III. Europäische Ökumenische Jugendkonferenz
19. April 1982
Information Nr. 190/82 über die III. Europäische Ökumenische Jugendkonferenz
In der Zeit vom 6.4. bis 13.4.1982 fand in Burgscheidungen, Kreis Nebra, Bezirk Halle, die III. Europäische Ökumenische Jugendkonferenz des Ökumenischen Jugendrates in Europa (EYCE) in der Zentralen Schulungsstätte des Hauptvorstandes der CDU statt.
An der Konferenz nahmen insgesamt 201 Teilnehmer aus 18 europäischen Ländern, davon 53 Teilnehmer aus sozialistischen Staaten (8 aus der UdSSR, 5 aus der ČSSR, 4 aus der VR Ungarn und 36 aus der DDR) und Gäste aus Afrika, Asien, Lateinamerika und Nordamerika sowie Beobachter befreundeter Organisationen, wie des Ökumenischen Rates der Kirchen,1 des Christlichen Studentenweltbundes,2 der Orthodoxen Jugendorganisation Syndesmos,3 der internationalen Bewegung Katholischer Landjugend4 und des Weltbundes Demokratischer Jugend5 teil.
Die Konferenz stand unter dem Thema: »Glaube und Gerechtigkeit«.
Die Vorbereitung und Durchführung dieser Konferenz stand unter der Leitung des Generalsekretärs des Ökumenischen Jugendrates in Europa,6 Pfarrer Hickel,7 Leipzig, und des Pfarrers Anker, Cornelis,8 Niederlande.
In seiner Eröffnungsansprache unterstrich Pfarrer Hickel die Bedeutung von Entspannung, Gerechtigkeit und Frieden. Der Redner orientierte darauf, mit der Konferenz einen Beitrag zur Verhinderung einer atomaren Katastrophe zu leisten. Er würdigte ferner die bereitwillige Unterstützung zur Schaffung guter Tagungsbedingungen seitens der staatlichen Organe und der CDU der DDR. Im weiteren Verlauf der Konferenz wurde diese Aussage durch eine Reihe von Tagungsteilnehmern unterstrichen, indem sie sich anerkennend über die gute Unterbringung und Betreuung aussprachen.
Der Leiter der Kommission für kirchliche Jugendarbeit beim Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR, Pfarrer Dorgerloh, Fritz,9 Potsdam, brachte während der Eröffnungsveranstaltung zum Ausdruck:
»Der Glaube im Lande Luthers ist klar! Die Gerechtigkeit wird mitbestimmt in dem Staat, in dem wir leben, wo gute Voraussetzungen für soziale Gerechtigkeit bestehen.«
Er nannte in diesem Zusammenhang K arl Marx als Begründer der sozialen Gerechtigkeit. Dorgerloh verwies auf das gegenseitige Verständnis zwischen Christen und Atheisten in der DDR bei der Überwindung von Schwierigkeiten, die sich aus der Entwicklung ergeben.
Am 7.4.1982 nahm die Ökumenische Jugendkonferenz die Arbeit im Plenum auf.
Unter der Gesamtthemenstellung der Konferenz wurden vier Seminare mit folgenden Arbeitsthemen gebildet:
1. Seminar: »Arbeit, Arbeitslosigkeit und soziale Isolation«
Seminarleiter: Mattheus, Molenmaker10/Niederlande
2. Seminar: »Frieden und Abrüstung«
Seminarleiter: Friedericke Schulze11/DDR – Oranienburg
Karl Brause12/DDR – Pirna
3. Seminar: »Ökusolidarität«
Seminarleiter: Catharina Koemann13/Niederlande
4. Seminar: »Die Rolle der Jugend«
Seminarleiter: Lioletta Corrado14/Italien
Schwerpunkt bildete das Seminar 2 (»Frieden und Abrüstung«), in dessen Mittelpunkt folgende drei Problemkreise standen:
- –
Bestandsaufnahme zum gegenwärtigen Kräfteverhältnis Ost – West in der Rüstungsentwicklung,
- –
Möglichkeiten der Friedenserziehung,
- –
Erfahrungsaustausch über die Friedensbewegung in Europa.
Den Ausgangspunkt dafür bildete ein Referat, gehalten durch Prof. Dr. Gerlach15 von der Sektion Marxismus-Leninismus der Martin-Luther-Universität Halle, zum Thema »Abrüstung – Krieg und Frieden«.
