Regionalkonferenz der Christlichen Friedenskonferenz in Berlin
1. Dezember 1982
Information Nr. 608/82 über die Regionalkonferenz des Regionalausschusses der Christlichen Friedenskonferenz (CFK) vom 22. bis 23. November 1982 in der Hauptstadt Berlin
Vom 22. bis 23. November 1982 fand in der Stephanusstiftung in Berlin-Weißensee die diesjährige Regionalkonferenz der CFK statt. An der Tagung nahmen ca. 200 Personen, kirchliche Amtsträger und Laien, teil.
Als Gäste waren anwesend:
- –
Erzpriester Jablonski1 (Berlin), Russisch-Orthodoxe Kirche,
- –
Pfarrer Hummel2 (ČSSR),
- –
Pfarrer Pawlik3 (Warschau/VRP), vom Polnischen Ökumenischen Rat, Internationaler Sekretär der CFK,
- –
Pfarrer von Zobeltitz4 (BRD/Bremen), Vertreter des Regionalausschusses der CFK der BRD,
- –
Pfarrer Bäss5 (Berlin-West/Neukölln), Vertreter des Sprecherrates der CFK in Berlin-West,
- –
Pastorin Be Ruys6 (Berlin-West), Leiterin des »Hendrik-Kraemer-Hauses« der »Niederländisch-ökumenischen Gemeinde« in Berlin-West,
- –
Pfarrer Eberle7 (Pfalz/BRD).
Die Regionalkonferenz wurde mit einer Bibelarbeit, gehalten von Dr. Johannes Althausen8 (Hauptstadt Berlin), Oberkirchenrat im Konsistorium der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg, eröffnet. Dr. Althausen setzte sich u. a., ausgehend von der Bibel, mit dem Symbol »Schwerter zu Pflugscharen«9 auseinander und verwies darauf, dass die Tendenz, in den Kirchen dieses Symbol zu missbrauchen, keine biblische Grundlage besitzen würde.
Die dazu geführten Gespräche zwischen Staat und Kirche hätten zu einer Einigung geführt, das Symbol nicht zu tragen.
Im Anschluss daran wurde vom Regionalsekretär der CFK, Carl Ordnung10 (Hauptstadt Berlin), ein Referat zum Thema »Die Rolle der Christen in der Friedensbewegung – Überlegungen zu Position und Aufgaben der CFK« gehalten.
Das Referat beinhaltete aktuelle Fragen des Kampfes um die Erhaltung des Friedens und wurde von Tagungsteilnehmern mehrfach als qualitativ gut bewertet.
In drei Gesprächsgruppen, die von Pfarrer Laser, Michael11 (Karl-Marx-Stadt), Dr. Kaltenborn12 (Hauptstadt Berlin) und Pfarrer Schülzgen13 (Hauptstadt Berlin) geleitet wurden, standen Fragen der Auseinandersetzung mit dem Antikommunismus und der Verhinderung der Stationierung von NATO-Mittelstreckenraketen in Westeuropa14 im Mittelpunkt der Gespräche. In den Arbeitsgruppen war eine hohe Teilnehmerzahl festzustellen. Die Aussprachen waren durchgängig von einer positiven Atmosphäre getragen und hatten einen belebenden, vorwärtsweisenden und konstruktiven Charakter.
Von 18.30 bis 20.00 Uhr fand unter der Leitung von Elisabeth Adler15 (Hauptstadt Berlin – Leiterin der Evangelischen Akademie) eine Solidaritätsveranstaltung zum Befreiungskampf der Völker des südlichen Afrikas statt. Daran nahmen ca. 100 Personen teil. Zwei Vertreter der SWAPO aus Namibia sowie der Theologiestudent [Name] aus Angola (zurzeit Humboldt-Universität Berlin) berichteten zur Situation in ihren Ländern. Im Anschluss daran fand eine Solidaritätssammlung statt.
Am 23.11.1982 wurde die Regionalkonferenz mit einer Andacht, gehalten von Pfarrer Peter Franz16 (DDR) aus Kapellendorf, fortgesetzt. Pfarrer Franz appellierte an die Tagungsteilnehmer, sich noch stärker in der Friedensarbeit der CFK in den Gemeinden zu engagieren und mobilisierend zu wirken.
Danach berichteten die anwesenden Gäste über die Situation der Friedensarbeit in ihren Ländern.
