Tagungen der Evangelisch-methodistischen Kirchen Europas in Herrnhut
29. September 1982
Information Nr. 508/82 über Tagungen der Evangelisch-methodistischen Kirchen Europas in Herrnhut, Bezirk Dresden
In der Zeit vom 10. bis 18. September 1982 tagten in der »Evangelischen Brüder-Unität« in Herrnhut,1 Kreis Löbau, Bezirk Dresden, der »Europäische Rat der Evangelisch-methodistischen Kirche« (10. bis 14.9.1982) und im Anschluss daran die »Konsultativkonferenz Methodistischer Kirchen Europas« (14. bis 18.9.1982).
Die Tagung des »Europäischen Rates der Evangelisch-methodistischen Kirche« (vier Bischöfe und 22 Pastoren/Laien) wurde durch den Ratsvorsitzenden, Bischof Armin Härtel2 (DDR), eröffnet. In seiner Ansprache führte Bischof Härtel unter Bezugnahme auf die alttestamentliche Geschichte von der Sintflut u. a. aus: Da Gott dem Menschen die Erde gegeben habe, dürfe die Welt von uns nicht auf eine sintflutähnliche Stellung zurückgeworfen werden …, die Welt sei heute bedroht, aber man dürfe dieser Bedrohung aussichtsreicher entgegentreten, weil die Welt unter der Zusage Gottes stünde. Die Kirchen müssten immer wieder aus einem selbstgeschaffenen Ghetto heraustreten, so wie Noah die Arche verlassen habe …
Ausgehend davon, dass in der Evangelisch-methodistischen Kirche der DDR seit Jahren aktiv ein Ausschuss für Friedensarbeit wirkt, machte die DDR-Delegation im Verlaufe der Tagung den Vorschlag, einen gleichgearteten Ausschuss im »Europäischen Raum« zu bilden. Diesem Antrag wurde entsprochen. Im gegründeten Ausschuss für Friedensfragen sind die vier Kirchensprengel der Evangelisch-methodistischen Kirchen in Europa – Nord- und Südeuropa, DDR und BRD – vertreten. In der Begründung zur Bildung des Friedensausschusses auf kontinentaler Ebene wird hervorgehoben, dass die Frage des Friedens heute als vordringliche Aufgabe empfunden werde. Der Ausschuss solle helfen, den eigenständigen Beitrag zum Frieden in den einzelnen Kirchensprengeln besser erkennen und wirksamer einbringen zu können. Gedacht sei an Austausch von Informationen und Arbeitsmaterialien sowie an spezielle Seminare zum Thema Frieden.
Der Arbeitsausschuss »Mission« (partnerschaftliche Zusammenarbeit der Evangelisch-methodistischen Kirchen in Europa, Afrika und den USA) berichtete über Fortschritte des Projektes »Afrikanisches Kirchenwachstum und Entwicklung«. Das Ziel dieses Projektes bestehe darin, den afrikanischen Kirchen zu ermöglichen, eigenverantwortlich Programme durchzuführen. Sie sollen dabei nicht nur Empfänger sein, sondern Mitträger. So stellte u. a. die Evangelisch-methodistische Kirche Angolas für eine andere afrikanische Kirche 38 000 Dollar zur Verfügung.
Durch den Arbeitsausschuss »Verlagswesen« wurden die Ratsmitglieder über geplante Neuerscheinungen informiert. Die weiteren Ausschüsse, wie z. B. »Christliche Erziehung«, »Evangelisation«, »Theologische Studien« usw. behandelten innerkirchliche Probleme.Einen breiten Raum innerhalb der Diskussion nahm die Zusammenarbeit mit anderen Kirchen, insbesondere mit der Konferenz der Europäischen Kirchen3 (KEK) ein. Von den einzelnen Rednern wurde wiederholt betont, dass nur auf der Ebene der Zusammenarbeit eine Verbreitung des Evangeliums möglich sei.
Im Verlaufe der Ratstagung wurde festgelegt, das Jahr 1984 als Gedenkjahr zu gestalten, da sich vor 100 Jahren, am 25. Dezember 1884, in der amerikanischen Stadt Baltimore die methodistische Bewegung zu einer eigenen Kirchgemeinschaft konstituierte. Ein Vorbereitungsausschuss unter Vorsitz von Pastor Karl-Heinz Voigt4 (Bremen/BRD) legte dem Rat Anregungen für Aktivitäten auf zentraler sowie örtlicher Ebene vor, so u. a. zur Durchführung von Gemeindeseminaren, Tagungen und Besuchen zwischen den methodistischen Gemeinden.