Durch die Seminarleiter wurde ein positiver Einfluss auf den Verlauf der Seminare genommen.
Die Pastorin Schulze führte z. B. das Moratorium der UdSSR16 an und erklärte dazu, damit sei ein »hoffnungsvolles Zeichen gesetzt«. Sie bezeichnete es als Zielstellung des Seminars, darüber nachzudenken, in welcher Form diese Initiative der Sowjetunion unterstützt werden könne.
Es kam bei dieser Themenstellung zu einem konstruktiven Erfahrungsaustausch zwischen den Seminarteilnehmern.
Durch die Seminarteilnehmer aus der DDR
- –
Findel, Cornelia17/Fürstenwalde | Psychiatrie-Diakon in den »Samariteranstalten« Fürstenwalde
- –
[Name, Vorname]/Berlin-Buchholz | Medizin-Studentin Humboldt-Universität Berlin, aktiv in der kirchlichen Jugendarbeit tätig
- –
Gerlach, Johannes18/Karl-Marx-Stadt
- –
Köbernik, Martin19/Magdeburg
(bisher nicht mit negativen Aktivitäten in Erscheinung getreten, jedoch mehrfach Teilnehmer an kirchlichen Jugendveranstaltungen, wie Jungmännerabende und Junge Gemeinde) wurde jedoch unabhängig voneinander im Rahmen des Seminars II der Versuch unternommen, Wehrdienstgesetz,20 Wehrerziehung21 sowie die sogenannte kirchliche »Friedensbewegung« in der DDR, verbunden mit der Problematik »Schwerter zu Pflugscharen«,22 in die Diskussion einzubringen, ohne Resonanz zu erhalten. Von der Mehrheit der Teilnehmer wurde Unverständnis für diese Haltung gezeigt, wobei sie auf tatsächliche und bedeutsame Maßnahmen im internationalen Friedenskampf verwiesen. Daraufhin verzichteten die vier Genannten auf einen weiteren Seminarbeitrag im Erfahrungsaustausch über Aktivitäten der Friedensbewegung, legten jedoch den Entwurf eines »Briefes an die jungen Christen Europas«23 vor, welcher die »SoFd«-Thematik24 beinhaltet. Initiatoren dieses Briefes waren Gerlach, Johannes und Köbernik, Martin.
Durch das aktive Engagement einiger Teilnehmer sowie der Seminarleitung wurde der Inhalt dieses Briefes »als nicht typisch und nicht wichtig für die europäische-christliche Jugend« abgelehnt.
Ein Brief an die II. Sondervollversammlung der UNO zur Abrüstung,25 der im Auftrag der Seminarleitung vom Vertreter der »Christlichen Friedenskonferenz« (CFK),26 Pfarrer Löber, Otto27 (BRD) – zzt. im Prager Stab der »CFK« tätig – und zwei weiteren Teilnehmern entworfen wurde, wurde vom Plenum der III. Europäischen Ökumenischen Jugendkonferenz bestätigt und verabschiedet. Darin heißt es u. a.
»… wir, die Teilnehmer der III. Europäischen Jugendkonferenz in Burgscheidungen (DDR) aus 18 europäischen Ländern und Gästen aus Afrika, Asien, Lateinamerika und Nordamerika, haben uns zu Ostern ’82 unter dem Thema ›Glaube und Gerechtigkeit‹ versammelt, um über unsere Aufgaben als junge Christen, für eine Welt des Friedens und der Gerechtigkeit, nachzudenken … Es macht sich in der internationalen Politik ein frostiges Klima breit, das alle vorsichtigen Schritte zu mehr Völkerverständigung in Europa und der Welt zerstört. Wir werden versuchen, dies mit allen unseren Möglichkeiten zu verhindern und schließen uns deshalb den millionenfachen Forderungen nach einem Verbot der Neutronenbombe28 und einem Atomwaffenmoratorium in und für Europa an, als einen ersten Schritt auf dem langen Weg der Abrüstung.«
Zu einem der Höhepunkte für die Konferenzteilnehmer gestaltete sich der am 8.4.1982 durch den Stellvertreter des Staatssekretärs für Kirchenfragen, Hermann Kalb29 (CDU), gegebene Empfang. Daran nahmen auch der 1. Sekretär der Kreisleitung der SED Nebra, Mitarbeiter des Rates des Kreises Nebra und Mitarbeiter des Rates des Bezirkes Halle teil.
