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Verlauf der Friedensdekade in der DDR 1981

27. Januar 1982
Information Nr. 48/82 über die durchgeführten »Bittgottesdienste für den Frieden in der Welt« und den wesentlichsten Verlauf der sogenannten Friedensdekade der evangelischen Kirchen in der DDR in der Zeit vom 8. bis 18. November 1981

Dem MfS liegen detaillierte interne Erkenntnisse über Verlauf und Inhalt der genannten kirchlichen Veranstaltungen sowie über das Auftreten kirchlicher Amtsträger aus den einzelnen evangelischen Landeskirchen der DDR vor, die nachfolgend zusammengefasst dargestellt werden und im Hinblick auf weitere kirchliche Vorhaben im Jahre 1982 (z. B. Frühjahrssynoden) beachtenswert erscheinen.

Die sogenannte Friedensdekade1 der evangelischen Kirchen in der DDR fand vom 8. bis 18. November 1981 unter dem Thema »Gerechtigkeit – Abrüstung – Frieden« statt. (Über Vorbereitung und Zielstellung der »Friedensdekade« wurde in der Information des MfS Nr. 541/81 vom 27. Oktober 1981 berichtet.)

Entsprechend den zentralen kirchlichen Orientierungen2 wurde die »Friedensdekade« in den Kirchengemeinden am 8. November 1981 mit »Bittgottesdiensten für den Frieden in der Welt« eingeleitet. Grundlage für die inhaltliche Gestaltung bildete die »Gottesdienstordnung« sowie ein Beschluss der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen aus dem Jahr 1978 über die Notwendigkeit, mit kirchlichen Veranstaltungen und Gottesdiensten die »weitere gemeinsame Verantwortung der Kirchen in beiden deutschen Staaten für den Frieden sichtbar zum Ausdruck zu bringen«.3 Dabei sollten »Bittgottesdienste« und »Friedensdekaden« insgesamt dazu genutzt werden, um »das Nachdenken und Handeln in den Gemeinden über Abrüstung, Gerechtigkeit und Frieden auch in Zukunft zu verstärken«.

Bei den durchgeführten »Bittgottesdiensten« ist der religiöse Charakter überwiegend gewahrt und die Verantwortung der Christen für die Erhaltung des Friedens in der Welt hervorgehoben worden.

Zu bemerken ist, dass in den Gemeinden der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsen und der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen die vom Sekretariat des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR herausgegebene Orientierung zum Gottesdienst nur teilweise vorlag. (Die Interpretationen in dieser Orientierung waren geeignet, eine Diskreditierung der gesellschaftlichen Wirklichkeit in der DDR ableiten zu können. Im Zusammenhang mit dem Hauptthema »Erziehung zum Frieden« wurden pazifistische Tendenzen sichtbar.)

Durch diese Kirchenleitungen wurden die Pfarrer darauf hingewiesen, in den Gottesdiensten nicht das Verhältnis Staat – Kirche zu belasten und solche Probleme, die nicht eindeutig religiösen Charakter tragen, nicht zur Sprache zu bringen.

Durch kirchenleitende Personen, Pfarrer und Laien sind während der »Bittgottesdienste« politisch-progressive, loyale, z. T. aber auch pazifistische und politisch-negative Aussagen zu aktuell-politischen Ereignissen erfolgt.

Politisch bezogene Äußerungen mit z. T. verdeckten Angriffen gegen die Politik von Partei und Regierung gab es vor allem in der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen (Magdeburg), der Evangelischen Landeskirche Sachsen (Dresden) und der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg.

Politisch-progressive Aussagen zur Friedenspolitik der DDR wurden insbesondere aus der Evangelischen Landeskirche Greifswald, der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen und der Evangelischen Landeskirche Anhalt bekannt.

Insgesamt gab es keine Abweichungen von den Besucherzahlen der in den Jahren zuvor durchgeführten »Bittgottesdienste« und der weiteren im Rahmen der »Friedensdekade« stattgefundenen kirchlichen Veranstaltungen. Lediglich in der Bezirkshauptstadt Rostock ist eine steigende Tendenz der Besucherzahlen – vorwiegend Jugendliche – festzustellen.

Die Mehrzahl der Pfarrer unterstrich die Notwendigkeit des Kampfes um die Erhaltung des Friedens in der Welt. Es kann eingeschätzt werden, dass der überwiegende Teil der Veranstaltungen nicht politisch missbraucht wurde. Die »Friedensdekade« wurde jedoch von einer Vielzahl der Pfarrer dazu genutzt, in die Gottesdienste Friedensgebete und Andachten mit pazifistischen Auffassungen einzubeziehen.

Die Verbreitung pazifistischen Gedankengutes erfolgte häufig in Anlehnung an das von führenden imperialistischen Kreisen und kirchenleitenden Gremien der BRD propagierte westliche Friedenskonzept.

Das widerspiegelte sich u. a.

  • in der Darstellung neutralistischer Standpunkte zur Abrüstungsproblematik in Ost und West,

  • in Forderungen nach einseitigen Abrüstungsvorleistungen seitens der DDR und der UdSSR (wurde als sichtbares Zeichen echten Friedenswillens deklariert),

  • in der Ablehnung der Propagierung eines Feindbildes und der angeblichen Erzeugung von Hassgefühlen, besonders unter der Jugend der DDR.

