Ergebnisse der Gespräche der »Grünen« und feind.-negat. DDR-Bürgern
8. November 1983
Hinweise über bedeutsame Ergebnisse/Inhalte der Gespräche zwischen führenden Vertretern der »Grünen« und feindlich-negativen DDR-Bürgern im Zeitraum 30. Oktober/1. November 1983 in der Hauptstadt der DDR, Berlin [K 1/132h]
Führende Vertreter der »Grünen« trafen am 31. Oktober und am 1. November 1983 während ihres Aufenthaltes in der Hauptstadt der DDR, Berlin, mehrfach mit reaktionären kirchlichen u. a. feindlich-negativen Kräften, die im Sinne der Schaffung einer sogenannten staatlich »unabhängigen« Friedensbewegung1 in der DDR wirken, zusammen:
31. Oktober 1983
Treffen einer Abordnung der »Grünen« (u. a. Kelly,2 Bastian,3 Beckmann,4 Schneider,5 Schily6) in der Samariterkirche Berlin-Friedrichshain u. a. mit den Pfarrern Eppelmann,7 Passauer,8 Pahnke9 und Tschiche10 (Magdeburg), den »Literaten« Rathenow,11 Rosenthal12 und Anderson,13 dem Ehepaar Poppe14 und Bärbel Bohley.15
1. November 1983
Zusammenkunft von Kelly, Bastian und Beckmann mit dem Ehepaar Poppe (in deren Wohnung in Berlin, [Straße, Nr.]). Anwesend war u. a. auch Rüdiger Rosenthal.
Treffen von Lukas Beckmann in der Wohnung der Familie Wollenberger16 in 1100 Berlin, [Straße, Nr.], mit Mitgliedern des »Friedenskreises« Pankow.17 Zu den ca. 20 versammelten Personen gehörten die auf feindlich-negativen Positionen stehenden Personen Thomas Klein18 und Dr. Herzberg19 sowie die Schriftstellerin Maja Wiens.20
Zusammenkunft von Kelly, Bastian und Vollmer21 mit Vertretern der sogenannten Initiativgruppe »Frauen für den Frieden«22 (ca. 40 Personen, darunter Bärbel Bohley, Ulrike Poppe, Annedore Havemann23 sowie Pastorin Misselwitz24 und Lutz Rathenow).
Darüber hinaus fanden Gespräche einzelner der vorgenannten »Grünen« mit kirchenleitenden Personen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Berlin-Brandenburg am 31. Oktober 1983 (Bischof Forck,25 Präses Becker,26 Konsistorialpräsident Stolpe27) und am 1. November 1983 (Forck, Becker, Stolpe und Oberkirchenrätin Lewek28) – jeweils im Beisein von Pfarrer Eppelmann – statt.
Im Mittelpunkt der geführten Gespräche standen solche Probleme/Fragen, wie
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Eindrücke/Wertungen des Gesprächs führender Vertreter der »Grünen« mit dem Vorsitzenden des Staatsrates der DDR,29 Genossen Erich Honecker,30 am 31. Oktober 1983, bei gleichzeitiger Einschätzung der in diesem Zusammenhang angeblich sichtbar gewordenen Möglichkeiten zur Fortführung der Aktivitäten der »Grünen« und der sogenannten staatlich unabhängigen Friedensbewegung31 in der DDR im Sinne einer »blockübergreifenden« Friedensbewegung;
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Tests, inwieweit die evangelischen Kirchen in der DDR gemeinsame Aktionen der »Grünen« und der sogenannten staatlich unabhängigen Friedensbewegung in der DDR tolerieren bzw. unterstützen würden;
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Selbstdarstellung der jeweiligen Positionen und Vorgehensweisen der »Grünen« und der sogenannten staatlich unabhängigen Friedensbewegung im Rahmen ihrer politischen Aktivitäten, verbunden mit dem Austausch von Erfahrungen;
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Planung konkreter gemeinsamer Aktionen auf dem Territorium der DDR bzw. paralleler Veranstaltungen in der DDR und der BRD unter der Flagge einer sogenannten blockübergreifenden Friedensbewegung (Schwerpunkt bildete dabei die Vorbereitung einer derartigen öffentlichkeitswirksamen Aktion am 4. November 198332 in der Hauptstadt der DDR, Berlin);
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Überlegungen über die einzuschlagende Taktik nach einer möglichen Stationierung neuer amerikanischer Erstschlagswaffen33 in Westeuropa und einer sich daraus ergebenden »Verschärfung der Bedingungen« zur Zusammenarbeit.