Durch den Schatzmeister des Europäischen Ökumenischen Jugendrates und Generalsekretär der Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend (AEJ)30 in der BRD, Schmieder, Tilman31/BRD, wurde während des Empfangs zum Ausdruck gebracht, das Anliegen dieser Tagung bestehe u. a. mit darin, Einfluss auf politische Geschehnisse und Entwicklungen in der Welt zur Unterstützung der progressiven Kräfte zu nehmen. Er vertrat den Standpunkt: »Wir handeln auf der Grundlage des Glaubens, der zum politischen Handeln drängt.«
Sehr beeindruckend für die Konferenzteilnehmer war Äußerungen zufolge die am 9.4.1982 durchgeführte Exkursion zur nationalen Mahn- und Gedenkstätte in Buchenwald.
Am 11.4.1982 nahmen die Teilnehmer der III. Europäischen Ökumenischen Jugendkonferenz an einem Ökumenischen Gottesdienst in der »Predigerkirche« in Erfurt teil. Die Predigt hielt der Bischof der Evangelischen Landeskirche der Kirchenprovinz Sachsen und Vorsitzende des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR, Krusche32. In seinen Ausführungen spiegelte sich sein bekannter verfestigter Standpunkt zur sogenannten »eigenständigen kirchlichen Friedensarbeit« wider. Ausgehend von der Bibel betonte Krusche u. a.: »Wo die Angst herrscht, wird selbst das Friedenssymbol wehrloser junger Christen zu einem gefährlichen Gegenstand, der konfisziert werden muss.«
Im Anschluss an den Gottesdienst fand in den Gemeinderäumen der »Predigerkirche« Erfurt ein Gesprächsabend mit Bischof Krusche und den Tagungsteilnehmern sowie ca. 60 Personen aus Erfurter Kirchengemeinden, die dazu eingeladen waren, statt. Während dieser Veranstaltung erklärte Krusche, die Stellung der Kirchen in der DDR würde sich zwischen der Anpassung zum Sozialismus und »gleichzeitiger Opposition« bewegen. Er bezeichnete diesen Umstand als »Lernprozess« für Staat und Kirche. Die Christen in der DDR wollten diesen Weg »als freie Menschen« gehen. Er betonte, die Kirche sei nicht an Konflikten mit dem Staat interessiert. Wenn es jedoch dazu käme, setze sie sich damit auseinander und würde ihren Standpunkt vertreten.
Krusche stellte in diesem Zusammenhang die Notwendigkeit der Unterstützung der jungen Menschen in den Gemeinden heraus.
Die Predigt von Bischof Krusche liegt im Wortlaut vor und kann bei Bedarf angefordert werden.
Neben Bischof Krusche traten während dieser Veranstaltung Vertreter des Exekutivkomitees des Ökumenischen Jugendrates auf. Sie betonten den positiven Verlauf der Jugendkonferenz und unterstrichen den konstruktiven Erfahrungsaustausch sowie die beeindruckenden Erlebnisse während der Konferenz.
Es war festzustellen, dass seitens der Konferenzteilnehmer während der Konferenz und den Begegnungen in den Gemeinden ein großes Informationsbedürfnis zur politischen und sozialen Entwicklung in der DDR, zu Fragen der kirchlichen Jugendarbeit und zum Verhältnis Staat – Kirche zu verzeichnen war. Offensichtlich wurde, dass einige Konferenzteilnehmer, beeinflusst durch die unobjektive Berichterstattung der Medien im westlichen Ausland, mit Vorbehalten in die DDR gekommen waren.
Der inhaltliche Verlauf der Tagung machte deutlich, dass die Konferenz hauptsächlich als Begegnung und Möglichkeit des gegenseitigen Kennenlernens angesehen wurde.
Der insgesamt positive Verlauf der Konferenz widerspiegelt sich in der Verabschiedung von einem Kommuniqué,33 einem Brief an die II. Sondervollversammlung der UNO34 zur Abrüstung, einem Brief an die jungen Christen in Europa.
Die Dokumente liegen ebenfalls im Wortlaut vor und können angefordert werden.
Es kam zu keinen Provokationen bzw. Vorkommnissen mit feindlich-negativem Charakter im Zusammenhang mit der III. Europäischen Ökumenischen Jugendkonferenz in Burgscheidungen.
Die Information ist wegen Quellengefährdung nur zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt.