Kirchliche Aktion »Fasten für das Leben«
18. August 1983
Information Nr. 280/83 über den weiteren Verlauf der kirchlichen Aktion »Fasten für das Leben« in der Erlöserkirche Berlin-Lichtenberg
Im Zusammenhang mit Aktivitäten kirchlicher und feindlich-negativer Kräfte und Gruppen in der DDR zum Jahrestag des Atombombenabwurfes auf Hiroshima begann am 6. August 1983 in der Erlöserkirche Berlin-Lichtenberg eine Aktion »Fasten für das Leben«, die bis zum 12. August 1983 weitergeführt wurde.1
Ergänzend zur Information des MfS Nr. 269/83 vom 9. August 1983, in der über den Beginn dieser Aktion berichtet wurde, ist einzuschätzen:
Reaktionäre kirchliche und andere feindlich-negative Kräfte haben im Rahmen dieser Aktion Festlegungen der Leitung der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg, den religiösen Charakter dieser Veranstaltungen zu wahren und nicht politisch zu missbrauchen, unterlaufen.
Die von kirchenleitenden Kräften in Gesprächen gegenüber Vertretern des Staatsapparates diesbezüglich abgegebenen Zusagen wurden nicht eingehalten. Fast alle Veranstaltungen im Rahmen der Aktion »Fasten für das Leben«, besonders die täglich in der Zeit von 19.00 Uhr bis 21.00 Uhr durchgeführten Vorträge und Diskussionsrunden, an denen bis zu 60 Personen teilnahmen, trugen nicht ausschließlich religiösen Charakter, sondern waren politisch negativ akzentuiert und enthielten offene Angriffe gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung in der DDR sowie gegen die Friedens-,Verteidigungs- und Sicherheitspolitik der Partei und Regierung der DDR. Es wurden Forderungen nach »Gewährleistung der Menschenrechte« und nach »Religions-, Presse- und Meinungsfreiheit« in der DDR vorgetragen. Ferner wurden alternative Sozialismusvorstellungen propagiert und auf Möglichkeiten des gewaltfreien Widerstandes auch in der DDR verwiesen, um »politischen Druck auszuüben und gesellschaftliche Veränderungen herbeizuführen«.
An den verschiedenen Veranstaltungen waren dem MfS hinlänglich bekannte, nicht kirchlich gebundene feindlich-negative Kräfte beteiligt.
Eine sogenannte Fastengruppe von ca. 20 Personen – zu diesen gehörten die wegen feindlich-negativer Handlungen bekannten Pfarrer Tschiche2 und Linke,3 die Personen Bärbel Bohley,4 Katja Havemann,5 Barbe Maria Linke6 sowie Gerd Poppe7 – übernachtete in der »Fastenwoche« in der Erlöserkirche. Diese Personen verpflichteten sich öffentlich, ihre Aktion an jedem Mittwoch individuell so lange fortzusetzen, wie die »an drei unterschiedlichen Orten der westlichen Welt« fastenden zehn Personen.8 Sympathisanten wurden aufgefordert, sich mit ihnen in Verbindung zu setzen.
Zu den einzelnen Tagesveranstaltungen wurden folgende bedeutsame Hinweise bekannt:
Die Veranstaltung am 8. August 1983 stand unter dem Thema »Rüstung tötet Leben« und wurde von Pfarrer Linke (Neuenhagen) sowie dem Mitglied des »Friedenskreises« – Gruppe Umwelt der Samaritergemeinde,9 Köhn,10 geleitet. Unter den ca. 30 Teilnehmern wurden zehn Personen als Einwohner Westberlins identifiziert. Pfarrer Linke rief dazu auf, das »Friedensfasten« gemeinsam mit in Westberlin Fastenden fortzusetzen. Im gleichen Zusammenhang stand die Bekanntgabe eines Briefes der »Fastengruppe in der Erlöserkirche«11 an eine Westberliner Frauengruppe »Fasten für das Leben«,12 in welchem besonders auf blockübergreifende Aktionen »in West und Ost« verwiesen wird (Kopie des Briefes als Anlage 1 beigefügt).
Unter dem Thema »Frieden und menschliche Würde« stand die Veranstaltung am 9. August 1983. Unter den ca. 60 Teilnehmern wurden erneut Einwohner Westberlins sowie Personen einer sogenannten Frauengruppe und einer sich formierenden Gruppe von Homosexuellen13 festgestellt. Der Sohn des hinlänglich bekannten Pfarrers Tschiche aus Magdeburg, Wolfram Tschiche, referierte zum Thema »Menschenrechte«. Nach anfänglich realistischen Einschätzungen enthielten seine weiteren Darlegungen zunehmend Äußerungen feindlich-negativen Charakters. So führte er u. a. aus, dass
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viele der Menschenrechte in der DDR nur auf dem Papier stehen würden,
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in der DDR eine »Freizügigkeit einschließlich der Ausreisemöglichkeit« für DDR-Bürger fehle,
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die Religionsfreiheit in der DDR eingeschränkt sei,
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es für Eltern unmöglich sei, ihre Kinder in einer anderen Weltanschauung als der marxistischen zu erziehen,
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Presse- und Meinungsfreiheit nicht gegeben seien und
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Freiheiten für in der DDR lebende Minderheiten fehlen würden.
Auf Initiative der Bärbel Bohley wurde von den Veranstaltungsteilnehmern die Abfassung eines Briefes einer sogenannten Frauengruppe in der DDR14 an die Abrüstungskonferenz der UNO in Genf15 beschlossenen (Vertraulichen Informationen zufolge soll dieser Brief nach seiner Fertigstellung bei einer Zusammenkunft des sogenannten Kernkreises der »Frauengruppe« am 1. September 1983 im Wortlaut beschlossen und danach zur Unterschriftensammlung unter den in diese Aktion einbezogenen Frauen in Umlauf gesetzt werden.)16
Zum Zeitpunkt der Veranstaltung waren in der Erlöserkirche Bilder zur sogenannten Jenaer Szene17 sowie die Kopie eines Briefes des ehemaligen DDR-Bürgers Roland Jahn18 an den Vorsitzenden des Staatsrates der DDR ausgelegt.19
Das Motto der Veranstaltung am 10. August 1983 lautete: »Leben ohne Gewalt« (Leitung Pfarrer Linke).Vor den ca. 60 Teilnehmern, darunter Einwohner aus Westberlin, Personen aus Österreich sowie eine Mitarbeiterin der Zeitschrift »Zeit« aus Hamburg/BRD, referierte eine männliche Person (an der Identifizierung dieser Person wird gearbeitet) zur Problematik »gewaltfreier Widerstand«. Der Referent forderte in seinem Vortrag zum Nachdenken darüber auf, inwieweit auch in der DDR durch »gewaltfreie Aktionen vor Militärobjekten, durch Hungerstreiks und Wehrdienstverweigerung, Widerstand gegen das Wettrüsten geleistet werden könne«.
In der Diskussion wurde Bezug genommen auf die Ereignisse in Jena20 und auf »Erfahrungen mit gewaltfreien Aktionen in der DDR« verwiesen.
Mehrere dem MfS namentlich bekannte Veranstaltungsteilnehmer nahmen nach vorliegenden vertraulichen Informationen Kontakt zu der Mitarbeiterin der BRD-Zeitschrift »Zeit« auf und übergaben dieser teilweise schriftliche Unterlagen.
Die Leitung der Veranstaltung am 11. August 1983 zum Thema »Leben mit falschen Werten«21 hatte der Poppe, Gerd. (Poppe gehört seit 1974 verschiedenen Gruppierungen an, deren Mitglieder teilweise mit staatsfeindlicher Zielstellung sogenannte politische Zirkel und Diskussionsrunden organisierten. Er führt fortgesetzt in seiner Wohnung in Berlin Lesungen feindlich-negativen Charakters durch. Poppe ist nicht kirchlich gebunden.) Vor ca. 50 Teilnehmern, zu denen kurzzeitig auch Pfarrer Eppelmann22 gehörte, las Poppe aus einem angeblich eigenen Manuskript zu Problemen »Umweltzerstörung in der DDR«. Er diffamierte in seinen Ausführungen den realen Sozialismus in der DDR, der angeblich durch »Korruption der Parteispitze« und durch »Willkür« sowie »Machenschaften gegenüber den Menschen in der Produktion« gekennzeichnet sei. Nach seinen Auffassungen seien weder der Sozialismus noch der Kapitalismus in der Lage, diese Probleme zu lösen. Schlussfolgernd führte Poppe aus, dass ein »neues Sozialismusmodell erforderlich sei, das, basierend auf einer dezentralisierten privaten Produktion, die Vorteile der privaten Marktwirtschaft gewährleisten solle«.
