Delegation der Grünen in Hauptstadt der DDR
1. November 1983
Hinweise zum Aufenthalt der Delegation der Grünen in der Hauptstadt der DDR am 31. Oktober 1983 und auf weitere von ihnen beabsichtigte Aktivitäten [K 1/132a]
1. Nach dem Gespräch1 mit Gen. Honecker2 entfalteten die Grünen vor dem Gebäude des Staatsrates vier Transparente mit folgenden Aufschriften:
- –
»Einseitig abrüsten statt beidseitig aufrüsten«
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»Lasst den Frieden frei«
- –
»Schwerter zu Pflugscharen«3
Das Delegationsmitglied Schneider4 zeigte ein Plakat mit der Aufschrift »Persönlicher Friedensvertrag.
- 1.
Ich verpflichte mich, gegenseitige Gewaltanwendung auszuschließen.
- 2.
Ich verpflichte mich, uns gegenseitig nicht als Feinde zu betrachten und das Feindbild abzubauen.
- 3.
Ich verpflichte mich, in unserem Land für den Beginn der einseitigen Abrüstung einzutreten.«
Diese »Demonstration« wurde von Kamerateams von ARD und ZDF gefilmt.5
Alle Delegationsmitglieder hatten sich an der Aktion beteiligt.
Die erwähnten Transparente wurden danach auch auf dem Weg zum Internationalen Pressezentrum mitgeführt (über Französische Straße, Wallstraße, Hausvogteiplatz, Mohrenstraße).
Es wurde jeweils nur eine geringe Öffentlichkeitswirksamkeit erzielt.
Während der Pressekonferenz wurden diese Transparente ebenfalls gezeigt.
2. In einigen der für die Delegation reservierten Zimmer des Interhotels »Stadt Berlin« wurden zehn Metallanstecker mit dem Symbol »Schwerter zu Pflugscharen« verdeckt abgelegt.
3. Die Delegationsmitglieder Beckmann, Lukas6 und Vollmer, Antje7 suchten vor Beginn des Gesprächs mit Gen. Honecker das Büro Eppelmanns8 auf, wo sie sich kurzzeitig aufhielten (13.45–14.20 Uhr).
Am Abend (kurz nach 20.00 Uhr) begaben sich alle Delegationsmitglieder in das Büro Eppelmanns. Die BRD-Journalisten Mehner9 (Bildjournalist »Der Spiegel«) und Jürgens10 (Fotograf »Osteuropa«) hielten sich dort ebenfalls kurzzeitig auf.11
An diesem Treffen nahmen neben Eppelmann weitere hinlänglich bekannte feindlich-negative Kräfte aus der DDR teil (ca. 25 Personen aus der DDR).
Von Beckmann wurde erklärt, er lasse es sich nicht mehr nehmen, Bürger der DDR zu Veranstaltungen der Grünen einzuladen. Es sei beabsichtigt, auch mit »anderen Gruppierungen der Friedensarbeit in der DDR« Kontakte aufzunehmen. Schneider äußerte, die »unabhängige Friedensbewegung«12 in der DDR müsse ihre Aktionen und Aktionsformen selbst bestimmen. Sie sei in besonderem Maße Diskriminierungen ausgesetzt. Zwischen ihr und den Grünen könne kein verbindliches Programm vereinbart werden. Kelly13 äußerte, man lasse es sich nicht verbieten, blockübergreifende Aktionen in Ost und West durchzuführen.
Rathenow14 und Tschiche15 richteten heftige Angriffe gegen die Staats- und Rechtsordnung in der DDR. Es gäbe keine politische Moral in der DDR. Man müsse das System abschaffen.
Von der Basis aus müsse eine Bewegung der Verweigerung beschleunigt werden. Aktivitäten zu einer politischen Erneuerung müssten beginnen. Man erwarte von den Grünen einen stärkeren Einfluss auf innenpolitische Fragen der DDR. Es gehe um mehr Freiheitsrechte, freie Meinungsäußerung und Reisemöglichkeiten zwischen beiden deutschen Staaten. Durch die Grünen müsse auch »Arbeitsmaterial« zur Verfügung gestellt werden, wobei über die Transportwege gesondert gesprochen werden müsste.
