Havarie im Tagebau Welzow-Süd/Spremberg/Cottbus
28. November 1983
Information Nr. 405/83 über eine Havarie im Tagebau Welzow-Süd, [Kreis] Spremberg, [Bezirk] Cottbus, des VE Braunkohlenkombinates Senftenberg
Am 19. November 1983, gegen 19.15 Uhr, kam es im Abraumvorschnitt des Tagebaues Welzow-Süd zu einer Havarie am Großgerätekomplex SRS 6300. (Dieser Gerätekomplex besteht aus einem Schaufelradbagger, Verladegerät und Verladeausleger. Schaufelradbagger und Verladegerät besitzen voneinander unabhängige Fahrwerke und sind über den Verladeausleger beweglich miteinander verbunden.)
Durch das Verfahren des Verladegerätes in einen unzulässig geringen Abstand zum Bagger wurde der Verladeausleger auf Druck belastet, wobei er nach oben ausknickte und damit havarierte.
Nach bisherigen betrieblichen Schätzungen beträgt der entstandene Sachschaden ca. 850 TM; eine Abstimmung mit der Staatlichen Versicherung der DDR ist noch nicht erfolgt.
Die Wiederinbetriebnahme des Gerätekomplexes ist für den 21.12.1983 vorgesehen. Infolge des vorhandenen Vorlaufes des havarierten Gerätekomplexes beträgt die Förderfähigkeit des Tagebaues mit Rohbraunkohle trotz Ausfall dieses Komplexes maximal sechs Wochen. Durch die Instandsetzungsarbeiten von ca. vier Wochen Dauer entstehen deshalb keine Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit. (Der Tagebau ist Hauptlieferant für den Stammbetrieb des Gaskombinates Schwarze Pumpe.)
Wie die bisherigen Untersuchungen ergaben, liegen die Ursachen der Havarie im Fehlverhalten der Verladegerätefahrer [Name 1, Vorname] (20), wohnhaft Hoyerswerda, [Straße, Nr.] Virchowstraße 11, und [Name 2, Vorname] (21), wohnhaft Hoyerswerda, [Straße, Nr.] Erich-Weinert-Straße 12.
Zum Hergang der Havarie:
Beim Betrieb des Gerätekomplexes hatten sich der Bagger und das Verladegerät auf eine minimal zulässige Entfernung genähert. Dieser Umstand führte zum Ansprechen der Sicherungstechnik (Endschalter) und damit zum Anhalten des Verladegerätes. Um beide Geräte wieder voneinander wegfahren zu können, musste die Sicherungstechnik außer Betrieb gesetzt werden. Dies erfolgte durch die [Name 2]. Beim Verfahren des Verladegerätes wurde dann durch den [Name 1] eine falsche Schalthandlung durchgeführt, wodurch das Verladegerät anstatt vom Bagger weg auf ihn zufuhr. Durch die [Name 2] wurde dieser falsche Vorgang infolge unzureichenden Wahrnehmens ihrer Beobachtungsfunktion im Zusammenhang mit der Überbrückung der angesprochenen Sicherungstechnik nicht unterbunden, obwohl sie zehn bis 15 Sekunden Zeit hatte, die Überbrückung aufzuheben. Damit verstießen beide gegen bestehende Verhaltensvorschriften (Arbeitsschutzanordnungen).
Hinzu kommt eine Reihe von Umständen und Bedingungen in der technischen Auslegung der Sicherungstechnik, in einschlägigen betrieblichen Vorschriften und im Zusammenhang mit der Qualifizierung des Anlagenpersonals, die sich begünstigend auf den Eintritt der Havarie auswirkten. So ist z. B. in den betrieblichen Dokumenten nicht festgelegt, welcher Personenkreis für die Durchführung von Schalthandlungen an Sicherheitseinrichtungen berechtigt ist. Darüber hinaus gibt es keine Verhaltensanforderungen für Werktätige, die Überbrückungshandlungen vornehmen. Weiter wurde festgestellt, dass die Kenntnisse der an der Havarie beteiligten Personen über die Zusammenhänge und Wirkungsweisen der installierten Sicherheits- und Überwachungstechnik unzureichend sind.
Verantwortlich für die Erarbeitung entsprechender Dokumente zum sicheren Betreiben der Geräte und für die Belehrung der Werktätigen ist der Leiter des Vorschnittbetriebes II, [Name 3, Vorname] (47), wohnhaft Spremberg, [Straße, Nr.].
Eine weitere begünstigende Bedingung bestand in der Funktionsuntüchtigkeit der akustischen Signalgebung beim Befahren des Gefahrenbereiches. Verantwortlich dafür ist der Betriebsingenieur für die Elektrotechnik des Vorschnittbetriebes, [Name 4, Vorname] (29), wohnhaft Hoyerswerda, [Straße, Nr.].
Im Rahmen der Untersuchungen wurde auch herausgearbeitet, dass die entsprechende TGL für die Auslegung elektrotechnischer Verriegelungen im Komplex der Sicherungstechnik unzureichend ist. Infolge der dadurch gewählten konstruktiven Lösung wurde bei der vorgenommenen Schalthandlung ein zweiter Endschalter mit höherer Sicherheitsstufe überbrückt, wodurch dieser beim Verfahren des Verladegerätes in die falsche Richtung nicht auslöste. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit der Überarbeitung der TGL.
Über die Einleitung von strafrechtlichen Maßnahmen ist durch die Bezirksstaatsanwaltschaft Cottbus noch nicht endgültig entschieden.
Durch den Generaldirektor des Braunkohlenkombinates Senftenberg wurde angewiesen, dass gegen die Personen [Name 3], [Name 4], [Name 1] und [Name 2] Disziplinarverfahren einzuleiten sowie gegen [Name 1] und [Name 2] Maßnahmen zur materiellen Verantwortlichkeit durchzusetzen sind.
Vom MfS werden geeignete Maßnahmen eingeleitet, die die Beseitigung vorhandener begünstigender Bedingungen für das Eintreten von Havarien durch die zuständigen Leiter wirksam unterstützen.