Ein bereits am Vortag feindlich-negativ in Erscheinung getretener Veranstaltungsteilnehmer lehnte in der Diskussion den Kommunismus »generell« ab und erklärte, dass ein sinnvolles Leben im Sozialismus angeblich nicht möglich sei.
Weitere Diskussionsteilnehmer verwiesen darauf, dass die wachsende Umweltbelastung neue Überlegungen und Maßnahmen erforderlich machen, die jedoch angeblich durch die gesellschaftlichen Verhältnisse in der DDR verhindert würden. Zur Lösung dieser Probleme könne nur eine »starke Friedensbewegung in der DDR« beitragen.
Die Abschlussveranstaltung am 12. August 1983 leitete erneut Pfarrer Linke. Sie wurde mit einem »Abschlussgottesdienst«, an dem ca. 50 Personen teilnahmen, beendet. Dieser Gottesdienst gliederte sich in Einführungspredigt, Rollenspiel und Fastenmahl.
Im Rollenspiel legten die Teilnehmer der »Fastengruppe in der Erlöserkirche« ihre in der Fastenwoche angeblich gewonnenen persönlichen »Eindrücke und Erkenntnisse« dar.
Sie bezeichneten die »Fastenwoche« als einen Erfolg. Die Methode des Fastens schätzten sie als geeignetes Mittel ein, um politischen Druck auszuüben, gesellschaftliche Veränderungen bzw. neue gesellschaftliche »Modelle« anzustreben und gegen »Willkür« aufzutreten. Sie erklärten, dass das »Fasten« eine Art von »persönlicher alternativer Lebensweise« darstelle, die verbreitet werden müsse, um möglichst viele Menschen zu erreichen.
Ferner gaben sie bekannt, eine »umfangreiche theoretische Arbeit« geleistet und einen Brief an den Vorsitzenden des Staatsrates der DDR verfasst zu haben. (Wortlaut Anlage 2)
Die Abschlusspredigt und das »Fastenmahl« trugen rein theologischen Charakter.
Am 12. August 1983 beabsichtigte ein Kamerateam der ARD und des ZDF in der Erlöserkirche Filmaufnahmen zu machen. Sie wurden durch den für die Erlöserkirche zuständigen Pfarrer Langhammer23 vom Kirchengelände verwiesen. Danach machten sie mit der »Fastengruppe« vor dem Gelände der Kirche Filmaufnahmen und führten Interviews durch.
Während der Abschlussveranstaltung wurde auf folgende geplante Aktivitäten verwiesen:
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Durchführung eines sogenannten Friedensausfluges am 3. September1983 zum »Soldatenfriedhof« Halbe;24
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Auswertung der »Fastenwoche in der Erlöserkirche«25 am17. September 1983 in der Auferstehungskirche in Berlin-Friedrichshain;
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Veranstaltung der sogenannten Frauengruppe am 17. September 1983 in der Auferstehungskirche in Berlin-Friedrichshain zum Thema »Frauen für den Frieden« (Veranstaltungsplan als Anlage 3).
In Auswertung und zur Zurückweisung während der kirchlichen Aktion »Fasten für das Leben« in der Samariter-Kirche festgestellten Missbrauchs religiöser Veranstaltungen für gegen die DDR gerichtete Handlungen und zur vorbeugenden Verhinderung der Weiterführung derartiger politisch motivierter Aktionen wird vorgeschlagen, dass
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der Staatssekretär für Kirchenfragen, Gen. Gysi,26 mit dem Bischof der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg, Forck27 (Berlin), und dem Konsistorialpräsidenten Stolpe28 (Berlin) sowie mit dem designierten Bischof der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen Demke29 (Magdeburg),
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der Stellvertreter des Oberbürgermeisters für Inneres, Gen. Stadtrat Hoffmann,30 mit dem Generalsuperintendenten Krusche31 (Berlin) und
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der Stellvertreter des Vorsitzenden des Rates des Kreises Strausberg für Inneres mit Pfarrer Linke (Neuenhagen)
Gespräche führen, in denen die kirchenleitenden Persönlichkeiten unter Hinweis auf den politischen Missbrauch der Aktion »Fasten für das Leben« in der Samariterkirche konsequent aufgefordert werden, energischere Maßnahmen zur Unterbindung des politischen Missbrauchs derartiger religiöser Veranstaltungen sowie zur Disziplinierung der Organisatoren durchzuführen.