Darüber hinaus wurden verschiedene von DDR-Bürgern vorbereitete sogenannten Petitionsentwürfe gemeinsam beraten und eine »Endfassung« erarbeitet (sollte am 4. November 1983 den Botschaften der UdSSR und der USA in der DDR übergeben werden).
Erkennbare Absicht der »Grünen« bei ihren Treffen mit feindlich-negativen Kräften in der DDR war primär, ausgehend von ihrem erklärten Ziel der Schaffung einer »blockübergreifenden« Friedensbewegung zu praktischen Schritten überzugehen. In diesem Sinne beabsichtigen sie
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die Kontakttätigkeit in die DDR zu forcieren, insbesondere zu bestehenden »Gruppierungen der Friedensarbeit«; Schaffung stabiler persönlicher Verbindungen zu ausgewählten Einzelpersonen, um auf diesem Wege kontinuierlich Einfluss nehmen zu können auf die Schaffung einer »Massenbasis« in der DDR (diese sei derzeit noch ungenügend).
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gemeinsame bzw. in der DDR und in der BRD parallele öffentlichkeitswirksame Aktionen konzeptionell zu beraten und koordiniert vorzubereiten. Diese Aktionen sollen u. a. auch auf eine ständige Druckausübung auf Partei und Regierung der DDR ausgerichtet sein und »Zeichen setzen« (»Worte allein nutzen nichts mehr, es müssen spektakuläre Aktionen folgen, die die Menschen und insbesondere die Politiker aufrütteln«), wobei Mittel und Methoden anzuwenden seien, die – so von den »Grünen« eingeplant – eine »Glorifizierung« der handelnden Personen und »Märtyrertum« bewirken sollen. Zu diesem Zweck soll ein gut funktionierendes stabiles Informations- und Verbindungssystem aufgebaut werden, das zur ständigen aktuellen Informierung über geplante Vorhaben genutzt werden soll, aber auch einen »sofortigen Informationsfluss« beim Eingreifen z. B. der Sicherheitsorgane der DDR garantiert und Voraussetzungen schafft zur schnellen Einleitung geeigneter »Solidarisierungsmaßnahmen«.
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die Aktion »persönliche Friedensverträge«34 zwischen Bürgern verschiedener Staaten, konkret bezogen auf die DDR, aktiver zu gestalten; Einladung von DDR-Bürgern zu Friedensveranstaltungen in der BRD und in Westberlin (inzwischen wurde auf der Aktionskonferenz der Friedensbewegung der BRD am vergangenen Wochenende in Köln35 mit knapper Mehrheit einem Antrag der »Grünen« stattgegeben, wonach ein Vertreter der »staatlichen unabhängigen Friedensbewegung« der DDR auf einer für den 21.11.1983 vorgesehenen sogenannten Belagerungsaktion36 in Bonn als Redner auftreten soll).
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Informationen aus der DDR, besonders solcher von Kräften der sogenannten staatlich unabhängigen Friedensbewegung, in die BRD zu verbringen (verstehen sich als »Postboten« der »Friedensbewegung der DDR«) und differenziert den westlichen Massenmedien bzw. anderen Empfängern zur Verfügung zu stellen.
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die Sammlung von Informationen über in der DDR inhaftierte Personen, darunter auch zu Übersiedlungsersuchenden,37 fortzusetzen, um mit diesem Material zu gegebener Zeit und zu gegebenem Anlass operieren zu können.
