IX. Kongress des Verbandes Bildender Künstler
9. November 1983
Information Nr. 379/83 über einige beachtenswerte Aspekte im Zusammenhang mit der Vorbereitung und Durchführung des IX. Kongresses des Verbandes Bildender Künstler (VBK) der DDR vom 15. bis 17. November 1983 in der Hauptstadt der DDR
Auf der Grundlage der dem MfS vorliegenden internen Hinweise wird nachstehend auf einige beachtenswerte Probleme hingewiesen, die in bestimmtem Maße die Lage im VBK bzw. in dessen Leitungsgremien beeinflussen.
Internen Informationen zufolge unternimmt der Gegner seit geraumer Zeit verstärkte Anstrengungen, um das im Sinne der Verwirklichung der Beschlüsse des X. Parteitages der SED1 engagierte künstlerische Schaffen der Mehrzahl der Verbandsmitglieder negativ zu beeinflussen, die führende Rolle der Partei im VBK anzugreifen und dessen Mitglieder in Widerspruch zur sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung zu bringen. Zugenommen haben Versuche, politisch-schwankende und auf ungefestigten politischen Positionen stehende bildende Künstler sowie »oppositionelle« Kräfte in diesem Bereich zu formieren, mit anderen feindlich-negativen Kräften zusammenzuführen und sie zu öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten zu inspirieren.
Die vorrangig von Kräften in der BRD ausgehenden Aktivitäten konzentrieren sich insbesondere auf die
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Herstellung und den Ausbau persönlicher Kontakte mit dem Ziel, politisch-ideologische Grundpositionen und Haltungen, persönliche Probleme und materielle Interessen in Erfahrung zu bringen;
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Unterbreitung von Angeboten zur Beteiligung an Ausstellungen und Galerien in der BRD, in anderen nichtsozialistischen Staaten und Westberlin, wobei gezielt das Streben bestimmter Künstler nach internationaler Anerkennung genutzt wird;
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Publizierung und gezieltes Hochspielen bestimmter, auf politisch schwankenden Positionen oder bereits im Widerspruch zur Politik der Partei stehender Künstler der DDR in westlichen Massenmedien;
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Verleihung von Preisen und öffentlichkeitswirksamen Anerkennungen im nichtsozialistischen Ausland mit dem Ziel der »künstlerischen« Aufwertung, der Schaffung finanzieller und materieller Abhängigkeit und der Bestärkung in politisch-negativen Grundhaltungen.
In diesem Zusammenhang wurden folgende beachtenswerte Feststellungen getroffen:
Nach vorliegenden Hinweisen tritt zunehmend der Inhaber der »Galerie Brusberg« in Hannover,2 Brusberg, Dieter,3 in Erscheinung, indem er Kunstwerke profilierter Maler und Grafiker der DDR aufkauft und auf dem westlichen Kunstmarkt verbreitet.
Zu den von Brusberg bevorzugten Künstlern der DDR gehört u. a. der Leipziger Maler Werner Tübke.4 Festzustellen ist, dass Brusberg seit August 1983 in verstärktem Maße als »Generalvertreter« für den Vertrieb der künstlerischen Arbeiten Tübkes im kapitalistischen Ausland Aktivitäten entfaltet.
Auch die Aktivitäten des Kunsthändlers Prof. Ludwig5 (BRD) sind in diesem Zusammenhang von Bedeutung. Prof. Ludwig gründete in Oberhausen (BRD) ein »Ludwig-Institut für Kunst der DDR«6 und verfolgt damit insbesondere die Zielstellung, die DDR-Kunst aus der internationalen »Ludwig-Sammlung« auszugliedern und zu verselbstständigen, um damit eine sogenannte einheitliche deutsche Kultur und Kunst zu propagieren.
Auch die festgestellten Aktivitäten der Kunstgalerien der BRD »Trügen«,7 »Kühl«,8 »Kunstverein Frechen e.V.«9 sowie der Westberliner Galerie »Workshop«10 gegenüber verschiedenen bildenden Künstlern in einigen Bezirken der DDR bestätigen, dass sich der Kunstbetrieb der BRD und die in Erscheinung getretenen Mittelsmänner nach wie vor einen wirksamen Einfluss auf bildende Künstler der DDR erhoffen, indem diesen sehr »günstige« Möglichkeiten zur Durchführung von Ausstellungen in der BRD und anderen kapitalistischen Staaten angeboten werden.
