Konferenz der Ev. Kirchenleitungen der DDR, Berlin (1)
19. Januar 1983
Information Nr. 39/83 über den Verlauf der turnusmäßigen Tagung der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen (KKL) vom 7. bis 8. Januar 1983 in der Hauptstadt der DDR, Berlin
Am 7. und 8. Januar 1983 fand die 84. ordentliche Tagung der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen (KKL) in Berlin als Klausurtagung statt.
Auf der Zusammenkunft wurden eine Reihe Fragen behandelt, die beachtenswert erscheinen.
Die KKL fasste den Beschluss, die »Friedensdekade 1983« in der Zeit vom 6. bis 16. November 1983 durchzuführen. Eine Vorlage über Inhalt und Symbole der »Friedensdekade«1 soll für die im März 1983 stattfindende Tagung der KKL erarbeitet werden.
Bischof Hempel2/Dresden, der Sekretär des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR, Demke3 und das Mitglied der KKL Domke4/Potsdam, wurden beauftragt, gemeinsam mit noch zu benennenden Personen aus der evangelischen Jugendarbeit dazu die erforderlichen Vorstellungen zu erarbeiten und der KKL vorzulegen.
In Vorbereitung auf das Gespräch, das am 10. Januar 1983 beim Staatssekretär für Kirchenfragen der DDR mit dem Vorstand der KKL zu Problemen des Wehrdienstgesetzes5 stattfand, wurde festgelegt, dass Bischof Hempel/Dresden und Bischof Gienke6/Greifswald eingangs darauf hinweisen sollten, dass die in letzter Zeit durchgeführten Prozesse gegen Bausoldaten7 und Wehrdienstverweigerer, insbesondere aber die ausgesprochenen Urteile, große Unruhe innerhalb der evangelischen Kirche erzeugt hätten.
(In diesem Zusammenhang wurde darüber beraten, über welche »Beispiele« Gen. Gysi8 »informiert« werden sollte, in denen zu hohe Urteile ausgesprochen worden seien.)9
Die KKL stimmte einem schriftlichen Bericht zum Sachgespräch über die »sozialistische Lebensweise«, das am 9. Dezember 1982 beim Gen. Gysi stattfand, zu. Besonders von den Bischöfen Hempel, Gienke und Konsistorialpräsident Stolpe10 wurde die Nützlichkeit solcher Gespräche hervorgehoben.
Über die von der KKL dazu gebildete Meinung wurde ein schriftlicher Beschluss formuliert.
(Der Wortlaut dieses Beschlusses wird als Anlage beigefügt.)
Es erfolgte weiter eine Beratung darüber, ob dem Bau eines kirchlichen Krankenhauses in der Hauptstadt der DDR, Berlin, zugestimmt und dafür der Regierung der DDR 100 Millionen Valutamark zur Verfügung gestellt werden sollten.
In der längeren Debatte konnte keine Einigung erzielt werden. Es gab Meinungen gegen den Standort des kirchlichen Krankenhauses, da Berlin »ohnehin« durch die Regierung der DDR »ständig bevorzugt« würde. Die Kirche solle diesen Standpunkt nicht teilen. Andererseits gab es Auffassungen, das kirchliche »Herzberg-Krankenhaus« in Berlin-Lichtenberg völlig zu rekonstruieren und auszubauen. Die Debatte darüber wurde vertagt und der Leiter des Diakonischen Werkes, Dr. Petzold,11 beauftragt, der KKL im März 1983 eine Vorlage zur Entscheidung vorzulegen.
Bischof Rathke12/Schwerin gab einen Bericht über die Situation in den lutherischen Gemeinden in der UdSSR.
(Bischof Rathke hatte im Oktober 1982 im Auftrage des »Lutherischen Weltbundes«13 Kirchen in der Sowjetunion/Sowjetrepublik Kasachstan einen Besuch abgestattet.)
Rathke schätzte ein, dass die lutherischen Gemeinden in der UdSSR stärkere Unterstützung sowohl durch den »Lutherischen Weltbund«/Genf als auch durch die lutherischen Kirchen in der DDR erhalten müssten.
Der Einschätzung von Bischof Rathke zufolge sei die Russisch-Orthodoxe Kirche in der UdSSR staatlich »absolut abhängig« und würde diesen abhängigen Einfluss auf die lutherischen Gemeinden in der UdSSR übertragen. Bischof Rathke orientierte darauf, dem entgegenzuwirken und den lutherischen-Gemeinden in der UdSSR dahingehend Unterstützung zu geben, sich »unabhängiger« entwickeln zu können.
Die KKL legte fest, die Arbeit zur Auswertung der Weltkonferenz religiöser Friedenskräfte (Mai 1982 in Moskau) weiterzuführen.14 An möglichen Fortsetzungskonferenzen wolle sich der Bund der Evangelischen Kirchen (BEK) in der DDR beteiligen. Dafür verantwortlich gemacht wurden die Bischöfe Krusche15/Magdeburg und Rathke/Schwerin.
Die KKL beriet über Gespräche, welche mit dem Vorstand der evangelisch-methodistischen Kirche stattgefunden hatten. Diese Gespräche sollen theologisch fortgesetzt werden, ohne dass eine zunächst vorgesehene Vereinigung realisiert wird. Die Mehrheit der KKL sprach sich gegen einen Zusammenschluss mit der evangelisch-methodistischen Kirche aus.
Außerdem traf die KKL personelle und terminliche Festlegungen. So wurde Oberkonsistorialrat Gerhard Linn16/Berlin für das vom Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK)17 offiziell ausgeschriebene Amt des Direktors der Kommission für Evangelisation und Weltmission nominiert.
