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Verlauf der Frühjahrsynoden der evangelischen Landeskirchen

8. April 1982
Information Nr. 174/82 über einige bedeutsame Erkenntnisse zum Verlauf und zu den Ergebnissen der bisher durchgeführten Frühjahrstagungen der Synoden der evangelischen Landeskirchen in der DDR

Im März 1982 führten fünf evangelische Landeskirchen in der DDR die Frühjahrstagungen ihrer Synoden durch:

  • Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens (20. bis 24. März 1982 in Dresden),

  • Evangelisch-Lutherische Landeskirche Mecklenburgs (25. bis 28. März 1982 in Schwerin),

  • Evangelisch-Lutherische Kirche in Thüringen (25. bis 28. März 1982 in Eisenach),

  • Evangelische Kirche der Kirchenprovinz Sachsen (26. bis 28. März 1982 in Wernigerode),

  • Evangelische Kirche des Görlitzer Kirchengebietes (26. bis 29. März 1982 in Görlitz).

Insgesamt waren auf den Synoden zwölf ökumenische Gäste anwesend, davon neun Vertreter aus der BRD, zwei Vertreter aus Westberlin, ein Vertreter aus den USA.

In ihren Grußworten an die Synoden äußerten sich drei ökumenische Gäste in allgemeiner Form zur Friedensverantwortung der Kirchen, wobei die Gemeinsamkeit des Anliegens der Kirchen in beiden deutschen Staaten betont wurde. Zwei weitere Grußworte beinhalteten innerkirchliche Fragen bzw. die Hervorhebung der Bedeutsamkeit von Partnerschaftsbeziehungen.

Das Grußwort des Altbischofs Fränkel1 (ehemaliger Bischof der Evangelischen Kirche des Görlitzer Kirchengebietes), jetzt Marburg/BRD, hob sich von den anderen dadurch ab, dass er, von politisch realistischen Positionen ausgehend, den Pazifismus als kirchliche Form des Friedenskampfes ablehnte.

Anträge auf Teilnahme westlicher Pressevertreter an den Synoden waren vom MfAA abgelehnt worden. Hans-Jürgen Röder2 (epd) nahm trotzdem ohne Genehmigung an der Synode in Dresden teil.

Während der Synoden erfolgten keine Stellungnahmen zur Ablehnung der Berichterstattung durch westliche Pressevertreter.

Auf allen Synoden stand die Behandlung innerkirchlicher und theologischer Fragen entsprechend den Tagesordnungen im Mittelpunkt. Damit zeigte sich ein deutlicher Unterschied gegenüber während der Herbsttagungen 1981 aufgetretenen Tendenzen, auf denen vorrangig politisch-relevante Fragen zur Diskussion standen. Alle Frühjahrssynoden befassten sich jedoch auch mit aktuellen Fragen der kirchlichen Friedensarbeit. Das fand seinen Ausdruck in den Berichten der Kirchenleitungen sowie in Anträgen, Anfragen und Diskussionen von Synodalen (oftmals bereits als feindlich-negativ bekannt), Eingaben an die Synoden sowie Grußworten von Vertretern der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens, die als Gäste an anderen Synoden teilnahmen und im Sinne der von der Dresdener Synode beschlossenen Dokumente auftraten (Kanzelabkündigung und Brief an die Gemeinden3).

(Über den Verlauf der Frühjahrssynode der Evangelischen Landeskirche Sachsens (Dresden) wurde bereits in der Information des MfS Nr. 156/82 vom l. April 1982 informiert.)

Alle Synoden nahmen – in unterschiedlicher Form und Intensität – zu den staatlichen Maßnahmen gegen das Tragen pazifistischer Symbole Stellung.4 Es wurde auf den Ausgangspunkt der Symbole, die von den Kirchen verantworteten »Friedensdekaden«,5 hingewiesen und im Prinzip unterstrichen, dass sich die Kirchen hinter das Symbol und ihre Träger stellen, da es Ausdruck von Friedensverantwortung, Bekenntnis und Hoffnung sei. Trotz der Ablehnung des staatlichen Standpunktes wurde das Bemühen einer Reihe kirchenleitender Kräfte deutlich, es nicht zu direkten offenen Konfrontationen mit dem Staat kommen zu lassen, und Möglichkeiten weiterer Gespräche mit Vertretern des Staates offenzuhalten. Besonders die Bischöfe der evangelischen Kirchen machten ihren Einfluss dahingehend geltend. So warnte Bischof Rathke,6 Schwerin, davor, diese Problematik zu einer »Machtfrage« werden zu lassen.