So erhielten u. a. die Dresdner Künstler Leiberg11 und Göschel12 durch die Leitung der Galerie »Kühl« das Angebot, sich in der BRD an einer Kunstausstellung mit Künstlern des »deutschsprachigen Raumes« zum Thema »Friedensbewegung« und »Umweltschutz« zu beteiligen.
Künstlern des Bezirkes Frankfurt/O. wurde durch einen Mitarbeiter des »Europa-Centrums«13 der Vorschlag unterbreitet, die Möglichkeit eines »Arbeitsaufenthaltes« in Holland zu nutzen (d. h. für Künstler aus der DDR kostenlose Unterbringung mit Arbeitsmöglichkeit in einem Atelier).
Im Zusammenhang mit bekannt gewordenen Reaktionen von DDR-Künstlern auf derartige Angebote kann nach vorliegenden Erkenntnissen festgestellt werden, dass ein nicht unbedeutender Teil von ihnen zustimmend reagiert und den Wunsch äußert, die gebotenen Möglichkeiten wahrzunehmen.
Bei Ablehnung dementsprechender Anträge auf längerfristigen Aufenthalt durch den Zentralvorstand des VBK der DDR wird Unverständnis und Verärgerung geäußert.
Die Aufnahme von Kontakten aus der BRD zu bildenden Künstlern in der DDR wird in der Regel als Privatbesuch abgedeckt. Die Ständige Vertretung der BRD in der DDR fungierte dabei wiederholt als Vermittler. So weilten z. B. im Juli 1983 auf Vermittlung des Mitarbeiters des Kulturreferats der Ständigen Vertretung der BRD in der DDR, Dr. Georg Girardet,14 die BRD-Bürger Dr. Freiherr Löffelholz von Colberg, Bernhard,15 Bankdirektor der Dresdner Bank, und Dr. Stemmler, Dierk,16 Museumsdirektor der Stadt Bonn, in der DDR. Beide suchten international bekannte Maler der DDR, darunter Prof. Willi Sitte17 und Prof. Bernhard Heisig,18 in deren Ateliers auf, um sich angeblich zu informieren, welche Möglichkeiten für Ausstellungen junger, unbekannter Nachwuchskünstler der DDR in der BRD bestünden.
Internen Hinweisen zufolge suchten Löffelholz und Stemmler weiterhin die dem MfS durch ihre negative Haltung bekannten Maler Göschel, Eberhard – Dresden, Morgner, Michael19 – Karl-Marx-Stadt, Ranft, Thomas20 – Karl-Marx-Stadt, Kozik, Gregor-Torsten21 – Karl-Marx-Stadt auf.
Hervorzuheben sind die zunehmenden Aktivitäten des ehemaligen DDR-Bürgers Sieghard Pohl22 (Kunsterzieher/Maler, vormals Leipzig; durch seine antisozialistische Grundhaltung bekannt). Pohl ist jetzt in der BRD und in Westberlin zum Teil als Initiator von Kunstausstellungen tätig, in denen er »Arbeiten« von ehemaligen in der DDR lebenden Künstlern und DDR-Künstlern popularisiert, die sozialismusfeindliche Aussagen beinhalten. Er veröffentlichte außerdem in der BRD das Buch »Die ungehorsamen Maler der DDR«,23 in dem ehemalige DDR-Bürger und bildende Künstler (durch politisch negative Haltungen bekannt; u. a. Bernd Schaudinnus,24 Gerd Sonntag,25 Elisabeth Voigt26 und Ralf Winkler27) popularisiert werden. Im Vorwort dieses Machwerkes werden u. a. die Kulturpolitik der DDR und der reale Sozialismus verleumdet.
Zu beachten sind außerdem Aktivitäten der BRD-Kunstwissenschaftlerin Thomas, Karin28 (deren antisozialistische Haltung in dem von ihr verfassten und in der BRD erschienenen Buch »Die Malerei in der DDR – 1949–1979«29 zum Ausdruck kommt), die u. a. zunehmend Kontakte zu den negative Positionen vertretenden bildenden Künstlern in Karl-Marx-Stadt und Dresden unterhält (Morgner, Ranft, Barthel30).