Teilweise wurden Zustimmungserklärungen bzw. Befürwortungen der Forderung zur Einführung eines sogenannten Sozialen Friedensdienstes4 (SOFD) in der DDR als Alternative zum Wehr- und Wehrersatzdienst abgegeben bzw. verkündet.

Darüber hinaus beinhalteten politisch-negative Aussagen und Tendenzen

  • Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Friedenspolitik der DDR, z. T. verbunden mit direkten oder indirekten Angriffen gegen die Militärpolitik der DDR,

  • Angriffe gegen die Bildungspolitik der DDR, insbesondere gegen die kommunistische Erziehung der Jugend sowie

  • Angriffe gegen die sozialistische Wehrerziehung,5 insbesondere an den Schulen, und gegen die vormilitärische Ausbildung in der GST,6

  • negative Meinungsäußerungen gegen Übungen der Zivilverteidigung,

  • Aufrufe zum Umtausch von Spielzeug mit militärischem Charakter.7

In den einzelnen Landeskirchen gab es weiterhin – wenn auch vom Umfang her unterschiedlich – Aktivitäten zur Herstellung und Verbreitung von Symbolen mit teilweise pazifistischem Charakter, u. a. der Abbildung des Friedensdenkmals vor dem UNO-Gebäude (stählerne Skulptur mit der Darstellung des Umschmiedens von Schwertern zu Pflugscharen8), vorwiegend in Form von Aufklebesymbolen, Aufnähern für Bekleidungsgegenstände, Lesezeichen, Plaketten und Tüchern, die mittels Batiktechnik gestaltet waren.

Im Folgenden wird entsprechend den vorliegenden internen Hinweisen eine detailliertere Darstellung zur inhaltlichen Gestaltung und Durchführung der »Bittgottesdienste« und »Friedensdekade« in den einzelnen evangelischen Landeskirchen der DDR gegeben:

Evangelisch-Lutherische Kirche Thüringen

Durch Bischof Leich9 wurden die Superintendenten der Landeskirche mittels Rundschreiben vom Oktober 1981 dahingehend orientiert, dass »… wir angesichts der großen Gefährdung des Friedens wenigstens kleine Versuche des Betens für den Frieden, des Stiftens von Versöhnung in unserer Umgebung und des Eintretens für gewaltlose Konfliktlösung, Abrüstung und endlich Versöhnung unter den Völkern unternehmen müssen …«.

Entsprechend dieser Orientierung gestaltete die Mehrzahl der evangelischen Pfarrer den Gottesdienst, wobei teilweise auf das Material des Bundes Bezug genommen wurde. Es erfolgten jedoch keine provokatorischen Äußerungen. (Der andere Teil der Pfarrer stellte in den Gottesdiensten keinen Bezug auf das Material der »Friedensdekade« her.)

Politisch-progressive Aussagen zum Verhältnis Staat – Kirche, für das Verbot der Neutronenwaffe,10 gegen die zusätzliche Stationierung von Raketen in der BRD11 sowie gegen den »Sozialen Friedensdienst« als eine unrealistisch und illusorische Initiative trafen: Oberkirchenrat Saft12 (Gotha)/Propst Stubbe13 (Nordhausen) und Superintendent Reder14 (Weimar).

Politisch-negative Äußerungen wurden von Superintendent Siebert15 (Jena) und Pfarrer Klaus Böhme16 (Greiz) bekannt, die sich gegen die sozialistische Wehrerziehung wandten und verlangten, dass die Politiker in der DDR ihren nationalen Egoismus überwinden müssten, wenn der Frieden erhalten bleiben sollte. Pfarrer Böhme erklärte u. a., dass die »Besetzung Afghanistans durch die Sowjetunion17 als eine friedensbedrohende Haltung« anzusehen sei.

Evangelische Landeskirche Anhalt

Die überwiegende Mehrheit der Kirchengemeinden der Landeskirche führte den »Bittgottesdienst« auf der Grundlage der »Gottesdienstordnung« durch.

Von kirchenleitenden Personen war in Vorbereitung der »Friedensdekade« keine orientierende Einflussnahme auf die Durchführung der »Bittgottesdienste« genommen worden. Die »Bittgottesdienste« trugen im Wesentlichen religiösen Charakter.

Evangelische Kirche des Görlitzer Kirchengebietes

Die »Bittgottesdienste« wurden innerhalb der Landeskirche auf der Grundlage der »Gottesdienstordnung« mit differenzierten Aussagen durchgeführt. Das Problem »Friedenserhaltung« wurde jedoch in der Mehrzahl der Gottesdienste rein theologisch abgehandelt. Nach vorliegenden Hinweisen gaben Pfarrer in den »Bittgottesdiensten« keine Stellungnahme zum »Sozialen Friedensdienst« ab.