Bis auf die Synode in Thüringen erarbeiteten bzw. übernahmen jedoch alle Synoden offizielle Dokumente zur genannten Problematik, insbesondere die in Dresden beschlossene »Kanzelabkündigung« (verlesen in der Landeskirche am 28. März 1982) und den »Brief an die Gemeinden« mit Hinweisen zum Ursprung des Symbols »Schwerter zu Pflugscharen«, worin die strikte Ablehnung des staatlichen Vorgehens zum Ausdruck gebracht wird. Die Synode des Görlitzer Kirchengebietes beschloss die Übernahme der Dresdener Kanzelabkündigung, während die Landeskirche Mecklenburgs und die Kirchenprovinz Sachsen Übereinstimmung mit dem Beschluss der 79. Tagung der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen im März 1982 in Buckow7 bzw. den Dresdener Dokumenten bekundeten und darüber hinaus einen eigenen Standpunkt formulierten.

Besonders bemerkenswert ist die Passage in der Stellungnahme der Kirchenprovinz Sachsen, wonach die Abrüstungsinitiativen der Sowjetunion8 unterstützt und im Westen verhandlungsbereiter aufgenommen werden sollten.

Eine Ausnahme im progressiven Sinne bildete die Synode der Evangelisch-Lutherischen- Landeskirche Thüringen. Obwohl auch dort eine kritische Stellung zu den staatlichen Maßnahmen gegen pazifistische Symbole bezogen und die Stellungnahme der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen nicht infrage gestellt wurde, erfolgten keine weitergehenden offenen Angriffe gegen die DDR. Das ist maßgeblich auf das engagierte Auftreten von Landesbischof Leich9 zurückzuführen, der u. a. seine Überzeugung betonte, dass die sozialistischen Staaten vom echten Willen getragen sind, den Frieden zu sichern, und empfahl, sich der staatlichen Anordnung in der Aufnäherfrage zu beugen.

Eine direkte Ablehnung des politischen Missbrauchs pazifistischer Losungen und Symbole erfolgte auf den Synoden mit unterschiedlicher Deutlichkeit.

Das Problem »Sozialer Friedensdienst«10 wurde im Wesentlichen auf den Synoden nicht behandelt. Es gab lediglich in Kirchenleitungsberichten bzw. den beschlossenen Dokumenten Hinweise auf die Aussagen der Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR in Herrnhut und die Zusicherung, dass »nach neuen Möglichkeiten gesucht« und das Gespräch mit dem Staat weitergeführt werde.

Auf den »Berliner Appell«11 von Eppelmann12/Havemann13 ging lediglich Bischof Leich in Eisenach ein; er erklärte, er sage dazu »nein« und werde solche Aktivitäten in seiner Landeskirche nicht zulassen. Diese Ausführungen wurden von der Synode mit Beifall aufgenommen.

Zum neuen Wehrdienstgesetz14 gab es einzelne erste Äußerungen in den Plenumsdiskussionen, darauf gerichtet, die neuen Aussagen des Dokuments ablehnend zu interpretieren.

Zu den einzelnen Synoden:

Evangelische Kirche der Kirchenprovinz Sachsen

Der Schwerpunkt der behandelten Probleme auf der Synode in Wernigerode war im Gegensatz zur Herbstsynode 1981, wo massive Angriffe gegen die DDR vorgetragen wurden, auf innerkirchliche Fragen (innerkirchliche Gesetzgebungen, Probleme der Arbeit des Bundes, Strukturfragen u. a.) gerichtet. Bemerkenswert ist aber, dass bereits durch den Bericht der Kirchenleitung den Synodalen Ansatzpunkte geboten wurden, die aktuellen Fragen der »Aufnäher« in die Diskussion zu tragen.