Maßgeblichen Anteil an der negativen Beeinflussung von Künstlern hat die Ständige Vertretung der BRD in der DDR. Von ihr ergehen Einladungen zu den verschiedensten Anlässen an eine Vielzahl von Personen aus dem Bereich Kultur, so z. B. anlässlich der in den Jahren 1982 und 1983 durchgeführten Ausstellungen des BRD-Malers Beuys31 und »Junger Wilder« in Räumen der Ständigen Vertretung der BRD.
Die Mitarbeiter der Ständigen Vertretung der BRD in der DDR Dr. Girardet und Dehmel32 sind um persönliche Kontakte zu bildenden Künstlern der DDR bemüht. Beide nahmen wiederholt an sogenannten privaten Ausstellungen bildender Künstler in der DDR teil, stellten neue Kontakte her und hielten bestehende aufrecht.
Im Zusammenhang mit den Versuchen gegnerischer Kräfte zur Forcierung der politisch-ideologischen Einflussnahme auf bildende Künstler der DDR verstärken »oppositionelle« Kräfte im Innern der DDR ihre Bemühungen, auch bildende Künstler in ihre subversiven Aktivitäten zu integrieren. Folgende feindliche Hauptangriffsrichtungen wurden herausgearbeitet:
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Verstärkte Bestrebungen zur Einbeziehung von Mitgliedern und Kandidaten des VBK der DDR in gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung gerichtete Aktivitäten,
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Versuche zur Gewinnung von Schlüsselpositionen in den Leitungsgremien des VBK der DDR,
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Versuche zur Verringerung des Einflusses von Mitgliedern der SED in den Sektionen und deren Leitungen,
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Organisierung von Ausstellungen in sogenannten Privatgalerien mit künstlerischen Arbeiten, die der Schaffensmethode des sozialistischen Realismus wesensfremd sind und spätbürgerliche Kunstauffassungen popularisieren.
Eine maßgebliche Rolle spielt dabei die Bohley, Bärbel,33 Mitglied des VBK der DDR, Bezirksverband Berlin. Die Bohley zählt zu den Exponenten der sogenannten Initiativgruppe »Frauen für den Frieden«,34 gehört zum Umgangskreis des hinlänglich bekannten Pfarrers Eppelmann35 und ist wiederholt als Initiatorin von provokatorisch-demonstrativen Aktionen im Rahmen der sogenannten staatlich unabhängigen Friedensbewegung in Erscheinung getreten. Ihre Aktivitäten richten sich insbesondere gegen die Friedens-, Verteidigungs- und Sicherheitspolitik der DDR. So initiierte sie eine vom 12.10.1982 datierte Eingabe an den Vorsitzenden des Staatsrates der DDR, gerichtet gegen das Wehrdienstgesetz der DDR.36
Mitunterzeichner dieser Eingabe sind die Mitglieder bzw. Kandidaten des VBK der DDR Albu-Stanescu, Silvia37 – Berlin, freischaffende Keramikerin; Eschefeld, Sonja38 – Berlin, freischaffende Bildhauerin; Flierl, Petra39 – Berlin, Assistentin Kunsthochschule Weißensee; Kukutz, Irena40 – Berlin, freischaffende Keramikerin; Lobeck, Franziska41 – Berlin, freischaffende Bildhauerin; Plietzsch, Lore42 – Berlin, freischaffende Bildhauerin; Sammler, Christa43 – Berlin, freischaffende Bildhauerin; Teutsch, Hannelore44 – Berlin, Grafikerin, Eulenspiegel-Verlag; Woisnitza, Karla45 – Berlin, freischaffende Bildhauerin; Ehrler, Ludwig46 – Halle, freischaffender Grafiker; Fuchs, Friederike47 – Halle, freischaffende Kunsthandwerkerin; Götze, Inge48 – Halle, Dozentin, Hochschule für industrielle Formgestaltung Burg Giebichenstein; Lohse, Ute49 – Halle, freischaffende Keramikerin sowie die nicht dem Verband angehörende freischaffende Grafikerin Schleime, Cornelia.50
Um ihre feindlichen Aktivitäten einzuschränken und ihre Einflussnahme innerhalb des VBK zurückzudrängen, wurde die Bohley – entsprechend vorbereiteter Maßnahmen – aus der Sektionsleitung Maler/Grafiker der Berliner Bezirksorganisation abgewählt. Dessen ungeachtet setzt sie jedoch ihre Tätigkeit zur Sammlung »oppositioneller« Kräfte in der DDR fort. So ermöglichte sie – im Zusammenwirken mit Eppelmann – den Verbandsmitgliedern des VBK Donarski, Hans Uwe51 (Berlin), Schweigert52 (Berlin) u. a. die Ausstellung eines Teils ihrer Arbeiten pazifistischen Inhalts am 2.9.1983 in der Samariterkirche Berlin. Donarski und Schweigert äußerten dazu intern, die Möglichkeit der Ausstellung ihrer Bilder in der Kirche sei ihnen »angenehm« gewesen, da dort keine Jury einbezogen und »eine Bevormundung ausgeschlossen« gewesen sei.
