Geplante gemeinsame Aktion
3. November 1983
Information über eine geplante gemeinsame Aktion von führenden Vertretern der »Grünen«, weiteren Personen aus westlichen Ländern und feindlich-negativen Kräften der DDR am 4. November 1983 in der Hauptstadt der DDR, Berlin [K 1/132c]
Nach internen und offiziellen Angaben planen führende Vertreter der »Grünen« sowie dem MfS hinlänglich bekannte feindlich-negative Kräfte der DDR die Durchführung einer gemeinsamen Aktion am 4.11.1983 in der Hauptstadt der DDR, an der nach bisherigen Erkenntnissen auch Vertreter aus Großbritannien, den Niederlanden und Österreich und eventuell den USA und Italien teilnehmen sollen. Die Aktion soll sich u. a. gegen die Friedens- und Sicherheitspolitik der UdSSR, der DDR und anderer eng befreundeter sozialistischer Staaten richten.
Es ist vorgesehen, dass zwei Gruppen der genannten Personen unter Mitführung von je einem Globus mit dem Durchmesser von einem Meter und der Aufschrift »So sieht die Erde jetzt noch aus« die Botschaften der UdSSR und der USA in der DDR aufsuchen und dort den Globus und jeweils gleichlautende Petitionen übergeben. (Bei den Globen handelt es sich um aufblasbare Hüllen, die die Erdkugel darstellen sollen. Die Globen würden aus Westberlin eingeführt werden; nach anderen Hinweisen befinden sie sich möglicherweise bereits in der Hauptstadt.)
Die Teilnehmer wollen sich am 4.11.1983, 13.00 Uhr am Ausgang des Bahnhofs Friedrichstraße – vor der Buchhandlung unter der S-Bahn – sammeln, um danach in zwei Gruppen zu den Botschaften der UdSSR und der USA zu gehen. (Es wurde jedoch auch erwogen, dass sich die Teilnehmer an der Aktion zunächst zur USA-Botschaft begeben, um danach die Botschaft der UdSSR aufzusuchen.)1
Von feindlich-negativen Kräften der DDR wurde auf Zusammenkünften der Zeitpunkt 13.00 Uhr als ungünstig bezeichnet, da viele potenzielle Teilnehmer noch auf ihren Arbeitsstellen anwesend sein müssten. Von den »Grünen« wurde jedoch auf diesem Termin beharrt, »da er auch in der Zusammenkunft mit Erich Honecker2 genannt worden sei«.3 Dieser Termin wurde dann als verbindlich festgelegt.
Es wurde beschlossen, die von der FDJ verbreiteten Aufkleber mit der Aufschrift »Frieden schaffen gegen NATO-Waffen« zu beschaffen und diese Aufschrift zu entfernen, sodass nur das Symbol der schwarzen Rakete, rot durchkreuzt, auf gelbem Grund, verbleibt. Das soll als äußeres Erkennungszeichen benutzt werden.
Es wurde darauf orientiert, jegliche Handlungen zu unterlassen, die zu einem Eingreifen der Sicherheitsorgane führen könnten.
Zum Inhalt der Petition,4 über deren Entwurf am 1.11.1983, 20.00 bis 24.00 Uhr während einer Zusammenkunft der Vertreter der Grünen Kelly, Petra,5 Bastian, Gert,6 Vollmer, Antje7 und Beckmann, Lukas8 mit etwa 40 feindlich-negativen Personen der DDR in der Wohnung der Vertreterin der Initiativgruppe »Frauen für den Frieden«9 in Berlin, Bohley, Bärbel10 beraten und der von diesem Personenkreis gebilligt wurde:
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Hinweis auf die Gefahren des Rüstungswettlaufs für die Menschheit, speziell in Mitteleuropa,
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Betonung der Verantwortung der Politiker der UdSSR und der USA für die Erhaltung und Sicherung des Friedens, Aufforderung, dieser Verantwortung gerecht zu werden,
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Forderung, alles für die Verhinderung der Stationierung von Nuklearwaffen in West und Ost zu tun,
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Bekundung von Angst und Besorgnis um die Zukunft,
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Ankündigung weitreichender Aktivitäten der »Friedensbewegung«, falls es zur Stationierung in West und Ost kommen sollte,
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Aufforderung, im Falle der Stationierung Möglichkeiten zu schaffen, dass die Personen, die dies wünschen, aus den gefährdeten Räumen bis zum 6.8.1984 evakuiert werden und nicht »Geiseln der UdSSR und der USA« werden und dass für sie territoriale Möglichkeiten atomwaffenfreier Zonen geschaffen werden. Mit dieser Forderung wollen sich die Beteiligten auch an die UNO wenden.
Der Entwurf dieser Petition war nach vorliegenden internen Informationen in der Zusammenkunft der »Grünen« Kelly, Beckmann und Bastian in der Wohnung des dem MfS hinlänglich bekannten Ehepaares Gerd11 und Ulrike Poppe12 am 1.11.1983 (11.40 bis 14.40 Uhr) vorbereitet worden.
Auf der bereits genannten Zusammenkunft in der Wohnung der Bohley wurde dann festgelegt, für die Petitionen keine Unterschriften zu sammeln. Es soll jedoch darauf verwiesen werden, dass hinter ihnen die »Friedensbewegungen« der Länder stehen, deren Vertreter an der Aktion teilnehmen sollen. Die Beteiligten vertreten die Auffassung, damit am eindrucksvollsten eine Massenbasis dokumentieren zu können.