Bischof Wollstadt18 (Görlitz) ging in seiner Predigt auf das Interview des Genossen Breshnew19 (ND vom 3. November 1981)20 ein und verwies auf die Notwendigkeit der Abrüstung und die Verantwortung der Christen. Superintendent Maiwald21 (Schleife) brachte zum Ausdruck, dass nach jahrelanger Ruhepause der Frieden durch den Beginn einer neuen Rüstungsperiode gefährdet sei wie nie zuvor, Schweigen zur Gefahr eines neuen Krieges tödlich wäre und nicht geschossen werde, solange zwischen den Großmächten UdSSR und USA verhandelt wird.22

Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsen

Die »Bittgottesdienste« in der Landeskirche wurden von Pfarrern inhaltlich selbst gestaltet, da vom Landeskirchenamt zur »Friedensdekade« keine konkrete Themenstellung vorgegeben wurde.

Nach vorliegenden internen Informationen hatte das Landeskirchenamt darauf orientiert, den Veranstaltungen einen politisch-loyalen Charakter zu geben und insbesondere Zwischenfälle und Äußerungen, die sich gegen den Staat richten, zu vermeiden.

In der Mehrzahl der Predigten wurden zum Problem Frieden Aussagen getroffen, wie: Frieden beginnt in der Familie bis hin zu den Völkern und zwischen diesen; über Frieden muss man reden, auch zwischen Ländern der sozialistischen und kapitalistischen Welt; Frieden ist auch Sache der Kirche, sie muss sich dafür verantwortlich fühlen und darüber reden.

In der Kirchengemeinde in Geithain wurde der »Bittgottesdienst« unter Einbeziehung von sieben Mitgliedern der Jungen Gemeinde gestaltet, welche u. a. zum Ausdruck brachten:

Die Wehrpflicht werde anerkannt und die Jugend müsse sich der Pflicht bewusst sein und den Frieden verteidigen, die Ausgaben für die Verteidigung der DDR seien nicht für eine Aggression gedacht.

In den Bezirken Karl-Marx-Stadt und Leipzig gab es in den »Bittgottesdiensten« nur in Einzelfällen Angriffe gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung; im Bezirk Dresden wurde in mehreren Kirchen der »Bittgottesdienst« zu negativ-feindlichen Aussagen missbraucht.

Pfarrer Hempel23 (Großschönau)/Pfarrer Richter24 (Pirna), Pfarrer Günzel25 (Schellerhau), Superintendent Birkner26 (Löbau) sowie Pfarrer Eggert27 (Oybin) sprachen sich gegen sozialistische Wehrerziehung, Wehrpflicht und Fahneneid, gegen Maßnahmen der Zivilverteidigung sowie für einen »Sozialen Friedensdienst« aus.

Pfarrer Eggert ging in seiner Predigt auf die Havarie des sowjetischen U-Bootes vor der schwedischen Küste28 ein und brachte zum Ausdruck, dass dieses mit atomaren Sprengköpfen ausgerüstet gewesen sei.

Auf die Ableistung des Fahneneides bei der NVA eingehend sagte er, »… Jeder soll sich überlegen, was danach auf ihn zukommt, z. B. Anwendung von Schusswaffen gegen Bürger der BRD, die eigentlich mehr mit uns verwandt sind wie die SU-Bürger, die uns aufgezwungen wurden …«

Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg

Innerhalb der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg wurden die »Bittgottesdienste« in der überwiegenden Mehrzahl der Kirchengemeinden durchgeführt. Der größte Teil der Pfarrer hielt sich an die vorgegebene »Gottesdienstordnung«, und dabei auch an die Passagen, die von pazifistischen Gedanken durchdrungen waren, ohne in der Predigt über den Text dieser Ordnung hinauszugehen.

Im Bezirk Potsdam traten die Pastorin Schröder29 (Potsdam), Pfarrer Schalinski30 (Potsdam), Pfarrer Zimmermann31 (Treuenbrietzen) und Pfarrer Schmidt32 (Oehna) während der »Bittgottesdienste« durch politisch-positive Aussagen in Erscheinung. Sie stellten die Bedeutung des Friedens für die Menschheit heraus, sprachen sich gegen die Produktion von Massenvernichtungswaffen und für Abrüstung aus und verurteilten die Hochrüstungspolitik der USA. Durch die Pfarrer Schmidt und Schalinski wurde den führenden Politikern der DDR der Dank für ihren Einsatz für den Frieden ausgesprochen.

Pfarrer Zimmermann klagte Präsident Reagan33 an, die Welt an den Abgrund eines Dritten Weltkrieges zu bringen.

Generalsuperintendent Schuppan34 (Eberswalde) forderte in seiner Predigt Abrüstungsmaßnahmen und ein konkretes Auftreten der Christen für den Frieden. Er betonte, die Fragen des Friedens seien den Kirchen und dem Staat gegenwärtig gleichermaßen als Aufgabe gestellt.

Politisch-negative Aussagen durch einige wenige Pfarrer zur Politik von Partei und Regierung wurden vorwiegend aus Kirchenkreisen der Hauptstadt der DDR, Berlin, und den Bezirken Potsdam und Cottbus bekannt.

Der Superintendent Amme35 (Berlin), Pfarrer Mueller-Schlomka36 (Berlin), Pfarrer Petran37 (Berlin), Pfarrer Knecht38 (Berlin) und Propst Winter39 (Berlin) sprachen sich für die Einführung eines »Sozialen Friedensdienstes«, für eine »objektive« Berichterstattung im »ND«, gegen die sozialistische Wehrerziehung und die kommunistische Erziehung in den Schulen aus.

