Greenpeace Heißluftballon, DDR
29. August 1983
Information Nr. 283/83 über das widerrechtliche Eindringen von zwei Mitgliedern der sogenannten Umweltschutzorganisation »Greenpeace« mittels Heißluftballon von Westberlin aus in die DDR am 28. August 1983
Am 28. August 1983, 6.43 Uhr, flogen der Bürger der BRD Leipold, Gerhard1 (32), wohnhaft 2000 Hamburg 20, [Straße, Nr.], Beruf: Diplomphysiker, seit Januar 1983 bei der BRD-Sektion der »Greenpeace«2 hauptamtlich angestellt, sowie der britische Staatsbürger Sprange, John3 (26), wohnhaft London 17 [Straße], Beruf: Offizier der britischen Handelsmarine, zurzeit arbeitslos, widerrechtlich mit einem Heißluftballon, Kennzeichen G – BJZO, von Westberlin aus bei Großziethen, Kreis Königs Wusterhausen, in den Luftraum der DDR ein und landeten um 6.53 Uhr ca. 1 500 m von der Staatsgrenze entfernt auf einer Freifläche in Nähe der LPG Großziethen.
Wie die bisher durchgeführten Untersuchungen ergaben, starteten Leipold und Sprange am 28. August 1983, 6.10 Uhr, mit einem Heißluftballon der britischen Firma Thunder auf einem Fußballfeld im Eisstadion »Park« im Westberliner Stadtbezirk Wilmersdorf. Ihre Flughöhe betrug ca. 70 m, die Fluggeschwindigkeit etwa 10 km/h. Entsprechend der vorherrschenden Windrichtung flogen sie einen südöstlichen Kurs.
Aufgrund der angetroffenen Nordwestwinde trieb der Ballon südostwärts auf den Flughafen Berlin-Schönefeld zu. Daraufhin rief Leipold um 6.30 Uhr über Sprechfunk auf der internationalen Notruffrequenz die Fluginformation Schönefeld an, meldete sich mit »Internationale Organisation Greenpeace Hamburg«, informierte über den Demonstrationsflug gegen Atomwaffen in Ost und West, bat darum, dass die DDR »diesen Friedensgedanken« respektieren möge und teilte mit, dass der Ballon zwei unbewaffnete Besatzungsmitglieder ohne Fotoausrüstung an Bord hat. (Diese Mitteilung blieb unbeantwortet.)4
Nach dem widerrechtlichen Überflug der Staatsgrenze der DDR suchten sie einen geeigneten Landeplatz und landeten im angeführten Raum, wo um 7.04 Uhr ihre Festnahme durch Angehörige der Grenztruppen der DDR erfolgte.
(Auf dem Ballon sind eine Friedenstaube, das Wort »Greenpeace« und das Zeichen der Atomwaffengegner abgebildet. Ein nachgezogener Schleppsack trug die Aufschrift »Atomteststopp«, das Wort »Frieden« in allen Weltsprachen sowie die Staatsflaggen der UdSSR, USA, von Großbritannien und Frankreich.)
Leipold und Sprange gehören seit mehreren Jahren der sogenannten Internationalen Umweltschutzorganisation »Greenpeace« an, deren Dachverband sich in Großbritannien befindet. Leipold ist nach eigenen Angaben leitender Mitarbeiter der in Hamburg etablierten BRD-Sektion dieser Organisation, bei welcher er seit Januar 1983 hauptamtlich angestellt ist. Sprange wirkt seit 1982 aktiv an Aktionen von »Greenpeace« mit, wobei er als Maat auf den von dieser Institution unterhaltenen Schiffen »Sirius« und »Cedarlea«5 gefahren ist.
Ihren Aussagen zufolge planten beide seit etwa einem Jahr, einen ungenehmigten Ballonflug über Westberlin durchzuführen, diesen auf den Luftraum der Hauptstadt der DDR auszudehnen und dort zu landen. Entsprechend einem mitgeführten und als Drucksache herausgegebenen Informationsmaterial bereiteten sie sich intensiv auf diese Aktion vor. Die zuvor in der Ballonführung unkundigen Leipold und Sprange vollzogen als Training zehn Ballonstarts mit einer Gesamtflugzeit von ca. zehn Stunden und wurden navigatorisch ausgebildet. (Über Einzelheiten dieser Ausbildung verweigerten sie während der durchgeführten Befragungen die Aussage.) Beide sind nicht im Besitz einer Fluglizenz.
Trotz ihres Wissens, dass über Westberliner Territorium privater Flugverkehr verboten ist,6 sah ihr Plan vor, in geringer Höhe zwei Stunden über den drei Westsektoren und der Hauptstadt der DDR zu fliegen. Die Landung sollte an einem erst während des Fluges festzulegenden Ort im Stadtgebiet der Hauptstadt der DDR, Berlin, erfolgen.
(Agenturmeldungen zufolge sollte das Ziel der Ballonaktion darin bestehen, den Luftraum der »Viermächtestadt«, der als einziger Ort der Welt von den vier »Hauptatomtestnationen« kontrolliert wird, symbolisch zu besetzen und damit gegen Atomwaffentests zu protestieren.)
Da es sich um eine widerrechtliche Aktion handelte, wurde dieser Flug entgegen anderslautenden Meldungen westlicher Medien weder bei den Luftfahrtbehörden in Westberlin noch in der DDR angemeldet.7 Um jedoch massenwirksam zu werden, informierte »Greenpeace« Pressevertreter der Nachrichtenagenturen dpa, AP und DDD, die sich zum vorgesehenen Zeitpunkt des Ballonfluges einfanden.
Wie zu den beiden Personen weiter bekannt wurde, nahm Leipold nach Erwerb der Hochschulreife das Studium der Physik auf, welches er 1975 als Diplomphysiker abschloss. In der Folgezeit beschäftigte er sich mit Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der Ozeanografie und promovierte Anfang 1983 an der Universität in Hamburg zum Doktor der Naturwissenschaften. Im Jahre 1975 war er als Mitglied einer Delegation der Deutschen Friedensunion im Bezirk Gera.8
Sprange wurde nach Beendigung seiner Schulzeit zum Deckoffizier der Handelsmarine ausgebildet und war bis 1982 als solcher tätig. Seit diesem Zeitpunkt ist er ohne berufliche Tätigkeit, beschäftigte sich jedoch mit dem Studium der Geografie und Soziologie am Polytechnikum der Stadt London, das er Anfang 1983 mit einem Diplom beendete.
Leipold und Sprange wurden wegen der sich aus ihrer Handlungsweise ergebenden erheblichen Gefährdung der Luftsicherheit der Deutschen Demokratischen Republik verwarnt und belehrt, künftig die gesetzlichen Bestimmungen über die zivile Luftfahrt einzuhalten.
Am 28. August 1983, um 12.00 Uhr, erfolgte über die Grenzübergangsstelle Bahnhof Friedrichstraße ihre Rückführung nach Westberlin. Der Ballon wurde sichergestellt.9
Es wird vorgeschlagen, bei künftigen beabsichtigten Einreisen der beiden Luftraumverletzer in die DDR jeweils differenziert zu entscheiden, inwieweit hierzu die Genehmigung erteilt werden kann.