Zahlreiche politisch-negative Aktivitäten entwickelt die in Frankfurt/O. erneut zur Vorsitzenden der Sektion Maler/Grafiker und als Delegierte zum IX. Verbandskongress gewählte Stürmer-Alex, Erika.53
Sie unterhält vielfältige Kontakte zu solchen Personen wie Eppelmann, Bärbel Bohley, Annedore Havemann54 u. a. Ihre Haltung kommt z. B. dadurch zum Ausdruck, dass sie in Koordinierung mit diesen Kräften während eines »Künstlerfaschings« am 27.2.1982 im Atelier des Malers Haensel, Claus,55 wohnhaft Schwedt, eine Unterschriftensammlung unter den »Berliner Appell«56 Eppelmanns organisierte, an der sich eine Reihe bildender Künstler aus Frankfurt/O. und Berlin beteiligte.
Von der Stürmer-Alex gehen darüber hinaus Bestrebungen aus, insbesondere Nachwuchskünstler zu gewinnen und sie im Sinne sozialismusfremder und pluralistischer Kunstauffassungen zu beeinflussen. Auf ihrem Privatgrundstück in Lietzen, Bezirk Frankfurt/O., veranstaltet sie in regelmäßigen Abständen sogenannte Arbeitswochen der Sektion Maler/Grafiker des Bezirksverbandes Frankfurt/O., an denen sich eine Reihe Nachwuchskünstler beteiligt. Im Mittelpunkt dieser »Arbeitswochen« steht die Propagierung bürgerlicher Kunstauffassungen, wie »Objektkunst« und »Action«. Dies findet insbesondere bei politisch ungefestigten, künstlerisch wenig profilierten Verbandsmitgliedern und einigen Absolventen der Kunsthochschulen Unterstützung und Zustimmung.
In ihrer Gesamthaltung wird die Stürmer-Alex von dem bereits erwähnten Schwedter Maler Haensel, Claus – der enge persönliche Verbindungen zum Mitarbeiter der Ständigen Vertretung der BRD in der DDR Girardet und zum ehemaligen Korrespondenten der »Rheinischen Post« in der DDR und jetzigen RIAS-Mitarbeiter Stadach57 unterhält – unterstützt.
Haensel setzte sich intensiv für die Wiederwahl der Stürmer-Alex als Sektionsvorsitzende ein und äußerte intern, er lege großen Wert auf deren Kandidatur, weil damit die »Abstrakten« gegenüber den »Realisten« Entwicklungschancen bekämen.
Im Ergebnis des Wirkens solcher Kräfte wie Stürmer-Alex und Haensel im Bezirksverband Frankfurt/O. konnte in der Sektion Maler/Grafiker bisher noch keine politische Stabilisierung erreicht werden.
In zunehmendem Maße versuchen feindlich-negative Kräfte mit der Zielstellung, sich dem Einfluss der Partei bzw. der Arbeit des VBK zu entziehen und bürgerliche, dem sozialistischen Realismus fremde Kunstrichtungen zu propagieren, private Ausstellungen in Ateliers und Privatwohnungen zu organisieren.
Seit 1980 wurden z. B. im Atelier des freischaffenden Bildhauers Anatol Erdmann58 in Berlin durch das Ehepaar Scheib, Hans-Jürgen59 und Ursula60 wiederholt Ausstellungen mit Arbeiten politisch-negativer bildender Künstler, u. a. Reichmann, Stefan61 – Berlin, Freudenberg, Michael62 – Dresden, Grzimek, Tomas63 – Frankfurt/O., Toppel, Harald64 – Berlin, Strehlau, Manfred65 – Berlin, Woisnitza, Karla66 – Berlin, Henze, Volker67 – Berlin, Schleime, Cornelia – Berlin organisiert. (Bis auf die Schleime gehören die genannten dem VBK an.)
