Probleme mit polnischen Firmen auf Baustelle Kraftwerk Jänschwalde
27. Mai 1982
Information Nr. 276/82 über einige Probleme im Zusammenhang mit den auf der Baustelle Kraftwerk Jänschwalde, [Bezirk] Cottbus, auf der Grundlage von Montageabkommen tätigen polnischen Firmen
In der »Trybuna Ludu« erschien am 6.5.1982 ein Artikel des Berliner Korrespondenten Marek Szymanski,1 in welchem auf den Fortgang der Arbeiten polnischer Betriebe auf der Baustelle des Kraftwerkes Jänschwalde und damit im Zusammenhang stehende Rentabilitätsfragen verwiesen wurde.2 Der Autor weist in diesem Artikel auf zunehmende Disproportionen zwischen dem Arbeitskräfteeinsatz der polnischen Firmen und dem Wert der erbrachten Leistungen hin. Anhand von Kennziffern der Arbeitsproduktivität erläutert er, dass der Arbeitswert pro Beschäftigten nicht mehr wie im Jahre 1978 etwa 1 200 Rubel betrage, sondern mit 466 Rubel die untere Grenze der Rentabilität bereits unterschritten habe.
Im Zusammenhang damit werden die hohe Fluktuationsrate unter den polnischen Beschäftigten und damit einhergehende zunehmende Formalitäten, verbunden mit weiteren Arbeitsverlusten und Erschwernissen, bemängelt.
(Zu vorgenannten Korrespondenten Szymanski liegen dem MfS weitere Hinweise vor, wonach dieser erst kurze Zeit auf diesem Gebiet eingesetzt ist, über wenig Erfahrungen verfügt und den betreffenden Artikel nicht mit der polnischen Botschaft in der DDR abgestimmt hat.)
Dem MfS vorliegende Informationen über den Arbeitskräfteeinsatz der auf der Grundlage von Montageabkommen auf der Baustelle des Kraftwerkes Jänschwalde tätigen polnischen Firmen bestätigen, dass sich seit 1978 die genannten Disproportionen entwickelt haben, jedoch wurden – offensichtlich auch aufgrund fehlender Fachkenntnisse – durch den Verfasser des Artikels spezifische Besonderheiten des Bauablaufes nicht berücksichtigt. Die Ursachen der verminderten Arbeitswerte je Beschäftigten bestehen im Wesentlichen im
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zahlenmäßig zu großem Arbeitskräfteeinsatz durch die polnischen Montagefirmen,
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Rückgang der technologisch günstigen und wertintensiven Arbeiten sowie im
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häufigem Wechsel der Beschäftigten und daraus resultierenden notwendigen neuen Einarbeitungszeiten.
So wurden zur Realisierung der planmäßig zu erbringenden Leistungen von 56 Mio. Rubel im Jahre 1978 durch die polnischen Montagefirmen im Jahresdurchschnitt 4 300 Arbeitskräfte eingesetzt, während bei einer zu realisierenden Plansumme von ca. 28 Mio. Rubel im Jahre 1981 noch immer durchschnittlich 3 800 polnische Werktätige zum Einsatz gelangten.
Noch drastischer setzte sich diese Tendenz im I. Quartal des Jahres 1982 fort, indem von rund 3 450 Beschäftigten lediglich eine Wertsumme von etwa 5 Mio. Rubel erbracht wurde.
Der Ablauf der Bau- und Montagearbeiten, vor allem in der Phase der Fertigstellung, bedingt, dass die produktivsten Arbeiten in der Anfangsphase des Einsatzes der Montagefirmen im Zeitraum der Jahre 1977 bis 1979 lagen, während nach dieser Zeit bis zum jetzigen Zeitpunkt überwiegend Ausbau-, Rest- und Nacharbeiten mit niedriger Produktivität durchgeführt werden. Das wird durch die Entwicklung der Jahresgrößen der zu erbringenden Leistungen
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1978 – 56 Mio. Rubel
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1979 – 53 Mio. Rubel
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1980 – 39 Mio. Rubel
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1981 – 28 Mio. Rubel
deutlich.
Andererseits erfordert die Art der auszuübenden Tätigkeiten jedoch, eine größere Arbeitskräftezahl je 1 000 Rubel Bau- und Montageleistungen einzusetzen, wobei allerdings der gegenwärtige Arbeitskräfteeinsatz nicht in voller Höhe gerechtfertigt wird.