Propst Winter forderte die Abschaffung der sozialistischen Wehrerziehung sowie der Produktion und Einführung von »Kriegsspielzeug«. Er gab bekannt, dass am 29. November 1981 und 26. Dezember 1981 in der Stadtkirche in Köpenick Kinder ihr »Kriegsspielzeug« gegen »friedliches Spielzeug« umtauschen könnten.

Superintendent Amme schloss in sein Gebet die sich in U-Haft befindlichen Klaus Teßmann40 und Eckart Hübener41 (inhaftiert wegen staatsfeindlicher Hetze gemäß § 106 StGB) ein.42

Pfarrer Müller-Schlomka bezeichnete das im BRD-Fernsehen ausgestrahlte »Interview« Pfarrer Eppelmanns43 mit dem »Kommunisten« Havemann44 als einen deutlichen Ausdruck für die Erhaltung des Friedens und brachte seinen Dank gegenüber Pfarrer Eppelmann für dessen »mutigen« Schritt zum Ausdruck.

Superintendent Delbrück45 (Guben), Pfarrer Ehrenwerth46 (Guben), Pfarrer Berndt-Atterwasch47 (Guben), Superintendent Esselbach48 (Neuruppin), Pfarrer Schubach49 (Lindow) und Pfarrer Magirius50 (Germendorf) sprachen sich für die Einführung eines »Sozialen Friedensdienstes«, für die Verbesserung des Verhältnisses der DDR zur VR Polen, gegen die vormilitärische Ausbildung und die militärische Unterstützung von Entwicklungsländern aus.

Superintendent Esselbach vertrat die Auffassungen, die Beschaffung von Waffen für Entwicklungsländer sei keine Solidarität; der humanistische Verwendungszweck der Solidaritätsspenden sei anzuzweifeln; die Synode der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg habe tausend Briefe für den »Sozialen Friedensdienst« erhalten.

Pfarrer Magirius brachte zum Ausdruck, seine Kirche identifiziere sich mit der Lage in der VR Polen.51 Die polnischen Bürger seien an der derzeitigen Lage nicht schuld und ließen sich auch keinen anderen Willen aufzwingen.

Evangelische Landeskirche Greifswald

»Bittgottesdienste« fanden in der überwiegenden Mehrheit der Kirchengemeinden statt. Im Wesentlichen enthielten sie keine direkten Angriffe gegen die Politik von Partei und Regierung; theologische Aspekte standen im Mittelpunkt der inhaltlichen Gestaltung der »Bittgottesdienste«.

Propst Witte (Klütz)52 brachte in seiner Predigt zum Ausdruck, die Erhaltung des Friedens sei das Wichtigste auf der Welt, und es müsse alles getan werden, um ihn zu erhalten.

Pfarrer Sundhaußen53 (Greifswald) und Pfarrer Seibt54 (Stralsund) unterstützten die Forderung nach einem »Sozialen Friedensdienst«.

Evangelisch-Lutherische Landeskirche Mecklenburg (Schwerin)

Die inhaltliche Gestaltung der »Bittgottesdienste« erfolgte auf der Grundlage der »Gottesdienstordnung«. In vielen Predigten wurde auf die Verantwortung der Christen für den Frieden hingewiesen und auf die Durchführung der »Friedensdekade« orientiert. Innerhalb des Bezirkes Schwerin fanden nach vorliegenden Informationen nur in den Kreisen Schwerin, Ludwigslust, Güstrow und Parchim »Bittgottesdienste« statt.

Bei der überwiegenden Zahl der durchgeführten »Bittgottesdienste« kam es zu keinen Provokationen bzw. feindlich-negativen Angriffen klerikaler Kräfte gegen die sozialistische Gesellschaftsordnung.

Die »Friedensdekade« innerhalb der Landeskirche wurde mit einem Gottesdienst auf der Synode in Schwerin55 durch Bischof Rathke56 eröffnet. In seiner Predigt brachte er u. a. zum Ausdruck, dass mit Waffen und Rüstung kein Frieden herbeiführbar ist; dies wäre nur durch gegenseitiges Vertrauen möglich.

Superintendent Wellingerhof57 (Schwerin) und Propst Voß58 (Schwerin) gaben den Politikern in Ost und West gleichermaßen Schuld für die derzeitig gespannte politische Lage.

Propst Voß äußerte sich dahingehend, dass nur die Christen in der Lage seien, den Kampf für den Frieden erfolgreich zu führen. Dies betreffe auch solche Fragen, wie Jugendweihe59 und Wehrdienst. Er sprach den Marxisten die Fähigkeit ab, den Frieden zu erreichen und zu erhalten. Solche Praktiken, wie Wehrerziehung, Wehrdienst und Zivilverteidigung, seien auf keinen Fall geeignet, den Frieden zu sichern und zu schützen.

Pfarrer Schulz60 äußerte sich negativ zur Einbeziehung wehrpolitischer Fragen in die Arbeit mit der Jugend und kritisierte die Anerziehung eines Feindbildes an den Schulen der DDR. Gleichzeitig brachte er zum Ausdruck, dass es für die »Deutschen« vernünftig sei, wenn die DDR aus dem Warschauer Vertrag61 und die BRD aus der NATO austreten würden.