Pfarrer von Zobeltitz (BRD) berichtete, dass mit dem Regierungswechsel in der BRD eine neue Situation entstanden sei, die Bedingungen für die Friedensbewegung schwieriger geworden seien und die Spaltungsversuche zugenommen hätten. Die SPD habe sich nach dem Regierungswechsel in eine neue Richtung begeben. Einige Repräsentanten der SPD würden jetzt stärker als zuvor gegen den NATO-Raketenbeschluss auftreten, sich an die Friedensbewegung anlehnen und diese teilweise unterstützen.
Zobeltitz nannte Eppler17 und Egon Bahr,18 die gegenwärtig die Atomwaffen der USA als Verteidigungswaffen nicht akzeptierten, sondern erkennen würden, dass die Strategie der USA vom Erstschlag als Angriffsstrategie eindeutig sei und diese Strategie abgelehnt werden müsse. Zobeltitz betonte weiter, dass man bei der SPD aus der Erfahrung lernen und darauf achten müsse, dass »sie sich nicht vor uns spannen und uns dann wieder fallenlassen«.
Man müsse mit der SPD in Friedensfragen zusammengehen, aber darauf Obacht geben, dass sie die Friedensbewegung in der BRD nicht ins Abseits führt.
Die Pastorin Be Ruys (Berlin-West) sprach über die Friedensaktivitäten in Holland. Sie distanzierte sich von negativen Kräften im »Interkirchlichen Friedensrat«19 (IKV) und hob hervor, dass die Versuche der Bildung einer »Dresdener Plattform« die Spaltung der Friedensbewegung zum Ziele hätte.20 Sie betonte, in der Leitung des IKV würde es gegenwärtig unterschiedliche Tendenzen geben. Die Konzeption der »vier Lausbuben« im IKV, die Verhältnisse der Niederlande auf andere Länder zu übertragen, sei nicht gangbar und müsse konsequent abgelehnt werden.
Jedes Land habe seine eigenen Verhältnisse. Eine blockübergreifende Arbeit sei illusorisch und würde von den Realitäten wegführen. Nicht die Existenz der Blöcke würde den Frieden gefährden, sondern der NATO-Raketenbeschluss. Das sei doch die Kernfrage.
Be Ruys verwies auf den ehemaligen General von Meijenfeldt21 sowie Major a. D. van Andriese,22 die in der Leitung des IKV Repräsentanten der positiven Kräfte seien und den Pazifismus ablehnen. Die Basisgemeinden und Kerngruppen des IKV würden die negative Richtung von Faber,23 Bartels24 u. a. nicht unterstützen.
(Die Pastorin Be Ruys erhielt von den Konferenzteilnehmern starken Beifall.)
Der Vertreter der Russisch-Orthodoxen Kirche, Erzpriester Jablonski (Hauptstadt Berlin) hob in seinem Grußwort besonders den konstruktiven Charakter und die gute Atmosphäre der Regionalkonferenz hervor.
Pfarrer Pawlik (Warschau) berichtete kurz zur Situation in der VR Polen.25 Er führte aus, dass in der VR Polen eine langsame Stabilisierung zu verzeichnen sei. Ökonomisch sei alles noch sehr schwierig. Man hoffe, dass der Ausnahmezustand im Dezember 1982 aufgehoben werde. Das hätte Jaruzelski26 in einem Gespräch mit dem Polnischen ökumenischen Rat zum Ausdruck gebracht.
Die anderen anwesenden Gäste sprachen allgemeine Grußworte.
Im Ergebnis der Regionalkonferenz der CFK wurde bei drei Stimmenthaltungen eine Erklärung angenommen und verabschiedet, in der insbesondere die Friedensaktivitäten der sozialistischen Staaten gegen den NATO-Raketenbeschluss, für Abrüstung und Entspannung unterstützt werden. (Sie wird in der Anlage im Wortlaut beigefügt.)
Während des Verlaufes der Regionalkonferenz wurden keine feindlich-negativen Vorkommnisse festgestellt.
Die Information ist wegen Quellengefährdung nur zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt.
Anlage zur Information Nr. 608/82
Erklärung
Am 22. und 23. November 1982 haben sich Mitarbeiter und Freunde der Christlichen Friedenskonferenz in der DDR zu ihrer jährlichen Regionalkonferenz in Berlin getroffen. Wir haben über die Aufgaben der Christen in der Friedensbewegung gesprochen, unsere Erfahrungen ausgetauscht und nach einer weiteren Verbesserung unserer Arbeit gefragt.