Während dieser Ausstellungen wurden Möglichkeiten erörtert, sich dem Einfluss des VBK zu entziehen und Gelegenheiten zu finden, weitere illegale Ausstellungen zu organisieren, wobei insbesondere auf Privatwohnungen verwiesen wurde. Weitere Diskussionen bezogen sich auf die bürgerliche modernistische Kunst und Möglichkeiten ihrer Anwendung in der DDR.
Bei einer Reihe dieser Ausstellungen waren die Mitarbeiter der Ständigen Vertretung der BRD in der DDR, Girardet und Dehmel, unter dem Vorwand, die Künstlerszene in der DDR kennenzulernen und sich mit den künstlerischen Auffassungen der bildenden Künstler vertraut zu machen, anwesend. Sie sicherten zu, Prospektmaterial und Kataloge von Galerien und Kunstausstellungen der BRD und anderer nichtsozialistischer Staaten zu beschaffen und gaben Hinweise über bestimmte Kunstrichtungen bzw. -auffassungen.
Als weiteres Zentrum illegaler Kunstausstellungen in Form einer sogenannten Privatgalerie wurde die Wohnung von Bahß, Dietrich68 und Ingrid,69 Magdeburg, bekannt, in der sich gleichfalls Mitarbeiter der Ständigen Vertretung der BRD in der DDR (Girardet, Dehmel, [Name 1]) anlässlich von Ausstellungen und sogenannten Schriftstellerlesungen einfanden.70 Verbindungen zu Bahß unterhalten die hinreichend bekannten Bärbel Bohley, Pfarrer Eppelmann und Pfarrer Tschiche/Magdeburg.
In der »Privatgalerie« der Familie Bahß fanden u. a. Ausstellungen mit Arbeiten der bildenden Künstler Rehfeldt, Robert71 – Berlin, Haensel, Claus – Schwedt, Butzmann, Manfred72 – Berlin, Bohley, Bärbel – Berlin, Schleime, Cornelia – Berlin sowie des in der BRD lebenden ehemaligen DDR-Malers Schlesinger, Gil (Kurt)73 statt. Außerdem wurde im Februar 1983 eine Ausstellung mit Arbeiten des in die BRD übergesiedelten Winkler, Ralf (Penck) organisiert.
Der Kandidat des VBK der DDR, Zabka, Reinhard,74 Berlin, ist ebenfalls als Organisator von Ausstellungen in seiner Privatwohnung, seinem Atelier und teilweise auf Hinterhöfen im Berliner Stadtbezirk Prenzlauer Berg in Erscheinung getreten. Bei diesen Zusammenkünften, die Zabka unter der Bezeichnung »Kleidertausch« organisierte, wurden neben der Ausstellung von Bildern und Grafiken mit dem sozialistischen Realismus fremder Aussage auch Lesungen »oppositioneller« sogenannter Nachwuchsautoren durchgeführt.
Eine in zunehmendem Maße angewandte Methode ist die Durchführung von Pleinairs Bildender Künstler in abseits von Großstädten gelegenen Orten der DDR (z. B. in Gallentin, Kreis Wismar, unter Beteiligung vorwiegend von Nachwuchskünstlern aus den Bezirken Leipzig, Dresden, Karl-Marx-Stadt und der Hauptstadt Berlin).
Vornehmlich oppositionelle bildende Künstler aus Karl-Marx-Stadt, wie Ranft, Thomas, Morgner, Michael, Kozik, Gregor-Torsten und Barthel, Gunar, die ihre Aktivitäten zur Sammlung von bildenden Künstlern mit politisch-negativen Grundhaltungen in der ehemaligen Galerie »Clara Mosch«75 und jetzt in der Galerie »oben«76 teilweise öffentlichkeitswirksam durchführten, sind als Organisatoren bekannt.
Im April 1983 organisierten die genannten Ranft und Barthel gemeinsam mit dem ehemaligen Leiter der Berliner Galerie »Arkade«,77 Dr. Werner,78 unter dem Deckmantel eines Pleinairs der Verkaufsgenossenschaft des Bezirksverbandes Bildender Künstler Karl-Marx-Stadt eine weitere Zusammenkunft in Gager/Insel Rügen.