Es sollte erwogen werden, weitere derartige »Fastenaktionen« nicht zu gestatten. Auf strafrechtliche Konsequenzen bei Nichtbefolgung dieser wiederholt vorgetragenen staatlichen Forderungen ist hinzuweisen. Ferner sollten die kirchenleitenden Persönlichkeiten beauflagt werden, den für den 3. September 1983 geplanten sogenannten Friedensausflug zum »Soldatenfriedhof« Halbe kirchlicherseits zu unterbinden.
Die Information ist wegen Quellengefährdung nur zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt.
Anlage 1 zur Information Nr. 280/83
An die West-Berliner Frauengruppe »Fasten für das Leben«!
Berlin/DDR, am 8.8.1983
Liebe Freunde!
Gemeinsam fasten wir in Ost und West – zur gleichen Zeit, aus gleichem Anlass, mit gleichen Befürchtungen und mit gleichen oder ähnlichen Hoffnungen. Es ist vielleicht das erste Mal, dass Aktionen dieser Art parallel in West und Ost laufen. Und das ohne vorherige Absprache! Wir fühlen uns ermutigt, wenn überall Menschen mit uns nach Abrüstung hungern. Wir haben das bereits in den ersten Tagen in der Erlöserkirche erfahren: Ursprünglich zwölf, sind wir bereits 19, die an der Aktion »Fasten für das Leben« teilnehmen. Aus allen Richtungen trafen Berichte von fastenden Gruppen ein, so auch von Euch. Ihr fastet, wie auch einige Gruppen in der DDR, vom 6. bis zum 9. August. Danach brecht Ihr zu einem Friedensmarsch nach Genf32 auf. Wir würden gern noch mehr über Euch erfahren.
Für uns ist das einwöchige Fasten kein Selbstzweck, sondern wir verstehen es als eine Bekräftigung unserer Bemühungen, uns der drohenden Weltkatastrophe entgegenzustellen. Deshalb arbeiten wir in dieser Woche thematisch an Fragen, die unser aller Leben betreffen. Das erste Thema »Verantwortung für das Leben« fragte nach Interpretationsmöglichkeiten biblischer Aussagen für unser Leben. Wir sind herausgefordert, die Erde bewohnbar zu erhalten und allen Menschen ein würdiges Leben zu ermöglichen. Diese Aufgabe vereint Menschen aller Weltanschauungen, auch über Grenzen hinweg.
Gleichzeitig diskutieren wir kritisch die Konsequenzen der industriellen Entwicklung. Wir wehren uns dagegen, fragwürdige Werte militärisch verteidigen zu müssen. Die Abrüstungsverhandlungen haben den Rüstungswettlauf nicht stoppen können. Die Situation erfordert den Widerstand aller Betroffenen.
Wir verbünden uns mit allen, die Schwerter zu Pflugscharen umschmieden wollen und grüßen Euch Fastende ganz herzlich
[Handschriftliche Unterschriften der unten aufgelisteten Personen]
Fastengruppe in der Erlöserkirche (Dietmar Linke, Gerd Poppe, Martin Böttger,33 Rommy Mehner,34 Hans-Jochen Tschiche, Gisela Decker,35 Barbe Maria Linke, Bärbel Bohley, Martin König,36 Wolfram Tschiche, [Vorname Name 1], Matthias Holst,37 Volker Hesse,38 Ines Macion,39 Kerstin Wisniewski,40 [Vorname Name 2], Katja Havemann, Ute Delor,41 Peter Köhn)
aus Anlass des »Fastens für das Leben« und des Starts des Frauenfriedensmarsches Berlin-Genf42
Anlage 2 zur Information Nr. 280/83
Offener Brief
An den Vorsitzenden des Staatsrates der DDR, | Erich Honecker43 | 1020 Berlin | Marx-Engels-Platz | Berlin, den 11.8.1983
Sehr geehrter Herr Staatsratsvorsitzender!
Wenn die Abrüstungsverhandlungen in Genf in diesem Herbst zu keinem Ergebnis führen, sind wir der Zerstörung der menschlichen Zivilisation einen Schritt näher gekommen. Viele Menschen fürchten, dass die Kraft der Politiker nicht ausreicht, sich auf den risikovollen Weg des gegenseitigen Vertrauens zu wagen. Deshalb denken wir, dass die Menschen in den Ländern dieser Welt ermutigt werden müssen, sich der Politik der gegenseitigen Bedrohung zu verweigern. Wir sind der Meinung, dass viele Einzelne und Gruppen deutliche und unmissverständliche Zeichen setzen müssen, die ihren gewaltlosen Widerstand gegen die Politik des Unfriedens sichtbar machen.