So forderte Präses Höppner15 dazu auf, darüber zu sprechen, wo »bei uns etwas wurzelkrank ist«, und Konsistorialpräsident Kramer16 informierte, dass die Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen eine Stellungnahme zur Symbolik der Friedensdekade beschlossen habe, die allen Pfarrern zugeleitet wurde.

Initiiert durch das ehemalige Mitglied des »Arbeitskreises Frieden« der Evangelischen Studentengemeinde Magdeburg,17 Diplom-Mediziner [Name 1], Köthen, brachte der Jungsynodale [Vorname Name 2], Magdeburg, einen Antrag ein, durch die Synode eine Stellungnahme zu den staatlichen Maßnahmen gegen das Tragen der Symbolik der Friedensdekade zu erarbeiten.

Dieser Antrag wurde von der Mehrzahl der Synodalen unterstützt und im Ergebnis einstimmig eine Stellungnahme angenommen, die sich mit der Dresdener Kanzelabkündigung bzw. dem Beschluss der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen identifiziert und darüber hinaus eine eigene Position formuliert. (Das Dokument wird im Wortlaut als Anlage 1 beigefügt.)

Auf Beschluss der Synode werden diese Stellungnahme sowie die genannten Dokumente der Dresdener Synode an die Kirchengemeinden der Kirchenprovinz Sachsen gegeben.

Kirchenleitende Kräfte machten ihren Einfluss geltend, Formulierungen zu vermeiden, die zum Tragen der Symbole trotz staatlichen Verbots auffordern.

Die Stellungnahme der Synode widerspiegelt gleichzeitig die grundsätzliche Haltung von Bischof Dr. Krusche18 und weiteren Mitgliedern der Kirchenleitung Magdeburg. Zur neuen Wehrgesetzgebung der DDR forderte die Synode die Gremien des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR auf, »sich damit zu beschäftigen« und die »Auswirkungen auf die Glaubens- und Gewissensfreiheit zu untersuchen«.

Während eines Gottesdienstes am 28. März 1982 hatte Bischof Dr. Krusche in seiner Predigt vor den Synodalen und ca. 400 weiteren Teilnehmern ebenfalls offene Provokationen vermieden und nur in indirekter, theologisch verbrämter Weise zu »Standhaftigkeit« aufgefordert. In Gesprächen mit staatlichen Vertretern hatte er zuvor erklärt, er habe den Eindruck gewonnen, dass gegenwärtig in der DDR eine »Hetzjagd und ein Kesseltreiben gegen Christen veranstaltet« werde.

In den Fürbitten während des Gottesdienstes wurde u. a. gebetet »für alle jene, deren Bestreben dahin geht, aus Schwertern Pflugscharen zu machen und dafür, dass die politisch Gewaltigen sich zusammenfinden, dass die Großmächte in Friedensverhandlungen eintreten und dass die staatlichen Stellen ihre Haltung überdenken«.

Evangelisch-Lutherische Landeskirche Mecklenburgs

Bei dieser Beratung handelte es sich um die 1. Tagung der neugewählten X. Synode, bei der der Präses der Synode, die Vizepräses, Schriftführer und die Mitglieder des Geschäftsausschusses gewählt wurden. Präses wurde wiederum Kaufmann Wahrmann,19 Wismar.

Die in Vorbereitung der Tagung erarbeiteten Dokumente beschäftigten sich überwiegend mit innerkirchlichen Fragen (Kirchengesetze, wie Pfarrerdienstgesetz u. a., Haushaltsplan, Wahlordnungen usw.) und enthielten keine offenen Angriffe gegen den Staat. Im Kirchenleitungsbericht wurde lediglich auf Gespräche mit staatlichen Organen verwiesen und die bekannten Gesprächsthemen (wie z. B. Friedensengagement, Wehrunterricht20 u. a.) genannt.