Da diese polnischen Werktätigen nicht auf der Grundlage von Regierungsabkommen, sondern auf der Basis eines Montageabkommens zwischen den vertragsabschließenden Seiten Budimex und Limex tätig sind und der Vertragsgegenstand der Bauleistungsimport ist, bestehen für diese Werktätigen vonseiten der DDR keine arbeitsrechtlichen Verpflichtungen.
Es wird lediglich jährlich der Preis für ein Objekt vereinbart. Die Verträge beinhalten nicht, wie viel Arbeitskräfte der polnische Vertragspartner zur Realisierung des Vorhabens einsetzt. Desgleichen bestehen auch keine Vereinbarungen über deren Austausch.
Von den polnischen Delegierungsbetrieben wird für die polnischen Arbeitskräfte jeweils die Dauer des Einsatzes, der Arbeitsgegenstand und die Qualifikation kaderpolitisch gesteuert.
Die sich für die DDR-Seite daraus ergebenden Verpflichtungen beinhalten u. a. Einwirkung auf den Bevollmächtigten von Budimex, die geplanten Arbeitskräfte zahlenmäßig einzuhalten, um unnötige Probleme (z. B. Unterkunft, Berufsverkehr) zu vermeiden und möglichst keine Mehrkosten für die Inanspruchnahme der einzelnen Objekte entstehen zu lassen.
Dazu gehört darüber hinaus, darauf hinzuwirken, für die derzeitigen und noch zu leistenden Arbeiten den Einsatz derselben Beschäftigten zu sichern, da immer mehr Arbeiten zu bewältigen sind, die eine konkrete Kenntnis des bisherigen Bauablaufes voraussetzen.
Mit Beginn der zunehmenden Unsicherheiten im gesellschaftlichen Leben der VR Polen3 war festzustellen, dass sich nicht nur die Anzahl der in der DDR wohnenden Familienmitglieder von den polnischen Beschäftigten in den entsprechenden Arbeiterwohnunterkünften des Bezirkes Cottbus spürbar erhöhte, sondern gleichzeitig insgesamt eine hohe Fluktuation (im Jahre 1981 betrug diese 68 %) dieser Beschäftigten einsetzte.
In der Vergangenheit lagen dem MfS interne Informationen darüber vor, dass an einer Mehrzuführung polnischer Arbeitskräfte und an deren häufigen Wechsel »Solidarność« besonderes Interesse zeigte, wobei es offensichtlich darum ging, einer größeren Anzahl polnischer Bürger Möglichkeiten einer stabilen Versorgung zu schaffen.
Anlage zur Information Nr. 276/82
[Zusammenfassung eines Artikels aus der polnischen Tageszeitung »Trybuna Ludu«]
»Trybuna Ludu« kritisiert polnische Baubetriebe für ihre Arbeit in Jänschwalde
Warschau, 6. Mai 1982 – »Trybuna Ludu« veröffentlicht am Donnerstag einen Bericht ihres Berliner Korrespondenten Marek Szymanski über den Fortgang der Bauarbeiten am Kraftwerk Jänschwalde im Bezirk Cottbus. Unter der Überschrift »Auf der Baustelle des polnischen Kraftwerkes« wird unter anderem festgestellt, dass es im Hinblick auf den Bau dieses Kraftwerkes durch polnische Betriebe einen Überschuss von mindestens 450 hochqualifizierten Fachleuten gebe. Berechnungen hätten ergeben, dass die Arbeitsproduktivität pro Beschäftigten zurückgeht. »Der Überschuss an Menschen hatte zur Ursache, dass der Wert der Produktion je Beschäftigten monatlich von 1 200 Rubel im Jahre 1978 auf 466 Rubel, das heißt unter die Rentabilitätsgrenze gefallen ist.« Weiter wird darauf verwiesen, dass Direktionen polnischer Betriebe ohne Begründung ständig neue Arbeitskräfte schickten. Kritisiert wird auch, dass 1981 68 Prozent der Belegschaft ausgewechselt wurde. Die damit verbundenen Formalitäten hätten zu großen Arbeitszeitverlusten geführt. Der Beitrag wendet sich gegen die Praktizierung des Prinzips, dass möglichst vielen Menschen zumindest für kurze Zeit eine Arbeitsmöglichkeit außerhalb der Landesgrenzen gegeben wird. In diesem Zusammenhang wird über die Forderung des Investors in den Verträgen informiert, dass mindestens 60 Prozent der Bauleute in Jänschwalde für die Zeit der weiteren Investierung nicht ausgewechselt werden. (übermittelt vom adn-korr[esponenten] Warschau)++si