Schweres Zugunglück auf der Strecke Berlin-Rostock
7. Juli 1982
Information Nr. 368/82 über ein schweres Zugunglück am 6. Juli 1982 auf der Eisenbahnstrecke Berlin – Rostock
Am 6. Juli 1982, 10.37 Uhr, kam es auf der Eisenbahnstrecke Berlin – Rostock im Streckenabschnitt Grabowhöfe-Vielist, [Kreis] Waren, [Bezirk] Neubrandenburg, zu einem schweren Zugunglück, bei dem der aus Rostock kommende, mit ca. 200 Personen besetzte D 523, Rostock – Berlin, aufgrund überhöhter Geschwindigkeit entgleiste.
Der Zug bestand aus zwei Dieseltriebfahrzeugen, einem Packwagen und acht Reisezugwagen.
Es entgleiste das erste Triebfahrzeug mit einer Achse, das an zweiter Stelle laufende Triebfahrzeug mit allen Achsen und die folgenden sieben Wagen. Letztere stürzten teilweise um, verkeilten sich ineinander und wurden stark beschädigt.
Durch den Unfall wurden 59 Reisende verletzt, von denen sich 27 Personen in stationärer Behandlung befinden (davon fünf mit schweren Verletzungen, keine Lebensgefahr). Unter den Schwerverletzten befinden sich zwei ČSSR-Bürger, unter den Leichtverletzten befinden sich zwei ČSSR-Bürger und ein Bürger der VDR Jemen.
Es entstand ein Sachschaden an Reisezugwagen, Triebfahrzeugen, am Oberbau und an Anlagen von ca. 450 000 Mark (300 Meter Oberbau wurden stark beschädigt).
Der durchgehende Zugverkehr zwischen Rostock und Berlin wurde dadurch unterbrochen. Mit der Wiederaufnahme des Verkehrs ist voraussichtlich am 7. Juli 1982, gegen 18.00 Uhr zu rechnen.
Die Untersuchungen zur Klärung der Ursachen ergaben, dass der Triebfahrzeugführer [Name, Vorname] (40), geb. am [Tag, Monat] 1942, wohnhaft: 2080 Neustrelitz, [Straße, Nr.], Triebfahrzeugführer seit September 1974, parteilos, die aufgrund von Bauarbeiten vorgeschriebene Fahrgeschwindigkeit von 30 km/h beim Befahren einer Weiche nicht einhielt und diese mit ca. 100 km/h befuhr. Diese stark überhöhte Geschwindigkeit führte zwangsläufig zum Entgleisen des Zuges. Der Triebfahrzeugführer sagt zum Sachverhalt bisher aus, dass er sich dem Bahnhof Grabowhöfe mit einer Geschwindigkeit von ca. 105 km/h näherte, die ordnungsgemäße Signalisierung der zu erwartenden Langsamfahrstelle zwar erkannte, jedoch ohne zwingende Gründe darauf nicht reagierte und die Geschwindigkeit nicht verringerte. Erst zu Beginn der Langsamfahrstelle sei ihm plötzlich seine Pflichtverletzung bewusst geworden, worauf er eine Schnellbremsung einleitete, die jedoch erfolglos blieb.
Bei dem [Name] handelt es sich um einen langjährigen, zuverlässigen und einsatzbereiten Triebfahrzeugführer.
Der auf dem zweiten Triebfahrzeug fahrende Triebfahrzeugführer beging keine Pflichtverletzungen.
Die Aussagen beider Triebfahrzeugführer weisen keine Widersprüche auf und werden durch die Fahrtenschreiberdaten sowie durch die Ergebnisse der Ereignisortuntersuchung bestätigt. Anhaltspunkte für vorsätzliche Handlungen zur Herbeiführung dieses schweren Unfalles liegen nicht vor.
Durch den Bezirksstaatsanwalt von Neubrandenburg wurde gegen den Triebfahrzeugführer [Name] ein Ermittlungsverfahren wegen Herbeiführung eines schweren Verkehrsunfalles gemäß § 196 StGB1 eingeleitet und Haftbefehl beantragt.
Die Untersuchungen werden durch die Transportkriminalpolizei im Zusammenwirken mit den zuständigen Organen fortgesetzt.