Weiterhin nahm die KKL zustimmend zur Kenntnis, dass folgende durch die evangelischen Kirchen in der DDR vorgeschlagene drei DDR-Bürger vom ÖRK als Stewards für die Vollversammlung des ÖRK in Vancouver 198318 bestätigt wurden:
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Gille, Barbara,19 Lehrerin, Evangelische Kirche der Kirchenprovinz Sachsen
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Dr. Worratz, Christine,20 Ärztin, Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsen
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Opitz, Ernst,21 Tischler, Evangelische Kirche des Görlitzer Kirchengebietes
Den Mitgliedern der KKL wurde während der Tagung zu deren Information eine Reihe mit dem »kirchlichen Friedensengagement« im Zusammenhang stehende Materialien ausgehändigt.
Darunter:
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Bericht über die 2. UNO-Sondersitzung für Abrüstung22 von Dr. Friedrich Huth23/Berlin;
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Erklärung des Reformierten Bundes »Das Bekenntnis zu Jesus Christus und die Friedensverantwortung der Kirchen« sowie das diesbezügliche Kommuniqué der EKD,24
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Protokoll zum staatlicherseits geführten Gespräch mit der KKL zum Thema »Sozialistische Lebensweise« am 9.12.1982.25
Die 85. ordentliche Tagung der KKL ist für den 11./12. März 1983 geplant.
(Die Materialien der KKL-Tagung liegen dem MfS im Original vor und können bei Bedarf angefordert werden.)
Die Information ist wegen Quellengefährdung nur zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt.
Anlage zur Information Nr. 39/83
[Beschluss der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen vom 8. Januar 1983]
Nicht zur Veröffentlichung bestimmt.
Auswertung des Sachgesprächs vom 9.12.1982
Die KKL hat auf ihrer 84. Tagung am 8.1.1983 eine erste Auswertung des Sachgespräches zum Thema »Sozialistische Lebensweise« vom 9.12.1982 vorgenommen.
Sie hält dieses Gespräch für sinnvoll. Seitens der staatlichen Gesprächspartner war das Bemühen spürbar, bestehende Verkrustungen aufzubrechen. Den kirchlichen Vertretern war es möglich, brennende Fragen im Bereich der Volksbildung, die das Verhältnis zwischen Staat und Kirche belasten, anzusprechen. Es bot Gelegenheit, bis ins Detail gehende Nöte von Menschen in unserer Gesellschaft mit aller Deutlichkeit dazulegen. Die KKL nahm in ihrem Auswertungsgespräch besonders die von den Bischöfen Dr. Hempel und Leich26 in ihren Eingangsbeiträgen vorgetragenen Beobachtungen, Beschwernisse und Bitten auf.
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Beschwernis bleibt, dass glaubensmäßige Bindung, Erkenntnis und Motivation als Anzeichen eines Erkenntnisrückstandes gewertet werden.
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Dass dort, wo Menschen eine solche Bindung, Erkenntnis und Motivation neu eingehen, das als entwicklungshemmend bewerten wird. Es wird ihm keine vorwärtsweisende konstruktive Bedeutung eingeräumt.
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Offensiv fehlen für die Schulwirklichkeit hinsichtlich klare zentrale Orientierungen, die Politik des Staates in Kirchenfragen im Bildungsbereich mit zu vollziehen und zu verwirklichen.
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Mehr als bisher sollte die innere Haltung christlicher Kinder, Jugendlicher und Erwachsener geachtet – nicht nur geduldet werden.
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Bei der Vermittlung der Weltanschauung des Marxismus-Leninismus sollten direkte und indirekte Gewissensbedrängungen unterbleiben.
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Bereitschaft kirchlich gebundener Kinder und Jugendlicher sowie christlicher Eltern an der Mitwirkung bei der Gestaltung schulischer Prozesse sollte als echter Beitrag gewertet und ihm entsprechende Möglichkeiten eingeräumt werden.
Die KKL hält dankbar fest, dass der Staatssekretär zum Abschluss des Gespräches seine Hilfe bei der Lösung der dargelegten Probleme in Aussicht gestellt hat.
Die KKL stellt mit Bedauern fest, dass an diesem Sachgespräch trotz Bitten der Kirche wiederum kein Vertreter der Volksbildung teilgenommen hat.
Das Prinzip der Trennung von Staat und Kirche erfordert, das Gespräch gerade in Bereichen zu suchen, in denen Gegensätze bestehen und der einzelne Christ vor Ort das Verhältnis von Staat und Kirche als nicht gut erfährt.
Dieses Gespräch, das sowohl Enttäuschungen als auch Ermutigungen enthielt, muss nach Auffassung der KKL fortgesetzt werden. Dabei hält es die Konferenz für dringend geboten, dass bei solchen auch Vertreter aus dem Bereich der Ausbildungsstätten beteiligt sind. Die im Evangelium begründete Sorge um Menschen und der von der Bundessynode gegebene Auftrag bestärken die KKL in ihrer Entschlossenheit, die Verwirklichung der vom Staatssekretär in Aussicht gestellten Hilfe dringend zu erbitten und dabei auf konkrete Ergebnisse zu drängen. Die KKL erinnert daran, dass der Vorsitzende des Staatsrates in der Begegnung am 6.3.197827 Gleichachtung und Gleichberechtigung für alle, besonders auch für junge Menschen, als Grundsatz der Verfassung ausdrücklich festgestellt hat.
Berlin, den 8. Januar 1982 | Der Vorsitzende der Konferenz | gez. Dr. Hempel | Landesbischof