Erkennbar wurde das Bemühen der »Grünen«, kirchenleitende Kräfte in der DDR von der Notwendigkeit der Schaffung einer lebensfähigen »blockübergreifenden« Friedensbewegung zu überzeugen und sie permanent in derartige Aktionen einzubeziehen.
Sie legten darüber hinaus alles darauf an, ihre erklärte Rolle als »Schutzschild« für das Agieren bestimmter feindlich-negativer Kräfte in der DDR hervorzuheben.
Die »Grünen« fanden mit ihren Vorstellungen und konkreten Vorschlägen bei den mit ihnen in Kontakt gekommenen DDR-Bürgern allgemein Zustimmung und Unterstützung. (Im Zusammenhang mit der unmittelbaren Vorbereitung der provokatorisch-demonstrativen Aktion am 4. November 1983 und dem konkreten Verhalten einiger führender Vertreter der »Grünen« wandelte sich dieser allgemeine Eindruck und es wurden differenziertere Haltungen seitens der DDR-Bürger zu den »Grünen« eingenommen.) Die Leitung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Berlin-Brandenburg zeigte ihr Einverständnis mit gewissen Absichten der »Grünen« und auch mit sogenannten blockübergreifenden Maßnahmen, zeigte jedoch keine Bereitschaft, spektakulären Aktionen ihre Zustimmung zu geben.
Folgende, im Zusammenhang mit den Gesprächen mit führenden Vertretern der »Grünen« stehende Überlegungen feindlich-negativer Kräfte in der DDR sind zu beachten:
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Zustimmung zu den Gesprächen; Bekräftigung der »unbedingten Notwendigkeit einer blockübergreifenden Friedensbewegung zwischen unabhängig, denkenden Menschen aus beiden deutschen Staaten … ohne Unterdrückung ihrer Arbeits- und Begegnungsmöglichkeiten«. (Am 2. November 1983 in westlichen Massenmedien veröffentlichte »Erklärung« von »Vertretern verschiedener unabhängiger Friedensgruppen in Berlin/DDR«.)38
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Hervorhebung, dass man sich aber auch als »eigenständige« Friedensbewegung verstehe und zu eigenen Aktivitäten fähig sei; eigenständige und gemeinsame öffentlichkeitswirksame Aktionen sind immanenter Bestandteil im Wirksamwerden der sogenannten staatlich unabhängigen Friedensbewegung in der DDR.
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Erwartungshaltungen, wonach von den »Grünen« ein noch stärkerer Einfluss auf die innenpolitische Situation (Folgen) ausgehen werden, »damit die Freiheitsrechte in der DDR mehr Beachtung finden« (Rathenow).
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Bekräftigung, dass in der DDR die Existenz einer »Friedensbewegung« nur innerhalb der Kirche möglich sei, aber auch Hinweis, die Kirche zwar als »Dach« nutzen zu wollen, sie jedoch künftig nicht mehr so oft wie bisher um Rat zu fragen.
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Vorstellungen, von der »Basis aus eine Bewegung der Verweigerung« zu beschleunigen und viele Aktivitäten zu beginnen, die zu einer »politischen Erneuerung« führen (Pfarrer Tschiche39).
Ferner wurde auf die Notwendigkeit solcher Aktivitäten verwiesen, wie
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Versenden von Schreiben/Petitionen an Politiker der DDR und der BRD (teilweise verbunden mit Unterschriftensammlungen) und
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Abschluss persönlicher Friedensverträge zwischen Bürgern der DDR und der BRD bzw. Westberlins.
Verlangt wurden von den »Grünen« die Lieferung von Materialien über die internationale Friedensbewegung und über Publikationen in der BRD über die sogenannte staatlich unabhängige Friedensbewegung in der BRD.
Bärbel Bohley forderte in ihrem Kreis, sich durch autogenes Training und dgl. auf eine mögliche Inhaftierung vorzubereiten.