Im Jahresbericht des Oberkirchenrates erfolgte u. a. eine Einschätzung der kirchlichen Jugendarbeit und ihrer wachsenden Bedeutung. Es wurde die Aussage getroffen: »… Es zeigt sich bedrohlich, dass das Gespräch vom 6. März 197821 im Bereich Jugend und Bildung noch nicht stattgefunden hat.«

Die Tagesordnung, die auf die Behandlung innerkirchlicher Probleme gerichtet war, wurde auf Antrag von Pfarrer Stier,22 Rostock, durch den Punkt »Friedensverantwortung der Kirchen« ergänzt. Der Antrag des Synodalen Vogt,23 einen Ausschuss »Friedensfragen« zu bilden, wurde zwar nicht realisiert, aber dem Anliegen im Prinzip durch den Beschluss zur Bildung eines ad-hoc-Ausschusses zu Friedensfragen, der eng mit der Arbeitsgruppe »Frieden« bei der ESG Rostock24 zusammenarbeiten soll, doch noch Rechnung getragen.

Aufgrund dieser Aktivitäten negativer Kräfte befasste sich die Synode zeitweilig mit dieser Problematik, wobei besonders die Synodalen Stier, Rostock, Wergin,25 Schwerin, und Heinrich26 in scharfer Form gegen die staatlichen Maßnahmen zum Tragen der pazifistischen Symbole und damit zusammenhängende Probleme auftraten.

Bischof Rathke legte in längeren Ausführungen den bekannten kirchlichen Standpunkt zum Friedensengagement der Kirchen dar. Seine Ausführungen waren gemäßigt, enthielten keine Angriffe gegen den Staat und forderten dazu auf, »die Problematik der Aufnäher nicht zu einer Machtfrage werden zu lassen; den Eindruck einer böswilligen Opposition zu vermeiden« und in ständigen Gesprächen mit dem Staat die Vertrauensbildung zu verstärken.

Der Synodale Winkelmann,27 Alt-Jabel, Kreis Ludwigslust, warnte davor, dass sich die Kirche nicht zu friedensgefährdenden Handlungen hinreißen lassen dürfe, denn auch für den Staat sei »es momentan schwer«.

Der im Ergebnis weiterer Meinungsäußerungen gefasste Beschluss der Synode, der durch loyale Kräfte hinsichtlich schärferer Formulierungen abgeschwächt werden konnte, lehnt sich an die Stellungnahme der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen an.

Hervorzuheben ist, folgende Passage:

»… Es beschwert uns, wenn bei solchen Maßnahmen klare Auskünfte über die rechtlichen Grundlagen dafür verweigert werden. Noch bedenklicher erscheint uns, dass das Abhängigkeitsverhältnis der Schüler und Jugendlichen von der Schule missbraucht wird.« (Das Dokument wird im Wortlaut als Anlage 2 beigefügt.)

Der Inhalt des Beschlusses soll in einem »Brief an die Gemeinden« in der Landeskirche verbreitet werden, und es ist vorgesehen, in der »Mecklenburgischen Kirchenzeitung« ebenfalls in einer Notiz auf den Beschluss aufmerksam zu machen.28 In einem weiteren Beschluss bittet die Synode den Oberkirchenrat, gemeinsam mit den zuständigen Gremien des Bundes das neue Wehrgesetz »durchzusehen« und gegebenenfalls das Gespräch mit staatlichen Stellen dazu zu suchen.

Zur Zusammensetzung der neugewählten Synode ist zu bemerken, dass die Zahl der Synodalen gewachsen ist, bei denen mit negativen Aktivitäten gerechnet werden muss. Es handelt sich hierbei besonders um Personen aus der kirchlichen Jugendarbeit.

Evangelische Kirche des Görlitzer Kirchengebietes

Entsprechend dem Hauptthema und der Tagesordnung der Synode beschäftigte sich das Plenum zunächst vorrangig mit innerkirchlichen Fragen (»Das Kind als Partner in der christlichen Gemeinde«, Fragen der Bildung der Vereinigten Evangelischen Kirche in der DDR u. a.).

In seinen Ausführungen vor der Synode ging dann Bischof Wollstadt29 auf die Friedensproblematik ein und kritisierte die staatlichen Maßnahmen gegen das Tragen pazifistischer Symbole. Gleichzeitig brachte er die Erwartung zum Ausdruck, zu dieser und auch anderen Fragen mit dem Staat im Gespräch zu bleiben.

In der Aussprache zum Bischofsbericht traten zu diesem Problem besonders Superintendent Hellmann30/Niesky, Superintendent Müller,31 Hoyerswerda, und Pfarrer Müller,32 Weißwasser, aktiv auf.