Wir leben auf einem Kontinent, der von der atomaren Vernichtung vorrangig bedroht ist. Drei Jahre sind seit dem Beschluss der NATO vergangen, zusätzliche Raketen in Westeuropa zu stationieren. Diese Waffen schränken die Möglichkeiten der Politik ein. Sie sollen ab Herbst 1983 stationiert werden und sind Waffen für einen Angriffskrieg. Deshalb wird der Widerstand gegen ihre Einführung zur unerbittlichen Notwendigkeit, denn sie sind zurzeit die größte Gefahr für den Weltfrieden.
Das haben zuerst die Bürger der europäischen Staaten erkannt. Die durch das kollektive System der Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa geweckten Erwartungen und Hoffnungen werden durch die Völker der Signatarstaaten der Schlussakte von Helsinki27 verteidigt. Deshalb erleben wir ein Anwachsen der Friedensbewegung. Christen und Kirchen arbeiten dort in vielen Ländern aller Kontinente uneingeschränkt mit und erleben vorbehaltlose Zusammenarbeit. Dabei freuen wir uns über Zeichen der Hoffnung, die in Aktionen der Kirchen, mit Manifestationen der Friedensbewegung und durch politische Entscheidungen zum Ausdruck kommen.
So fordert uns die Erklärung des Reformierten Moderamens in der BRD,28 dass es in der Stellung zu den Massenvernichtungsmitteln um das Bekennen oder Verleugnen des Evangeliums geht, zu Aktionen von gleicher Deutlichkeit heraus. Und die Verpflichtung der Regierung der UdSSR vor der UNO, auf den Ersteinsatz von Atomwaffen zu verzichten,29 gibt uns den Mut, den Sieg der Abrüstungspolitik nicht allein für notwendig, sondern auch für möglich zu halten.
Die Hauptaufgabe der nächsten Monate besteht für uns darin, in der breiten Einheitsfront aller Weltfriedenskräfte die von der US-Regierung in Gang gesetzte neue Rüstungsrunde zu bremsen.
Dabei dürfen wir die Tagesordnung unserer Friedensarbeit nicht durch eigene Bedürfnisse von Eigenständigkeit und Unverwechselbarkeit bestimmen. Denn wir können uns jetzt nicht erlauben, über uns bewegende persönliche oder globale Probleme so zu diskutieren, als sei die Bedrohung durch Pershing II und Cruise Missile eine Nebensache. In diesem Zusammenhang kommt der Analyse und Abwehr der lebensgefährlichen Demagogie des Antikommunismus entscheidende Bedeutung zu. Es ist für uns eine verpflichtende Aufgabe, den Antikommunismus als Manipulationsinstrument für Bedrohungslügen und Vorrüstung zu enthüllen. Zugleich erklären wir unsere Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit allen, deren Ziel die Sicherung des Friedens ist. Unsere Bündnisbereitschaft umfasst jeden, der den Frieden braucht und dafür bereit ist, konkrete Schritte zu unternehmen.
Wir sehen einen untrennbaren Zusammenhang zwischen dem Befreiungskampf der Völker Asiens, Afrikas und Lateinamerikas und unserem Ringen um die Durchsetzung der Politik der friedlichen Koexistenz. Die Mitglieder der Christlichen Friedenskonferenz vertreten mit ihrer Beteiligung am Friedenskampf seit mehr als 20 Jahren die Christen als gleichberechtigte Partner in der Friedensbewegung. Gleichzeitig haben wir in unseren Gemeinden die Verpflichtung aller Christen zum aktiven Frieden-Stiften eingemahnt. So haben wir immer wieder die Kirchen zum verstärkten Einsatz für den politischen Frieden aufgerufen und als Partner kirchliche Friedensaktionen mitgetragen. Darauf werden wir nicht verzichten, denn wir sind der Überzeugung, dass unser Zeugnis für den Frieden geistlich und politisch eindeutig sein soll.
»Unser Fernziel: die Allgemeine und Vollständige Abrüstung!
Erreichbar: nur in geduldigem Ringen, das keine Umwege scheut, um Zeit zu gewinnen für Töchter und Söhne.
Die Parole ›Alles oder Nichts!‹ dient allein dem Krieg. Der Frieden geht weite Wege. Ihm dient auch der kleinste Schritt.«
(Aus dem Friedens-Katechismus der CFK-Basisgemeinde Königswartha.)