Seit der Auflösung der Galerie »Clara Mosch« unternehmen der Leiter der Galerie »oben« Karl-Marx-Stadt, Barthel, Gunar, sowie Ranft, Thomas, verstärkte Bemühungen, diese Galerie nach dem Muster westeuropäischer Kunstauffassungen zu gestalten und dort zugleich einen Kommunikationspunkt für feindlich-negative, politisch schwankende und labile Künstler aus dem Bezirk Karl-Marx-Stadt und anderen Bezirken der DDR zu schaffen.
Barthel unternahm gemeinsam mit den Kandidaten des VBK der DDR, Scheffler, Wolfram,79 und Hähner-Springmühl, Klaus,80 Aktivitäten zur Popularisierung der westeuropäischen Kunstrichtung »Junge Wilde«.
Hinweisen zufolge wurden im Ergebnis der in Vorbereitung auf den IX. Kongress des VBK in der Leitung der Berliner Bezirksorganisation durchgeführten offensiven Maßnahmen und kadermäßigen Veränderungen weitere öffentlichkeitswirksame Aktivitäten feindlicher Kräfte unter Ausnutzung des Verbandes unterbunden.
Von progressiven Kräften wird eingeschätzt, dass jedoch zur Stabilisierung dieses Prozesses, zur weiteren Formierung der progressiven Kräfte noch konsequentere Maßnahmen seitens der zentralen Leitung des VBK und der Leitung der Berliner Bezirksorganisation des VBK erforderlich seien. Sowohl bei der Durchführung der Sektionswahlen als auch bei der Vorbereitung und Durchführung der Berliner Bezirksdelegiertenkonferenz habe es an einer straffen Führungstätigkeit des Bezirkssekretariates gemangelt.
Auch namhafte und international anerkannte Künstler würden sich nicht ausreichend im Sinne einer progressiven Entwicklung des Verbandes engagieren. Zwar habe sich das politisch klare Auftreten des Präsidenten des VBK der DDR, Genossen Willi Sitte, und des 1. Sekretärs des Verbandes, Genossen Horst Kolodziej,81 z. B. in der Auseinandersetzung mit der Bohley und deren Sympathisanten positiv auf den Prozess der Zurückdrängung feindlicher Einflüsse in der Berliner Bezirksorganisation ausgewirkt, sei insgesamt jedoch als Kampagne einzuschätzen.
Befremden habe bei einer Reihe progressiver Mitglieder der Berliner Bezirksorganisation des VBK in den Auseinandersetzungen mit der Bohley und deren Sympathisanten die politische Zurückhaltung namhafter Künstler, wie Genossen Prof. Walter Womacka82 und Genossen Prof. Günter Brendel,83 ausgelöst.
Genosse Womacka sei überhaupt nicht in Erscheinung getreten und Genosse Brendel habe eine labile Haltung bezogen, durch die die politische Bedeutung dieser Auseinandersetzungen eher verwischt worden sei.
Von progressiven Kräften wurde weiter darauf verwiesen, dass die kulturpolitische Wirksamkeit leitender Mitarbeiter der Abteilung Bildende Kunst des Zentralvorstandes des VBK (z. B. [Name 2, Vorname] ([Funktion]), Degenkolb, Jochen,84 [Name 3, Vorname]), die u. a. für die Anleitung der Sektionsleitungen Maler/Grafiker der Bezirksverbände verantwortlich sind, ungenügend sei.
Vereinzelt wird von Mitarbeitern und Funktionären der Vorstände die Meinung vertreten, wonach sie nur für die künstlerische Seite zuständig seien und nicht für politische Fragen.
Hinweisen zufolge würden diese Haltungen durch politisch-ideologische »Windstille« im Zentralvorstand des Verbandes begünstigt. (Über 50 % der Mitarbeiter des Zentralvorstandes sind parteilos.)
Ähnliche Hinweise liegen aus einer Reihe Bezirksorganisationen des VBK vor. Dabei wird hervorgehoben, dass Inkonsequenz und Sorglosigkeit seitens verschiedener Leitungen der Bezirksverbände in der Auseinandersetzung mit politisch indifferenten und feindlich-negativen Haltungen von Verbandsmitgliedern sich hemmend auf die weitere Durchsetzung der Kulturpolitik unserer Partei auswirken und progressive Kräfte sich deshalb immer mehr von der aktiven Verbandsarbeit zurückziehen würden.
