Hinweise zu ad-limina-Besuchen der katholischen Bischöfe der DDR
29. November 1982
Information Nr. 607/82 über erste Hinweise im Zusammenhang mit den ad-limina-Besuchen der katholischen Bischöfe aus der DDR beim Vatikan
In der Zeit vom 18. Oktober bis 31. Oktober 1982 besuchten die katholischen Bischöfe Meisner,1 Berlin, Schaffran,2 Dresden-Meißen, Huhn,3 Görlitz, Theising,4 Schwerin, Braun,5 Magdeburg, Wanke,6 Erfurt, zu ihren aller fünf Jahre fälligen ad-limina-(Pflicht)-Besuchen den Vatikan.7
Streng internen Hinweisen zufolge waren die Bischöfe Meisner und Wanke aufgrund ihres erst kurzen Wirkens in ihren jetzigen Bistümern von den sonst verbindlichen schriftlichen Berichterstattungen entbunden und lediglich zur mündlichen Berichterstattung zur Entwicklung in ihren Bistümern verpflichtet.
Privataudienzen von jeweils 15 Minuten Dauer wurden durch den Papst gewährt:
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am 25. Oktober 1982 den Bischöfen Meisner, Schaffran und Huhn,
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am 26. Oktober 1982 den Bischöfen Theising, Braun und Wanke.
Weiteren streng internen Hinweisen zufolge habe der Papst in diesen Unterredungen jeden Bischof einzeln eindringlich darum gebeten, »die Einheit mit dem Vatikan« weiter zu pflegen und die Kontakte zum Papst weiter auszubauen. Der Papst sei »beschwörend« auf die Fragen der Treue der Ortsbischöfe gegenüber dem Vatikan eingegangen und habe die Rolle des Vatikans als Zentrum der katholischen Weltkirche besonders hervorgehoben.
Er habe sich allgemein gegen bestimmte »nationalistische Tendenzen einzelner Bischofskonferenzen« ausgesprochen und betont, dass die grundsätzlichen Entscheidungen in der katholischen Kirche im Vatikan getroffen würden.
Am 28. Oktober 1982 fand durch den Papst ein gemeinsamer Empfang aller Bischöfe aus der DDR statt, währenddem der Vorsitzende der Berliner Bischofskonferenz,8 Bischof Meisner, Grußworte an den Papst richtete.
In einer Ansprache des Papstes wurde von ihm betont, es sei davon auszugehen, dass die Einheit der katholischen Kirche die im staatlichen Bereich gegebenen Grenzen überschreitet; »eine katholische Ortskirche kann wesensgemäß niemals zu einer reinen Landeskirche werden; sie ist immer katholische Kirche in einem Land«.
Diese Ausführungen wurden von leitenden katholischen Würdenträgern in der DDR als Abgrenzung von der Position der evangelischen Kirchen in der DDR angesehen. Hier ginge es dem Papst um die prinzipielle Bestimmung des Charakters der katholischen Kirche in der DDR als Bestandteil der Weltkirche. Diese Bemerkung könne auch als Hinweis dafür gedeutet werden, dass in nächster Zeit keine Angleichung der kirchlichen Amtsbereiche an die Staatsgrenze der DDR erfolge. Dafür spreche auch die Aufforderung des Papstes an die Bischöfe der DDR, »brüderliche Beziehungen zu den Kirchen in Euren Nachbarländern zu unterhalten«.
Als erste Reaktionen auf diese Aufforderung des Papstes seien die Antrittsbesuche des Vorsitzenden der Berliner Bischofskonferenz, Bischof Meisner, am 2. und 3. November 1982 in Prag, am.18. und 19. November 1982 in Warschau und die vorgesehenen Besuche in der Ungarischen Volksrepublik sowie in Österreich zu sehen. Es sei auch zu erwarten, dass der Vorsitzende der Berliner Bischofskonferenz, Bischof Meisner, zu einem Antrittsbesuch in die BRD reisen werde.
Mit diesen Reisen, denen entsprechend der Tradition der katholischen Kirche auch Gegenbesuche folgen würden, solle die vom Papst vorgetragene Aufgabenstellung des »Vorgehens gegen ein Isolationsgefühl der katholischen Kirche im Sozialismus« realisiert werden.
Ausgehend von den klaren theologischen Positionen der katholischen Kirche zu den Fragen des Friedens habe der Papst in dieser Ansprache am 28.10.1982 im Vatikan die katholischen Bischöfe aus der DDR weiter aufgefordert, »einen Gedankenaustausch mit den evangelischen Gemeinschaften zu versuchen«.
Diese Aufforderung wird von den leitenden katholischen Würdenträgern vor allem so verstanden, die Diskussion um den Frieden nicht der evangelischen Kirche zu überlassen und deren Position »unkritisch in der Öffentlichkeit und in den Vorstellungen der Gläubigen bestehen zu lassen«. Dabei ginge es auch nicht um eine Annäherung an die evangelischen Positionen, sondern um eine klare Darstellung des »Geschenkes des Friedens durch Jesu Christus an die Menschen«. Über mögliche praktische Schritte eines solchen Gedankenaustausches mit der evangelischen Kirche zu den Fragen des Friedens gibt es bisher keine Festlegungen.
In den Gesprächen, die die Bischöfe im Vatikan hatten, sei ihnen wiederholt die Aufgabe gestellt worden, die religiöse Ausbildung von Priestern zu verstärken, die Orden und religiösen Einrichtungen zu unterstützen und alle durch die rechtlichen Grundlagen in der DDR gegebenen Möglichkeiten für die religiöse Arbeit auszuschöpfen.
In individuellen streng vertraulichen Gesprächen zwischen den katholischen Bischöfen der DDR nach dem Besuch im Vatikan bestand Übereinstimmung dahingehend, der ad-limina-Besuch sei gekennzeichnet gewesen durch kurzfristige (und unplanmäßige) Festlegung von Terminen und einer »relativen Undurchsichtigkeit« der gegenwärtigen Arbeitsweise am Vatikan.
Es sei festzustellen, dass auf vielen Posten verstärkt polnische Geistliche tätig wären, deren Arbeitsweise sich jedoch nach ihren spezifischen Interessen richte. Es sei der Eindruck entstanden, durch die häufigen Reisen des Papstes bleibe kaum Zeit für die notwendige und aufwendige Arbeit der Leitung der Weltkirche.
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