Die weitere Zusammenarbeit wäre insbesondere über persönliche Kontakte bei Besuchen in der DDR zu organisieren.
4. Vollmer und Schily16 führten in der Zeit von 21.00 bis 23.00 Uhr in Anwesenheit Eppelmanns ein Gespräch mit Bischof Forck17 in den Räumen der evangelischen Kirchenleitung. Sie erklärten, dass sie in erster Linie zur »unabhängigen Friedensbewegung in der DDR« gekommen seien und von der Kirche erwarten, diese Bewegung zu stärken. Sie betrachten dabei den Kreis um Eppelmann als einen Teil dieser Bewegung. (An dem Gespräch nahmen auch Präses Becker18 und Konsistorialpräsident Stolpe19 teil.)
5. Ein Teil der Delegation der Grünen äußerte die Absicht, am 1.11.1983 zwischen 10.00 und 11.00 Uhr erneut in die DDR einzureisen. Auf der Pressekonferenz wurde weiter dazu erklärt, dass die Eigenfeld20 freigelassen und die Verhaftung des Rochau21 überprüft würde.
Drei weibliche Angehörige der Delegation (die Kelly selbst sowie Mohr, Renate22 und Johannsen, Gustine23) wollen diese Reise durchführen, um Rochau und Eigenfeld, Katrin24 zu besuchen und mit ihnen zu sprechen.
Außerdem ist beabsichtigt, an diesem Tag mit Vertretern der Bewegung »Frauen für den Frieden«25 in der DDR-Hauptstadt zusammenzukommen.
Bastian26 wolle ebenfalls am 1.11.1983 einreisen, um in der DDR-Hauptstadt Bücher zu kaufen.
6. Am 4.11.1983 ist seitens der Grünen beabsichtigt, die angekündigte gemeinsame Aktion zu den Botschaften der USA und der UdSSR in der DDR-Hauptstadt durchzuführen27 (Übergabe einer Petition und eines »Erdballs«, um auf die Gefahren der Rüstung in der Welt, besonders in Mitteleuropa, hinzuweisen; Teilnahme von Holländern und Engländern an der Aktion).
Am 1.11.1983 (17.00 Uhr) wollen die Grünen Beckmann und Vollmer mit Eppelmann, Bohley28 und Konsistorialpräsident Stolpe Näheres zu dieser Aktion festlegen, die von den Grünen als »blockübergreifende Initiative« verstanden wird.
7. Zur Pressekonferenz mit den Grünen:
Es wurde hervorgehoben, dass u. a. folgende Probleme seitens der Grünen im Gespräch mit Genossen Honecker aufgeworfen wurden:
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»Unterdrückung und Diskriminierung der unabhängigen Friedensbewegung in der DDR«, Erweiterung der Freiräume,
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Teilnahme von DDR-Bürgern an Friedensdemonstrationen der Grünen und Teilnahme der Grünen an Aktionen in der DDR als Referenten,
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in der DDR wegen ihres »Friedensengagements« Inhaftierte (Berlin, Cottbus, Halle, Erfurt, Jena – ca. 25 bis 30 Personen, u. a. Rochau und Eigenfeld),
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»Kriegsdienstverweigerer«29 in der DDR (etwa 5 000),
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Grüne werden keine Behinderungen, gewaltfrei und spontan zu demonstrieren, hinnehmen,
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»menschliche Erleichterungen«, Mindestumtausch,30 Informations- und Kommunikationsaustausch, Einreise und Transit mit dem Fahrrad, Städtepartnerschaften (»Katalog von Initiativen«).
Mehrfach wurde geäußert, die Grünen würden als blockübergreifende Bewegung nicht die Staatsorgane um Genehmigung für die Durchführung von spontanen und gewaltfreien Aktionen nachsuchen (z. B. sei für die geplante Aktion am 4.11.1983 weder um eine offizielle Genehmigung nachgesucht noch sei sie erteilt worden).
Massiv wurde die DDR wegen »Behinderung«, »Unterdrückung«, »Repressalien«, »Pressionen«, »Verboten« usw. gegenüber der sogenannten unabhängigen Friedensbewegung angegriffen.