Aufgrund fehlender Bereitschaft geeigneter Kader wurden bei der Besetzung von Funktionen in Sektionsleitungen einiger Bezirksverbände politische und fachliche Zugeständnisse gemacht.
In Dresden konnte beispielsweise die Wahl von Schulze, Peter85 und Schlegel, Christine,86 die eine negative Grundhaltung zu unserem Staat haben, in die Sektionsleitung Maler/Grafiker nicht verhindert werden.
Auch bei der Wiederwahl der bereits genannten Stürmer-Alex als Vorsitzende der Sektion Maler/Grafiker in Frankfurt/O. verhalte es sich ähnlich.
In die Sektionsleitung der Kunstwissenschaftler des Bezirksverbandes Berlin wurden politisch-negative bzw. labile Personen, wie Dr. Werner, Klaus (aus seiner Funktion entfernter ehemaliger Leiter der Galerie »Arkade« in Berlin) und Flügge, Matthias87 (Redakteur der Zeitschrift »Bildende Kunst«) gewählt.
Im Bezirksverband Cottbus wurde seitens der Leitung vor konsequenten politisch-ideologischen Auseinandersetzungen mit Verbandsmitgliedern wie Scheuerecker, Hans,88 Böckelmann, Paul89 und Richter, Ulrich,90 die bürgerlich-dekadente, den sozialistischen Realismus ablehnende politisch-künstlerische Auffassungen vertreten, ausgewichen. Der Parteisekretär des Cottbuser Bezirksverbandes äußerte im Zusammenhang mit dem Ersuchen eines Verbandsmitgliedes auf Übersiedlung in die BRD, dass Auseinandersetzungen dazu keine Angelegenheit des Verbandes seien, da der Betreffende seinen Antrag bei der Abteilung Inneres gestellt habe.
Profilierte Maler wie Tübke und Mattheuer91 blieben der Sektionswahlversammlung fern. (Sie weilten zum gleichen Zeitpunkt auf einem Empfang anlässlich der Verleihung der Ehrendoktorwürde der Karl-Marx-Universität Leipzig an den BRD-Kunstsammler Ludwig.) Die Wahlversammlung ihrer Sektion bezeichneten sie intern als »Nichtigkeit«.
Die Situation unter dem künstlerischen Nachwuchs wird von progressiven Kräften wie folgt eingeschätzt:
Vorhandene Bemühungen um die politische Gewinnung und Profilierung von Nachwuchskünstlern in allen Bezirksorganisationen des VBK der DDR würden teilweise durch die bereits genannten Mängel in der politisch-ideologischen Arbeit der Leitungen als auch durch das Fehlen geeigneter politisch und künstlerisch anerkannter Mentoren und Leiter von Arbeitsgruppen »Junge Künstler« behindert.
Das führe teilweise dazu, dass Nachwuchskünstler sich von politisch-negativen Künstlern beeinflussen ließen, sich deren politisch-künstlerische Auffassungen zu eigen machen und sich dem Einfluss der Gesellschaft entziehen.
Als weiterer Schwerpunkt wird von progressiven Kräften die nicht ausreichende Wirksamkeit der marxistisch-leninistischen Erziehung und Bildung an den künstlerischen Hochschulen gesehen. Hinweisen aus der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig zufolge werde die marxistisch-leninistische Grundausbildung z. T. als »notwendiges Übel« angesehen und führe nicht zu politisch gefestigten Haltungen der künftigen bildenden Künstler. Eine generelle Tendenz bestehe darin, dass gesellschaftliche Funktionen nur durch Studenten des 1. und 2. Studienjahres ausgeübt, später aber abgelehnt würden. Eine Folge dieser Erscheinungen sei, dass ein verhältnismäßig geringer Teil der Absolventen der Kunsthochschulen Mitglied oder Kandidat unserer Partei wird.
Probleme und Schwierigkeiten in der Arbeit mit dem künstlerischen Nachwuchs würden sich weiter aus der Tatsache ergeben, dass ein nicht unbedeutender Teil der Absolventen der Kunsthochschulen nach Beendigung des Studiums keine Bereitschaft zeige, den Studienort zu verlassen, auch wenn dort kaum Aussicht bestehe, geeignete Arbeitsmöglichkeiten und Aufträge zu erhalten. Das habe u. a. dazu beigetragen, dass fast 60 % aller Mitglieder und Kandidaten des VBK der DDR in Berlin, Dresden und Leipzig konzentriert sind.
Von Nachwuchskünstlern wird die Auffassung vertreten, man »stellt sich selbst ins Abseits«, wenn man sich »irgendwo in der Republik« niederlässt.
In einigen Fällen schätzten Nachwuchskünstler ein, dass die Anleitung, Unterstützung und Aufmerksamkeit des Vorstandes des VBK für die bestehende Arbeitsgruppe »Junge Künstler« (die durch den Vorstand selbst geschaffen wurde), nicht den Anforderungen entspräche. Das beträfe vor allem die ungenügende Beschäftigung mit Problemen junger Künstler und die Beratung konkreter Maßnahmen zur wirksamen Einbeziehung von Nachwuchskünstlern in die Verbandsarbeit.
Die Folge davon sei, dass ein großer Teil der Mitglieder der zentralen Arbeitsgruppe »Junge Künstler« Tagungen dieser Arbeitsgruppe nicht mehr besuche.
Im Mittelpunkt einer Reihe individueller Gespräche, aber auch Diskussionen im Rahmen der Sektions- und Verbandswahlen, standen Probleme und Schwierigkeiten bildender Künstler hinsichtlich ihrer finanziellen und materiellen Lage. Als eine Ursache nannten sie den Rückgang der Vergabe staatlicher und gesellschaftlicher Aufträge an Mitglieder des Verbandes.
Einschätzungen aus der Bezirksorganisation Potsdam zufolge standen 1978 1,7 Mio. Mark Honorar für Aufträge zur Verfügung, 1982 aber nur noch 314 TM. Der Rückgang von Aufträgen wird u. a. darauf zurückgeführt, dass der komplexe Wohnungsbau nicht mehr in entsprechenden Größenordnungen erfolge und den Betrieben, Einrichtungen und örtlichen Organen Fonds für künstlerische Zwecke nicht mehr in dem Ausmaß früherer Jahre zur Verfügung stünden.
Ähnliche Hinweise liegen aus den Bezirksorganisationen Berlin, Rostock und Suhl vor. Eine kontinuierliche gezielte Auftragsarbeit, insbesondere für Nachwuchskünstler, sei nicht gewährleistet, sodass diese Künstler von »Gelegenheitsarbeiten« existierten.
Die Folgen dieser Situation seien
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zunehmende Verunsicherung hinsichtlich des Erhalts von Aufträgen,
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Verbitterung darüber, dass der Rückgang an Aufträgen mit teilweise erheblichen finanziellen und sozialen Beschränkungen verbunden sei,
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zunehmende »Rivalität« der Künstler untereinander bei der Verteilung von Aufträgen.
Bei Kunsthandwerkern wurden teilweise erregte Diskussionen über »zu hohe Preise und Zinsen« bei Edelmetallen geführt, die zu wirtschaftlichen und sozialen Schwierigkeiten bei diesen Künstlern führten.
In der Wahlversammlung der Sektion Kunsthandwerker der Bezirksorganisation Rostock wurde beschlossen, an die Eingabenkommission des VBK der DDR einen entsprechenden Brief zu diesem Problem zu richten.
Zu beachten sind nach intern vorliegenden Hinweisen individuell geäußerte Meinungen des Malers und Rektors der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig, Prof. Bernhard Heisig, wonach
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die weitere internationale Anerkennung der DDR-Kunst und unser Streben nach Weltgeltung eine erhebliche Erweiterung der Reisemöglichkeiten von DDR-Künstlern ins westliche Ausland bedinge,
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die gegenwärtigen Beschränkungen der Reisegenehmigungen auf einen kleinen »privilegierten« Teil von Künstlern untragbar seien und die Gefahr einer Spaltung des VBK in sich bergen und
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der IX. Verbandskongress sich diesen Fragen stellen müsse.
Nach Auffassungen Prof. Heisigs müsse sich die Parteiführung »dazu etwas einfallen lassen«.
Aufgrund der in der Vergangenheit gezeigten Verhaltensweisen Heisigs besteht die Möglichkeit, dass er diese Probleme – ohne vorherige Abstimmung – auf dem IX. Verbandskongress zur Sprache bringt.
Diese Information – auch wenn Teile davon bekannt sein dürften – wurde erarbeitet, um zur Übersicht über beachtenswerte Probleme beizutragen.