Pfarrer Müller forderte, von der Synode einen »Protest« an die Regierung der DDR zu richten.

In diesem Zusammenhang sind die Äußerungen von Altbischof Fränkel, jetzt wohnhaft Marburg/BRD, beachtenswert, der mehrfach zur Friedensverantwortung der Kirchen sprach und betonte, dass sich die Kirche nicht dem Pazifismus zuwenden könne, da das militärische Gleichgewicht ein legitimer Standpunkt sei. Die Kirche müsse sich auch denen zuwenden, die aus christlicher Überzeugung den Dienst mit der Waffe ableisten.

Die Synode beschloss, die Kanzelabkündigung der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens zu übernehmen und in den Gottesdiensten am 4. April und 11. April 1982 (Ostersonntag) zu verlesen.

Die Synode brachte ihr »Befremden« darüber zum Ausdruck, dass ein an Genossen Walde,33 Kandidat des Politbüros des ZK der SED, gerichteter Brief der Landeskirche bisher unbeantwortet blieb.

Der geforderte »Protestbrief« an die Regierung der DDR konnte verhindert werden, worauf auch Bischof Wollstadt maßgeblich Einfluss nahm. Die Kirchenleitung ist beauftragt, »in geeigneter Weise der Regierung gegenüber unseren Standpunkt in Fragen des Friedenszeugnisses zur Geltung zu bringen«.

Evangelisch-Lutherische Kirche in Thüringen

Die Thüringer Synode nahm insgesamt einen progressiveren Verlauf. Den Ausgangspunkt dazu setzte vor allem das engagierte Auftreten von Bischof Dr. Leich, sowohl seine Ausführungen im Bischofsbericht als auch seine gesamte Einflussnahme.

Bischof Dr. Leich traf u. a. folgende Feststellungen:

  • Er sei der Überzeugung, dass die Staaten des Warschauer Vertrages34 unter Führung der Sowjetunion von einem echten Willen zur Verhinderung eines Krieges und zur Abrüstung ausgehen.

  • Der Dienst mit der Waffe sei ein Beitrag zur Verhinderung eines Krieges, und es sei in der gegenwärtigen Zeit sogar besser, den Frieden mit der Waffe in der Hand zu verteidigen.

  • Er empfehle, sich den staatlichen Anordnungen in der Aufnäherfrage zu beugen, wenngleich er sich auch weiter gegenüber dem Staat für dieses Zeichen und seine Träger einsetzen werde. Die Kirche habe jedoch nichts gemein mit Leuten, die das Symbol »Schwerter zu Pflugscharen« gegen den Staat nutzen wollen.

  • Den »Berliner Appell« Eppelmanns beantworte er mit »nein«. Er werde solche Aktivitäten in seiner Landeskirche nicht zulassen. Er wende sich auch gegen die Verbreitung des sogenannten Eppler-Papiers35 oder andere Papiere aus westlichen Quellen. Wenn sich die Kirche hierzu äußere, dann als Kirche und nicht als politische Organisation.

Die Synode setzte sich weiter mit Problemen der kirchlichen Friedensarbeit auseinander, wobei negativ Superintendent Große,36 Saalfeld, Diplom-Ingenieur Jagusch,37 Jena, und der Jugendpfarrer der Superintendentur Meiningen, Müller,38 auftraten.

Superintendent Große wandte sich prinzipiell gegen den Bericht des Landesbischofs und forderte, dass die Kirchen allen Menschen, die aus »Gewissensnot« die Aufnäher tragen, und »Totalverweigerern«39 des Wehrdienstes Hilfestellung geben müssten. Er wandte sich gegen den Fahneneid der NVA und betonte, in der Welt vollziehe sich »eine Entwicklung zum Guten«, folglich könnten die Kirchen zur »Totalverweigerung« »und zu anderen Formen des Friedensdienstes ohne Waffen« aufrufen. Es sei notwendig, dass die DDR und die anderen sozialistischen Staaten abrüsten, damit in der Welt wieder Vertrauen herrsche.