Pastor Mützke62 (Dömnitz) und Pfarrer Schulz (Templin) verurteilten den USA-Imperialismus und insbesondere die durch ihn forcierte Hochrüstung und würdigten die Friedensinitiative der UdSSR sowie deren Bemühungen zur Abrüstung.

Evangelische Kirche der Kirchenprovinz Sachsen (Magdeburg)

In der Mehrzahl der evangelischen Kirchengemeinden wurde während der »Bittgottesdienste« Bezug auf die »Friedensdekade« genommen: Die »Bittgottesdienste« wurden im Rahmen der üblichen Sonntagsgottesdienste durchgeführt. Im Zusammenhang mit dem Hauptthema »Erziehung zum Frieden« wurden verschiedentlich Probleme der Wehrerziehung, des Wehrdienstes, der allgemeinen Abrüstung und des Verkaufs von Spielzeug militärischen Charakters angesprochen. In mehreren Gottesdiensten wurden zum Problem »Sozialer Friedensdienst« zustimmende Aussagen getroffen.

Pfarrer Quast63 (Magdeburg), Pfarrer Dieckmann64 (Lostau), Pfarrer Schulze65 (Halle), Pfarrer Schlase66 (Merseburg) äußerten sich in ihren Predigten gegen die Herausbildung eines Feindbildes und gegen den Ehrendienst67 in der NVA.

Pfarrer Quast sprach sich für den Wehrersatzdienst68 in Form eines »Sozialen Friedensdienstes« aus und warf der Regierung der DDR »Schwäche« vor, weil sie an vorgegebene Propaganda und an Verträge gebunden sei.

Des Weiteren sprach er sich gegen den Bau der Neutronenbombe aus, da der Bau dieser Waffe die sozialistischen Länder zur Nachrüstung zwinge.

Pfarrer Schulze äußerte sich in der Form, dass »alle nur aufrüsten wollen, ob Breshnew oder Reagan, beide lügen«. Er lehnte den Wehrunterricht in der DDR ab.

Pfarrer Schlase vertrat in seiner Predigt die These: »… Im Friedenskampf gilt – Qualität macht Quantität …«

Pfarrer Kawerau69 (Halle) sprach sich gegen jegliche Aufrüstung aus und richtete einen Appell an die Jugendlichen, den Wehrdienst zu verweigern, »wenn sie es mit ihrem eigenen Gewissen vereinbaren können«.

Während der sich an die »Bittgottesdienste« anschließenden »Friedensdekade« wurden in der Mehrzahl der evangelischen Gemeinden weitere kirchliche Veranstaltungen (Gemeinde-, Jugendabende, Gottesdienste, Friedensgebete u. a.) durchgeführt.

Von der Grundtendenz her stimmte der inhaltliche Charakter der »Friedensdekade« mit den in den »Bittgottesdiensten« vertretenen Ansichten zu politischen Problemen überein. Die Veranstaltungen während der »Friedensdekade« waren jedoch noch stärker von individuellen Haltungen der Pfarrer geprägt.

Dabei wurde festgestellt, dass noch intensiver als während der »Bittgottesdienste« durch eine Reihe Pfarrer pazifistische Auffassungen im Zusammenhang mit der Betonung der Notwendigkeit der Erhaltung des Friedens öffentlich vertreten wurden, wobei diese in einigen Fällen bis zu feindlich-negativen Äußerungen und zu Aufforderungen reichten, gegen bestimmte Bereiche der Politik der DDR aufzutreten.

Die Besucherzahlen der Veranstaltungen während der »Friedensdekade« lagen nicht über dem üblichen Durchschnitt.

Absichten, wonach durch politisch-negative Kräfte öffentlichkeitswirksame Aktionen in Form sogenannter Friedensmärsche durchgeführt werden sollten (Halle und Senftenberg, [Bezirk] Cottbus), wurden durch entsprechende staatliche Maßnahmen verhindert.

Politisch-progressive bzw. loyale Aussagen zur Friedenspolitik der DDR wurden insbesondere aus der Evangelischen Landeskirche Greifswald, der Evangelisch-Lutherischen Kirche Thüringen und der Evangelischen Landeskirche Anhalt bekannt.

Politisch-negative Aussagen gegen die Politik von Partei und Regierung gab es vorwiegend in der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen (Magdeburg), der Evangelischen Landeskirche Sachsen (Dresden) und der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg.

Die inhaltliche Gestaltung und die Durchführung der »Friedensdekade« verlief in den einzelnen evangelischen Kirchen in der DDR wie folgt, wobei insbesondere die bekannt gewordenen Beispiele negativen Inhalts hervorgehoben werden:

Evangelisch-Lutherische Kirche Thüringen

Die überwiegende Mehrheit der Pfarrer nutzte die auch sonst regelmäßig stattfindenden Veranstaltungen, um verstärkt auf die Notwendigkeit der Erhaltung des Friedens hinzuweisen.

In einzelnen Fällen wurden die Veranstaltungen missbraucht, um politisch-negative Aussagen zu treffen.

Pfarrer Jensch70 (Hinternah) führte aus, die Menschen seien »im Geiste alle unfrei«, würden zu »Ja-Sager-Typen« entwickelt, und keiner habe den Mut, »Nein« zu sagen. Des Weiteren äußerte er, »dass es nicht möglich sei, allen Christen eine Uniform anzuziehen, einen Stahlhelm aufzusetzen und die Denkrichtung vorzuschreiben«.