Am Jahrestag des ersten Atombombenabwurfs – am 6. August 1983 – haben zehn Männer und Frauen an drei unterschiedlichen Orten der westlichen Welt ein unbefristetes Fasten für das Leben begonnen. Ihre erklärte Absicht ist es, solange keine Nahrung zu sich zu nehmen, bis im Zusammenhang mit den Genfer Abrüstungsgesprächen ein erster konkreter und ermutigender Schritt politische Wirklichkeit wird, der das Ende des atomaren Wettrüstens anzeigen könnte. Zehn Menschen werden sterben, wenn die Verantwortlichen zu keinem Ergebnis kommen. Wir sind Bürger dieses Landes und haben uns vom 6. bis zum 12. August 1983 in der Erlöserkirche in Berlin-Lichtenberg zu einem befristeten Fasten zusammengefunden, durch das wir unsere Solidarität mit den Zehn zum Ausdruck bringen. Andere unterstützen die Fastenaktion der Zehn, ohne sich jetzt direkt an unserer Aktion zu beteiligen. Wir appellieren an Ihr Gewissen und an das Gewissen der politischen Führungskräfte in der DDR nicht zuzulassen, dass zehn Menschen stellvertretend für den drohenden Tod der Menschheit in diesen Wochen sterben. Ihr Tod würde in uns die Furcht verstärken, dass der Tod der Vielen Wirklichkeit wird.
Die DDR-Regierung könnte ihre Bereitschaft erklären, dass bei einer weiteren Verzögerung oder gar dem Scheitern der Genfer Verhandlungen sie nicht bereit ist, auf ihrem Territorium Nuklearraketen aufstellen zu lassen. Das würde nach unserer Einsicht in keiner Weise ein Sicherheitsrisiko darstellen, weil das Abschreckungspotenzial der Staaten des Warschauer Vertrages44 ausreicht, um jeden Angriff zum selbstmörderischen Akt werden zu lassen. Vielleicht kann eine solche Bereitschaftserklärung eines kleinen Landes – wie der DDR – an einem Punkt nicht mitzudrohen, der Schritt sein, der zehn Menschen das Leben rettet und Hoffnung für Millionen sein wird.
Wir hoffen, dass unser Appell an Sie nicht ungehört verhallt.
Gruppe »Fasten für das Leben« in der Erlöserkirche Berlin
(Martin Böttger, Bärbel Bohley, Gisela Decker, Katja Havemann, Hans-Jochen Tschiche, Ute Delor, Ulrike Grunemann, Volker Hesse, Matthias Holst, Martin König, Roald Matscheroth, Rommy Mehner, Christoph-Johannes Möbius,45 Barbe Maria Linke, Dietmar Linke, Gerd Poppe, Wolfram Tschiche, Matthias Wolf46)
Antwort bitte an:
Martin König, 1120 Berlin, [Straße, Nr.]
Anlage 3 zur Information Nr. 280/83
Programm einer für den 17. September 1983 geplanten Veranstaltung der Frauengruppe unter dem Thema »Frauen für den Frieden« in der Auferstehungskirche in Berlin-Friedrichshain
17. September 1983
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16.30 Uhr – 18.00 Uhr Bildung von vier Gesprächsgruppen zu den Themen
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Kindererziehung
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Friedensdienst statt Kriegsdienst
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gegen die Verharmlosung des Krieges (richtet sich gegen Zivilverteidigung)47
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Sicherheit ist nur im Herzen deines Gegners (über Feindbilddenken)
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18.00 Uhr – 19.00 Uhr Gesprächsführung im Plenum
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19.00 Uhr – 20.00 Uhr Teestunde mit Musik (mit Musikgruppen aus der Gemeinde von Pfarrer Eppelmann)
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20.00 Uhr – 21.00 Uhr Liebesmahl gereicht mit Nachtgebet, anschließend feierlicher Ausklang
Gleichzeitig soll in zwei Räumen der Kirche eine Ausstellung der Frauengruppe über ihre geleisteten und geplanten Aktivitäten stattfinden sowie eine Verkaufsausstellung mit Kunsthandwerkerzeugnissen der Bärbel Bohley. Annedore Havemann will für die Ausstellung Postkarten vorbereiten und zur Verteilung bringen, auf denen Kontaktadressen aus dem westlichen Ausland zum Zwecke der Korrespondenzaufnahme angegeben sind.
Die Veranstaltung soll von der Frauengruppe vorbereitet und von der Pastorin Christa Sengespeick48 (Berlin) geleitet werden.