Der von der Synode beschlossene »Brief an die Gemeinden« zur Friedensverantwortung enthält durch Einfluss der progressiven Kräfte keine offenen Angriffe gegen den Staat und lehnt sich an die Stellungnahme der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen der DDR an.

Die Information ist wegen Quellengefährdung nur zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt.

Anlage 1 zur Information Nr. 174/82

Beschluss der Synode der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen (März 1982)

Die Synode der Kirchenprovinz Sachsen hat sich mit den Vorgängen beschäftigt, die sich um das Tragen des Symbols der letzten Friedensdekade »Schwerter zu Pflugscharen« auch in unserer Kirchenprovinz ereignet haben. Sie nimmt die Kanzelabkündigung und den Brief der Sächsischen Landessynode zustimmend und dankbar auf und gibt beide den Gemeinden der Kirchenprovinz zu geeignetem Gebrauch weiter. In den Beschlüssen der Sächsischen Landessynode wird praktiziert, was die Konferenz der Kirchenleitung in ihrer Stellungnahme vom 14.3.1982 erklärt: »Wir stehen zu den jungen Christen, die mit den Worten und Taten anzeigen, dass auch die Friedensbemühungen unseres Staates den christlichen Abrüstungsimpuls nicht erbringen.«

Die Synode fügt folgende Bemerkung an:

1. Alle Gemeindemitglieder, die den Aufnäher »Schwerter zu Pflugscharen« tragen, sollen die Schwierigkeiten, mit denen sie jetzt rechnen müssen, zum Anlass nehmen, sich erneut über ihre Motive klar zu werden. Der Aufnäher ist symbolischer Ausdruck der biblischen Friedensverheißungen und des Friedensauftrages Jesu Christi. Weil die öffentliche Bezeugung wesentlich zu dem Friedensauftrag unseres Herrn gehört, gibt es Christen, die den Aufnäher tragen.

Sie wollen auf diese Weise ihre Friedenshoffnung öffentlich zum Ausdruck bringen. Aber alle Christen müssen befreit und in der Lage sein, Rechenschaft von der Friedenshoffnung und dem Friedensauftrag zu geben, die sie bewegen.

Wenn Nichtchristen das Symbol der Friedensdekade übernehmen, so ist das kein Wunder, denn der Widersinn des Wettrüstens wird immer offenkundiger und immer weiter breitet sich die Einsicht aus, dass die Zukunft des Friedens nur auf friedlichem Wege gewonnen werden kann. Christen haben keinen Grund, sich von denen zu distanzieren, die von dieser Einsicht bewegt sind, wenn es ihnen nur wirklich um den Frieden geht, verfolgen sie unter dem Deckmantel des Friedens andere politische Ziele, so werden sie bald erkennen, dass sie bei uns an der falschen Adresse sind.

2. Das tätige Zeugnis vom Frieden Jesu Christi für unsere Welt ist der Auftrag der ganzen Kirche und aller Gemeinden. Darum bitten wir alle Gemeindemitglieder, besonders die älteren, die noch die Schrecken, des letzten Krieges im Gedächtnis haben, und die Eltern:

  • besinnt euch neu auf eure Berufung, Friedensstifter zu sein,

  • steht den jungen Christen, die etwas für den Frieden tun möchten, mit Gesprächsbereitschaft, Rat und Tat zur Seite,

  • studiert Handreichungen, Informationen und Orientierungshilfen, die unsere Kirchen seit Jahren erarbeitet haben,

  • werdet selbst zu Zeugen und Trägern des Friedens Christi in der Öffentlichkeit.

3. Unsere Regierung und die Vertreter unseres Staates auf allen Ebenen wollen wir immer wieder bitten, dieses Friedenszeugnis zu hören und sich seinen kritischen Fragen nicht zu verschließen.

Obwohl die Losung »Schwerter zu Pflugscharen« in letzter Zeit öffentlich mehrfach angegriffen wurde, sehen wir sie in Übereinstimmung mit den außenpolitischen Friedens- und Abrüstungsbemühungen unseres Staates. Wir unterstützen die Abrüstungs- und Verhandlungsinitiativen, die seit Jahren von der Sowjetunion ausgehen und die nach unserem Eindruck im Westen gesprächsoffener und verhandlungsbereiter aufgenommen werden sollten.

Während aber im Zuge der Abrüstungsdiskussion die tiefe Problematik moderner Rüstung auch in unserem Land bewusst ist, hören wir davon nichts, wenn es um die Motivierung zum Wehrdienst und um die Verteidigungsbereitschaft der ganzen Gesellschaft geht. Hier wird der friedensbedrohende Charakter des Abschreckungssystems, in das auch wir verwickelt sind, aus dem Bewusstsein verdrängt Das ist eine Quelle der Unruhe in unserer Jugend. Ihr sollte nicht mit Verboten, sondern mit offenem Gespräch begegnet werden. Wir bitten die Vertreter unseres Staates, dieses Gespräch zuzulassen und zu hören. Nur so kann dem Frieden in unserer Gesellschaft und ihrer wirklichen Sicherheit gedient werden.

In dieser vorösterlichen Zeit grüßen wir die Gemeinden unserer Kirchenprovinz mit den Friedensgruß unseres gekreuzigten und auferweckten Herrn: »Friede sei mit Euch, gleich wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich Euch.«

Anlage 2 zur Information Nr. 174/82

Beschluss der Synode der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburg (März 1982)

Beschluss der Landessynode

Die Synode der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburg hat zur Kenntnis genommen, dass es mit den Aufnähern »Schwerter zu Pflugscharen« in mehreren Bereichen unserer Kirche zu Schwierigkeiten gekommen ist.

Jugendliche, die diese Aufnäher getragen haben, sind in den Schulen zum Abnehmen der Aufnäher gedrängt worden. Es ist uns weiterhin bekannt geworden, dass Jugendliche durch die Volkspolizei festgehalten und aufgefordert wurden, diese Aufnäher zu entfernen. Es beschwert uns, wenn bei solchen Maßnahmen klare Auskunft über die rechtlichen Grundlagen dafür verweigert werden. Noch bedenklicher erscheint uns, dass das Abhängigkeitsverhältnis der Schüler und Jugendlichen von der Schule missbraucht wird. Die Landessynode sieht in dem Tragen dieses Zeichens keine Handlung, die sich gegen die Interessen unseres Staates richtet. Vielmehr wird nach unserer Überzeugung damit ein Zeichen des Willens zum Frieden bekundet, der seinen Ursprung in der biblischen Aussage unter anderem Jesajas 2, Micha 4 hat und in unserer Zeit praktisches Friedensengagement zum Ausdruck bringen will.

Die Landessynode bittet den Oberkirchenrat und die Kirchenleitung, mit den zuständigen staatlichen Stellen im Sinne dieses Synodalbeschlusses auf eine Klärung zu drängen, dass das Zeichen »Schwerter zu Pflugscharen« als Ausdruck biblischen Friedenszeugnisses verstanden wird und Christen nicht daran gehindert werden, sich öffentlich dazu zu bekennen.

Der Oberkirchenrat wird gebeten, diesen Beschluss auch dem Landessuperintendenten zu übermitteln, damit konkreten Anlässen im örtlichen Bereich unsere Kirche denen zur Seite steht, die sich in ihrem christlichen Friedenszeugnis zu Unrecht gehindert sehen.

  1. Zum nächsten Dokument Aspekte zur bevorstehenden Beisetzung Robert Havemanns

    12. April 1982
    Information Nr. 176/82 über bedeutsame Aspekte im Zusammenhang mit der bevorstehenden Beisetzung von Robert Havemann

  2. Zum vorherigen Dokument Maßnahmen zur Zurückdrängung der unabhängigen Friedensbewegung

    8. April 1982
    Information Nr. 173/82 über vorbeugend eingeleitete Maßnahmen zur Zurückdrängung und Unterbindung der von reaktionären kirchlichen und anderen feindlich-negativen Kräften ausgehenden Versuche zur Schaffung einer sogenannten staatlich unabhängigen Friedensbewegung in der DDR einschließlich erster Erkenntnisse über deren Durchsetzung sowie über den Verlauf des Gesprächs des Genossen Gysi mit leitenden kirchlichen Amtsträgern der evangelischen Kirchen der DDR am 7. April 1982