Am 12.9.1982 nahmen die Mitglieder des »Europäischen Rates der Evangelisch-methodistischen Kirche« am Gottesdienst im ökumenischen Gemeindezentrum der Schlosskirche in Cottbus teil, auf der Bischof Franz Schäfer5 (Schweiz) die Predigt hielt. Anwesend war der Bischof der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg, Forck.6
Als neuer Ratspräsident für den Zeitraum 1982 bis 1984 wurde der Bischof der Evangelisch-methodistischen Kirche der BRD und Berlin (West), Hermann Sticher7 (Frankfurt/Main) gewählt.
Unmittelbar nach Abschluss der Ratstagung wurde durch Bischof Härtel und den Präsidenten der Methodistischen Kirche Irlands, Eyre,8 die »Konsultativkonferenz Methodistischer Kirchen Europas« eröffnet, an der 98 Delegierte und geladene Gäste aus 16 europäischen Staaten teilnahmen. Die Konferenz stand unter dem Motto »Die Verkündigung des Evangeliums im Europa von heute«.
Während der Eröffnung wurde Bezug auf den Tagungsort genommen, der für die Methodistischen Kirchen besondere Bedeutung hat (im Jahre 1738 hielt sich der Begründer der methodistischen Bewegung, der Engländer John Wesley,9 in Herrnhut auf).
In der Berichterstattung wurden nur innerkirchliche Probleme ohne Bezug auf aktuelle politische Tagesfragen behandelt, so u. a.
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Notizen zur Geschichte und Entwicklung,
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Schwerpunkte der Arbeit,
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derzeitige Schwierigkeiten,
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ökumenische Situation,
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Erfahrungen mit der charismatischen (begnadeten) Bewegung.
Das erste Referat zur Konsultativkonferenz hielt Reverend Dr. Peter Bishop10 (Großbritannien) zum Thema »Die Verkündigung des Evangeliums im Europa von heute«. Er führte u. a. aus, dass es keine Zeit in der Geschichte gegeben habe, in der es so wichtig wie heute gewesen sei, den Weg zum Frieden zu finden, denn die Drohung des Krieges sei real. Die Europäer seien durch die moderne Kriegstechnologie, die Eskalation des Wettrüstens und die Politik besonders bedroht. Das Wettrüsten mache auf die Dauer wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt unmöglich. In diesem Zusammenhang brachte er zum Ausdruck, dass die Anwesenheit amerikanischer und sowjetischer Raketen auf dem Territorium Europas nicht mehr Sicherheit bringe, sondern die Lage unendlich gefährlicher mache.
Bishop setzte sich besonders mit der atomaren Bewaffnung auseinander und gab zu bedenken: »Welche Zuversicht kann man haben, dass – wenn Atomwaffen abgefeuert werden – irgendetwas übrigbleiben wird, das sich mit dem deckt, was wir jetzt unter souveränen Staaten verstehen?«
Eine Strategie der atomaren Abschreckung und der atomaren Kriegsführung nannte er »äußerst unmoralisch«. Für die Kirche werde es dringlich, eine theologische Begründung zu geben, weshalb sie sich gegen Atomwaffen und deren Anwendung stelle. In diesem Zusammenhang unterstütze er die Notwendigkeit der Zusammenarbeit der Christen und Nichtchristen in der Friedenssicherung. Einen Großteil seines Referates nahmen theologische Überlegungen zum »Wesen der Bekehrung innerhalb der methodistischen Verkündigung« ein. Hierzu stellte er fest, dass Bekehrung nicht nur innerlich sein dürfe, sondern eine gesellschaftliche Dimension sei.
Pastor Karl-Heinz Voigt (Bremen/BRD) ging in seinem Referat zum Thema »Wie können wir das Evangelium verkündigen? – John Wesleys Antwort und unsere Antwort« auf die Lehren von Wesley und deren Interpretation ein. Die Ausführungen waren rein theologisch.
Pfarrer Johnston Mc. Master11 (Belfast/Irland) referierte zum Thema: »Auf welche Schwierigkeiten stößt die Verkündigung des Evangeliums heute – und wie begegnen wir ihnen.« Er ging dabei von der Situation in Irland aus.
Superintendent Friedrich Hecker12 (Budapest/UVR) referierte zum gleichen Thema. Er stellte heraus, dass in der Ungarischen Volksrepublik Schwierigkeiten in der Verkündigung des Evangeliums auf die Kirche weniger von außen, sondern mehr von innen zukommen.
Die »Konsultativkonferenz Methodistischer Kirchen Europas« wurde ohne Vorkommnisse beendet. Die Delegierten sprachen sich anerkennend über die vorbildliche Organisation aus.
Die Information ist nur zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt.