Jahrestreffen »Aktion Sühnezeichen«
7. Januar 1983
Information Nr. 24/83 über das Jahrestreffen der »Aktion Sühnezeichen« in der DDR vom 27. bis 29. Dezember 1982 in Berlin-Weißensee (Stephanusstift)
In der Zeit vom 27. bis 29. Dezember 1982 fand im Stephanusstift in Berlin-Weißensee das Jahrestreffen 1982 der »Aktion Sühnezeichen«1 (AS) unter dem Thema »Bausteine zum Frieden« statt.
An der Veranstaltung nahmen ca. 270 geladene Personen aus der DDR, davon überwiegend Jugendliche, teil.
Dabei handelt es sich vorwiegend um solche Personen, die 1982 an Arbeitseinsätzen (sogenannten Aufbaulagern) der AS in diakonischen Einrichtungen sowie in nationalen Mahn- und Gedenkstätten der DDR teilnahmen.
Aus der BRD bzw. Westberlin waren anwesend:
Wolfgang Brinkel2 (37), wohnhaft in Oberteubingen, Geschäftsführer der »Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste e.V.« (ASF) in Westberlin, und Johannes Müller3 (74), wohnhaft in Westberlin, Beisitzer im Vorstand der »ASF« in Westberlin.
Das Jahrestreffen1982 wurde durch den Leiter der AS Superintendent Magirius4 (Leipzig) eröffnet.
Magirius berichtete über die von AS 1982 in der DDR durchgeführten Aufbaulager sowie über einen Arbeitseinsatz einer kirchlichen Gruppe des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR im Kinderkrankenhaus in Warschau. (Dazu lag eine Genehmigung des Staatssekretärs für Kirchenfragen, Genossen Gysi,5 vor.)
Auf das Thema »Bausteine zum Frieden« eingehend, erläuterte Magirius aus theologisch-historischer Sicht die Stellung namhafter kirchlicher Persönlichkeiten (z. B. Bischof Augustinus,6 Martin Luther,7 Dietrich Bonhoeffer8) zum Frieden.
Magirius betonte, die Christen in der Welt hätten die Aufgabe übernommen, als Friedensstifter zu wirken. Die christliche Friedensarbeit in der DDR werde vom Staat teilweise akzeptiert.
Zu Fragen des Wehrdienstes und zur Wehrerziehung an den Schulen seien unterschiedliche Standpunkte sichtbar geworden, die auch in stattgefundenen Gesprächen zwischen Vertretern Staat – Kirche nicht wesentlich abgebaut worden seien. Dennoch hätten diese Gespräche zu einer Annäherung der Standpunkte beider Seiten in der Friedensfrage geführt.
Magirius teilte mit, dass von der AS für den 23. März 1983 anlässlich des 39. Jahrestages des Aufstandes im Warschauer Ghetto9 und für den 30. April 1983 (25 Jahre AS) Gedenkveranstaltungen geplant seien. (Zum Verlauf und Ort der Veranstaltungen wurden keine Aussagen getroffen.)
Der katholische Bischof Huhn10 (Apostolischer Administrator in der Apostolischen Administration Görlitz) sprach am 27. Dezember 1982 zu den Teilnehmern ein Grußwort, in dem er sich vordergründig mit den Begriffen »Angst« und »Vertrauen« aus theologischer Sicht befasste.
Huhn hob hervor, die Kirche würde den Raum dafür bieten, Ängste abzubauen und Vertrauen zu schaffen.
Am 28. Dezember 1982 trat Bischof Dr. Forck11 (Berlin) auf und referierte »zur kirchlichen Lage«.
Er verwies darauf, dass sich das »Verhältnis« zwischen der evangelischen und der katholischen Kirche in der DDR in letzter Zeit verschlechtert habe. Gemeinsame kirchliche Veranstaltungen wie Abendmahl und Gottesdienste seien gegenwärtig nicht möglich, da seitens der katholischen Geistlichen kein Interesse daran bestehe.
Zum Verhältnis Staat – Kirche führte Forck sinngemäß aus: Es sei zu erkennen, dass der Staat ein »normales Verhältnis« zur Kirche anstrebe. Die im Jahre 1982 mit Vertretern des Staates geführten Gespräche seien gut verlaufen, trotz einiger Unklarheiten betreffs der Aufnäher »Schwerter zu Pflugscharen«.12
Im Gegensatz zu vergangenen Jahren sei das Wirken Martin Luthers heute in der DDR anerkannt.13 Der Staat habe erkannt, dass die Kirche nicht abgeschafft werden könne. Dennoch seien aus der Sicht der Kirche auch künftig Konfrontationen nicht vermeidbar, da die Kirche »allein Gott gefällig sei und dem Staat nicht zu Munde reden« werde.
In seinen weiteren Ausführungen beschäftigte sich Forck mit Fragen der Wehrdienstverweigerung von Christen in der DDR. Er teilte mit, dass die Zahl der Personen, die als Bausoldaten14 dienen wollten bzw. den Wehrdienst verweigert hätten, zugenommen habe. In dieser Frage vertrete der Staat einen konsequenten Kurs. Er wende zunehmend strafrechtliche Maßnahmen gegen diese Personen an.
Am 29. Dezember 1982 hielt Bischof Dr. Krusche15 (Magdeburg) einen Vortrag zum Thema »Was können wir tun?«.
Krusche erklärte, die Friedensfrage sei in den Ost-West-Konflikt »eingebunden«. In der DDR seien 1982 verschiedene Versuche christlicher Friedensinitiativen unternommen worden, von denen einige nicht realisiert werden konnten; aber allein der Versuch, nach Wegen und Möglichkeiten zu suchen, wäre bedeutungsvoll. Die Resignation des Einzelnen könne nichts ausrichten. Es müsse erreicht werden, alle möglichen potenziellen Opfer eines Krieges für den Kampf um die Erhaltung des Friedens zu gewinnen. Es sei falsch, alle Aktivitäten auf diesem Feld den Politikern und Militärs allein zu überlassen.
Krusche nannte den Frieden »ein Gebot Gottes«. Es sei die Pflicht eines jeden Menschen, für einen umfassenden Frieden einzutreten. Die Verhinderung eines neuen Weltkrieges bezeichnete er als ersten Schritt zum Frieden.
Dazu sei notwendig, die Friedenskräfte in den westlichen Staaten zu unterstützen. Krusche forderte die Teilnehmer auf mitzuhelfen, die Stationierung neuer NATO-Raketen in Westeuropa zu verhindern.16
Am 29. Dezember 1982 fand die Wahl des neuen Leiters der »Aktion Sühnezeichen« in der DDR statt, wobei Pfarrer Werner Liedtke,17 geb. am [Tag, Monat] 1937 in Sensburg, wohnhaft 8921 Kollm/Kreis Niesky, Nr. 94 (Pfarrhaus), dieses Amt erhielt.
Während des Jahrestreffens wurde eine Kollekte für »Friedensdienste« gesammelt.
Das Jahrestreffen wurde am 29. Dezember 1982 mit einem »Abend der Begegnung« im Gemeindehaus der Immanuelkirche in Berlin-Prenzlauer Berg beendet.
Während des gesamten Verlaufes des Jahrestreffens wurden keine feindlich-negativen Aktivitäten von Teilnehmern des Treffens festgestellt.
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