Der evangelische Pfarrer Baumgarten71 (Dingelstädt) plädierte dafür, dass man nicht nur für den Abzug amerikanischer Atomraketen, sondern auch um den Abzug der in Europa stationierten sowjetischen Mittelstrecken-Raketen kämpfen müsse, um eine atomwaffenfreie Zone zu schaffen.

Superintendent Große72 (Saalfeld) trat während eines Gottesdienstes provozierend gegen die Friedens- und Militärpolitik der DDR auf. Er brachte u. a. zum Ausdruck: »… Wir brauchen kein Sirenengeheul, wir brauchen keine Marschbefehle, wir brauchen keine Grenzen und kein[e] Visa …«

In der Evangelischen Landeskirche Anhalt und der Evangelischen-Landeskirche Greifswald trugen die Veranstaltungen im Rahmen der »Friedensdekade« überwiegend theologischen Charakter. Von vielen Pfarrern wurde die Notwendigkeit des Kampfes um den Frieden betont. In wenigen Fällen wurden zustimmende Haltungen zur Schaffung eines »Sozialen Friedensdienstes« vertreten.

In einer Reihe Gemeinden wurden die bereits erwähnten Symbole und Aufnäher »Schwerter zu Pflugscharen« in unterschiedlicher Menge verteilt bzw. verkauft. Sie waren u. a. von der Brüdergemeinde Herrnhut73 u. a. kirchlichen Gemeinden angefertigt worden.

Aus der Landeskirche Greifswald wurde bekannt, dass der Kreisjugendwart Düben74 (Stralsund) die am 4. November 1981 zur NVA Einberufenen als jene bezeichnete, »die in Unfreiheit unter dem Befehl des antihumanistischen Militär-Regimes stehen«. Düben verteilte Aufnäher mit dem Text »Schwerter zu Pflugscharen«.

Pfarrer Sundhaußen (Greifswald) forderte indirekt zur Nichtteilnahme am Unterrichtsfach Sozialistische Wehrerziehung und an der Zivilverteidigung sowie zur Ablehnung des Dienstes mit der Waffe in der NVA auf.

Evangelisch-Lutherische Landeskirche Mecklenburg

In der überwiegenden Zahl der durchgeführten Gottesdienste und kirchlichen Veranstaltungen wurden allgemeine Aussagen zu den Problemen Friedenssicherung, Abrüstung, Umweltschutz und Ausgestaltung der zwischenmenschlichen Beziehungen getroffen.

Pfarrer Taetow75 (Güstrow) brachte zum Ausdruck, es käme jetzt darauf an, das Anliegen zum »Sozialen Friedensdienst« weiter zu verbreiten und in den dafür erforderlichen Gesprächen mit den staatlichen Organen durchzuhalten.

In Templin verteilte Pfarrer Schulz während der »Friedensdekade« während kirchlicher Veranstaltungen Aufkleber mit der Aufschrift »Schmiedet Schwerter zu Pflugscharen«.

Evangelische Kirche des Görlitzer Kirchengebietes

Das Problem Frieden wurde in der Mehrzahl der Kirchen theologisch behandelt. Die Veranstaltungen waren überwiegend schwach besucht. Die Wirksamkeit der »Friedensdekade« ist im Görlitzer Kirchengebiet gegenüber 1980 geringer geworden.

Pfarrer Jordan76 (Ruhland) nutzte den Gottesdienst zu Angriffen gegen die Verteidigungspolitik der DDR, indem er äußerte:

»… Christen sollen sich für die Abschaffung des Wehrunterrichtes einsetzen und die eigenen Kinder nicht daran teilnehmen lassen. Man solle die Beteiligung der Jugendlichen an der vormilitärischen Ausbildung verhindern, da diese dem Krieg dient. Die Kampfgruppen der Arbeiterklasse sollen zu Einsatzgruppen für Katastrophenfälle umfunktioniert werden.«

Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsen

Die »Friedensdekade« verlief im Bereich der Landeskirche entsprechend der vom Landeskirchenamt gegebenen Orientierung, den Veranstaltungen einen politisch-loyalen Charakter zu geben. Vereinzelt wurden Pfarrer bekannt, die politisch-negative Aussagen zur Politik von Partei und Regierung trafen.

Jugendpfarrer Gröger77 (Leipzig) wandte sich in seiner Predigt gegen Maßnahmen der Landesverteidigung in den sozialistischen Ländern. Er führte aus, dass über das Rüstungspotenzial in den NATO-Staaten jedermann Bescheid wisse und gegen diese[s] protestieren könne. Letzteres sei bei uns in der DDR verboten, und die Zahl der SS-20-Raketen werde geheim gehalten. Er sprach sich für Vorleistungen der sozialistischen Staaten auf dem Gebiet der Abrüstung aus.

Am 18. November 1981 fand in der Nikolai-Kirche (Leipzig) ein Jugendgottesdienst statt. An diesem Gottesdienst nahmen ca. 800 Jugendliche und Jungerwachsene teil. In einem von Jugendlichen gezeigten Sketch zu Beginn der Veranstaltung wurde dazu aufgefordert, die Mauern zwischen Ländern und Menschen niederzureißen, da sie die Ursachen für Missverständnisse, Angst und Unsicherheit darstellten und damit letztendlich Ursache für Kriege wären.

