Solidarność« verboten. Zahlreiche Mitglieder wurden verhaftet oder gingen ins Exil, etwa nach Frankreich. Ein Teil der Aktivisten bildete im Untergrund eine »Provisorische Koordinierungskommission«. In Frankreich gründeten Exilpolen ein eigenes Koordinierungskomitee, das vor allem von der Gewerkschaft CFDT unterstützt wurde. Vgl. Begin, Natalie: Kontakte zwischen Gewerkschaften in Ost und West. Die Auswirkungen von Soldiarność in Deutschland und Frankreich, ein Vergleich. In: Archiv für Sozialgeschichte 45(2005). S. 318. Vgl. Borodziej, Włodzimierz: Geschichte Polens im 20. Jahrhundert. München 2010, S. 364.