Nach internen Angaben bereitet auch Eppelmann13 im Ergebnis der Zusammenkunft mit den Vertretern der »Grünen« Beckmann und Vollmer beim Konsistorialpräsidenten Stolpe14 und der Oberkirchenrätin Lewek15 am 1.11.1983 (18.00 bis 20.15 Uhr) einen weiteren Entwurf einer Petition vor.
Dieser Entwurf soll entsprechend einer Orientierung des Bischofs Forck16 bis zum 3.11.1983 Stolpe zur Entscheidung vorgelegt werden. Inhaltlich soll sich dieser Entwurf auf offizielles Material zur Friedensproblematik, das auf der Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR im September 1983 in Potsdam-Hermannswerder beschlossen wurde, stützen.17
Lewek erklärte auf dieser Zusammenkunft, dass die Kirche in der DDR diese Aktion nur unterstützen werde, wenn jegliches Spektakel vermieden werde und alle Einzelheiten vorher mit der Kirchenleitung abgesprochen und von ihr sanktioniert seien.
Stolpe brachte zum Ausdruck, dass sich die Kirche nicht schützend vor solche Aktionen stellen will, da es nicht in der Absicht der Kirche liege, auf Konfrontationskurs mit dem Staat zu gehen. Es gäbe gegenwärtig schon genügend Reibereien zwischen Staat und Kirche, z. B. zur Evangelischen Studentengemeinschaft. Stolpe unterbreitete den Vorschlag, die Teilnehmerzahl der Delegationen, die die Petitionen in den Botschaften überreichen, auf je fünf Personen aus der BRD, den USA, Italiens, den Niederlanden und der DDR zu begrenzen.
Bischof Forck soll der Vorschlag unterbreitet werden, dass sich möglicherweise zwei von der Kirchenleitung Berlin-Brandenburg beauftragte Personen an der Aktion beteiligen, um auf »spontan« teilnehmende Personen einzuwirken. Die Entscheidung dazu würde erst kurz vorher getroffen werden, wenn Klarheit über den Teilnehmerkreis besteht.
Es wurde weiter darauf orientiert, zu verhindern, dass DDR-Bürger teilnehmen, die Übersiedlungsersuchen18 in das nichtsozialistische Ausland gestellt haben und versuchen könnten, die Aktion zur Durchsetzung ihrer Forderungen zu missbrauchen.
In der bereits genannten Zusammenkunft bei der Bohley am 1.11.1983 wurden von den Anwesenden die von Stolpe unterbreiteten Vorschläge abgelehnt.
Von Beckmann wurde darauf orientiert, möglichst viele Personen aus der DDR für die Teilnahme zu gewinnen. Er könne sich vorstellen, dass sich eventuell 1 000 DDR-Bürger an der Aktion beteiligen würden. Eine derartige Zahl würde auch im Westen Zeichen setzen.
Von Rathenow19 wurde nach internen Angaben gegenüber dem BRD-Korrespondenten Lölhöffel20 (»Süddeutsche Zeitung«) zum Ausdruck gebracht, dass es unter der Autorität der »Grünen« nicht schwer wäre, einige hundert Personen aus der DDR zu gewinnen.
Von Eppelmann wurde besonders auf die Ankündigung der Aktion in den Westmedien verwiesen, die dazu führen werde, dass sich eine große Zahl von DDR-Bürgern daran beteiligen würde. Es werde schwer sein, die Zahl zu begrenzen.
Die Bohley wies darauf hin, dass aber unbedingt der Eindruck vermieden werden müsse, wonach die Aktion ausschließlich auf Betreiben der »Grünen« erfolge und von der BRD gelenkt werde.
Seitens der Vertreter der »Grünen« wurde besondere Betonung darauf gelegt, diese Aktion als eine »blockübergreifende Initiative« durchzuführen. Sie würden sich nicht verbieten lassen, durch solche Aktionen in West und Ost in Erscheinung zu treten. Die Kelly betonte in diesem Zusammenhang, durch die vorherige Informierung der Westpresse erhoffe man sich auch die Deckung seitens der Medien. Die Westpresse werde präsent sein.
Nach vorliegenden internen Informationen ist damit zu rechnen, dass sich an der Aktion Vertreter der Initiativgruppe »Frauen für den Frieden«21 in Berlin, des »Friedenskreises der Samaritergemeinde Berlin«,22 des »Friedenskreises der Bartholomäusgemeinde Berlin«23 und des »Friedenskreises der Evangelischen Studentengemeinde Berlin«24 beteiligen wollen.
Es liegen weitere Angaben darüber vor, dass auch dem MfS bekannte feindlich-negative Kräfte aus den Bezirken der DDR über diese Aktion informiert wurden – einzelne Vertreter haben an den Zusammenkünften am 1.11.1983 in Berlin teilgenommen – und ihre Teilnahmeabsicht bekundet haben. Streng intern wurde bekannt, dass auch die am 1.11.1983 aus der Untersuchungshaft entlassene Eigenfeld, Katrin25 ungeachtet der durch den Staatsanwalt erfolgten Belehrung und Aufforderung, die Gesetze der DDR einzuhalten, an dieser Aktion teilzunehmen beabsichtigte. Seitens der »Grünen« wurden als Teilnehmer an dieser Aktion bisher Kelly, Petra, Bastian, Gert, Beckmann, Lukas und Vollmer, Antje bekannt.