Pfarrer Roscher78 (Krumhermersdorf) warf in seiner Predigt folgende Fragen auf: Ist das Frieden, wenn gesagt wird, die Polen, die sollen erst einmal arbeiten lernen; wenn gesagt wird, was sollen diese Tschechen bei uns, die kaufen bloß alles weg; wenn in Karl-Marx-Stadt und anderen Orten der Niedergang einer Atombombe gespielt wird; wenn Kinder von klein auf Kriegsspiele lernen.79

Im Bereich der Landeskirche wurden Aufnäher und Lesezeichen mit der Aufschrift »Schwerter zu Pflugscharen schmieden« verteilt.

Am 15. November 1981 führte der Singewart der Landeskirchengemeinde Schneeberg, Gerhardt,80 eine kirchliche Veranstaltung unter dem Thema »Schwert und Pflugschar« durch. Er hatte 100 Tücher 40 × 40 cm in Batiktechnik mit dem Emblem »Schwert und Pflugschar« herstellen lassen und verteilte diese Tücher unter den Teilnehmern.

In mehreren Kirchengemeinden des Kreises Zittau und Dresden-Stadt wurden ebenfalls durch die Junge Gemeinde Stoffanhänger und Lesezeichen mit dem Symbol »Schwerter zu Pflugscharen« verteilt und in Schulen getragen.

Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg

Stärker als in anderen Kirchenbereichen wurde während der durchgeführten kirchlichen Veranstaltungen pazifistisches Gedankengut verbreitet.

Am 18. November 1981 fand in der Marienkirche ein Gottesdienst zum Thema »Für weniger Waffen in der Welt« statt. Die Predigt hielt Bischof Forck.81 An der Veranstaltung nahmen ca. 1 000 Teilnehmer teil.

Bischof Forck stellte den Wehrdienst, den Bausoldatendienst und die Wehrdienstverweigerung82 gleich, es komme nur darauf an, Zeichen für den Frieden zu setzen. Undifferenziert rief er zur Abrüstung auf, ohne auf die NATO-Hochrüstung einzugehen.

Pfarrer Werdin83 (Spremberg) forderte im Rahmen seines Gottesdienstes ein Kind auf, vor dem Altar das gesamte mitgebrachte Spielzeug militärischen Charakters mit einem Hammer zu zertrümmern und es gegen von der Kirche gespendetes Spielzeug umzutauschen.

Dr. Lux84 (Studentenpfarrer/Cottbus) führte im Rahmen eines Stadt-Männer-Abends aus, dass die missglückte Geschichte der Kirche und ihr missglücktes Verhältnis zur Arbeiterschaft und die Differenz zwischen Kirche und Naturwissenschaft die Gesellschaft zwischen den Christen und Sozialisten belastet.

Als weitere »belastende« Faktoren für die Gesellschaft bezeichnete er die Verbindung von Ideologie und staatlicher Macht, von Partei und Thron, den Anspruch des Marxismus-Leninismus als die einzige wissenschaftliche Weltanschauung und den Ausschließlichkeitsanspruch der sozialistischen Ideologie in der Schule.

Lux fügte hinzu, der Sozialismus müsse einer distanzierten Diskussion unterzogen werden.

Pfarrer Gümbel85 (Eichwalde) lehnte die Verteidigungspolitik der DDR ab und brachte zum Ausdruck, die Rüstung sei im Osten notwendig, um das System des Kommunismus zu erhalten.

Unter der Leitung des Studentenpfarrers Dittmer86 (Potsdam) fand vom 18. zum 19. November 1981 in der Zeit von 22.00 bis 2.00 Uhr eine sogenannte Friedensnacht statt. Circa 80 Personen nahmen an dieser Veranstaltung teil. Im Mittelpunkt stand folgendes »Spiel«: Aufbau einer »Mauer« aus Kartons. Jeder, dem ein Wort zum Thema Frieden einfiel, konnte die »Mauer« Stein für Stein abbauen.

Jugendpfarrer Lotz87 (Jüterbog) brachte in seinem Gottesdienst u. a. zum Ausdruck: Wozu Wehrerziehung, wir nehmen unsere Sicherheit ernst? Mauern zwischen Menschen und nur durch Gitter sehen wir uns an.

Er forderte weiter alle Teilnehmer an diesem Gottesdienst auf, die Aufnäher »Schwerter für Pflugscharen« zu tragen.

Superintendent Esselbach (Neuruppin) äußerte die Meinung, in beiden Gesellschaftsordnungen würden die Menschenrechte verletzt. Die »Unruhe« unter der Bevölkerung nehme aufgrund der Zivilverteidigungsübungen zu. »Wir werden nur von Militärs befehligt und durch die Neutronenbombe ist ein unbegrenzter Krieg nicht auszuschließen«; deshalb sei die Unterstützung des »Sozialen Friedensdienstes« umso notwendiger. Der USA-Präsident Reagan flöße ihm zwar mit seiner Politik Angst ein, trotzdem sei er überzeugt, dass dieser auch den Frieden wolle.

Pastor Hilbert88 (Prenzlau) sprach sich ebenfalls in seiner Predigt für den »Sozialen Friedensdienst« aus, auch unter den Bedingungen, dass daraus Nachteile für Jugendliche in ihrer beruflichen Entwicklung entstehen könnten.

Evangelische Kirche der Kirchenprovinz Sachsen

Im Bereich der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen standen während der »Friedensdekade« folgende Probleme im Vordergrund: Zustimmung zum Problem »Sozialer Friedensdienst«; die sozialistische Wehrerziehung und der Wehrdienst in der NVA; die Durchsetzung der allgemeinen Abrüstung in der Welt und Verbot des Verkaufs von »Kriegsspielzeug«.

Teilweise erfolgte eine Begrüßung der Beschlüsse der Synode der Kirchenprovinz Sachsen (Bildung der Kommission »Friedensdienst«, Fürbitten mit pazifistischem Gedankengut u. a.).

Propst Abel89 (Halle) verglich die Initiative »Sozialer Friedensdienst« und die »Friedensdemonstration« der evangelischen Kirche am 8. November 1981 in Halle mit dem Beginn der Bürgerrechtsbewegung90 in den USA.

Pfarrer Kwaschik91 (Latdorf) führte nach Einschätzungen von Teilnehmern keinen Gottesdienst, sondern ein »Protestmeeting« im Rahmen der »Friedensdekade« durch. Er lehnte den Wehrdienst, Wehrersatzdienst, die Zivilverteidigung sowie die militärische Ausbildung in der GST ab. Er forderte die Anwesenden auf, keine Waffe in die Hand zu nehmen.

Pfarrer Bretschneider92 (Eisleben) würdigte Walesa und den UNO-Generalsekretär als wahre »Friedensengel«.

Studentenpfarrer Noack93 (Merseburg) äußerte die Meinung, dass sich die Christen nicht auf die Friedensbeteuerungen der Regierung »verlassen« sollten, sondern selbst einen konkreten Beitrag dafür leisten müssten.

Pfarrer Blümner94 (Bismark/Kalbe) forderte speziell Schüler der 9. und 10. Klassen auf, sich während der Zeit der »Friedensdekade« über die Ablehnung des Wehrunterrichts in der Schule auszusprechen. (Blümner lehnt jede Zusammenarbeit mit staatlichen Organen ab und entwickelt Aktivitäten unter Jugendlichen zur Verbreitung pazifistischen Gedankengutes.)95

Superintendent Werther96 (Wernigerode) verwies in seiner Predigt darauf, immer mehr Christen lehnten den Dienst mit der Waffe ab und möchten dafür einen »Sozialdienst« leisten. Er erläuterte, nach wie vor würden Christen in der Schule und Lehrausbildung diskriminiert und nicht chancengleich aufwachsen. Die Vergabe von Studienplätzen werde geprägt durch Bevorzugung von Offiziersbewerbern und Funktionärskindern. Diese Erscheinungen belasteten die guten Beziehungen zwischen Staat und Kirche.

Durch Pfarrer Pohle97 (Kloster-Neuendorf) wurden mehrere Veranstaltungen anlässlich der »Friedensdekade« dazu missbraucht, die Existenz von zwei deutschen Staaten innerhalb der Kirche zu negieren, indem er ständig propagierte, es könne sich deshalb auch nur um eine gesamtdeutsche Kirche handeln. Pohle rief dazu auf, man solle sich nicht an die Trennungslinie DDR/BRD halten, sondern die Beziehungen zu Kirchengemeinden in der BRD festigen.

Mitglieder der Kirchengemeinden in Bad Frankenhausen führten aktive Diskussionen über die »Behandlung von Wehrdienstverweigerern«.

In den Diskussionen kam u. a. zum Ausdruck: Wer in der BRD Wehrdienst verweigert, wird in der DDR als Friedenskämpfer anerkannt; wer in der DDR den Wehrdienst verweigert, wird als Staatsfeind bezeichnet und eingesperrt.

Dieser Umstand wäre »unerträglich« und die evangelische Kirche solle deshalb darüber mit dem Staat verhandeln.

In mehreren Gemeinden wurden Aufnäher mit dem Text: »Schwerter zu Pflugscharen« verteilt.

Im Anschluss an den Gottesdienst des Superintendenten Lange98 in Osterwieck wurden Lesezeichen und Aufkleber verkauft. Der Erlös sei für Leute bestimmt, die in der DDR wegen ihres Eintretens für den Frieden in Schwierigkeiten gekommen seien.

Die Information ist wegen Quellengefährdung nur zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt.

  1. Zum nächsten Dokument Statistik Einnahmen Mindestumtausch (18.1.1982–24.1.1982)

    28. Januar 1982
    Information Nr. 49/82 über die Entwicklung der Einnahmen aus der Durchführung des verbindlichen Mindestumtausches für die Zeit vom 18. Januar 1982 bis 24. Januar 1982

  2. Zum vorherigen Dokument Bevölkerungsreaktionen zur Lage in VR Polen (6)

    26. Januar 1982
    6. Bericht zur Reaktion der Bevölkerung der DDR auf die Vorgänge in der Volksrepublik Polen [Bericht O/105 f]